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Die heiligen Engel

Nachdruck und Vervielfältigung jeder Art vorbehalten!

   
   





  

Inhaltsverzeichnis

Die heiligen Engel

von P. Wilhelm Ganspeck OSA
1738
mit kirchlicher Approbation

leicht gekürzt übertragen und ergänzt von Kl. Kiser
[... Anmerkungen von Kl. Kiser in Klammer ...]

Die hier wiedergegebene Lehre über die hl. Engel geht auf seriöse Theologen und Heilige zurück. Manches ist sicher im Bereich der theologischen Spekulation, wo dem Urteil der Kirche nicht vorgegriffen werden soll. Was hier dargelegt ist, besonders, die uns meist unbekannte Darlegung über die sieben Erzengel, ist eine seriös begründete Lehre. Letztlich wissen wir wenig über den Himmel und die hl. Engel. Da nicht alle Namen der sieben Erzengel in der Hl. Schrift erwähnt sind, wird im Anhang auch auf das Konzil von Rom verwiesen.

Nachdruck und Vervielfältigung jeder Art vorbehalten!

I. Teil Von allen heiligen Engeln

1. Kap. Natur und Eigenschaften der heiligen Engel

1.Der englische Lehrer (doctor angelicus), der hl. Thomas von Aquin, sagt: Ein Engel ist ein reiner Geist, ohne Leib und ohne Glieder. Er ist unsterblich und sein Leben gründet auf den unbeweglichen Säulen der Ewigkeit. Er kann nicht vom Tod berührt werden und sein Leben ist ohne Ende.
Er wird nicht geboren, wie der Mensch. Er ist nicht aus verschiedenen Elementen zusammengefügt und daher auch unverletzbar, so daß keine geschaffene Gewalt ihm etwas schaden kann. Er unterliegt keinem Durst und Hunger, weder Müdigkeit noch Krankheit, weder Hitze noch Kälte können ihm etwas anhaben. Er ist also frei von allen Lasten, denen wir armselige Menschen unterworfen sind.

2. Ein Engel ist daher unter allen geschaffenen Dingen das alleredelste Geschöpf, ja das lebendigste Bild seines Schöpfers und zwar so vortrefflich und überaus schönes Abbild, das die Strahlen und das Ebenbild der allerhöchsten und unbegreiflichen Majestät Gottes in sich trägt. Dem Menschen gereicht es zum Ruhm und zur Ehre, daß er als ein Ebenbild Gottes erschaffen wurde; vielmehr aber ist dieses Lob den Engeln zutreffend, weil er viel inniger als der Mensch seinem Schöpfer, dem allmächtigen Gott, gleicht. Dies bemerkt Papst Gregor der Große... Das Bild Gottes sei schöner, lebhafter herrlicher und gleichmäßiger in einem Engel ausgedrückt, da der Engel aus einer reineren Substanz und Wesenheit besteht als der Mensch.

3. Der hl. Bernhard sagt: Die Engel leben um so wahrhafter, als sie näher dem Leben, das Gott selbst ist, sind, der seinen königlichen Purpurmantel über sei ausbreitet. Unter diesem Purpur wird der Inbegriff aller anderen Geschöpfe und Vollkommenheiten verstanden, die sich in der Engelsnatur auf besondere Weise zusammenfinden, gleich wie wenn die Gestalt der ganzen Welt in den Reif eines kostbaren Ringes eingraviert wäre... Ebenso hat der Engel alle erschaffene Vortrefflichkeit, welche das lebendigste Bild der Vollkommenheit des Schöpfers ist.

4. Das Wesen der heiligen Engel ist so hoch und vortrefflich, ihre Majestät und Herrlichkeit so groß, daß es vom menschlichen Verstand weder ergründet noch beschrieben werden kann. Daher ist der geliebte Jünger Jesu, vor dem nichts als die Anschauung Gottes verborgen war, beim Anblick eines Engels so erschrocken, daß er vor ihm niedergefallen ist, weil er ihn für Gott selbst hielt, und ihn angebetet hätte, wenn ihm nicht der Engel dies verboten hätte (Offb. 22,9).
Der englische Lehrer Thomas pflichtet dem hl. Johannes bei, da er sagt: Ob noch ein anderes, als das göttliche Wesen gefunden werde, das unendlich sein könne? Und er gibt hierauf die Antwort: Das Wesen der Engel sei ganz rein und auf gewisse Art unendlich, da es eine besondere Beschaffenheit hat ohne Materie oder begrenzt zu werden. Die Natur der Engel kommt also der Göttlichen sehr nah, daher nennt sie der hl. Job Kinder Gottes / Göttersöhne. Der hl. David nennt sie wirklich Götter Ps 95: Ein großer Gott ist unser Herr, ein König über allen Göttern.
Wie ist es da uns irdischen Wesen ums Herz, da wir die unbegreifliche Wesenheit der Engel erkennen, diese aber nicht beachten, selten daran denken und kaum verehren? Wir sollten uns ins Herz hinein schämen, daß wir hier durch eitlen Hochmut uns so groß machen, obwohl wir gegenüber den heiligen Engeln schwache Geschöpfe sind! Dies wollen wir künftig besser beherzigen, uns gegenüber den Engeln bescheiden, dieselbe eifrig verehren und uns mit ihnen Gott unterwerfen.  
 

2. Kap. Wann und wo die hl. Engel erschaffen wurden und wie sie den Himmel verdient haben.

5. Manche Schriftsteller haben sich nicht ohne großen Grund verwundert, daß Moses in seinem Bericht über die Erschaffung der Welt, die Erschaffung der Engel, also der Seraphim, Cherubim und der anderen (neun) Chöre, welche ungleich edler und würdiger als alle übrigen Geschöpfe sind, mit Stillschweigen übergangen hat.
Dies hat mehrere Gründe,... so vermutet der hl. Augustinus, denn die Israeliten hätten glauben können, daß Gott die Hilfe dieser Geister bei der Erschaffung des Himmels und der Erde benötigt hätte, was ein grober Irrtum gewesen wäre. Andere Lehrer vermuten, daß die Israeliten in Anbetracht der Vortrefflichkeit und Hoheit der Engel, diese für Götter gehalten und angebetet hätten, wie sie sonst schon zur Abgötterei geneigt waren.

6. Obwohl nun im Schöpfungsbericht kein Wort von den Engeln zu lesen ist, stimmen die Lehrer überein, daß die Engel vor Sonne und Mond gleich am ersten Tag mit Himmel und Erde vom allmächtigen Gott aus dem Nichts hervorgebracht wurden. Sie begründen dies mit Job 38, wo Gott spricht: Wo warst du, als ich Himmel und Erde erschuf und mich damals schon die Morgensterne lobten und alle Göttersöhne frohlockten? Unter den Morgensternen und Söhnen Gottes, welche gleich am ersten Tag erschaffen wurden, werden die Engel verstanden. So ist der Ort und das Stammhaus der Engel der Himmel selbst, zwar nicht der sichtbare Himmel, sondern der unseren Augen entzogene Himmel, coelum empyreum nach P. Gelasius Hieber, wo die unendliche Majestät Gottes selbst wohnt.

7. Ferner ist zu bedenken, daß gleichwie Adam und Eva im Anfang ihrer Erschaffung mit der Gnade Gottes erfüllt waren,... ebenso waren die Engel in der Gnade Gottes erschaffen und mit den göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu Gott ausgestattet. Sie haben gleich von Anfang an Gott den Herrn erkannt, jedoch nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen, weil die klare Anschauung Gottes das Ziel und die Belohnung der Seligkeit ist, welche durch Verdienst mit der Gnade erreicht werden kann. Denn die Krone kann nicht ohne Kampf erlangt werden und die Belohnung nicht ohne Verdienst. Daher hat Gott, der Herr, die Engel, wie die Menschen, zu Pilgern gemacht, damit sie in diesem Stand und dem kurzen Zeitraum mittels des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe ihre empfangenen Gaben vermehren und die Anschauung Gottes verdienen.
Die Engel haben mit den Menschen die gleiche Verpflichtung gehabt, ihre übernatürliche Seligkeit nicht anders zu erreichen, als durch die göttlichen und übernatürlichen Tugenden... So haben sie in eben diesem ersten Augenblick ihrer Erschaffung Gott angebetet und geliebt. Die hl. Engel sind ihm treu angehangen und ihm treu geblieben, als die bösen, abtrünnigen und stolzen Engel, welche sich dem süßen Joch und dem Befehl Gottes nicht unterwerfen wollten. Diese sind sogleich wie ein Blitz in den Abgrund der Hölle hinabgestürzt...
Gott hat seine im Himmel so hoch und schön erschaffenen Engel wegen einer einzigen Sünde nicht verschont. Was wird uns erwarten, die wir viele und schwere Sünden begangen haben, wenn wir uns den bösen Engeln angleichen, nicht Buße tun und nicht künftig mit den guten Engeln ein engelhaftes Leben führen?  
 

3. Kap. Die große Zahl der hl. Engel

8. Die Scholastiker sind mit ihrem engelgleichen Lehrer (St. Thomas) der Meinung, daß Gott am Anfang eine so große Zahl englischer Geister aus dem Nichts erschaffen hat, daß diese Zahl schier ans Unendliche reiche. Der hl. Thomas sagt: Die Engel seien unzählbar und übertreffen alle anderen erschaffenen Dingen ihrer Zahl nach.
Dem stimmt der Dulder Job zu, der sagt: Vermeint ihr wohl, daß seine Soldaten, d.h. Gottes Thronbedienstete, Hofherren und Engel können gezählt werden? Als wollte er sagen, was untersteht ihr euch das zu zählen, was die Sterne am Firmament übertrifft...

9. Der Prophet Daniel, welcher das ganze himmlische Heer gesehen hat, versucht eine Zahl zu entwerfen, da er sagt: Tausendmal Tausend dienen ihm, Zehntausendmal Zehntausende stehen vor ihm (Dan. 7,10). Dies ist auch richtig, denn Gott ist der höchste Herrscher des ganzen Weltalls, der Herr der Heerscharen und der König der Engel. Diese sind seine Höflinge, Offiziere, Soldaten und Diener. Und wie es einem König zu größerem Ansehen und Ehre gereicht, je mehr dieser adlige Hofleute und Diener hat, so ist es passend, daß der allmächtige, unüberwindliche und göttliche Herrscher einen unzählbaren Hofstaat führt und ihm eine unzählbare Menge von Engeln aufwartet gemäß den Worten des Heiligen Geistes, der durch den Mund des Propheten spricht (Spr. 14,28): Ein starkes Volk ist eines Königs Ruhm, doch eine schwache Bürgerschaft des Fürsten Untergang.

10. Der hl. Thomas, dem wir, wenn er von den hl. Engeln redet, glauben können, da er der engelgleiche Lehrer ist, und der hl. Dionysius, ein Schüler des hl. Paulus, der die göttliche Wissenschaft im dritten Himmel unter den Erzengeln erlernt hat, sagen, daß die Zahl der Engel weit größer sei als die Zahl aller übrigen leiblichen Kreaturen. Sie bewiesen dies, weil Gott, der unendlich vollkommen ist, gewollt hat, daß die vollkommenen Dinge viel größer sind als die Unvollkommenen. So ist... die englische Natur vollkommener als alle körperlichen, materiellen Geschöpfe, folglich muß sie auch größer sein, nicht der Masse nach, sondern in der Anzahl.

11. Alexius von Salo erwähnt die Ansichten verschiedener Lehrer. Er bekräftigt zuerst den hl. Albert den Großen, der sagt: Es seien neun Chöre und jeder Chor habe seine bestimmten Legionen. eine Legion umfaßt 6666 Engel. [Jesus spricht von den Legionen der Engel.] 
Es seien soviel Legionen in jedem Chor als Engel seien in einer Legion. Folglich sind im untersten Chor der Schutzengel 6666 Legionen, d.h. 44.435.556, also über 44 Millionen Engel. Diese Zahl scheint zwar groß, aber viel zu klein für die anderen Lehrer, die behaupten, daß jeder Mensch von allen, die je gewesen sind und sein werden einen eigenen Schutzengel hat. Es wird also niemand den Schutzengel eines anderen erhalten. Daraus folgt, daß es so viel Schutzengel gibt, als es Menschen von Adam bis zum Ende der Welt geben wird. Wer nun diese Zahl errechnet, wird die Zahl der Schutzengel aus dem untersten Chor erahnen. (D.h. wohl über 15 Milliarden!)

12. Alexius schreibt ferner, daß andere Lehrer die Zahl der Engel von der Zahl der Menschen anfangend von Chor zu Chor zehnfach vermehren. Sie entnehmen dies aus den Offenbarungen der hl. Birgitta und Mechthild, welche sagen: Es seien zehnmal mehr Engel als Menschen, zehnmal mehr Erzengel als Engel, zehnmal mehr Fürstentümer als Erzengel, zehnmal mehr Gewalten als Fürstentümer, zehnmal mehr Mächte als Gewalten, zehnmal mehr Herrschaften als Mächte, zehnmal mehr Throne als Herrschaften, zehnmal mehr Cherub als Throne und zehnmal mehr Seraph als Cherub.
Daraus folgt, wenn im untersten Chor nur zehn Engel wären, so wären im obersten Chor eine Milliarde. Nimmt man aber die 6.666 Legionen, wie zuerst erwähnt oder die Zahl der Menschen für den untersten Chor, wohin steigt dann die Zahl der Seraphim?

13. Vinzenz Spargatius OP behauptet die Zahl der Seraphim sei so groß, daß deren achter Teil die Zahl aller übrigen acht Chöre übertreffe. Gleicherweise sei zu vermuten, daß der achte Teil der Cherubim sich ebenso die Zahl der Engel der übrigen sieben Chören übertreffe... Er errechnet die Zahl der guten Engel aus der Zahl der gefallenen Engel, deren Zahl er mit 466.666.000.000 angibt. Da nach der Hl. Schrift der dritte Teil abgefallen ist, so ist die Zahl der Engel zweimal soviel... Was wird es dann für eine unbeschreibliche Freude sein, im Himmel einst so unzählbare, so schöne und herrliche Geister zu ewigen ‚Mitbrüdern‘ zu haben. Wahrlich sie sind überaus würdig, daß sie von uns schon in diesem sterblichen Leben nach Kräften ohne Unterlaß geliebt, geehrt und angerufen zu werden. [Meine Überlegung ist etwas anders: Gewöhnlich ist in einer Hierarchie die Zahl der Untergebenen größer als die der Vorgesetzten. Da ferner jeder Mensch einen eigenen Schutzengel hat und nicht einen ‚pensionierten‘ eines früheren Erdenbürgers, so dürfte die Zahl der Schutzengel mindestens die Zahl aller je lebenden Menschen umfassen. Somit gibt es sicherlich über 15 Milliarden Schutzengel, bzw. Engel aus dem untersten Chor oder der untersten Hierarchie. Da nun die Zahl der guten Engel doppelt so hoch ist als jene der gefallenen und andererseits die Menschen nach Meinung mancher Heiliger die Plätze der gefallenen Engel im Himmel einnehmen sollen, so können wir annehmen, daß die Zahl der heiligen Engel über 30 Milliarden beträgt.

Wichtiger aber als die Zahl ist ihre Macht und Größe. Im Himmel besteht eine Ordnung, wobei die Dreiheit ins Auge fällt. Zuoberst ist die allerheiligste Dreifaltigkeit nach deren Urbild die ganze Schöpfung gestaltet ist. So haben wir die drei Hierarchien der Engel mit je drei Chören. Nehmen wir an, daß es 3 Mill. Seraphim gibt, dann 9 Mill. Cherubim, 27 Mill. Throne, so gäbe es 81 Mill. Herrschaften, 243 Mill. Mächte, 729 Mill. Gewaltige, über 2 Mrd. Fürsten, etwa 6,5 Mrd. Erzengel und etwa 20 Mrd. Engel des untersten Chores. Dies ergäbe die Summe von etwa 30 Mrd. Hl. Engel. Doch diese Summen sind nur eine Spekulation, zeigen aber, daß allein schon die Zahl der Engel schon unvorstellbar groß ist.]  
 

4. Kap. Die Schönheit der hl. Engel

14. Was die Schönheit der Engel anbelangt, können wir kaum ein passendes Wort finden. Wenn der gelehrteste Mensch es versuchen wollte, so würde er sich doch umsonst bemühen und bei weitem dieses Ziel nicht erreichen, denn die Schönheit eines Engels ist so wundervoll, unvergleichlich und übertrifft alles, was in den sichtbaren Dingen als schön und wohlgestaltet gefunden werden kann. Ja man kann sagen, daß alle anmutigsten Schönheiten dieser Welt verglichen mit den Engeln nur häßlich sind. Gegenüber der Schönheit der Engel muß sich der Glanz der Sonne verkriechen, ebenso der sternenglänzende Himmel der hellen Nacht. Genauso ergeht es einem königlichen Park, der mit wunderschönen Blumen verziert ist, ähnlich wiederum den herrlichen Edelsteinen ...

15. Auch die menschliche Schönheit muß schließlich verblassen. Von Moses wird berichtet, daß er ein Kind von so auserlesener Gestalt war, daß sein Anblick die Traurigkeit und den Schwermut der anderen vertrieb und sie getröstet nach Hause gegangen sind.
Von der berühmten griechischen Helena steht geschrieben, daß sich wegen ihrer unbeschreiblichen Schönheit Asien und Europa in den Haaren gelegen sind und im zehnjährigen Krieg dadurch viele Menschen umgekommen sind. Die Trojaner sagten, Helena sei wegen ihrer halbgöttlichen Schönheit wert, daß die ganze Welt die Waffen ergreife und freudig ihr Blut vergieße. Über die Schönheit der königlichen Prinzessin Johanna von Portugal und der Königin von Spanien und Kaiserin Isabella liest man fast das Gleiche.

16. All die menschliche Schönheiten sind gegenüber der engelischen so wenig für schön zu halten, als ein ekelhafter Wurm gegenüber dem schönen Moses, der Helena, Johanna und Isabella. Würde man von allen sichtbaren Geschöpfen das Schönste und vortrefflichste zusammentragen und ein Bild daraus herstellen, wie es berühmte Mahler getan haben,... so wäre dieses Kunststück doch lauter Schatten gegenüber der Schönheit des geringsten Engels. Mit einem Wort, was man immer an einem Engel betrachtet, das ist reine Schönheit, eine Schönheit, die kein menschlicher Verstand begreifen kann.

17. Damit man die Schönheit der Engel etwas verstehen kann, zitieren wir den hl. Bischof Anselm, der sagt: Wenn Gott anstatt der Sonne einen Engel schicken würde und ihn mitten ins Firmament stellte, ihn auch mit soviel Sonnen umgäbe, als es Sterne gibt, dieser Engel aber nur einen Strahl von seinem Licht leuchten ließe, so würde dieser Strahl den Glanz aller anderen Sonnen verfinstern und sie unseren Augen unsichtbar machen. Die hl. Birgitta sagt: Die Schönheit eines Engels sei so groß, daß, wenn jemand ihn sehen würde, er von seinem Glanz erblinden würde, ja wohl dadurch das Leben verlieren müßte, weil unsere Schwachheit eine solche Herrlichkeit viel weniger ertragen könnte, als die Augen das volle Licht der Sonne.

18. Wenn nun dem so ist, und die Zahl der Engel fast unendlich und nach Meinung des engelgleichen Lehrers alle Engel nach Art von einander ganz verschieden sind, so daß jeder eine eigene Schönheit hat, welch unbegreifliche Schönheit hat dann Gott selbst?
Welche Schönheiten finden sich im heiligen Zion und himmlischen Jerusalem? Wer kann wohl erwägen, wie hoch die Schönheit der vornehmesten Geister dieser glorwürdigen Stadt Gottes hinaufreicht? Mit Recht kann man sagen, daß die Engel wie reinstes und edelstes Kristall sind, welche die Schönheit Gottes wiederspiegeln. Zutreffend sagt Niketas, das sie der göttlichen Hoheit am nächsten sind, sowohl von ihrem Wesen als auch ihrer Würde... Dionysius sagt, daß die Engel die lebendigste und schönste Abbildung der göttlichen Schönheit selbst sind, von denen die Strahlen des göttlichen Lichts wiedergespiegelt werden.

19. Daher ist nicht zu verwundern, daß Hagar, die Magd Abrahams, der Patriarch Jakob und der Evangelist Johannes die Engel, die ihnen erschienen sind, für Gott selbst angesehen haben, wie die Hl. Schrift selbst bezeugt (Gen. 16 u. 32, Offg. 19 u. 22). Wenn nun eine so große Schönheit in den Engeln gefunden wird, wie können sich dann die Menschen der Liebe, die sie ihnen schulden, entziehen? Die Menschen sind doch von Natur aus geneigt alles, was schön, edel, vortrefflich und vollkommen ist, zu lieben. Diese Wahrheit verdient zur größeren Ehre und Verherrlichung Gottes, dem Urheber all dieser Englischen Herrlichkeiten und Schönheiten, wohl und bedacht zu Gemüte geführt und betrachtet zu werden.
 

5. Kap. Die Gewalt, Macht und Stärke der hl. Engel

20. Die Gewalt, Macht und Stärke der Engel ist unvorstellbar groß und nicht zu ermessen. Wir wundern uns über die Stärke Samsons, der einst um Mitternacht aufgestanden ist und die zwei Stadttore ausgehebelt, auf seine Schultern genommen und auf einen hohen Berg getragen hat. Gleichsam hat er einen grimmigen und brüllenden Löwen ergriffen und in Stücke gerissen und ein andermal mit einem Eselskinnbacken tausend Mann erschlagen, wie in der Hl. Schrift zu lesen ist (Buch der Richter).
In der hessischen Chronik liest man von einem Johannes Graf von Ziegenheim, der 1453 verstarb, daß er einst zu Frankenberg ein Fuder Wein (1000 l), das ihm im Weg stand auf die Seite gehoben hat. Als er deswegen von seiner Mutter bestraft wurde, ist er aus freien Stücken wieder hingegangen und hat das Fuder Wein wieder an seinen vorherigen Platz gestellt. Herzog Monychus hat beim Feldzug den nächstbesten großen Baum, den er fand, aus der Erde ausgerissen und wie einen Ball gegen seine Feinde geworfen. Honoratus de Mover, ein Bauer, hatte eine solche Kraft, daß er einen Stein durch einen Nußbaum oder anderen dicken Baum werfen konnte, als hätte man denselben mit einer Kugel durchschossen.

21. Doch dies ist im Vergleich mit der Kraft der Engel nur ein Ballspiel, denn sie könnten die Welt, wenn Gott es zuließe, wie ein schwaches Glas in Trümmer zerbrechen. Ihre Macht ist so groß, daß sich ihr keine menschliche Gewalt widersetzen kann. Ein einziger Engel hat in einer Nacht 185.000 Assyrer erschlagen (2 Kg 19). Ein Engel hat im Kriegsheer des Kaisers Heraklius, als er in die Ketzerei des Monothelismus [Jesus hätte nur einen Willen] verfallen war, 52.000 Soldaten erschlagen, so daß der Kaiser dermaßen bestürzt war, daß er vor Kummer verstarb. Ein einziger Engel aus dem untersten Chor könnte Millionen von Menschen auf einmal vernichten.

22. Bewunderungswürdig ist, daß durch die Engel die großen Himmelskörper wie die Sonne und die Sterne auf ihrer Bahn geführt werden... Die Engel sind so mächtig, daß sie alles in der Welt durch die Anordnung Gottes regieren und leiten. Sie verfügen über die Elemente und alle Dinge nach ihrem Belieben. Geschehen durch Gottes Zulassung Wunder, so wirken hierbei unsichtbar die Engel. Sie bewirken, daß der Wind saust und braust , daß es regnet, donnert und hagelt, sie können Erdbeben verursachen, den Lauf der Flüsse innehalten, uns Überfluß an Früchten oder Hungersnot geben, die Krankheiten heilen oder sie unheilbar lassen. Sie können eine sichtbare, leibliche Gestalt annehmen. Sie haben Gewalt über Leben und Tod, deswegen nennt sie der hl. Hieronymus Lebendigmachende und Tötende. Denn ein Engel hat in einer Nacht alle erstgeborenen Ägypter getötet und später den gottlosen König Pharao mit samt seinem ganzen Heer im Roten Meer ertrinken lassen (Ex.11 u. 14).

23. Schließlich ist die Macht und Stärke der hl. Engel gegenüber den höllischen Geistern nicht zu vergessen. Diese sind unsere Feinde. Die Macht der guten Engel hat sich schon gezeigt im Anfang ihrer Erschaffung, als sie unter Führung ihres allerhöchsten seraphischen Fürsten Michael den stolzen Luzifer mit seinem Anhang in den tiefsten Abgrund der Hölle verstoßen haben.
So liest man auch im Schutzengelhilfbüchlein, daß der Abt Theodosius, bevor er sich in die Einsamkeit begab, auf Befehl seines Schutzengels mit einem kohlrabenschwarzen, ungeheueren Riesen, dessen Kopf bis zum Himmel reichte, kämpfen mußte. Darüber war Theodosius so erschrocken, doch auf Verheißung seines Schutzengels, daß er mit ihm streiten werde, hat er den Riesen beherzt angegriffen und überwunden.
Wir wollen die hl. Engel vor allem anrufen, daß sie uns Macht und Stärke geben gegen die höllischen Geister, wenn wir von diesen angefochten werden, besonders in der Sterbestunde.
 

6. Kap. Die himmlische Glorie und Seligkeit der Engel

24. Es scheint schier zu kühn über die Glorie und Seligkeit der hl. Engel etwas zu schreiben, da bereits ihre Schönheit unbegreiflich ist. Ihre Herrlichkeit - Glorie, die in der klaren Anschauung Gottes besteht, übertrifft alles andere, was die Engel besitzen...
Die Engel wurden wegen ihrer unermeßlichen Schönheit bei ihren Erscheinungen öfter für Gott selbst angesehen. Dies ist nach Meinung vieler Lehrer der Grund, daß Moses bei der Erschaffung der Welt nichts über die Engel geschrieben hat, damit das israelitische Volk nicht etwa diese herrlichen Geister für Götter hielte und in Abgötterei verfiele. Aus diesem Grund allein, da die Engel in ihrem Wesen der Gottheit so nahe kommen, ist leicht zu vermuten, wie groß und herrlich ihre Glorie ist.

25. Gewiß ist, daß die himmlische Glorie und Glückseligkeit der hl. Engel wie auch der Menschen in der klaren und lieblichen Anschauung des göttlichen Angesichts besteht, welche wesentlich und vollkommen selig macht. Die seligen Geister werden durch diese Anschauung der göttlichen Majestät mit einem dreifachen Licht erfüllt und erleuchtet: Durch die erste Gattung des Lichts erkennen sie die Geschöpfe in ihrem Ursprung, der Gott ist, deshalb wird dies von den Gottesgelehrten Lumen matutinum - das Morgenlicht genannt.
Die zweite Gattung des Lichts bringt den Engeln die Erkenntnis der Geschöpfe, wie sie an sich selbst sind. Auf diese Weise erkennen sie die Geschöpfe nicht so hell und klar, wie sie diese in ihrem Ursprung sehen daher wird es das lumen vespertinum - das Abendlicht genannt.
Durch die dritte Gattung des Lichts sehen die Engel Gott selbst klar, wie er in seiner Herrlichkeit ist und dieses Licht nennen die Gottesgelehrten das Lumen meridianum - das Mittagslicht, da es das vortrefflichste und vollkommenste mit sich bringt, den Besitz des höchsten und unendlichen Gutes und folglich die höchste Freude und Glückseligkeit.

26. Die höchste Freude und Ergötzung im Himmel ist, daß man Gott schaut.
In diesem Himmel befinden sich die hl. Engel und die auserwählten Menschen. Die vollkommenste Freude, welche die Engel verlangen und das Herz des Menschen begehren kann, und noch unendlich mehr als dieses ist diese Anschauung der göttlichen Wesenheit. Diese Anschauung entzündet und erhält in den Engeln nicht nur die immerwährende und unauslöschliche Flamme der Liebe, sondern sie ist auch unendlich beglückend und erfreulich; denn wie es unmöglich ist, daß man Gott anblickt und ihn nicht liebt, so kann man ihn auch nicht lieben ohne zugleich mit unvergleichlicher Freude und Trost erfüllt zu werden. Daher kommt es, daß die hl. Engel allzeit in all ihren Tätigkeiten zufrieden sind, zu denen sie Gott sendet...
Wiewohl die Engel sich um unser Heil eifrigst sorgen und sich wegen unserer Seligkeit sehr abmühen, so verlieren sie doch nicht ihre Freude und Ruhe, wenn sie wegen unserer Untreue und Bosheit die Frucht ihrer Bemühungen nicht erreichen. Sie sind ganz in Gott den Ursprung aller Freuden versenkt und vom Strom des göttlichen Glücks ohne Unterlaß erfüllt, auch wenn sie hier auf Erden im Land der Finsternis unter uns blinden Menschen wandeln. Überall sehen sie Gottes Angesicht und dies schon über 6000 Jahre, seit der Erschaffung der Welt.
[Das römische Martyrologium zählt bis zur Geburt Christi 5199 Jahre.] O welch große und unbeschreibliche Glorie und Glückseligkeit genießen die hl. Engel in der lieblichen, frohmachenden und unendlich beglückenden Anschauung Gottes.

27. Außer dieser Anschauung Gottes haben sie noch andere besondere Freuden. Sie sehen sich in so großer Anzahl, in ungemeiner Schönheit, in schönster Ordnung und Aufteilung ihrer Ämter in den drei Hierarchien, in welche sie aufgeteilt sind und die aus jeweils drei verschiedenen Chören bestehen. Davon wird später noch ausführlich berichtet . Nun erfreuen sich alle über ihre Seligkeit, Gnade und Vortrefflichkeit, die ihnen von Gott verliehen ist. Sie erfreuen sich über ihre vertrauliche Gemeinschaft, Liebe und Verständnis, die sie untereinander pflegen. Sie erfreuen sich auch an der Weltordnung, die nach dem jüngsten Gericht erneuert und ganz schön sein wird. Sie erfreuen sich sogar wegen der Hölle, weil sie Gott davor verschont hat und nicht mit den übrigen Engeln in die Sünde fallen ließ. So kommunizieren sie untereinander ganz freundschaftlich mit einer zwar nicht äußeren sondern inneren Sprache (geistigen Erkenntnis)...

Sie sehen sich untereinander, wie der hl. Thomas lehrt, im göttlichen Wort. Jeder sieht im anderen nur das, was dieser ihm mitteilen will, ein anderer aber sieht/erkennt dies nicht. So ist die Verständigung der Engel nichts anderes als seine Kraft, wodurch er sein Geheimnis dem anderen offenbart, wie es P. Burchhardus erklärt.

28. Ferner erfreuen sich die Engel ihrer unbeschreiblichen Geschwindigkeit, kraft deren sie, wie der hl. Thomas lehrt, unmittelbar von einem Ort an den anderen kommen, also in einem Augenblick vom Westen im Orient sein können. Sie durchdringen alle materiellen Dinge und nichts steht ihnen im Weg. Wegen dieser Flinkheit werden sie allgemein mit Flügeln dargestellt und vom königlichen Propheten mit dem Blitz verglichen. Tertullian sagt, man könnte glauben, die Geschwindigkeit sei eine Gottheit, weil man die Substanz nicht erkennt.

29. Was aber uns ferner sehr erbauen kann, ist die Musik, welche die Engel erzeugen. Von ihrer Lieblichkeit berichtet die hl. Büßerin Maria Magdalena, welche täglich von den Engeln in die Luft getragen und mit himmlischer Musik erbaut wurde. (Maria Magdalena lebte nach ihrer Verbannung aus dem hl. Land in Südfrankreich in einer Felsengrotte, von wo sie durch die Engel auf den Berg hinauf getragen wurde in St. Pilon östlich von Marseille. Ihr Bruder Lazarus war Bischof in Gallien, deshalb ist Frankreich die älteste Tochter der Kirche.)
Dem hl. Franziskus ist einst während einer Krankheit ein Engel erschienen, um ihn zu erfreuen. Er hat nur mit einem Zug die Saiten einer Geige berührt, doch mit solcher Lieblichkeit, daß der seraphische Heilige bekannte, wenn er noch einen Zug getan hätte, er unfehlbar vor lauter Innigkeit der Melodie hätte sterben müssen.
Ich zitiere jenen Ordensmann, der einst ein singendes Vöglein (ohne Zweifel ein Engel) in einer Einöde so lieblich vernahm, daß er darin 300 Jahre von Gott wunderbar erhalten, ohne Verdruß und mit solcher Freude zugebracht hat, daß er meinte, es sei nicht über eine Stunde gewesen. Der hochgelehrte Cornelius a Lapide bezeugt, daß er selbst um die Wahrheit dieses Wunders zu ergründen den Ort, wo dies geschehen, und das Kloster, aus dem der Ordensmann stammte, aufsuchte und alles sorgfältig erforscht hat und dafür sichere Beweise gefunden hat. Siehe auch bei P. Clemens Harder OFMCap.
Ich lasse schließlich die Bewohner der großen Stadt Konstantinopel sprechen, welche zur Zeit des großen Kaisers Konstantin jedes Jahr dreimal einen Engel mit ganz ungewöhnlichem Glanz bei der Nacht vom Himmel heruntersteigen sahen, um auf einer von Konstantin errichteten Säule herumzugehen, dieselbe zu beweihräuchern und aufs innigste das Sanctus (Heilig, heilig, heilig) zu singen. Nach Nikephorus.

30. Eben dieser lieblichste Gesang Heilig, heilig, heilig ist jenes Trishagion und herzliches dreifache Loblied mit dem die hl. Engel Tag und Nacht Gott loben und preisen. Dieser Gesang zeugt von ihrer tiefen Dankbarkeit gegenüber Gott. Ihre Glorie wäre nicht vollkommen, wenn sie nicht durch ein immerwährendes Singen und Frohlocken Gott seine unermeßliche Liebe und Güte aus all ihren Kräften erwiderten, damit gleich wie das Wasser vom Meer ausströmt und wieder zurückströmt, auch all ihre Hoheit und Glorie, die ihnen aus dem unergründlichen Meer der Gottheit zufließt, wiederum zurückströmt, solange Gott Gott sein wird, d.h. von Ewigkeit zu Ewigkeit. So kann man sich in dieses göttliche Meer stürzen und mit Aristoteles sagen: Weil ich dich nicht fasse, so fasse du mich, o unergründlicher Gott.
 

7. Kap. Die unvergleichliche Liebe
und Güte der Engel zu uns Menschen

31. Wir haben uns in den vorhergehenden Kapitel viel gewundert über die Natur, Zahl, Macht, Schönheit, Glorie und Herrlichkeit der hl. Engel. In diesem Kapitel werden wir staunen, wie die hl. Engel, diese so großen Himmelsfürsten und göttlichen Hofherren mit unvergleichbarer Liebe und Güte, gleichsam ihre Hoheit vergessend zu unserem Dienst vom hohen Himmel auf die Erde niedersteigen. Welch bewunderungswürdige, höchst tröstliche und erfreuliche Tatsache dies ist, wird der menschliche Verstand nicht leicht begreifen können.

32. Der hl. Franz von Sales schreibt in seinem Buch von der göttlichen Liebe, daß ein Herz am meisten getroffen wird, wenn es sieht, daß man es liebt. Wenn nun jemand von einer Person hohen Standes geliebt wird, verursacht dies umso mehr Grund zur Liebe, je höher die liebende Person ist. Wenn dem so ist, so müssen die Engel geliebt werden oder man darf niemand mehr lieben, denn diese großen und liebreichsten Fürsten, des himmlischen Paradieses lieben uns nicht nur oberflächlich oder äußerlich, sondern würdigen uns verschiedener Arten der Liebe... Es scheint als seien sie von Liebe zu uns Menschen verblendet, weil sie immer an uns denken, immerdar unsere Freundschaft suchen, uns Tag und Nacht niemals außer Acht lassen. Sie verlassen die schönste Wohnung des Himmels, damit sie ununterbrochen bei uns sein können.

33. Ihre Liebe und Zuneigung zu uns ist wunderbar und vielfältig: Erstens lieben sie uns mit väterlicher Liebe, in dem sie unaufhörlich für unsere Wohlfahrt und Nutzen sorgen. Sie verlangen danach uns alles Gute zu verschaffen und behandeln alles, was uns gehört, wie ihr Eigentum. Vor allem aber bemühen sie sich, damit wir das ewige Erbe erlangen...
Zweitens lieben sie uns mit mütterlicher Liebe, wie es schon in den Psalmen geschrieben steht. Sie tragen uns auf Händen, wie eine liebevolle Mutter ihr Kind in den Armen oder auf dem Schoß hält. Sie tragen uns auf ihren Armen, weil sie sich sorgen um unsere Seele und unseren Leib. Ihre Augen wenden sich niemals von uns ab und liebkosen uns aufs zarteste, wie je eine heilige Liebe es ihnen einflüstern kann.
Drittens lieben sie uns mit brüderlicher Liebe, da sie uns für ihre jüngeren Brüder halten. Was noch wunderbarer und ganz seltsam ist und würdiger des Himmels als der Erde, so haben sie nicht nur kein Mißfallen, wenn sie uns im Himmel ihnen in der Glorie gleich sehen, sondern unsere Schutzengel freuen sich darüber und tun alles, was sie können, um uns im Himmel noch herrlicher, als sie selbst sind zu sehen.
Viertens lieben sie uns mit der Liebe eines liebreichen Arztes, denn sie verbinden oft unsere Wunden, heilen unsere Krankheiten und durch ihre unvergleichliche Milde erlangen wir oft unsere Gesundheit.

34. Fünftens lieben sie uns mit der Liebe eines Fürsprechers und Förderers, indem sie sich um all unsere Anliegen, den Himmel, die Erde, besonders die Ewigkeit betreffend, mit unaussprechlicher Güte annehmen.
Sechstens lieben sie uns mit der Liebe eines treuen Wegweisers - Ratgebers, der uns mit wunderbarer Liebe auf den Wegen dieses Lebens führt und uns vor gefährlichen Orten schützt.
Siebtens lieben sie uns mit der Liebe eines guten Patrons, der uns unter seinen Schutz nimmt und sich bemüht, daß wir für den geringen Dienst, den wir ihm leisten, über die Maßen großen Lohn erhalten.
Achtens lieben sie uns mit der Liebe eines hocherleuchteden und gewissenhaften Lehrers, indem sie uns in der Wissenschaft der Heiligen in der Hochschule Jesu Christi, unterweisen.
Neuntens lieben sie uns mit der Liebe eines gütigen Königs, da sie uns vor unseren Feinden beschirmen, damit wir in Frieden und Sicherheit unser Leben verbringen können. Mit einem Wort sie lieben uns so sehr, wie es ihnen möglich ist und dies gleich vom ersten Augenblick unseres Lebens an bis zu dessen Ende, und wenn es uns beliebt, auch nach diesem in alle Ewigkeit.

35. Deshalb ist es wahr, daß die Engel unsere besten und ältesten Freunde sind. Daß ihre Liebe die beständigste, getreueste, die innigste, geduldigste und umfassendste ist, die es jemals geben kann (außer der Liebe Gottes selbst). In ihrer Liebe ist alles so anmutig, alles so wunderbar und ohne Eigennutz nur auf den Nutzen des anderen hingeordnet. Denn was empfangen sie von den Menschen? Nichts, als große Undankbarkeiten, nichts als große Verachtung, nichts als Schmach und Unbill. Die Ungläubigen und die Heiden erkennen sie nicht. Die Ketzer erkennen sie zwar, geben ihnen aber nicht die gebührende Ehre. Der große Teil der Katholiken weiß um sie fast nichts und, wenn sie etwas von ihnen wissen, so denken sie kaum an sie. Jene, die manchmal um sie wissen, sind oft undankbar gegen sie. Wenige Geistliche und fromme Seelen denken an sie und dies nur zu gewissen Zeiten und in bestimmten Angelegenheiten. Dies sollte uns, wenn wir es ernst betrachten, beunruhigen, sowohl wegen dem Übermaß der Liebe der Engel zu uns als auch wegen der großen Undankbarkeit der Menschen. Denn so finden wir schwer zu uns selbst.

36. Wer an dieser Wahrheit zweifelt, der lese das erste Kapitel aus dem Spiegel der engelischen Liebe von Paul Barry. Weiter das schöne Büchlein Schutz-Engel-Hilf genannt, vom 4. bis zum 24. Kapitel. Drittens das goldene Büchlein des hochwürdigen Herrn Henricus Maria Budon mit dem Titel: Andacht zu den neun heiligen Chören der hl. Engel, woraus ich das meiste dieses ersten und des anderen Teils genommen habe. Viertens das Englische Allerei, das sind Englische Geschichten, gedruckt in München 1727. So wird er unzweifelhaft diese Wahrheit erkennen; den Engeln für ihre Liebe zu uns danken, unsere Undankbarkeit bereuen und sich selbst ermuntern, diese hohen Geister künftig aus allen Kräften zu lieben.
 

8. Kap. Die Wohltaten und Dienst der hl. Engel

37. Die Liebe ist dann vollkommen, wenn sie sich in den Taten zeigt, gemäß den Worten des Lieblingsjüngers: Wir sollen nicht lieben mit Worten oder mit der Zunge, sondern in der Tat und Wahrheit (1 Joh 3,18). So werden wir erkennen, daß die hl. Engel uns vollkommen lieben, wenn wir vernehmen, welche Wohltaten und Dienste sie uns erweisen, wie in diesem Kapitel dargelegt werden wird. Dies betrifft aber nicht nur die Schutzengel, sondern alle hl. Engel aus den neun Chören, denn alle sind dienende Geister, ausgesandt zum Dienst derer, die das Heil erben sollen, so schreibt der hl. Paulus (Hebr. 1,14). Alle Engel sind zu unserem Schutz, sagt Augustinus, weil sie und wir zusammen nur eine einzige Stadt Gottes bilden, in welchem dem einen Teil, nämlich den noch pilgernden Menschen vom anderen Teil, den verherrlichten Engeln geholfen wird.

38. Die Frage ist, sagt Budon, ob die Engel der höchsten Chöre sich zu uns herunter begeben, um wie die Schutzengel uns Menschen beizustehen? Manche Gelehrte verneinen dies, aber es wird ihnen schwer fallen die Beispiele der Hl. Schrift zu widerlegen. Die hl. Michael, Gabriel und Raphael bezeugen selbst, daß sie zu jenen sieben Engel gehören, die dem Thron Gottes am nächsten stehen und folglich zum Chor der Seraphim gehören müssen. Von diesen drei Erzengeln und den höchsten Seraphim ist aber bekannt, daß sie zu unserem Dienst auf die Erde herab gesandt wurden. Dem Propheten Jesaja wurde ein Seraph gesandt um seine Lippen zu heiligen. Gleichsam weiß man, daß ein Seraph zum hl. Franz von Assisi kam, um ihm die heiligen fünf Wundmale einzudrücken. Ebenso hat ein Seraph das Herz der hl. Theresia von Avila durchstochen. (Diese mystische Wunde ist im seit 400 Jahren unverwesten Herz heute noch zu sehen!)

39. Ferner liest man in der Hl. Schrift, daß die Cherubim dem Propheten Ezechiel öfter erschienen sind und ein Cherub mit seinem flammenden Schwert das irdische Paradies verschlossen hielt. Daran ist nicht zu zweifeln, wie wir in den folgenden Kapiteln noch sehen werden. Man darf auch nicht behaupten, die höheren Engel würden einen niedrigen Engel senden und der würde ihren Namen tragen. Denn wenn Gott dies wollte, so könnte er selbst einen niedrigeren Engel senden. Doch glauben wir der Hl. Schrift, daß alle dienende Geister sind (Hebr 1,14). Auch wenn wir schlecht und böse sind, so lieben und helfen sie uns doch. Sie beschützen die Menschen in den Wäldern und Wildnissen, in den Einöden und in Gefängnissen, ja überall.

40. Welche Dienste leisten sie uns?
In den unter Nummer 36 genannten Büchern sind viele Beispiele der Hilfe von Engeln zu finden, besonders aber im Schutz-Engel-Hilf-Büchlein, aus dem im folgenden zitiert wird.

  1.) Zwei Engel haben in Gestalt von zwei Goldschmieden dem König Alfons von Spanien ein schönes goldenes Kreuz gemacht (Kap. 9). Anstelle des hl. Bauers Isidors haben Engel gepflügt. Für den Michael Magotti OFM haben sie gekocht und anstelle der Theresia von Lusitanien (Portugal) Brot gebacken.
  2.) Ferner haben sie nach dem hl. Ambrosius die Armen gespeist. Mit dem hl. Johannes von Gott haben sie die Kammer gekehrt und mit dem hl. Drogone Schafe gehütet. Dem hl. Thomas von Aquin und dem Petrus Cottoni SJ haben sie die Lenden umgürtet und den Stachel des Fleisches weggenommen. Weiter haben sie dem hl. Benedikt und anderen frommen Personen den Weg gezeigt. Dem hl. Dominikus, der hl. Balbina und einem kleinen Knaben nachts mit Fackeln geleuchtet (Kap. 10).
  3.) Den hl. Lazarus mit samt seinen Schwestern Martha und Maria Magdalena,
die frommen Jungfrauen Ositha und Palatia aus den Gefahren des Meeres errettet.
[Lazarus wurde mit seinen Schwestern von den Juden auf ein Schiff ohne Ruder dem Meer preisgegeben und kam wunderbar nach Gallien. Daher ist Frankreich die älteste Tochter der Kirche. Noch bevor die Apostel in die Welt hinauszogen war Lazarus mit seinen Schwestern in Südfrankreich.]
41. 4.) Die hl. Engel sind dem Propheten Eliseus, den Makkabäern, dem hl. Kaiser Heinrich, dem polnischen König Lecus, dem bayrischen Kurfürsten Maximilian I. und andern im Krieg zu Hilfe gekommen, in Gestalt von Ritter erschienen und haben die Feinde besiegt.
  5.) Sie haben den frommen Engländer Furseus, den Abt Moses, die hl. Maria Magdalena und die römische Franziska, als auch die sel. Jungfrau Oringa, der ehrwürdige Mutter Johanna Bousomi gegen die Anfechtungen, Wut, Schläge und Schrecken der bösen Geister sichtbar beschützt (Kap. 14).
  6.) Haben sie die hl. Veit und Modestus, den Priester Gregor und den sel. Heinrich Seuse in ihren schweren Trübsalen getröstet und zur Geduld aufgemuntert. Den hl. Franz haben sie mit Musik erfreut. Dem hl. Abt Wilhelm OSA haben sie zum Lohn für seine Geduld eine schöne Krone geflochten, doch nicht vollständig. Und als er fragte warum, gab ein Engel zu Antwort: Wenn du genug gelitten hast (Kap. 16).
  7.) Haben sie die Menschen oft mit Speis und Trank versehen, wie es der hl. Märtyrer Angelus OCarm, der gottselige Bernhardin Realinus SJ und die hl. Domna erfahren haben. Die sel. Klara, eine indianische Prinzessin, ist täglich von 70 Engeln besucht worden, die ihr aufgewartet haben: 30 zu Rechten, 30 zur Linken und zehn beim Haupt. Sie haben sie auch oft bis in den Himmel erhoben, wo sie von einem der vornehmsten Engel mit dem himmlischen Manna gespeist worden ist (Kap. 17).
42. 8.) Besuchen die hl. Engel auch Kranke, wie es der Chorherr Johannes von Brindlington, der Student Wilhelm, die gottselige Marina von Escobar und die hl. Lidwina erfahren haben. Dem sel. kranken Johannes Angelus, als er zur Ader gelassen wurde, haben sie aufgewartet und alles hergerichtet. Der kranken Elisabeth Rita haben sie sogar das Bett gerichtet (Kap. 18).
  9.) Den hl. Prokopius, den hl. Konstantin, den hl. Makarius und andere haben sie geheilt und gesund gemacht (Kap. 19).
  10.) Sind sie Sterbenden beigestanden: Der hl. Rosalia, der gottseligen Jungfrau Justina, dem frommen Balthasar Alvarez und Franz Pagano SJ, dem Bischof Ceadda, dem Abt Stephanus Grandimontensi OSA, wobei die Ordensbrüder die Engel sprechen hörten: Laßt uns gehen, laßt uns eilen die Seele Stephans, dieses Dieners Gottes, in den Himmel aufzunehmen. Die todkranke hl. Bathildis hatte eine Leiter bis in den Himmel hinauf gesehen, auf der Engel auf- und herabgestiegen sind. Sie haben sie in die himmlischen Freuden eingeladen, wohin Bathildis sogleich gefolgt ist (Kap. 20).

43. Höchst tröstlich ist, was am Ende dieses zwanzigsten Kapitels zu lesen ist:
daß nämlich die zwei höchsten Engel Michael und Gabriel sich einst gewürdigt haben vom Himmel herabzusteigen und einen armen und verlassenen, in einer Gasse liegenden sterbenden Pilger aufzusuchen. Einer setzte sich zur Rechten und der andere zur Linken dieses elenden Menschen, dabei war eine Stimme zu hören, die sagte: Siehe, ich sende David mit der Harfe und alle Gott lobenden Musikanten in Jerusalem. Diese haben sich dann um diesen sterbenden Mann herumgesetzt und musiziert bis ihm die Seele ausgefahren ist, die von den hl. Erzengeln Michael und Gabriel aufgenommen und in den Himmel getragen wurde. Hierüber berichtet Barry im 8. Kap. 186.
Wie müssen sich die armen Menschen freuen, daß ihnen bei ihrem Scheiden beim Fehlen menschlicher Hilfe die hl. Engel beistehen, wenn sie diese zu Lebzeiten fleißig verehrten.

  11.) Helfen die hl. Engel, daß kranke Menschen nicht ohne den Trost der hl. Sakramente sterben. Sie bringen manchmal selbst die hl. Kommunion (Wegzehrung), wie es der hl. Raymund Nonnatus, der hl. Stanislaus Kostka, die hl. Brüder Pergentinus und Laurentius und die hl. Mechthild erfahren haben. Der Knabe Eunulphus hat von ihnen die Krankensalbung empfangen (Kap. 21).
 

12.) Verteidigen sie unsere Seelen vor dem Richterstuhl Gottes (Kap. 22), führen sie in den Himmel (Kap. 24.) und begraben auch oft die Leiber, wie das 23. Kapitel ausführlich berichtet.

44. Diese und noch mehr Wohltaten und Dienste der hl. Engel können sie im Spiegel der engelischen Liebe von P. Barry, in Budon, in Mariä Namen Stammbuch und im schönen Engel-Zellischen Bruderschaftsbüchl, besonders in der 4. und 5. Betrachtung lesen.
Vor allem im Engelischen Allerei sieht man, welch unterschiedliche Gestalten und Personen die Engel den Menschen zulieb angenommen haben: Lehrer, Erzieher, Künstler, Erfinder, Musikanten, Krankenpfleger und Totengräber, Sterndeuter und Weltweise, Grafen und Höflinge, Scherer, Ärzte, Brautführer, Zeitungsschreiber, Landboten, Goldschmiede, Edelknaben, Soldaten, Schreiber, Anwälte, Eselstreiber, Bauern, Steinmetz, Tagelöhner, Schiffsleute, Fürsten und Untertan, Buchführer und Buchbinder, Schuster und Schneider, Doktoren und Bauern u.v.a.m. Weiterhin erkennt man, daß sie dienstbare Geister sind, jenen zu helfen, die das Heil erreichen sollen.

45. O Liebe Gottes, der uns die hl. Engel gesandt hat. O Liebe der englischen Fürsten, die zu uns gesandt wurden. Welch ein Trost ist dies für uns arme Seelen. Warum sollten wir uns betrüben und sorgen? Ein einziger dieser Fürsten kann uns alle Furcht hinwegnehmen, so kleinmütig und verzagt wir auch seien. Es ist aber nicht einer allein, sondern es sind deren Millionen und vieltausend Millionen, nach Aussage der Kirchenväter eine unendliche, Gott allein bekannte Zahl. Mein Herz bedenke, wenn ein so mächtiger Schutz und Schirm dich kann in Sicherheit bringen, sollte dann die Freundschaft dieser himmlischen Fürsten dir nicht Grund sein, diese Sache besser zu bedenken, das Irdische zu verachten und sich der Freundschaft der Engel würdig zu machen und dafür dankbar zu sein? So Budon.

9. Kap. Die Pflicht der Gegenliebe zu den hl. Engel

46. Dieses Kapitel scheint überflüssig und vergebens, da wir die große Liebe der Engel zu uns erkannt haben, doch vielen Menschen fällt es schwer daraus die richtigen Folgerungen zu ziehen. Es ist allerdings wichtig die Pflicht der Gegenliebe uns klar vor Augen zu führen... Man sagt allgemein, daß die Liebe von zwei sich liebenden Personen unterschiedlich ist. Der eine liebt mehr als der andere. Wenn dem so ist, so erfüllt sich dies niemals mehr, als bei der Liebe der Engel zu uns Menschen. Die Engel sind uns immer in Liebe zugetan, wir werden von ihnen immer in der Liebe übertroffen und doch sollten wir sie genauso lieben. Da dies aber nicht erreicht werden kann, so wollen wir sie lieben, so gut wir können und dies aus folgenden Gründen:

47. Sicher ist, daß die Liebe vor allem durch die Augen entzündet wird, ansonsten aber durch Wohltaten (Geschenke) und andere gute Dinge. Was die Augen betrifft, ist zu sagen, daß die Schönheit mit dem Gemüt und Herzen verbunden ist, denn es wird nichts geliebt, was nicht schön ist. Wer ist nun aber schöner als die hl. Engel, die nach Maria, ihrer Königin, eine vollkommene Schönheit vor allen anderen Geschöpfen haben. Daher sagt man allgemein, wenn man etwas/jemand von besonderer Schönheit loben will, sie sei wie ein Engel. So schreibt die Hl. Schrift vom hl. Stephanus, er habe ein Angesicht wie ein Engel gehabt (Apg.6). Erinnern Sie sich, was im 4. Kapitel zu lesen ist und sie werden feststellen, daß die hl. Engel wegen ihrer unbeschreiblichen Schönheit liebenswert sind.

48. Neben der Schönheit ist der stärkste Liebesgrund, wie wir im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, die Wohltaten der hl. Engel. Nach dem hl. Dionysius sind die Engel unsere treuen Führer, Vermittler des göttlichen Willens und unsere Anwälte bei Gott. Nach dem hl. Propheten Jesaja sind sie unsere Beschützer, nach dem hl. Basilius unsere Hirten, nach dem hl. Augustinus unsere Retter, nach dem hl. Sophronius, Erzbischof von Jerusalem, unsere Verteidiger, Bürgen, Vormund, Lehrer und Erhalter. Nach dem hl. Cyprian Wächter unseres Heils, nach dem hl. Gregor von Nazianz unsere Aufseher, nach dem hl. Apostel Paulus unsere Diener und mit Philo, dem Schüler von Paulus, die Augen Gottes, die auf uns aufpassen.

Der hl. Augustinus sagt, sie warten auf unsere Ankunft im Himmel, bis die Plätze des Paradieses von uns gefüllt sind. Auf die Wohltaten folgen die Verdienste, welche bei den hl. Engeln so groß sind, daß ihnen niemand die größte Liebe absprechen kann. Denn wer ist so liebenswert, wie die hl. Engel, die Erstgeborenen des Hauses Gottes und Hofleute des himmlischen Königs?

49. Schließlich gründet unsere geschuldete Gegenliebe zu den Engeln in der Vernunft selbst. Denn es ist gerecht, daß man diejenigen liebt, von denen man geliebt wird. Allein die Liebe wird mit Liebe vergolten, sagt der hl. Augustinus. Nun aber haben wir keine treuere, ältere und vornehmere Freunde als die Engel. Daher sind wir ihnen die Liebe schuldig vor aller anderen irdischen Liebe und Freundschaft.
Weiter ist es ein Gesetz Gottes, daß man liebt, was Gott liebt. Daher ist notwendig, daß wir, wenn wir Gott lieben, auch die Engel lieben, welche nach Augustinus bei ihm in höchsten Gnaden und allzeit um seinen Thron herum stehen. Und wenn wir bedenken, daß wir nach diesem Leben in ihrer gottseligen Gesellschaft wohnen werden und uns mit ihnen der göttlichen Anschauung ewig erfreuen dürfen, so werden wir angespornt und ermahnt mit den hl. Engeln ein ewiges Bündnis und Freundschaft zu schließen und zwar ohne Aufschub, denn dieses Zögern, steht uns nicht zu, sondern es gebührt sich von diesem Augenblick an unsere Seele, Herz und Leib ihnen nächst Gott anzuempfehlen und sie täglich zu verehren. Dazu findet sich im Anhang eine Anleitung.
[Beten wir wie im Abendgebet für die Eltern: Vergilt, o Herr, was ich nicht kann, das Gute, das sie mir getan.]

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II. Teil Von den heiligen Engeln speziell

1. Kapitel Die Hierarchien

50. Im ersten Teil haben Sie hohe, wunderbare und tröstliche Dinge vernommen, in diesem Teil werden Sie noch viel erhabenere und schönere Dinge vernehmen... Damit aber niemand zurückschrecke, da ich mir vorgenommen habe nur für einfache Leute zu schreiben, jetzt aber mich in so hohe, dunkle und uns Menschen ganz verborgene Geheimnisse einlasse, so sage ich, daß ich meine Unwissenheit gern bekenne und daher nur schreibe, was ich aus dem hocherleuchteten Dionysius, den ich einigemale aufmerksam durchgelesen habe, selbst erkannt und entnehmen kann. Dionysius befürchtete bereits den gleichen Vorwurf und hat sich daher genauso entschuldigt und schreibt, daß er sich nicht getraute, dies zu schreiben, wenn er es nicht von seinem Lehrer, dem Apostel Paulus, erlernt hätte, von dem Dionysius bekehrt und getauft worden ist. [Heute meinen viele Theologen, Dionysius sei kein Schüler des hl. Apostel Paulus gewesen, der erst in Athen und später in Gallien bei Paris wirkte. Sie nennen ihn Pseudodionysius. Doch Dionysius ist 1. ein Heiliger, gehört 2. zu den vierzehn Nothelfern und 3. seine besonderen Offenbarungen hat die sel. Maria von der Menschwerdung bestätigt. “Ich weiß, daß er im Licht des Hl. Geistes geschrieben hat!” S.86]

51. Das Folgende gründet also hauptsächlich auf die Lehre des hl. Paulus, der, als er in den dritten Himmel entrückt war, dort diese hohen Geheimnisse gehört und gesehen hat. Diese hat er Dionysius und anderen Vätern hinterlassen, wobei er uns sicher nicht betrügen wird, (da er selbst einmal sagte: selbst wenn ein Engel vom Himmel käme und euch ein anders Evangelium verkünden würde, wir ihm nicht glauben sollen).
Wir können also sicher glauben, was hier geschildert wird. Zu Sicherheit habe ich bei dieser Darlegung den berühmten Schriftsteller Hugo von St. Viktor aus meinem Orden zu Hilfe genommen, der wegen seines Wissens und vorbildlichen Lebenswandels ein zweiter Augustinus genannt wird. Weiterhin werden auch viele andere große Lehrer der Wahrheit Zeugnis geben.

52. Wir beginnen mit den Worten des berühmten Hugo, der in seinem Buch über die himmlischen Hierarchien schreibt: Gott der Schöpfer aller Dinge, dessen unaussprechliche Majestät und unerschöpfliche Macht sich würdigte durch sich allein zu herrschen und alles zu leiten, was er erschaffen hat, hat frei entschieden und gewollt, daß auch andere an seiner Herrschaft und Regierung Anteil haben und Mithelfer sein sollen, nicht weil er deren Dienst nötig hätte, sondern damit sie durch die Verbundenheit mit seiner Macht und Regierung groß und respektabel gemacht werden. So hat Gott allein, als Herr aller Heerscharen, die englischen Herrschaften und Fürstentümer unter und neben sich stellen wollen, weil die Ordnung des großen Weltgebäudes erforderte, daß seine Werke durch bestimmte Anordnungen, die von Gott als dem höchsten Herrscher kommen, verwirklicht werden und ausfließen in jene, die er zu Teilhabern seiner Majestät erkoren und seiner Gnade und Glorie gemacht hat. Dies geschieht mittels der sogenannten Hierarchien, wovon dieses Kapitel handeln wird, und die nichts anderes sind als hl. Fürstentümer. Soweit Hugo von St. Viktor.
P. Amandus Herman erklärt das Wort Hierarchie folgendermaßen: Hiero heißt auf griechisch soviel wie heilig, Archos bedeutet ein Fürstentum (oder eine Herrschaft), so ist also eine Hierarchie nichts anderes als ein heiliges Fürstentum. In dieser Auslegung fast stimmen alle Lehrer überein.

53. Es gibt drei Hierarchien, eine supercoelestis, d.h. überhimmlische oder göttliche, eine coelestis, d.h. himmlische oder englische und eine terrestris, d.h. eine irdische oder menschliche (welche einige nicht anerkennen wollen). So Dionysius, Hugo, P.Herman, Petrus Gregor Tholosano und andere. Sie sagen auch, daß die anderen Hierarchien nach der göttliche Schönheit gestaltet sind. Diese Schönheit ist einfach (simpla) in der Dreifaltigkeit, optima, die beste an Gütigkeit und consummata, ausgestattet mit allen Vollkommenheiten. Das höchste Gut spendet seine unendlichen Güter und Vollkommenheiten den geschaffenen Dingen, besonders den zwei Hierarchien der Engel und Menschen freigiebigst aus.
Die zweite oder englische Hierarchie ist eine göttliche Ordnung, Wissen und Fertigkeit, kraft derer sie sich so viel als möglich zu ihm erhebt, ihm nachfolgt und sich mit ihm innigst vereint.
Die dritte oder menschliche Hierarchie umfaßt alle hierzu gehörenden Dinge, (auch) Zeremonien und Verrichtungen, wodurch die ordentlich geweihten Priester allen hohen Stufen der Vollkommenheit teilhaft werden... Hugo beschreibt diese drei Hierarchien kurz und gut: Die erste ist die Macht der Gottheit; die zweite ist die Macht der Engel und unter die erste gestellt. Die dritte ist eine menschliche Macht zur Ähnlichkeit der Engel, aber unter ihr und mittels der mittleren ist sie auch der ersten und höchsten unterworfen.

54. Die hohe Absicht, Ziel und Zweck dieser drei heiligen Hierarchien ist, daß die untere von den oberen, nämlich die dritte von der zweiten, die zweite von der ersten als der Urheberin aller geheiligt, erleuchtet und in den göttlichen Geheimnissen unterrichtet wird. Die letzte hat als einziges Ziel die Nachfolge, das Ähnlichwerden und die Vereinigung mit Gott, soweit dies je möglich ist und soll folglich ein lebendiges Bild der göttlichen Schönheit werden. Die Vollkommenheit jener, die sich in den Hierarchien befinden, besteht darin, daß sie aus all ihren Kräften auf die Nachfolge und das Gott-ähnlich-werden zielen und, wie die Schrift sagt, Diener Gottes werden, in dem sie, soweit wie möglich, ganz göttliche Werke vollbringen, wie wir von der englischen Hierarchie im folgenden Kapitel mehr vernehmen werden.
Von der irdischen Hierarchie aber, insofern sie sich in unserer katholischen Kirche befindet und von der englischen gereinigt, erleuchtet und regiert wird, sagt der hl. Dionysius folgendes: Das ewige Heil kann nicht anders erreicht werden, als wenn jene, die nach der Seligkeit trachten, ‚Götter‘ werden. Die Vergöttlichung ist aber nichts anderes, als die Nachfolge Gottes und gänzliche Vereinigung mit ihm. Diese geschieht, wenn jemand gemäß dem vorgeschriebenen Ziel unserer heiligen kirchlichen Hierarchie lebt, welche eine beständige Liebe zu Gott und den göttlichen Dingen anstrebt. Dadurch gelangt man zur Ähnlichkeit mit Gott, wenn man sein Herz unablässig zu Gott erhebt. Mehr von der kirchlichen Hierarchie zu schreiben ist nicht meine Absicht.

55. Soviel über die drei Hierarchien oder heiligen Fürstentümer, durch die, wie Hugo von St. Viktor sagt, die ganze Welt regiert wird. Die oberste, in der die höchste Macht ist, herrscht ganz allein, die unterste wird von den zwei oberen regiert, die mittlere regiert über die untere und wird von der oberen gelenkt. So hat die erste und höchste Hierarchie die zweite und dritte unter sich, die aus Engeln und Menschen bestehen. Ihnen hat sie Anteil an seiner Macht und Regierung gegeben. Sie hat unterschiedliche Gaben der Tugenden und Ämter der Macht zugeteilt. Dies ist ihnen so zugeteilt, daß alles von Einem stammt, alle Macht unter einem steht, Einer in allem ist, alles zu dem einen strebt und in ihm ruht. Soweit Hugo.
 

2. Kapitel Die drei Hierarchien der Engel speziell

56. Weil die heiligen Engel von so großer Zahl sind, daß sie der göttlichen Unendlichkeit, wie bereits beschrieben, sehr nahe kommen, hat die unendliche Weisheit Gottes um der kleinsten Unordnung einer so unbegreiflichen Menge zuvorzukommen, diese edlen und von uns unzählbaren Geister in drei Hierarchien und diese jeweils in drei besondere Chöre, ja sogar jeden Chor in erste, mittlere und letzte unterteilt und ihnen bestimmte Eigenschaften, Tugenden und Ämter je nach Grad und Stufe der Glorie zugeteilt. So repräsentieren sie insgesamt ein schönes und wohlgeordnetes himmlisches Kriegsheer.
Eine Hierarchie ist, wie im vorhergehenden Kapitel bereits berichtet, ein heiliges Fürstentum oder wie der hl. Thomas sagt (Q. 108 Art. 1) eine geordnete Schar/Gruppe unter einem Fürsten. Dieser Hierarchien sind drei verschiedene. Da die englische Hierarchie dreifach ist, ziemt es sich diese etwas ausführlicher zu beschreiben. Zur Erinnerung sei die zuvor erwähnte Erklärung wiederholt. Die englische Hierarchie ist eine göttliche Ordnung, Wissen und Tatkraft, kraft derer sie sich so viel als möglich zu ihm erhebt, ihm nachfolgt und sich mit ihm innigst vereint. Dies erklärt Hugo, wie folgt: Eine Hierarchie ist eine göttliche Ordnung, d.h. eine von Gott und auf Gott hingeordnete Macht, deren Aufgabe es ist bestimmte Dinge zu vollziehen. Dazu ist Wissen und Tatkraft erfordert. Wissen, d.h. Kenntnis, damit sie verstehen, was zu tun ist und Fertigkeit/Tatkraft, damit sie das Erkannte im Werk vollziehen können.

57. In der Ordnung befindet sich das Amt, im Wissen die Bescheidenheit und in der Fertigkeit der Dienst. Durch diese drei Stücke wird jede Hierarchie Gott gleichförmig und schwingt sich soweit, wie möglich, zu Gott(ähnlichkeit) hinauf, je nach Maß und Verhältnis der göttlichen Gaben und Erleuchtungen, die sie von Gott hat. So geschieht es , daß sie durch kluge Unterscheidung und gutes Wirken Gott (nach)folgen. Soweit Hugo, dem P. Herman beistimmt, der nach dem hl. seraphischen Lehrer Bonaventura die englische Hierarchie so erklärt, daß sie eine göttliche Ordnung, Weisheit und Fertigkeit dazu sei, damit die Ordnung, d.h. die wohlgeordnete Macht mit Gott dem Vater übereinstimme, dem die Macht in göttlichen Dingen zugeordnet werden, das Wissen / die Weisheit dem Sohn und die Fertigkeit oder der Vollzug dem Heiligen Geist. Hieraus erkennt man klar, wie die englische Hierarchie Gott nahe kommt, ihm gleicht und seinem Wirken mithilft, denn das ist das Ziel jeder dieser drei Hierarchien.

58. Daß es drei besondere und einander untergebene Hierarchien mit insgesamt neun Chören gibt, lehren alle Gottesgelehrten mit Dionysius, der bekennt, daß sein Lehrmeister Paulus diese himmlischen, d.h. englischen Naturen in drei mal drei Chören unterteilt.
Die erste und oberste in drei Chöre, das sind die hl. Seraphim, Cherubim und Throne, welche stets um Gott herum stehen und mit ihm unmittelbar verbunden und innigst vereint sind, so daß keine Hierarchie Gott mehr gleicht als die erste. Diese hat von Gott selbst alle ihre göttlichen Gaben und Erleuchtungen in vollkommener Weise und damit erleuchtet sie die zweite, mittlere Hierarchie, welche wiederum aus drei Chören besteht: den hl. Herrschaften, Kräfte und Gewalten, die unmittelbar von der ersten Hierarchie erleuchtet werden und mittels dieser von Gott. Hingegen ist auch diese zweite Hierarchie mit so hohen göttlichen Gaben und Vollkommenheiten ausgestattet, daß sie diese der dritten und letzten Hierarchie mitteilt. Diese dritte Hierarchie umfaßt die drei Chöre der hl. Fürsten, Erzengel und Engel, von denen in den folgenden drei Abschnitten berichtet wird.

I. Abschnitt. Die drei Chöre der ersten Hierarchie

59. Im ersten Chor befinden sich die hl. Seraphim, im zweiten die hl. Cherubim und im dritten die hl. Throne. Diese drei Chöre sind in der ersten Hierarchie, welche die Vornehmste ist und, wie bereits berichtet, von Gott unmittelbar erleuchtet werden, die anderen aber werden von ihr erleuchtet. Der hl. Dionysius will auch, daß wir wissen, was die Namen der hl. Engel bedeuten, damit uns deren Eigenschaften und Ämter besser bekannt werden. So sagt er: Seraphim heißt in der hebräischen Sprache soviel wie brennend und anzündend und sie sind so der reinen Liebe Gottes allein würdig. Ihr Name heißt nichts anderes als Hitze und Feuer.
Zwar sind alle Engel in der göttlichen Liebe wunderbar, aber mit den Seraphim sind die übrigen Engel nicht zu vergleichen. Die seraphische Liebe ist ohne Maß, die ihre Flammen an allen Orten und Enden ausbreitet.

60. Der hl. Dionysius nennt alle hl. Engel divinos / göttlich, besonders die unteren Chöre, weil alle durch das Band der Liebe mit Gott eng verbunden sind. Jene, welche diese unteren drei erleuchten diviniores / noch göttlicher, jedoch die Seraphim in Kap.10 besonders divinissimos / göttlichste, d.h. der Gottheit am nächsten und am ähnlichsten, da es nichts gibt, was zwei mehr vereinigt und gleichgestaltet als die Liebe, welche in den Seraphim - die Königin der Engel ausgenommen - die höchste Stufe aller Geschöpfe erreicht.
Die Liebe der Seraphim ist nicht mit der allgemeinen Vereinigung mit Gott zufrieden, sondern verlangt die innigste und genaueste Vereinigung mit ihm, so daß sie sich durch die glorwürdige Umgestaltung in der Gottheit verlieren und in ihr versinken. Dieses Feuer ihrer Liebe und die Reinheit ihres Liebesfeuers teilen sie allen anderen Chören der unteren Engel mit.

61. Deshalb rät uns der große Freund der hl. Engel, Heinrich Budon, wir sollen die hl. Seraphim lieben und verehren als Fürsten der reinen Liebe. Wer aber nach der reinen Liebe trachtet, muß nicht eine allgemeine, sondern eine außerordentliche Liebe und Verbindung zu diesen allerliebenswürdigsten Geistern haben.
Jene Heiligen, die auf Erden in der reinen Liebe vortrefflich waren und hoch hinauf gestiegen sind, haben von diesen Geistern wunderbare Hilfe und Wohltaten empfangen. So hat ein Seraph dem hl. Franziskus die hl. fünf Wundmale eingedrückt. Ein Seraph hat mit einem Liebespfeil der hl. Theresa das Herz durchbohrt. (Nicht nur bildlich, sondern wahrhaftig während der hl. Kommunion, wie im Mariä Namen Buch beim 5. Okt zu lesen ist. Heute noch wunderbarerweise in Avila zu sehen.) Ein Seraph hat in das Herz der sel. Baptista Veranis glühende Funken gesprüht. Ein Seraph ist öfter mit sechs Flügeln der ehrw. Katharina Racconiso erschienen. Ein Seraph hat sie bei Nacht mit einem himmlischen Licht begleitet, ihr geleuchtet und noch mehr, wie an anderen Stellen berichtet wird. Lieben sie also die Seraphim und sie werden die Liebe, die Gott selbst ist, auch lieben und selig werden.

62. Im zweiten Chor befinden sich die hl. Cherubim, die gleichfalls auf hebräisch eine große Erkenntnis und Wissen bedeuten, so daß sie nicht nur Kenner der schönen Weisheit des Himmels genannt werden, sondern, daß sie auch, wie der hl. Gregor sagt, mit dieser ganz erfüllt sind. Das göttliche Licht gibt ihnen wunderbare Erkenntnisse und diese hl. Erleuchtungen, die sie in Fülle haben, gießen sie im Überfluß über die anderen Hierarchien aus. Die Cherubim werden beim Propheten Ezechiel unter einer sensiblen Gestalt, die ringsum mit Augen erfüllt ist, dargestellt, da diese Geister reines Licht und Klarheit sind. Zu ihnen sollen wir ebenfalls eine besondere Andacht haben, besonders, wenn wir die Weisheit und Wissenschaft von Gott begehren oder eine andere, wichtige und schwierige Denkaufgabe erledigen müssen. Diese Engel sind vom edelsten und erleuchtesten Verstand im Paradies und können uns in der Wissenschaft der Heiligen und anderen wichtigen Angelegenheiten am besten unterrichten.

63. Man sagt und es ist auch wahr, daß wir mehr wissen und verstehen, als wir tun und, daß auf dem Weg der Tugend mehr Einsicht als Übung zu finden ist. Unterdessen ist das vollkommenste Licht des Verstandes rar und selten, obwohl es viele gelehrte Menschen gibt. Jenes Licht und Wissen, das die Wissenschaft der Heiligen, nämlich die hl. Regeln und Mittel heilig zu leben und zu sterben (nosse mori), umfaßt, findet man in manchem armen Laienbruder oder einfachen und ergebenen Frau eher als bei den Gelehrten. Diese reden zwar davon, aber ihr Herz wird davon nicht erfaßt. Diese doch wichtige Wissenschaft müssen wir zu Füßen unseres gekreuzigten Heilandes erlernen. Dies nicht allein mittels des inneren Gebetes und der Betrachtung, sondern vielmehr durch Anrufung und Verehrung der hl. Cherubim, welche die Diener der Erleuchtungen Gottes sind. [Damit es ein in und durch uns wirksames Licht und Wissen wird. Es heißt ja, wir sollen die Gebote Gottes (mit Leben) erfüllen! Anmerkung.]

64. Im dritten Chor befinden sich die hl. Throne, so genannt, weil sie von Gott mit solcher Gnade ausgestattet sind, daß es ihm gefällt, auf ihnen, wie auf einem Thron zu ruhen und zu sitzen. Daher werden sie Thron und Sitz Gottes genannt. Der hl. Dionysius nennt sie Träger Gottes (deiferos), weil sie Gott tragen, der auf ihnen, wie auf seinem Thron, nach Aussage des hl. Gregors, seine Urteile, Ratschlüsse und Anordnungen ergehen läßt. Denn, gleich wie sich früher Könige auf Sesseln tragen ließen, so läßt auch Gott sich durch diese hl. Engel tragen und durch diese seinen Willen den unteren Engeln und Menschen kundtun. Wie Könige ihr Gerichtsurteil auf einem Thron sitzend verkünden, so teilt auch Gott seine Befehle auf diesen Thronen aus. Von diesen empfangen die englischen Herrschaften im untergeordneten Chor ihre Befehle und so wird der göttliche Wille geoffenbart.

65. Den hl. Thronen wird der Friede zugeschrieben, welche sie durch das Tragen Gottes erhalten. Daher sollen wir ihnen auch eine besondere Verehrung und Liebe erweisen, denn im Psalm 76 heißt es, daß Gott seine Wohnung im Frieden (Salem) auserkoren hat. So sollen wir die hl. Throne verehren, wenn wir mit unserem Nächsten in Unfriede und Zwietracht leben, sie vor allem in Kriegszeiten anrufen, damit der Friede, den die Welt nicht geben kann, erhalten werde. Bittet sie, sagt Boudon, daß ihr mit euch selbst, mit Gott und mit euerem Nächsten Frieden habt, denn der Friede ist das Geschenk aller Geschenke. Und weil sich Gott der glückseligen hl. Throne bedient, damit wir den Frieden erhalten, so ist nicht zu bezweifeln, daß wir eine besondere Andacht zu diesen Geistern des Friedens pflegen sollen.

66. Der hl. Bernhard schreibt von den ersten drei Chören: Wir sollen bedenken, daß die Seraphim mit göttlichem Feuer entflammt sind und auch alle anderen vernünftigen Geschöpfe entflammen wollen, damit alle und jeder brennende und leuchtende Kerzen, brennend von Liebe und leuchtend von Erkenntnis seien. Wir sollen bedenken, daß die Cherubim aus dem unerschöpflichen Brunnen der Weisheit und aus dem Mund des Allerhöchsten schöpfen und dieses Wasser des Wissens ausgießen. Wir sollen bedenken, daß die hl. Throne Sitz Gottes genannt werden, weil Gott auf ihnen thront, was nichts anderes ist als die höchste Ruhe und Stille, die allerlieblichste Freude und ein solcher Friede, welcher unseren Verstand übertrifft.
Daraus erkennen wir, daß das Ziel und der Zweck dieser ersten Hierarchie ganz allein auf Gott hingerichtet ist und sich nicht mit äußeren Dingen befaßt. Außer dem dritten Chor, in dem Gott seine Urteile beschließt, der mit den Herrschaften, als ersten der mittleren Hierarchie, in Beziehung steht. Diesen verkünden sie die göttlichen Erleuchtungen und Befehle, denn diesen kommt es zu die göttlichen Ratschlüsse zu vollziehen, wie der hl. Thomas sagt.

II. Abschnitt. Die Chöre der mittleren Hierarchie

67. Der vierte Chor sind die Herrschaften, der fünfte die Kräfte / Mächte und die sechste die Gewalten. Diese drei Chöre bilden die mittlere Hierarchie, die von der ersten unmittelbar erleuchtet wird, selbst aber die dritte und letzte Hierarchie erleuchtet. Einige Lehrer, wie der hl. Papst Gregor und der hl. Bernhard setzen die Kräfte in den siebten Chor und die Fürstentümer des siebten Chors anstelle der Kräfte. Diese Reihenfolge nennt auch der hl. Paulus im Kolosserbrief 1.Kap. Doch die meisten Lehrer halten mit dem hl. Dionysius und dem englischen Lehrer, dem hl. Thomas, die hier genannte Ordnung, die auch der hl. Paulus im Epheserbrief im 1. Kap. aufzählt. Diese Lehrer vergleicht der hochgelehrte Vinzenz Contenson miteinander und sagt, jene Geister, die Gregor Fürstentümer bezeichnet, seien eben dieselben, die Dionysius unter Kräften versteht und umgekehrt. So daß dies kein Fehler, sondern ein Wortstreit sei. Noch schöner erklärt dies der hl. Thomas (Art. 5 u.6).

68. Kommen wir nun zu den hl. Herrschaften. Sie sind ihrem Namen nach solche Geister, welche allezeit nach hohen Dingen streben und frei von aller irdischen Niederträchtigkeit sich keiner tyrannischen Gewalt oder Schmeichelei unterwerfen, sondern alles Niedrige überwinden, eine wahre Herrschaft behaupten und sich dadurch dem Urheber aller Herrschaft durch göttliche Gleichförmigkeit, soweit sie können ähnlich machen. So Dionysius und Thomas.
Ludwig Bail sagt, die besonder Eigenschaft und Natur der Herrschaften sei ihr großer Eifer für das Reich Gottes, damit es allzeit erhalten und vermehrt werde und auf jede Weise erblüht, so daß ihm alles unterworfen sei... Budon sagt, die hl. Herrschaften teilen, die von den hl. Thronen empfangenen Befehle in Angelegenheiten, die Gott betreffen, mit. Den hl. Kräften geben sie Stärke diese Befehle auszuführen. Die Gewalten hingegen widerstehen den Teufeln, die sich widersetzen, machen ihre höllische Macht und Gewalt zu Schande und räumen alle Hindernisse aus dem Weg.

69. Die hl. Herrschaften sind also jene Geister, die uns den Befehl Gottes erteilen und den göttlichen Willen zu erkennen geben. Wie glücklich wären wir, wenn wir den göttlichen und menschlichen Willen unterscheiden könnten. Die Eigenliebe und die Liebe zu den Kreaturen bringt oft Verblendung hervor und führt uns oft hinters Licht [in den Schatten, d.h. das Reich der Finsternis], anstatt, daß wir den göttlichen Willen annehmen und befolgen.
Diese Unordnung ist viel größer als die geistreichen Personen vermuten. Die Andacht zu den hl. Herrschaften ist ein Mittel die Anordnungen Gottes zu erkennen, da sie gewissermassen die geheimen Ratschreiber des höchsten Monarchen Jesus Christus sind. Wir sollen sie anrufen, damit sie uns den Willen Gottes zu erkennen geben und uns von Gott die Gnade erlangen unseren Willen zu verleugnen und dem göttlichen gänzlich gleichförmig zu werden.

70. Der fünfte Chor der Engel sind die hl. Kräfte / Mächte, deren Namen eine unüberwindliche Stärke bedeutet. Durch diese Stärke vollziehen sie alle ihnen von Gott auferlegten Ämter, streben nach Ähnlichkeit und Nachfolge Gottes und schauen immer jene himmlische, d.h. göttliche Kraft, die Ursprung aller Kraft und Stärke ist. So Dionysius. Auf gleiche Weise, sagt Thomas, zeigt ihr Name an, daß sie alle göttlichen Dinge, die sie betreffen, ohne Furcht anpacken. Daher haben sie eine Stärke in einem höheren Maß und Grad als die anderen Engelschöre, die sonst auch allgemein himmlische Kräfte genannt werden. Ludwig Bail sagt, daß Gott lasse sich das Auftreten dieser mit so großer Klugheit begabten Engel gefallen, da er selbst Herr der Kräfte genannt wird (Ps 24), als würde seine Herrlichkeit besonders darin bestehen, daß er durch die hl. Kräfte bedient würde.
O wie sehr, sagt Budon, haben wir die Hilfe und Kraft dieser hl. Engel von Nöten, da wir nichts sind, als lauter Schwachheit und von unserer Sinnlichkeit und Wünschen beherrscht werden. Oft werden wir von unseren Schwächen auch überwunden, da diese größer sind, als wir uns vorstellen.

71. Daher ist die Andacht zu diesen hl. Kräften zu pflegen, damit wir in unseren Schwächen gestützt werden. Wir wollen sie lieben und ehren, und wenn wir durch ihren Beistand die schlechte Neigung der Natur und die Hindernisse zum Guten überwunden haben, sie dafür loben und preisen. Der hl. Papst Gregor, der hl. Bernhard und andere sind der Meinung, daß Gott durch die hl. Kräfte die Wunder wirkt. Daher sollen wir diese Engel sehr lieben, in den Nöten des Leibes und der Seele, bei öffentlichen Krankheiten und anderen Übeln zu ihnen Zuflucht nehmen. Gott regiert durch sie die Jahreszeiten, die Gestirne und Elemente, obwohl ansonsten den Engeln der letzten Hierarchie diese Sorge obliegt. Zu Zeiten der Pest, der Überschwemmungen und ähnlicher Strafen ist eines der besten Mittel, wenn man diese Engel um deren Abwendung bittet und sie verehrt.
So Budon.

72. Der sechste Chor der Engel sind die hl. Gewalten. Dieser Name deutet eine besondere himmlische und geistliche Macht an, wodurch sie nicht wie ein Tryann ihre Gewalt mißbrauchen, sondern mit unüberwindlicher Gesinnung sich um die göttlichen Dinge bemühen und so weit wie möglich den unteren Engeln auch dazu helfen.
Nach Thomas steht der hl. Dionysius den Gewalten zu, daß diese anordnen,
was die unteren Engel zu tun haben. Denn diese Engel im letzten Chor der mittleren Hierarchie haben eine Beziehung mit den hl. Fürstentümern, dem ersten Chor der letzten Hierarchie, so daß sie ihnen die Anordnungen kundtun und diese, als Fürsten der Völker und Königreiche, zum Vollzug der göttlichen Befehle schreiten. Ludwig Bail sagt, diese Geister herrschen über andere nicht anders, als allein durch den innigen Reiz ihrer Lieblichkeit. Daher scheint, daß dieser Titel innig, mild und gütig auf eine besondere Weise diesen Engeln zukommt. Sie werden Gewalten oder Gewalthaber genannt, weil sie bei Gott und gegen den Nächsten durch ihre Gütigkeit und liebevolle Natur große Dinge vermögen.

73. Die hl. Gregor und Bernhard sagen, daß die Gewalten so genannt werden, weil durch sie die bösen Geister vertrieben und gezähmt werden. Diesem stimmt neben anderen Budon zu, wenn er sagt: Gott hat dem Chor der Gewalten eine besondere Gewalt und macht gegeben alle Nachstellungen und Anschläge des bösen Feindes zu vernichten. Es ist eines der Geheimnisse des geistlichen Lebens, daß man mit besonderem Fleiß und Sorgfalt die Andacht zu diesen glückseligen Geistern pflegen soll.
Es ist weder mir noch anderen möglich, die wunderbare Wirkung dieser Andacht zu erklären. Die Verehrung dieser zum Schutz gegen die ganze Hölle so mächtigen Engel ist wahrhaft eine der notwendigsten und nützlichsten Dinge besonders in der Sterbstunde, wo unser letzter und gefährlichster Kampf mit den höllischen Gespenstern stattfindet.

74. Wenn man aber sonst bemerkt, daß ein Unheil in der Kirche oder Staat entstehen will, daß man gegen Gottes Ehre arbeitet, oder daß man sich dem Guten widersetzt, sei es in den Bistümern, Provinzen, Städten oder auf dem Land, dann ist es Zeit und notwendig zu den Gewalten, als den Bevollmächtigten des Himmels und der Erde, zu beten, damit sie das Vorhaben der Hölle zerstören und vernichten.
Der hl. Bernhard schreibt von dieser mittleren Hierarchie: Wir sollen gedenken, daß die Herrschaften über allen unteren Chöre stehen und ihnen als Oberherren die Leitung der Fürstentümer, der Schutz der Gewalten und die Werke der Kräfte unterworfen sind. Wir sollen bedenken, daß die Kräfte jene sind durch deren Wirkung die Zeichen und Wunder zum Heil der Menschen geschehen. Die Gewalten sind jene, durch deren Macht die Macht der höllischen Finsternis unterdrückt und das Unwetter der Luft gehemmt wird, damit es nicht so sehr schadet, als es uns bedroht. So erkennen wir das Ziel und den Zweck dieser mittleren Hierarchie: Die allgemeine Ordnung der Dinge, die von der letzten Hierarchie auszuführen sind.

III. Abschnitt. Die Chöre der letzten Hierarchie

75. Der siebte Chor sind die hl. Fürsten, der achte die hl. Erzengel und der neunte die hl. Engel. Diese drei Chöre bilden die dritte und letzte Hierarchie, welche von der mittleren erleuchtet wird. Die Frage ist, warum der neunte Chor den Namen Engel trägt, da doch alle neun Chöre Engel genannt werden und sind? Die Lehrer sagen einhellig, daß das Wort Engel eine Bezeichnung des Amtes ist und nicht der Natur, denn Engel heißt soviel als Bote oder Gesandter. Dieses Amt kommt dem letzten Chor in besonderer Weise zu, obwohl zuweilen auch hl. Geister aus den höheren Chören gesandt werden, doch nur in wichtigeren Dingen, wie wir noch sehen werden. Deshalb heißen alle Engel. Wichtige Dinge stehen den Erzengeln zu. So Dionysius, Thomas, Hugo, Alexius und andere.

76. Die hl. Fürstentümer. Ihr Name besagt, daß sie an Gottes Stelle den letzten beiden Chören vorstehen und das fürstliche Regiment über diese führen. Sie sind immer auf das höchste Fürstentum (Gottes Herrschaft) gerichtet und führen die unteren Engel. Sie bemühen sich auch jenes höchste Fürstentum, welches Ursprung aller Herrschaft ist, diesen nach Kräften bekanntzumachen und dessen Herrschaft über alle Chöre zu verkünden. Dies geschieht durch Verteilung und Ordnung der herrlichen Gaben, Tugenden und Erleuchtungen, welche so hohen Geistern zusteht. So Dionysius.
Da diese letzte Hierarchie in besonderer Weise ordnet und für die Sorge um die Menschen bestellt ist, aber nicht nur der Menschen, sondern auch der Königreiche und Provinzen und für andere besondere Dinge, welche die Menschen betreffen, so ist hier noch etwas genauer zu beschreiben, was jedem einzelnen dieser Chöre zukommt. Vom letzten Chor der Engel ist schon den kleinen Kindern bewußt, daß sie für das seelische und leibliche Wohlergehen aller Menschen sorgen und deshalb den Namen Schutzengel tragen.

77. Die Erzengel beschützen Kaiserreiche, Königreiche und Provinzen. Die Fürstentümer teilen den Engeln und Erzengeln die Befehle der göttlichen Vorsehung mit, die sie von der mittleren Hierarchie empfangen. Sie werden nach dem hl. Gregor Fürstentümer genannt, weil sie Fürsten der himmlischen Geister der beiden letzten Chöre sind. Die Engel offenbaren den göttlichen Willen in allgemeinen Dingen; die Erzengel in Sachen größerer Bedeutung, deshalb heißen sie Erz- Arch-, d.h. Ober oder höher, wie Erzbischöfe, Erzdiakone oder Erzbruderschaften, höher oder vornehmer sind als einfache Bischöfe, Diakone oder Bruderschaften. So sind auch die Erzengel mehr und höher als die Engel und werden nur in wichtigeren Dingen von Gott gesandt. Aber beide, die Erzengel und Engel erhalten ihre Erkenntnisse und Anordnungen von den Fürstentümern, welche in besonderer Weise Abgesandte der höchsten Gewalt Gottes darstellen.
[Der Papst ist auch Erzbischof von Rom und doch viel höher!]

78. Die liebreiche Gütigkeit, sagt weiter Budon, dieser glückseligen Geister der dritten Hierarchie ist zu den Menschen so groß und wunderbar, daß wir sie niemals erkennen noch uns darüber verwundern können. Doch sollen wir sie wenigstens lieben und verehren, soviel wie möglich, obwohl dies niemals ihren Verdiensten gemäß geschehen kann. Der Himmel bewirke, daß wir alle unsere Kräfte dafür einsetzen, soviel als Gott von uns verlangt.

Zu den hl. Fürstentümern wollen wir beten, damit wir die Erneuerung unseres inneren Menschen erhalten. Der Mensch ist eine kleine Welt. Ihm obliegt es über seine inneren Gefühle und Begierden zu gebieten und über sie, wie ein König zu herrschen. Da seine Kräfte aber durch die Sünde sehr geschwächt sind, ist ihm Hilfe von Nöten, damit er nicht von sich selbst überwunden wird. Die Fürstentümer, die diesen glorreichen Titel und Namen wegen der ihnen von Gott über die unteren Engel verliehenen Macht tragen, werden den schwachen Menschen mächtige Hilfe leisten, wenn sie sich derselben nicht unwürdig machen, sondern mit tiefster Ergebung diese großen Fürsten des Paradieses anrufen und verehren.

79. Zu den hl. Erzengel wollen wir beten, damit wir durch ihre Hilfe den Eifer erhalten, Gottes Ehre bei uns und anderen, besonders bei geistlichen und weltlichen Vorgesetzten und anderen öffentlichen Personen zu fördern.
Zu den hl. Engeln, besonders den lieben hl. Schutzengeln sollen wir beten, damit wir durch ihren Beistand und Fürbitte bei Gott, die Reinheit der Seele und des Leibes, die Liebe zu den Nächsten, die notwendige Geduld in den Widerwärtigkeiten und andere Tugenden erlangen. So Budon. Über die hl. Schutzengel wird im 6. und 7. Kapitel besonders berichtet. Die Abhandlung über diese dritte Hierarchie wird beendet mit den Worten des honigfließenden Lehrers (S. Bernhard), der schreibt: Wir sollen bedenken, daß durch die Fürstentümer die Regierung und Weisheit aller Fürstentümer der Erde bestellt, geleitet, eingeschränkt, verteilt oder verändert wird. Die hl. Erzengel sind voll der göttlichen Geheimnisse und werden nur für wichtige Angelegenheiten zu uns gesandt. Die hl. Engel werden jedem Menschen zum Schutz gegeben.

Anhang und Schluß des 2. Kapitels

80. Nicht ohne Trost und heilsame Belehrung beende ich dieses Kapitel mit der Wiederholung der Eigenschaften und Ämter aller neun Chöre, damit wir erkennen, wie aus dem großen und vielfältigen Unterschied der alleredelsten englischen Geister die Herrlichkeit, Majestät und Vollkommenheiten Gottes durchscheinen. Weiterhin damit wir sehen, wie schön diese dreifache englische Hierarchie unserer irdischen Hierarchie sich ähnelt.
So sagt der hl. Bernhard: Wir erkennen in den Seraphim, wie sehr sie Gott lieben... wie sehr Gott sie zärtlich und herzlich liebkost, denn er haßt nichts von den Dingen, die er erschaffen hat.
Wir erkennen in den Cherubim, welche die Fülle des Wissens und der Erkenntnis genannt werden, daß Gott der Herr aller Wissenschaft ist, ein reines Licht und keine Finsternis in ihm ist.
In den Thronen erkennen wir, wie in ihnen ein Richter ist ,der allen Argwohn entfernt, welcher weder andere hintergeht noch von ihnen hintergangen werden kann, welcher zugleich liebt und alles sieht. So ist auch die Gerichtsitzung ohne Geheimnisse, sondern ruhig und friedlich. Von einem solchen Gericht wünsche ich, daß mein Urteil ergehe, wo Liebe zugegen und Irrtum und Verwirrung fehlen.

81. In den Herrschaften erkennen wir die große Majestät Gottes, durch dessen Wink sein Reich besteht, die Welt und die Ewigkeit beherrscht wird. Bei den Kräften erkennen wir, daß überall an allen Orten der Welt eine einzige lebendigmachende, mächtige, unsichtbare und unbewegliche Kraft zugegen ist, die alles führt und stärkt.
Bei den Gewalten ist zu erkennen, wie der göttliche Monarch jene, die er regiert, auch beschützt und von ihnen alle feindlichen Mächte fernhält und vertreibt. Bei den Fürstentümer erkennen wir den Anfang und Ursprung, von dem alles kommt. Gleichwie eine Türangel die Tür so wird von ihm die ganze Welt regiert. Schließlich erkennen und bewundern wir in den Erzengeln und Engeln die Wahrheit, daß er über uns alle Sorge trägt. So Bernhard bei Contenson.

82. Die Übereinstimmung der englischen mit der irdischen Hierarchie zeigt uns der hl. Thomas und aus ihm Contenson bezüglich der ersten und dritten Hierarchie. Die drei Chöre der ersten Hierarchie haben nach Thomas das Ziel, daß sie immer ganz nah bei Gott stehen und alle ihre Vollkommenheiten und Erleuchtungen direkt von Gott erhalten. Weil Gott das Ziel und der Zweck seiner Untergebenen ist, so läßt sich ein Bild dieser Hierarchie in den menschlichen Dingen erkennen: Bei den Königshöfen sind einige mit so hoher Würde, die immer, wenn sie wollen, zum König gehen und mit ihm vertraulich verhandeln können... Andere wissen noch dazu um seine Geheimnisse und sind seine Geheimräte und Sekretäre. Andere stehen ihm gar zur Seite und wohnen stets bei ihm, wie die Königin, die Prinzen und Prinzessinnen. So ist es auch beim göttlichen Hof, was die erste Hierarchie betrifft. Die Throne nehmen Gott allzeit ganz freundlich in sich auf; die Cherubim erkennen die göttlichen Geheimnisse und die Seraphim sind mit ihm durch die höchste Liebe vereint.

83. Die Chöre der zweiten Hierarchie haben die Aufgabe der allgemeinen Anordnung jener Dinge, die zu tun sind. Dazu gehören drei Dinge: Erstens die Unterscheidung und Aufteilung, was den Herrschaften zusteht. Zweitens die Ausführung, wozu die Kräfte helfen und drittens das Durchsetzen, welches den Gewalten obliegt. So Thomas. P. Hermann sagte, diese Hierarchie stellt uns den Stand der hohen Prälaten und Oberen vor und deren Vollkommenheit auch in drei Punkten besteht: Vorstehen und befehlen, wie die Herrschaften; ausführen wie die Kräfte und beseitigen aller Hindernisse, wie die Gewalten.
84. Die drei Chöre der letzten Hierarchie haben besondere Aufgaben. So die Ankündigung göttlicher Dinge, welche auf dreierlei Art geschehen kann.
Erstens, so sagt Thomas, daß sie ein Werk beginnen und andere dazu anleiten, wie Oberste im Krieg, Lehrer in der Schule und Vorsänger im Chor. Dies kommt eigentlich den Fürstentümern zu, welche die unteren zwei Chöre erleuchten und regieren. Weiter gibt es einige, welche die Mittel erhalten und teils die unteren leiten, teils aber auch ausführen, was die Oberen befehlen. So tun es die Unteroffiziere, welche die Soldaten exerzieren und auch von den Offizieren exerziert werden, das sind die Erzengel.
Drittens gibt es welche, die nur die Befehle allein ausführen, wie einfache Soldaten und das ist das Amt der Engel, welche die göttlichen Anordnungen uns Menschen verkünden. So Thomas und Contenson.

Überblick:

1. Hierarchie:

Seraphim

Cherubim

Throne

       

2. Hierarchie:

Herrschaften

Kräfte/Mächte

Gewalten

       

3. Hierarchie:

Fürstentümer

Erzengel

Engel

 

3. Kapitel Ob alle Chöre oder nur die unteren fünf zum Dienst der Menschen auf die Erde herab gesandt werden?

85. ... Einige Lehrer behaupten, daß die Aufgabe der höchsten Engel sei immer bei Gott zu sein und ihm zu dienen. Und es zieme sich keinesfalls und sei auch nicht notwendig, daß sie von Gott auf die Erde herab gesandt werden, da dieses Amt den unteren fünf Chören zusteht. (Siehe Nr. 75)...
Andererseits erkennen wir durch andere Lehrer die große Liebe Gottes zu uns
Menschen. Daher sagen sie, daß aus dieser Liebe Gott alle Engel zu unserem Heil, Nutzen und Schutz sendet und die Engel dazu auch willig und bereit sind. Diese Erörterung übersteigt das Wissen des Autors, ist aber notwendig zum Verständnis des 4. Kapitels und dessen dritten Abschnitts. Daher sei hier berichtet, was den Lehrern wahrscheinlich scheint.

86. Erstens gibt es zwei verschiedene Sendungen der Engel, eine innerliche und eine äußerliche. Die Innerliche ist, wenn Gott einem Engel aus den ersten vier Chören befiehlt auf Erden etwas auszuführen. Dieser höhere Engel überträgt diesen Auftrag aber einen unteren Engel, damit dieser an seiner Stelle auf die Erde herabsteigt und den Befehl ausführt. Die Äußerliche hingegen ist, wenn der höhere Engel selbst auf die Erde herabkommt und den Befehl Gottes selbst ausführt. Die innerliche, also besser gesagt die indirekte oder mittelbare Sendung, halten alle Lehrer für möglich, doch gibt es auch die äußerliche, besser gesagt die direkte oder unmittelbare Sendung eines hohen Engels. So werden die unteren fünf Chöre, welche die Sendungen auf Erden ausführen ministrantes - dienende Engel genannt, die vier höchsten Chöre aber assistentes - beistehende Engel. Diese Lehre gründet sich auf Dionysius und Thomas und hat viele Fürsprecher. Die Gegenpartei sagt, daß alle Engel äußerlich, d.h. direkt gesandt werden und sie ist nicht weniger stark. Diese (damals) neueren Lehrer behaupten, daß alle Engel auch die höchsten Seraphim in wichtigen Angelegenheiten zu uns gesandt werden und daher seien alle dienende Geister (Hebr. 1,14). Dienstgeister, wie bei P. Gabriel Vasquez zu lesen ist.

87. Weil diese uns so unbekannte Sache aus der Hl. Schrift nicht vollkommen klar bewiesen werden kann, folgt nun die Darlegung der Gottesgelehrten. Der Autor hält es mit den letztgenannten Lehrern, die sagen, daß alle Engel ohne Ausnahme zu uns gesandt werden. Die unteren fünf Chöre in gewöhnlichen Dingen und die ersten vier Chöre aber nur in außerordentlichen und wichtigen Angelegenheiten. Diese Auffassung vertreten der hl. Augustinus, der hl. Hieronymus, der hl. Chrysostomus, der hl. Cyrill, der hl. Gregor von Nazianz und andere bei und mit Alexius von Salo. Der hl. Athanasius und der hl. Johannes von Damaskus bei und mit Arriaga. Der hl. Bernhard und der hl. Papst Gregor bei und mit P. Herman. Ebenso Biegatz bei P. Gunnneto. Der hl. Dun Scotus (doctor subtilis), Hugo von St. Viktor, Theodoret, Vasquez, Pecanus, Espartza, Kircher, Albertinus, Cornelius a Lapide, Budon, Barry, Burchardus a st. Mattaeo etc.

88. Cornelius a Lapide (ein berühmter Exeget) erklärt deutlich, daß alle Engel dienende Geister sind, so wie der Apostel Paulus schreibt. Sei es, daß einige öfter geschickt werden und andere (höhere) seltener und so fast immer bei Gott stehen. Daher können diese höheren Beistehende und die ersteren Dienende genannt werden.
So ist auch zu verstehen, daß die sieben Geister, die sieben Engelsfürsten, die immer vor dem Angesicht Gottes stehen und in die ganze Welt gesandt werden, daher Beistehende genannt werden (Offb. 8,2). So sind jene sieben Geister Beistehende und zuweilen Dienende. Sie sind Beistehende, weil sie im Himmel ganz nah bei Gott stehen und Dienende, wenn sie vom Himmel zu uns gesandt werden.

89. Diese These beweisen außerdem Durandus, Marsilius und andere bei Vasquez. Arriaga sagt, daß diese Auffassung viel wahrscheinlicher sei, als die andere, da damit die Stellen der Hl. Schrift besser erklärt werden können, wo es z.B. heißt, daß ein Seraph zu Jesaja gesandt worden ist (Jes. 6). Daß ein Cherub vor das Paradies gestellt wurde (Gen. 3) und daß ein Cherub dem Ezechiel erschien (Ezch. 10). Daß alle Engel dienstbare Geister sind, auf die Erde gesandt zum Heil der Menschen (Hebr. 1,14) usw.
Daß aber der Text der Hl. Schrift wörtlich und nicht nur symbolisch zu verstehen ist, beweisen die Gottesgelehrten dadurch, daß sonst keine einzige Stelle der Schrift glaubwürdig wäre.
[Viele Exegeten zweifeln heute die Wunder und Auferstehung Jesu an, daher kommt die Glaubenskrise bei den Theologen!]
Denn außer von der Hl. Schrift wissen wir nichts von den Seraphim und Cherubim. Jesaja sah die Seraphim um den Thron Gottes. Einer kam zu ihm, hat ihn mit einem glühenden Stein von der Sünde gereinigt (Jes. 6). In gleicher Weise ist dies von den Cherubim zu verstehen, wie im Englischen Allerlei unter dem 10. April bei Nr. 1 zu lesen ist. Danach wurde der Prophet Ezechiel von den vornehmsten Engel erleuchtet und ebenso der Prophet Jesaja (beim 5. Juli Nr. 1).

90. So versteht es auch der hochgelehrte P. Arriaga und mit ihm die hl. Kirchenväter Athanasius, Gregor von Nazianz, Chrysostomus und Johannes von Damaskus. Ebenso Theodoret und andere, die bei Suarez zitiert werden... Arriaga erklärt, daß die Sendung des Seraphim zu Jesaja und der Cherubim zu Ezechiel keine geringe, sondern wichtige Dinge betroffen hat und es daher diesen hohen Geistern sehr angemessen war.

91. Bezüglich der Lehre der hl. Dionysius sagt Arriaga, so stimmt diese zwar im allgemeinen, aber nicht in außerordentlichen Fällen... Dionysius ist selbst geneigt diese äußerliche / direkte Sendung gut zu heißen, da er jenen Engel, der zu Zacharias kam, für einen aus der ersten Engeln (de primis angelis), also, wie Hugo sagt, aus den vornehmsten und höchsten Engeln, welche um Gott herumstehen, hält. Denn dieser Engel hat keinen Befehl von einem höheren Engel erhalten, sondern er selbst hat einem anderen Engel befohlen (Zach. 1). Darüber hinaus hängt Dionysius seiner Meinung nicht so stark an, daß er sich nicht besseren Beweisen unterwirft, wie er im 13. Kapitel zu verstehen gibt...
Da sich diese Meinung des Dionysius, auf die sich Thomas und seine Schule versteift, auf schwachen Fundamenten steht, bleiben wir bei unserer Überzeugung, daß alle Engel, auch die höchsten Seraphim, gesandt werden. Denn Gott hat uns so sehr geliebt, so sagt der gelehrte P. Albertinus, daß er zu unserer Erlösung seinen eingeborenen Sohn gesandt. Sollte er uns aus dieser großen Liebe nicht auch einen Seraphim senden?

92. Die Gottesgelehrten fragen, welcher Chor und welcher Engel auch des höchsten Chors sei ausgenommen und befreit von der Liebespflicht, die den Sohn Gottes unter das Joch des Kreuzes gedrückt hat? Welcher der seligsten Geister sollte nicht innigst verlangen am Heil der Menschen mitzuwirken, nach dem der eingeborene Sohn Gottes aus Liebe zu den Menschen selbst vom Thron der Glorie auf die Erde herabgestiegen ist? Wir wissen alle, daß Christus Engel des großen Rates genannt wird, ja König aller Engel und auf die Welt gekommen ist. Daß auch Maria, die Mutter Jesu und Königin der Engel, oft auf Erden erschienen ist. So gereicht es auch der Würde der höchsten Engel nicht zum Nachteil, wenn sie zu uns herab gesendet werden. P. Herman belegt dies aus dem Buch des hl. Bernhard, der sagt: Der König der Engel ist gekommen nicht um von anderen bedient zu werden, sondern um zu dienen. Warum sollte sich dann ein Engel dieses Dienstes verweigern?

93. Der hl. Johannes Chrysostomus, P. Suarez, Arriaga, Albertinus, Budon, Barry, Gonet und andere sagen, daß der Engel der bei der Krippe den übrigen unzählbaren Engeln den Lobgesang: Gloria in excelsis Deo - Ehre sei Gott in der Höhe etc. vorgesungen hat, der Christus in seiner Kindheit beigestanden ist und seine Eltern ermahnt hat, was zu tun ist (Flucht...), der Christus am Ölberg zum Leiden gestärkt hat, sei ein Seraphim (und zwar St. Michael) gewesen.
Ebenso sagen einige mit Johannes Chry. bei P. Gonet, daß nicht alle Engel, jedoch die meisten aus allen Chören zu Christus bei seiner Geburt auf die Erde herabgestiegen sind, und ebenfalls nach seinem vierzigtägigem Fasten, bei seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt. Obwohl sich dies den höchsten Engel geziemt habe, weil Christus nicht nur Mensch, sondern Gott war (und ist), so bleibt doch wichtig, daß in manchen Dingen auch die oberen vier Engelchöre gesandt werden. Ziemt es sich aber bei Christus, dem Sohn Gottes und Sohn Mariens, so auch bei seiner liebsten Mutter. So haben die meisten Engel aus allen Chören, die mit ihm auf Erden waren, seine heiligste Mutter in den Himmel heimgeholt, wie sie vormals Christus die Ehre erwiesen haben.

94. So liest man auch in der Mystischen Stadt Gottes von Maria von Agreda, die auf Befehl der Muttergottes das Leben Marias aufgeschrieben hat, daß Maria zu ihrem Dienst 900 Engel hatte, aus jedem Chor 100 (Teil 1, Nr. 201). Neben diesen sandte Gott noch zwölf andere, die ihr stets in sichtbarer Gestalt beistanden und nochmals achtzehn höhere Geister, die sie als Botschafter in den Himmel sandte. Zu diesen kamen noch 70 aus den höchsten und seinem Thron am nächsten stehenden Seraphim, damit sie die Königin des Himmels unterhielten. Im 3. Teil unter Nr. 349, wird berichtet, daß Maria auch dem Leib nach einst auf den Händen der Seraphim, begleitet von den genannten tausend Engeln, nach Saragossa in Spanien getragen worden ist, um den Apostel Jakobus zu trösten.
P. Martin von Cochem berichtet, die Muttergottes hat einer hl. Jungfrau offenbart, daß bei ihrer Unbefleckten Empfängnis, als ihre von der Erbsünde freie Seele in ihren kleinen und reinen Leib eingegossen wurde, dreitausend Cherubim zugegen waren.
Als die hl. Angela von Foligno das hochheiligste Sakrament des Altares anbetete, hat sie gesehen, daß eine große Anzahl Engel darum waren. Christus hat ihr selbst gezeigt, das dieselben lauter Throne seien (P. Barry). Der hl. Erzengel Michael hat einst der Antonia von Estonac geoffenbart, daß jene, die den Engelsrosenkranz von den neun Chören vor der hl. Kommunion beten, von neun Engeln, aus jedem Chor einem, zur Kommunion begleitet werden.

95. P. Arriaga erzählt, daß zu seiner Zeit in Spanien eine sehr heilige Jungfrau gelebt hat, welche erst ein halbes Jahr zuvor selig entschlafen ist. Von ihr wird geschrieben, daß sie neben ihrem Schutzengel noch zehn andere Engel aus den Beistehenden hatte, welche sie fast ständig mit den Augen anblickten.
Dieses lange Kapitel beschließe ich mit einer Erscheinung, die der hl. Johannes vom Kreuz hatte und die bei Budon zu lesen ist. Ihm und der hl. Theresia erschien einst die Königin der Engel, die ein Regelbuch mit einer unvergleichlichen Schönheit auf dem Haupt eines Seraphim ruhend in den Händen hielt und dies dann der hl. Theresia und diesem Mann Gottes, die vor ihr knieten, überreichte.
96. Aus all diesen Beispielen wird ersichtlich, daß die hl. Seraphim, Cherubim, Throne und Herrschaften, die Beistehende genannt werden, ja alle Chöre auf Erden erschienen sind. Es ist nicht zu bezweifeln, daß alle Engel äußerliche - direkte Sendungen erfüllen. Sollte aber jemand trotzdem noch behaupten, daß allzeit anstelle der oberen Engel Untere gesandt werden, so müßte man auch sagen, daß anstelle der Muttergottes eine andere Jungfrau den Heiligen erschienen sei. Da aber die Würde der Muttergottes unvergleichlich größer als aller Seraphim ist, so würde sich viel weniger geziemen, daß Maria erscheint, als ein Seraph.. Man müßte ja sonst viele Berichte als falsch bezeichnen, umschreiben oder gar leugnen und verwerfen... 
 

4. Kapitel Von den sieben Engelsfürsten, die stets vor dem Thron Gottes stehen

97. Nach den Hierarchien und Chören der hl. Engel folgen nun die sieben höchsten Geister. Von ihnen berichtet das Alte und Neue Testament öfter, daß sie vor dem Angesicht Gottes stehen und auf seine Dienste warten. Daher nennen sie sowohl die Hl. Schrift als auch die Gottesgelehrten Principes - Engelsfürsten. Dem zufolge dürften sie sich alle in dem höchsten Chor der Seraphim befinden. Da Gott alles mit Weisheit geordnet hat, so daß, wie der hl. Thomas lehrt, die Untere durch die Mittlere und jene durch die Oberste (Hierarchie) regiert wird, so dürften die hl. Erzengel Michael, Gabriel und Raphael, von denen die Hl. Schrift sagt, daß sie vor dem Thron Gottes stehen kaum nur Erzengel aus dem achten Chor sein und als Engelsfürsten den höheren sieben Chören, auch den Seraphim selbst, vorangehen und so nah bei Gott sein...

98. Dies würde auch der Ordnung der drei englischen Hierarchien widersprechen, wo eine von der anderen erleuchtet wird. Wenn aber diese drei Erzengel immer nah bei Gott stehen, so werden sie vor oder neben den Seraphim gleichfalls unmittelbar von Gott erleuchtet, doch dies widerspräche der Ordnung der Hierarchien... Gleichwie hohe Monarchen, Könige und Kaiser, auf Erden nicht einfache Offiziere neben ihren Thron setzen, sondern hohe Verwandte, fürstliche und hochadlige Personen, so wird auch Gott nicht Erzengel des achten Chores den höchsten Seraphim vorziehen und anordnen, daß die unteren Engel dem göttlichen Thron am nächsten stehen. Davon mehr im dritten Abschnitt.

99. Von diesen sieben Geistern und Engelsfürsten schreibt der hl. Apostel und Evangelist Johannes sehr viele und geheimnisvolle Dinge in seiner geheimen Offenbarung. In Kapitel 1 Vers 4 wünscht er den sieben Gemeinden, denen er schreibt, die Gnade und den Frieden von den sieben Geistern, welche im Angesicht des Thrones Gottes stehen. Er erwähnt sie auch im 5., 8., 15., 16. und 17. Kapitel. Einige Theologen verstehen unter diesen sieben Geistern sieben Engel, als Vorsteher der sieben Gemeinden, denen Johannes schreibt; Cornelius a Lapide mit vielen anderen hält dafür, daß diese sieben Geister die ersten und vornehmsten Engel, ja Fürsten aller übrigen Engel sind und immer vor Gott stehen, als höchste Hofherren und Vornehmste seines Reiches. Sie sind bereit jeden Befehl Gottes selbst oder durch niedrigere Engel zu vollziehen, besonders, was die Sorge um die Menschen betrifft, denn sie werden mit allen Übrigen auch Engel genannt und sind dienstbare Geister zum Heil der Menschen.

100. Da dem so ist, entnehmen wir der Offenbarung Kap. 5, wo die sieben Geister die sieben Hörner und die sieben Augen des Lammes genannt werden, d.h. wachsame und starke Diener Gottes und solche Geister, die von Gott in die ganze Welt ausgesandt werden. Sie werden beim Propheten Zacharias 4,10 die sieben Augen des Herrn genannt, welche die ganze Welt durchwandern.
Der hl. Cyprian sagt, diese sieben Engel stehen und wohnen immer vor dem Angesicht Gottes, so wie der Engel Raphael bekennt: Ich bin Raphael, einer aus den sieben, welche vor Gott stehen. Der hl. Klemens von Alexandrien sagt: Die sieben Engel sind die mächtigsten und erstgeborenen Fürsten aller Engel. Cornelius sagt, diese sieben Engel stehen Gott am allernächsten als primi a rege, d.h. Erste beim König und höchsten Herrn der Welt. Ansonsten stehen zwar tausend mal tausend, ja alle Engel vor ihm und sehen allzeit das Angesicht Gottes Dan. 7,10, doch diese sieben wohnen und verkehren mit Gott auf eine besondere Weise. Daher hat Christus der König der Engel, sich gewürdigt seinen frommen Dienern auf Erden bisweilen leiblich zu erscheinen, wobei er von diesen sieben allervornehmsten Engel umgeben und begleitet war. Dies erfuhr unter anderen der hl. Sebastian, dem Christus erschien und ihn auf das Martyrium vorbereitete. Er war mit wunderbarem Glanz umgeben und einem schneeweißen Mantel durch diese sieben Geister bekleidet. Dies berichtet das Buch der herrlichen Taten des hl. Sebastian, welches von den römischen Notaren geschrieben wurde und von Ado, Usuardus, Baronius und Cornelius gutgeheißen ist.

101. Ein Bild dieser sieben Geister war der siebenarmige Leuchter Ex. 25. Noch besser hat dieser siebenarmige Leuchter sowohl die streitende Kirche auf Erden als auch die triumphierende im Himmel versinnbildet, den beiden diese sieben englische Geister vorstehen. Gott hat sehr viele Dinge durch die Siebenzahl aufgeteilt und angeordnet: Die sieben Tage der Woche, die sieben Gaben des hl. Geistes, die sieben Gemeinden, die sieben Augen des Lammes, die sieben Tiere jeder Gattung, die in die Arche Noah hineingingen und die sieben vornehmsten Tugenden: die drei Göttlichen: Glaube, Hoffnung und Liebe, und die vier Kardinaltugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Starkmut und Mäßigkeit. Diesen sieben Tugenden sind die sieben Geister ebenso vorgesetzt, damit sie durch diese die Menschen zum ewigen Leben führen. Die Siebenzahl findet sich oft in der geheimen Offenbarung des Johannes.

102. Der König Assuerus / Xerxes und andere persische Könige hatten, wie bei Esther 1,14 zu lesen ist, bei Hof sieben vornehme Fürsten, welche stets das Angesicht des Königs sahen und bei ihm zu sitzen pflegten. Die Könige haben hier Gott nachgeahmt. Aristoteles sagt: Die Majestät und Regierung der Könige in Persien war ein Abbild der göttlichen Majestät und Vorsicht. Daher berichtet die Hl. Schrift nirgends von diesen sieben Engeln (außer bei Tobias vom Raphael), sondern erst als die Hebräer in die Gefangenschaft nach Persien abgeführt wurden und dort am königlichen Hof diese sieben ersten Fürsten des Reichs sahen. Danach ist ihnen offenbart worden, daß gleich diesen sieben auch am himmlischen Hof sieben Engelsfürsten am Thron Gottes stehen.

103. Ähnlich diesen sieben Engeln, gewissermaßen göttlichen Diakonen, welche immer Gott beiseite stehen, hat unsere streitende Kirche sieben Diakone bestellt Apg. 6,5. Später gab es in Rom sieben Kardinaldiakone, die dem Papst am Altar dienten. Dies ist bekannt aus der Vita des hl. Papstes Evaristus. Der Vornehmste wurde der Erzdiakon genannt, wie es der hl. Laurentius war.

104. Rupertus und nach ihm Alcazar versehen unter diesen sieben Geistern sieben sittliche Tugenden und Vollkommenheiten Gottes. Das sind Weisheit, Stärke, Güte, Gerechtigkeit, Geduld, Drohung und Strenge; denn diese sieben Dinge erfordert eine gute und vollkommene Regierung. Diese sieben Gaben sind in Gott und sind in der Sache nichts anderes als Gott, daher werden sie Spiritus - Geister genannt. Diese sieben Gaben teilt Gott mit und übt sie durch diese sieben Engel aus, denn diese sieben Engel haben, üben und stellen uns die sieben Gaben der göttlichen Vorsehung vor. Gott hingegen übt diese nicht unmittelbar durch sich selbst aus, sondern durch diese sieben Engel.

105. Da diese sieben Geister von Gott zu so hohen Würden und Verrichtungen erkoren sind, ist nicht zu verwundern, daß der Fürst der Finsternis, als geschworener Feind Gottes, sich dagegen auflehnt und diesen sieben guten Geistern sieben höllische Geister entgegensetzt. Diese sind nach Meinung des hl. Antoninus, Serenius und Serarius (bei Cornelius) den sieben Hauptsünden oder Hauptlastern vorgesetzt, damit, was die sieben guten Engel auf Erden Gutes tun, durch ihre teuflische Wut vernichtet und zerstört wird. Deshalb wünscht der hl. Johannes von den sieben guten Engel, als den vertrauten Hofherren Gottes, für die Seinigen Gnade und Frieden. Denn wer bei Hof Gnade und Gunst von Fürstlichen Personen und engsten Freunden des Königs erlangt, erlangt sie auch vom König selbst. So bittet Johannes diese sieben Engel, damit sie ihm und den Seinigen von Gott Gnade erwirken. Er will hiermit andeuten, daß sie nicht nur nah bei Gott stehen, sondern auch uns vorstehen und helfen. Und damit dies geschieht, sollen sie von uns angerufen und verehrt werden. (Cornelius)

106. Uns zum Beispiel wird diesen sieben Engelsfürsten von Christen anderer Orte große Ehre erwiesen, besonders [einst] in Rom, Venedig, Neapel und in ganz Sizilien, wo man auch schöne Bilder und Statuen derselben findet. Zu Palermo ist eine Kirche diesen sieben Engeln geweiht. Hier wurde 1516 ihr altes Bild samt ihren Namen gefunden. Der Pfarrer dieser Kirche, Antonius Duca, ein sehr frommer und tadelloser Mann, ist durch inneren Antrieb Gottes öfter ermahnt worden nach Rom zu reisen, damit er dort die Verehrung dieser sieben Geister verbreite und ihnen zu Ehre eine Kirche baue. Dies geschah 1551 bei den Thermen Diokletians. Sie ist von Philipp Archinto, dem Generalvikar des Papstes geweiht worden. Später wurde sie 1561 durch den Krieg ganz verwüstet, von neuem erbaut und von Papst Pius IV. mit dem Titel Unserer lieben Frau von den Engel oder den sieben Engeln umbenannt.

107. In Palermo wurde auch eine Bruderschaft zu ihren Ehren errichtet, welche dann in Rom aufblühte. Durch die Anrufung dieser sieben hl. Engelsfürsten sind viele Besessene von den bösen Geistern befreit worden. Damit uns dies alles noch mehr erbauen kann und zu Verehrung aufmuntert, folgen drei besondere Absätze über die Namen, Ehrentitel und Kennzeichen dieser Engel; ferner ob sie Seraphim oder nur Erzengel sind und schließlich das fünfte Kapitel mit seinen drei Absätzen.

I. Abschnitt: Die Namen der hl. sieben Engelsfürsten

108. Die einhellige Meinung der Gottesgelehrten ist, daß die hl. Engel ihrer Natur und Wesen nach keine Namen haben, sondern mit so herrlichen Gaben und Qualitäten von Gott versehen und unterschieden sind, daß ein Engel den anderen ganz klar von Angesicht zu Angesicht erkennt (Cornelius) und von anderen unterscheidet. Wenn man hört, daß einige Engel mit gewissen Namen bezeichnet werden, so z.B. Michael, Gabriel, Raphael, Uriel usw., so ist das nicht so zu verstehen, daß sie diese Namen im Himmel tragen, sondern daß sie diese auf Erden bekommen wegen ihren Aufgaben, wozu sie Gott berufen hat. So ist der Name eines Engels nur der Name seines Amtes und nicht der Natur, wie der hl. Papst Gregor mit anderen sagt.

109. Nun liest man zuweilen verschiedene Namen von Engeln, wie Eromiel, Saniel, Atzael, Rumiel, Paniel u.a. bei Biegatz und Serarius bei Carolo Guyeto SJ. Ebenso Raguel, Tubuel, Adimis, Simihel, Tubuas neben obigen bei Burchardus. Bei Majolo sind dem Alphabet nach 147 englische Namen zu lesen, die von den hebräischen Kabbalisten erdichtet wurden und andere sind bei verschiedenen anderen Autoren zu finden. [Bitte Vorsicht mit unbekannten Engelsnamen, denn Goethe sagt nicht umsonst: „Die Geister, die ich rief, werd ich nicht mehr los!“ D.h. wer (unbewußt böse) Geister anruft, kann große Probleme bekommen!“]
Doch die katholische Kirche kennt und verehrt nur die drei Engelsnamen, welche in der Hl. Schrift erwähnt sind, nämlich Michael, Gabriel und Raphael. Das ist so zu verstehen, daß die katholische Kirche nicht mehr Engelsnamen anerkennt, als aus der Hl. Schrift und der Tradition bekannt und sicher sind. Und dies obwohl wir auf andere Weise von englischen Namen durch göttliche Offenbarung und Wunder erfahren. So kennen wir die Namen der sieben hl. Engelsfürsten, das sind Michael, Gabriel, Raphael, Uriel, Sealtiel, Jehudiel und Barachiel. Wir lesen in der Chronik der Kirche unserer Lieben Frau von den Engeln, daß diese sieben Namen von Gott dem seligen Amadeo geoffenbart wurden. Er war ein Mann, der durch Heiligkeit, Wunder und Prophezeiungen um das Jahr 1460 berühmt war.

110. Dieser Amadeus stammte aus einer hochadeligen Familie aus Lusitanien (Portugal). Er verließ alles und trat auf eine Erscheinung des hl. Franziskus in dessen Orden ein, wo er auch eine Reform durchführte, die nach ihm die Amadeische genannt wurde. Von Papst Sixtus IV., der ab 1471 regierte, wurde er zum Beichtvater erwählt und hat von ihm das sogenannte montorium, den goldenen Berg erhalten, wo der hl. Apostel Petrus gekreuzigt worden war und hat dort ein Kloster seines Ordens erbaut. Von seiner Heiligkeit und Offenbarungen berichtet die Franziskanerchronik ausführlich. [Damals gab es den jetzigen Petersdom noch nicht und Amadeus Menez oder a Silva starb 1482.] Dies ist deshalb kurz erwähnt, damit man erkennt, daß auf die Offenbarung der sieben hl. Engelsnamen viel zu halten ist. Dadurch begann die Andacht zu diesen sieben höchsten seraphischen Geister, wie bereits unter Nummer 106 und 107 berichtet wurde. Der fromme Priester Antonius Duca hat, wie erwähnt, diese Andacht zu den sieben Geistern auf Gottes Eingebung in Rom eingeführt.
Nun wird das Wunder berichtet, das sich mit den Namen der sieben hl. Engelsfürsten zugetragen hat, so wie dies P. Carolus Guyet beschreibt: Als Antonius Duca, ein frommer sizilianischer Priester durch öftere Erscheinungen und Ermahnungen Gottes jene Andacht zu den sieben Geistern, die zu Palermo in einer sehr alten Kirche unter ihren eigenen Namen und Bildern schon sehr blühte, auch in Rom einführen und dafür eine Kirche bauen wollte, geschah es, daß man nicht ohne Erstaunen in den sieben kleinen Kapellen, die den sieben Geistern gewidmet waren, eben jene sieben Namen fand, welche zu Palermo bekannt waren.

111. Dieses Wunder soll uns wahrhaft dazu bewegen, daß wir an den Offenbarungen des seligen Amadeus keineswegs zweifeln, sondern ohne Furcht und Scheu wegen der Neuheit die sieben hl. Engelsfürsten unter den genannten Namen öffentlich verehren und anrufen sollen, gleichwie dies nicht nur zu Rom und anderen Orten geschieht, sondern auch in Deutschland, z.B. in Weilheim, wo sich in der Pfarrkirche ein Deckenbild mit der Königin der Engel und deren Namen und Sinnbildern befindet (befand). Im Bistum Augsburg war (damals) schon vor mehr als hundert Jahren diese Andacht verbreitet. Es gab ein öffentlich gedrucktes Büchlein mit dem Titel: Betrachtungen und Gebete von (zu) den sieben Engelsfürsten zu Augsburg gedruckt bei Christoph Mang auf Unser lieben Frauen Tor. Jeder Betrachtung ist ein schöner Kupferstich desselben Engels, eine Antiphon und ein Gebet beigefügt.

112. Mit der Zeit wurden diese Kupferstiche zu einem Bild zusammengestellt,
so daß Michael in der Mitte, Gabriel, Raphael und Uriel zu dessen Rechten und Sealtiel, Jehudiel und Barachiel zu seiner Linken stehen. Jeder trägt auf seinem Haupt seinen Namen. Damals gab es drei verschiedene Kupferstiche dieser Art. Einer war das Titelbild eines kleinen Büchleins von den sieben Geistern, die auserlesene, mächtige Andacht von den 7 Engelfürsten betitelt und mit kirchlicher Druckerlaubnis 1711 von einem regulierten Chorherren des uralten und weitberühmten Stifts und Klosters beim hl. Kreuz zu Augsburg erschienen. Dies geschah auf unablässiges Bitten einer Benediktinerin, welche die hl. Engel sehr verehrte.

113. Über diese Andacht und diese Namen schreiben ausführlich P. Cornelius a Lapide, Paul Barry in seinem Spiegel der englischen Liebe, Jakobus Tirinus und bei ihm Serarius, Galatinus, Salmeron, Maselius, Victorellus usw. Ebenso Carolus Guyet, Adamus Tannerus und Heinrich Maria Budon. Die Letzteren nennen zwar die drei bzw. vier letzten Namen nicht, heißen sie aber gut. Dem Prediger P. Clemens von Burghausen gefiel es in seiner Engelspredigt über St. Michael diese höchsten sieben Geister mit Namen und ihren Aufgaben kurz zu erwähnen.

114. Einige wollen auch die Namen der sieben bösen Engelsfürsten wissen.
Diese findet man in Theol. Affect. in der anmutigen Erkenntnis göttlicher Dinge von Ludwig Bail und auch in dem alten Büchlein von den sieben Engelsfürsten. Diese Namen sind: Leviathan, Mammon, Asmodeus, Beelzebub, Beelphegor, Baalberit und Astaroth.

II. Abschnitt: Auslegung der Namen der sieben Engelsfürsten, samt deren Ehrentitel und Kennzeichen

115. Pater Johannes le Jeune (der blinde Pater genannt), ein Oratorianer, schreibt im vierten Teil seiner Predigten von Unserer lieben Frau S. 424: Wenn man in einer Kreatur Gott nicht sieht, so soll man sie für ein Nichts halten. Wir sehen / erkennen aber den Namen Gottes in den Namen aller guten Engel, die bei ihm wohnen: So Micha-el, Gabri-el, Rapha-el, Uri-el usw. Dies sind hebräische Namen, die mit EL enden. EL heißt aber der starke, mächtige und allesvermögende Gott, wie es P. Gelasius Hieber im ersten Teil seiner Religionsgeschichte darlegt. So heißt Michael auf lateinisch: Quis ut Deus, auf deutsch: Wer ist wie Gott?, Gabriel, fortitudo Dei - die Stärke Gottes; Raphael, medicina Dei - Arznei Gottes; Uriel, lux Dei - Licht Gottes. Ebenso ist es bei Sealtiel, oratio Dei - Gebet Gottes, Jehudiel, laus Dei - Lob Gottes und Barachiel, benedictio Dei - der Segen Gottes.

116. Weil die letzten drei Namen gleich enden und den Namen Gottes so wie die ersten vier beinhalten, ist es glaubwürdig, daß sie nach Meinung des blinden Paters le Jeune, diesen drei Engelsfürsten zustehen, von Gott stammen und dem seligen Pater Amadeus geoffenbart wurden. Diese Namen stimmen auch bestens mit den Aufgaben und Taten der sieben Engelsfürsten überein. Michael wird genannt: Wer ist wie Gott, weil er für Gottes Ehre ritterlich gegen Luzifer oder Sathael gekämpft hat. Johannes Chrys. nennt ihn Sathael, weil dies soviel wie Widersacher oder Feind Gottes heißt.

Gabriel wird Stärke Gottes genannt, weil er die allerseligste Jungfrau und allerhöchste Königin der Engel mutig angesprochen hat, damit sie ohne Verletzung ihrer gelobten Jungfräulichkeit Mutter Gottes wird.

  Raphael wird die Arznei Gottes genannt, da er durch den Rauch der Fischleber den bösen Geist von der jungen Sara vertrieben mit der Fischgalle die Blindheit des alten Tobias geheilt hat.
   
  Uriel heißt Licht Gottes, weil er uns Menschen aus besonderer Anordnung Gottes durch innerliche Einsprechung erleuchtet und unterrichtet.
   
  Sealtiel wir das Gebet Gottes genannt, weil er uns besonders zum Gebet und anderen guten Werken entflammt.
   
  Jehudiel wird das Lob Gottes genannt, weil er uns zum immerwährenden Lob Gottes aufmuntert und antreibt.
   
  Barachiel wird schließlich Segen Gottes genannt, weil er uns vom Himmel den göttlichen Segen erlangt und uns wegen den empfangenen Wohltaten zur schuldigen Danksagung ermahnt.

117. Darüber hinaus geben die Freunde der Engel jedem dieser sieben Geister einen Ehrentitel: den hl. Michael nennen sie Überwinder, den hl. Gabriel einen Legaten, den hl. Raphael einen Arzt, den hl. Uriel einen treuen Mithelfer, den hl. Sealtiel einen Wohlredner (Fürsprecher), den hl. Jehudiel einen Dankbaren und den hl. Barachiel einen Ratgeber. So Salmeron.
Manche sind damit noch nicht zufrieden und haben jedem ein gewisses Kennzeichen zugeeignet, um den Malern ein Unterscheidungsmerkmal zu geben. Dies hat man in Palermo, Antdorf, Weilheim und an andern Orten gesehen.
Der hl. Michael tritt den Luzifer mit den Füßen, hält eine grünen Palmzweig in der linken Hand und in der Rechten einen Spieß oder eine Lanze mit einer Ritterfahne, die z.T. mit einem Kreuz geziert ist.
Der hl. Gabriel wird mit einer brennen Laterne in der Rechten gezeigt und in der Linken einem Spiegel aus Jaspis aus unterschiedlichen Farben.
Der hl. Raphael wird mit einem Fisch dargestellt und in der Linken eine Kapsel haltend und den jungen Tobias führend.
Der hl. Uriel wird mit einem Schwert in der rechten Hand dargestellt, die Linke zeigt abwärts und ist mit Flammen umgeben.
Der hl. Sealtiel wird in Gestalt eines Betenden mit geneigten Augen dargestellt. Der hl. Jehudiel trägt in der Rechten eine goldene Krone und in der anderen eine Geißel mit drei Stricken.
Der hl. Barachiel birgt in seinem zusammengefalteten Mantel eine Menge Rosen.
[Es gibt natürlich auch andere Darstellungen.)]

118. Diese Kennzeichen unterscheiden diese sieben höchsten Geister und bleiben in den Gemütern ihrer Verehrer haften. Zu Palermo und an anderen Orten, wo Maler und Bildhauer dieser Arbeit mehr ergeben sind, pflegen sie auch Liebe zu diesen Geistern in ihre Arbeiten einfließen zu lassen und so bewegt, wie Budon schreibt, der Anblick dieser Bilder oder Statuen zur Reinheit und zur Liebe des Himmels.

119. Hingegen läßt sich in den Namen der sieben bösen Geister ganz das Gegenteil erkennen, da keiner auf EL endet und keiner den Namen Gottes trägt, wie die Guten; außer Luzifer, der sonst Satan oder wie ihn Chrysostomus nennt Sathael heißt, als einer, der gegen Gott ist und so nichts Gutes bedeutet. Ihnen Sinnbilder zu geben, wäre kaum vernünftig, so genügt, wenn man sagt, daß ihre Aufgabe ist die Menschen zu den sieben Hauptsünden anzureizen. So ist Leviathan der Fürst der Hoffart (des Hochmuts, des Stolzes und der Eitelkeit), Mammon der Fürst des Geizes, Asmodeus der Fürst der Unzucht, Beelzebub der Fürst des Neides, Beelphegor der Fürst des Völlerei und der Trunksucht, Baalberit der Fürst des Zorns und Astaroth der Fürst der Trägheit. Zu diesen sieben Hauptsünden reizen diese sieben höllischen Fürsten mit ihren untergebenen niedrigeren Engeln (Teufeln) uns immer an.

Die sieben guten Engelsfürsten widersetzen sich ihnen und so kämpft

der hl. Michael

gegen den stolzen Leviathan,

Stolz

der hl. Gabriel

gegen den geizigen Mammon,

Geiz

der hl. Raphael

gegen den unreinen Asmodeus,

Unreinheit

der hl. Uriel

gegen den zornigen Baalberit,

Zorn

der hl. Sealtiel

gegen den gierigen Beelphegor,

Völlerei

der hl. Jehudiel

gegen den neidischen Beelzebub

Neid

der hl. Barachiel

gegen die Trägheit des Astaroth.

Trägheit

120. Welch große Wohltat es ist, daß uns die sieben hl. Engelsfürsten gegen die sieben Höllenfürsten beschützen, können wir aus dem Haß und Zorn erkennen, den Luzifer gegen Gott und uns Menschen hat. Der hl. Vinzenz Ferrer erklärt uns, wie Luzifer seine ihm untergebenen Teufel zusammenruft und ihnen sagt: Ihr seht wohl, wie grausam mich Gott verdammt hat, wie er uns zwingt, unsere Hölle mit uns herumzutragen, wo wir uns auch aufhalten. Wir können an seine Person keine Hand anlegen, uns an ihm nicht rächen, wohl aber können wir uns an seinen Geschöpfen rächen, besonders an den Menschen, die er so liebt. So geht hin, ihr tapferen und edlen Geister, rächt euch an demjenigen, der euch soviel Pein und Marter verursacht. Durchzieht alle Reiche der Erde, geht besonders da hin, wo der Gekreuzigte angebetet wird. Erfüllt alles mit Zweifel und Irrtum. Verbreitet falsche Meldungen und Lehren, verleumdet und verunglimpft die Andachten und alle heiligen Dinge. Sorgt dafür, daß man tugendhafte Leute schmählich anredet, vereitelt gute Werke gleich von Anbeginn; greift die Menschen durch heftige Versuchungen an; gebt acht, damit sie, wenn sie gute Werke verrichten, diese in schlechter Meinung und böser Absicht vollbringen. Treibt sie immer in die Extreme und gebt dem Laster ein gutes Ansehen. Unterlaßt keine List und Bosheit, allzeit jenen, der euch durch so schreckliche Peinen quält, zu beleidigen und daß er auch von anderen beleidigt werde. So Vinzenz. Hier sei an Nr. 105 erinnert.
 

III. Abschnitt: Sind die sieben Erzengel nur Erzengel aus dem vorletzten Chor oder aber höchste Seraphim?

121. Im vierten Kapitel wurde dargelegt, daß diese sieben hl. Geister Seraphim sind. Viele Theologen sind auch geneigt ihnen diesen Platz im ersten und höchsten Chor einzuräumen. Doch gibt es einige Einwände: Der erste ist, wie bereits im dritten Kapitel besprochen, daß nach Meinung einiger die ersten vier Chöre der Engel nicht außerhalb des Himmels gesandt würden, obwohl dies bei St. Michael, Gabriel und Raphael der Fall ist. Der zweite Einwand: Weil diese drei Engelsfürsten in der Hl. Schrift niemals Seraphim, sondern nur Erzengel genannt werden und sich manche Lehrer an den Buchstaben der Schrift halten, sagen sie, diese sieben Geister seien von Gott dazu bestellt, daß sie als Fürsten der Engel und Menschen immer auf die Erde herabsteigen und für das Heil und die Wohlfahrt der Menschen in der ganzen Welt sorgen, wie dies aus verschiedenen Stellen der geheimen Offenbarung (Apokalypse) zu entnehmen ist. Diese hat P. Heinrich Kircher schön ausgelegt. Ebenso ist dies dem Propheten Daniel im 10. Kapitel zu entnehmen, der von den drei Engelsfürsten berichtet, nämlich von Fürsten der Perser, der Griechen und der Juden, wo bei den Letztgenannten der hl. Michael ist. P. Martin Pecanus und Franz X. Faber fügen einen vierten hinzu, den hl. Gabriel, als Fürsten der Gefangenen in Persien. Aus diesen Gründen könnten diese drei und folglich auch die übrigen vier Engelsfürsten keine Seraphim sein, weil diese zwar innerhalb des Himmels aber nicht außerhalb gesandt würden. Daher müßte man sie zu den Erzengeln des achten Chores zählen.

122. Doch im dritten Kapitel wurde bereits dargelegt, daß alle Engel, auch höchste Engel aus allen Chören auf die Erde gesandt werden, deshalb fällt es dem Autor nicht schwer zu behaupten, daß diese sieben Geister Seraphim sind.
Der erste Beweis: Diese sieben Geister werden in der Hl. Schrift principes - Fürsten genannt, nicht nur Fürsten der Menschen, sondern auch der Engel, denn sie werden Engelsfürsten genannt. So sind sie folglich aus dem höchsten Chor, d.h. aus den vornehmsten Engeln und das sind die Seraphim. Daß sie Fürsten aller Engel und daher Seraphim sind, bekennen mehr als 30 Autoren und Lehrer, die ich für dieses Werk über die hl. Engel zu Rate ziehen konnte. Unter ihnen sind der hl. Basilius, der hl. Cyprian und der hl. Klemens von Alexandria. Er schreibt: Sieben sind es, welche die größte Macht haben, primogeniti angelorum principes. Und diese Erstgeborenen sind, wie Tannerus erklärt, die vornehmsten Fürsten der Engel. Suarez nennt sie die vornehmsten aller dienenden Geister.

123. Diese sieben Geister sind nach P. Kircher und vielen anderen Vorsteher und Beschützer der Kirche und Vollzieher der göttlichen Ratschlüsse, die Gott ständig im Angesicht seines Thrones hält. Er sendet sie in die ganze Welt zur Regierung des Himmels und der Erde. Daher müssen sie die vornehmsten Engel und innigsten Freunde Gottes sein und nicht nur einfache Engel aus dem vorletzten Chor. Es wäre kaum angemessen, daß die unteren Engel ganz nah bei Gott wohnen, innigst mit ihm verkehren und als Fürsten über die höchsten Seraphim herrschen. Es wäre auch wenig glaubhaft, daß der hl. Johannes die höchsten Seraphim übergangen und von diesen sieben Geistern, als niedrige Engel den Segen begehrt hätte.   
 

St. Michael ist ein Seraphim

124. Den zweiten Beweis nehme ich von den ersten drei hl. Engelsfürsten insbesondere und sage von St. Michael, daß wenigstens dieser von fast allen Theologen für den vornehmsten Engel und höchsten Seraphim gehalten wird. Diese Aussage beweist sehr nachdrücklich P. Amandus Herman durch ein eigenes Schlußwort, das er aus der Apokalypse entnimmt, wo in Kap. 10, 7 steht: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen und der Drache stritt und seine Engel. Hier werden die übrigen Engel alle Engel des hl. Michael genannt, der ihr Fürst ist, der sie zum Kampf anführt, gleichwie alle unteren Teufel Engel des Drachen genannt werden. Damit will er mit Esparza sagen: Gleichwie Luzifer von allen Engel, die sündigten, als der Höchste angesehen wird, so ist Michael der Höchste unter allen übrigen guten Engeln, die er als ihr Oberst zum Sieg aufgemuntert hat.

125. Dieser Meinung stimmen auch Arriaga und Albertinus bei. Am besten bestätigt dies der hl. Laurentius Justiniani in seiner Predigt über St. Michael: In jenem ersten geistlichen Kampf hat Michael den Vorrang unter allen guten Geistern gehabt, wie Luzifer unter den Bösen. Gleichwie dann Luzifer der schönste Engel und höchste Seraphim gewesen ist, ist nach dem Fall der heilige Michael der höchste Seraphim und schönste Engel geworden und wird dies bleiben in alle Ewigkeit. Diese Wahrheit erkannte der hl. Prophet Daniel, da er diesen höchsten Engel St. Michael principem magnum - den großen Fürsten genannt hat Kap. 12, weil er der Höchste unter allen himmlischen Fürsten ist. So sind auch die Worte zu verstehen: Seht! Michael ist einer aus den ersten Fürsten. Dieser ‚einer‘ bedeutet der Erste nach der hebräischen Art zu sprechen und zwar der Größte, als wollte er sagen, der Erste unter den ersten Fürsten, so wie es in Genesis heißt: Es ist Morgen und Abend ein Tag, das ist der erste Tag. Soweit Herman.

126. Alexius a Salo nennt den hl. Michael nicht nur den ersten Fürsten aller Engel,
sonder den Kaiser des ganzen himmlischen Heeres. Nikephorus bei P. Faber nennt ihn einen Erz-Herzog des Herrn von Sabaoth. P. Klemens von Burghausen sagt, der hl. Engelsfürst Michael sei aus allen Engeln von Gott als Generalissimus und oberster Feldherr des ganzen englischen Kriegsheeres bestellt.
P. Faber nennt ihn den Obrist-Hofmeister des ganzen himmlischen Hofes. P. Antonius Vieira sagt, als er aus dem Brief des Apostels Judas berichtet, daß ein Engel (Michael) sich nicht getraut hat den Teufel zu verurteilen, mit welcher Frechheit untersteht sich ein Mensch einen anderen zu verurteilen? Bekennt daher frei, daß Michael, der in diesem Apostelbrief nur ein Erzengel genannt wird, ein Seraphim oder ein seraphischer Erzengel ist.

127. Nach Suarez verehrt die katholische Kirche den höchsten und vornehmsten Engel mehr als alle übrigen Engel. Die Kirche verehrt den hl. Michael am meisten, wie dies aus dem Offizium oder dem Stundengebet ersichtlich ist und sie hat auch viele Kirchen zu seiner Ehre geweiht. Sie ist der Überzeugung, daß der hl. Michael der vornehmste und höchste Engel ist. (Früher gab es mehrere Feste der Engelsfürsten: Die Erscheinung des hl. Erzengels Michael am 8. Mai, das Fest der Kirchweih am 29. September, das Fest des hl. Erzengels Gabriel am 24. März und das Fest des hl. Erzengels Raphael am 24. Oktober. Bis zum achten Jahrhundert gab es sogar ein Fest des hl. Uriel.)
P. Herman sagt, daß die Kirche das Fest aller Engel unter dem einzigen Namen Michael feiert, weil er der Fürst aller Engel ist. Sie nennt ihn auch einen Obersten des himmlischen Heeres, Fürsten der Engel und Vorsteher des Paradieses mit der Vollmacht über alle menschliche Seelen.

128. Daher ist er durch ein besonderes Privileg von Gott zum Schutzherrn der katholischen Kirche bestellt worden, wie einst der Synagoge. Das ist ein so hohes Amt, daß es einem der höchsten Engel gar würdig ist, da Gott seine Kirche sehr liebt. Denn welcher König, fragt P. Albertin, übergibt seinen reichsten und liebsten Schatz einem anderen als seinem edelsten und innigsten Freund? So wird auch Gott seinen liebsten Schatz auf Erden, nämlich die hl. Kirche, keinem anderen als seinem innigsten Freund und Hofherrn, nämlich dem hl. Michael, der stets im Angesicht seines Thrones steht, anvertrauen.
Gott hat ihn über seine himmlische Kirche als Oberhaupt, über seine streitende Kirche als Statthalter und über seine büßende (leidende) als Tröster bestellt. Daher hält ihn P. Faber einer dreifachen Krone für würdig, mit der er den hl. Michael ziert: als Fürst der streitenden Kirche auf Erden, als königlicher Statthalter Christi des unsterblichen Königs im Himmel und mit einer dritten, als treuer Minister der Gerechtigkeit und aller Tugenden und als herrlichster Beschützer der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, deren Ehre und Glorie, wie auch der ewigen Glückseligkeit der Menschen.

129. Viele Lehrer, die ich der Kürze wegen nicht erwähne, nennen ihn einen
Seraphim. Dafür sei das schöne Buch vom Berg Gargano zitiert, das im Jahr 1699 zu München von der kurfürstlichen St. Michaels-Bruderschaft herausgegeben wurde. Es trägt den Titel: St. Michael, der höchste Seraphim über die himmlischen Geister, der erste Haupt- und Erzengel über alle Englische Chöre. In diesem Buch wird die Natur, das Wesen, die Beschaffenheit und Hoheit dieses seraphischen Erzengels so lebhaft und vortrefflich beschrieben und dargelegt, daß ein Freund der Engel und ein Bruder oder Schwester Michaels es anderswo kaum so kurz und gut finden kann. Ein Beispiel: Gleichwie der Kaiser weniger ist als Gott und höher als alle anderen Menschen, so ist der hl. Michael weniger als der höchste Monarch des Himmels und seine Königin Maria, höher aber als alle anderen Engel. Daher wird der hl. Michael öfter ein Seraphim oder ein seraphischer Erzengel genannt. Dies soll zum Beweis genügen, daß der hl. Michael ein Seraphim und zwar der Höchste ist.  
 

St. Gabriel ist ein Seraphim

130. Auch der hl. Gabriel ist ein Seraphim und zwar der nächste und höchste nach St. Michael, weil er gleichfalls einer ist, die vor dem Angesicht Gottes stehen, wie er Zacharias, dem Vater des hl. Johannes des Täufers in Lk 1,19 bekennt. An dieser Wahrheit zweifeln einige Lehrer so wenig, daß sie dazu noch in einen Präzedenzstreit verfallen, ob Michael oder Gabriel der vornehmste und höchste Engel sei. So bei Barry, wie auch bei P. Burchhard, der Gabriel vorzieht und als Hauptgrund die Größe des Geheimnisses der Menschwerdung nimmt, das St. Gabriel verkündet hat.
Doch wer die Dinge etwas tiefer betrachtet, wird erkennen und zugestehen, daß zu diesem Geheimnis St. Michael mehr beigetragen hat, da er dies gegen den rebellischen Luzifer, der sich diesem hohen Geheimnis widersetzt hatte, durch einen heftigen Kampf verteidigt hat. Das war unvergleichlich mehr als die Verkündigung durch St. Gabriel, die 5000 Jahre später erfolgte, denn es ist mehr einen Krieg zu führen, als hierzu nur eine Gesandtschaft zu senden.
Sei nun aber dem, wie es ist, die einhellige Meinung der Gottesgelehrten ist nach Barry, daß der Vorzug unter allen Engeln einem dieser beiden gebührt. Und daraus folgt unzweifelhaft, daß St. Gabriel wie St. Michael ein Seraphim ist.

131. Der hl. Papst Gregor, der mit Dionysius die drei Engel Michael, Gabriel und Raphael zwar in den achten Chor der Erzengel setzt, schreibt über St. Gabriel: Zu diesem Geheimnis (der Menschwerdung) war geziemend, daß der höchste Engel (summus angelus) gesandt wurde, da er das höchste Geheimnis ankündigte. Aus diesen Worten beweisen P. Albertinus, P. Herman und andere bei ihm zwei Dinge: Erstens: daß Gabriel ein Seraphim sei, da die Seraphim und nicht die Erzengel im vorletzten Chor die höchsten Engel sind. So ist also Gabriel ein Seraphim. Zweitens: daß die Seraphim und folglich alle Engel gesandt werden, weil Gabriel, der ein Seraphim ist, öfter gesandt wurde.
Diese zwei Dinge beweist der hl. Bernhard, wenn er sagt, daß Gabriel einer der vornehmsten Engel sei und trotzdem, daß er ein Seraphim ist, der Schutzengel der Muttergottes gewesen ist. Dies ist bei P. Albertinus, Barry, Matthioli von Borgo und anderen zu lesen.

132. P. Suarez ist aus Respekt vor den hl. Dionysius und Thomas, die den hl. Gabriel für den vornehmsten Erzengel im achten Chor halten, zwar mit ihnen der gleichen Meinung, doch sagt er, sei es glaubwürdig, daß Gabriel, weil er zu der allerseligsten Jungfrau gesandt wurde, wegen der Größe dieses Geheimnisses der höchste oder doch einer aus den höchsten Seraphim sei. Daß man ihn einen Erzengel nennt, kommt nur von seiner Aufgabe, die er verrichtet, seiner Natur nach aber ist er aus dem Chor der Seraphim. Daher kann man ihn gleich dem hl. Michael einen seraphischen Erzengel nennen.
Was den hl. Dionysius betrifft, dem der hl. Gregor nicht gern widerspricht, noch auch ihm zu fest anhängt, gibt er dem hl. Gabriel doch einen Ehrentitel, aus dem man schließen kann, daß er ihn für einen Seraphim hält. Im 10. Kapitel, als er beschreibt wie ein Seraph dem anderen zuruft und das dreimal Heilig singt, nennt er sie divinissimos seraphim - göttlichste Seraphim, d.h., wie Hugo es erklärt, die allernächsten bei Gott, welche Gott an Vollkommenheit am ähnlichsten sind. Nun aber gibt der hl. Dionysius dem hl. Gabriel dieses höchste Prädikat und diesen Ehrentitel gleich zweimal, im 2. und 9. Kapitel, und deutet dadurch an, daß er nah bei Gott steht, wie die Seraphim, und folglich ein solcher sei. Dies erkennen wir auch daran, daß der hl. Gabriel seine Sendung unmittelbar von Gott selbst bekam, denn sonst hätte ein höherer Engel den Unteren erleuchten müssen, wie bereits erklärt.

133. Wenn Jesaja (Isaias) es verdient hat, daß zu ihm ein Seraph gesandt wird, der ihn von der Sünde reinigte und zum Propheten machte, was, wie Arriaga sagt, keine schlechte Sache war, noch weniger eine Einbildung, so hat Maria unvergleichlich mehr verdient, daß zu ihr ein Seraphim gesandt wird, welcher das allerwichtigste Geheimnis der Menschwerdung und die allerhöchste Würde der jungfräulich - göttlichen Mutterschaft ankündigte.
Der blinde Pater hat im vierten Teil seiner Predigten über die Muttergottes den hl. Gabriel öffentlich auf der Kanzel einen Seraphim mit den folgenden Worten genannt: Zu ihr wurde nicht ein Eliezer, nicht ein Prophet gesandt, sondern der höchste, edelste, heiligste und durchlauchtigste Seraphim, einer vom himmlischen Hof, nämlich der dem Herrn bekannte und sogenannte Erzengel Gabriel, der ein Seraphim ist. Das Maria Stammbuch bekennt am 24. März gleichfalls, daß der hl. Gabriel aus dem Chor der Seraphim ist, obwohl es ihn anfangs nur einen Erzengel, d.h. einen aus den vornehmsten Engeln nennt; so ist er dann auch ein Seraphim.
[Michael dürfte wohl doch der höchste Engel und Seraphim sein, denn er ist der Fürst der himmlischen Heerscharen, obgleich Gabriel zu Maria gesandt wurde. Gabriel ist der Engel Mariens und Michael wohl der Engel Jesu. So ist auch Petrus der Fürst der Apostel und nicht Johannes, dem die Muttergottes anvertraut wurde.]

Raphael ist ein Seraphim

134. Raphael ist gleichfalls ein Seraphim, wie St. Michael und Gabriel, was P. Burchardus a St. Matth. zum einem von Raphael allein, als auch von allen sieben Engelsfürsten klar beweist. Jene sieben Engel, welche immer vor dem Angesicht Gottes stehen Apok. 1 u. 8 , sind aus dem höchsten Chor der Seraphim, wie mit dem hl. Clemens von Alex., Gregor von Naz., Cyrill und anderen, - Galatinus, Viegas, Pererius, Ribdeneira und andere bezeugen. Auch die äthiopische Messe ruft Raphael, Michael und Gabriel als einige der vornehmsten Engel an. Daher ist dann Raphael, als einer dieser sieben Engelsfürsten, ein Seraphim.
Weiter sagt Burchhardus mit Cornelius, die Seraphim sind die ersten Engel, die bei Gott stehen, als Vornehmste seines Reiches und gewissermaßen die göttliche Leibwache, die bereit ist jeden Wink und Befehl Gottes im Himmel und auf Erden selbst oder durch untere Engel zu vollziehen. Sie sind im ersten und höchsten Chor und die Vornehmsten von allen. Nun aber sind diese sieben Engelsfürsten, die immer vor dem Angesicht Gottes stehen und zu denen der hl. Raphael gehört, die vornehmsten Engel seines Reiches und gleichsam die göttliche Leibwache. Sie sind Seraphim, da der hl. Raphael von sich selbst bekennt: ‚Ich bin Raphael, einer aus den sieben, welche vor Gott stehen‘ Tob. 12. Sie stehen ganz nahe zu Gott nach Cornelius und Burchhardus, als Erste beim König und Herrscher der Welt, zum Unterschied zu den anderen Engeln, welche zwar bei Gott stehen und ihn stets sehen, aber nicht so nah und klar, wie diese sieben als Fürsten aller Engel.

135. Ebenso verstehen der hl. Cyrill und Gregor von Naz. diese Aussage Raphaels und sagen, er will damit zeigen, daß er einer von den höchsten Geistern sei. Einer von jenen, die durch ihre hohe Würde den unsterblichen Gott am nächsten sehen und bedienen und von ihm unmittelbar erleuchtet werden. Diese Würde kommt den unteren Engeln nicht zu, denn sie werden nur von den oberen Engeln erleuchtet. Es scheint zwar, als wäre das Amt des hl. Raphael nicht von solcher Bedeutung gewesen, daß damit nicht auch ein Erzengel des achten Chores hätte betraut werden können, doch da die Aufgabe dieser sieben Geister es ist, auf die Wohlfahrt der ganzen Welt zu achten, so ist auch diese Aufgabe einem aus ihnen zugestanden. Bei Albertino ist zu lesen, daß der hl. Raphael dem jungen Tobias nicht durch Zufall gegeben worden ist, sondern für sein ganzes Leben, als sein wahrer Schutzengel, wie der hl. Gabriel Mariens Schutzengel war. Dieser Meinung stimmt Jakob Mechtel mit den Worten zu: Daraus haben wir die unsichtbare Sorge und Treue zu erkennen, mit der sich unsere Schutzengel um uns annehmen, da der hl. Raphael als Schutzengel dem jungen Tobias sichtbar beigestanden ist.

136. Hierfür ist, wie Burchhardus zu verstehen gibt, ein so vornehmer Engel bestellt worden, damit er sich dem mächtigen Teufel der bösen Lust Asmodeus besser widerstehen konnte, welcher der gottesfürchtigen Sara sieben Männer im Ehebett erwürgt hat. Und vermutlich ist dieser auch einer der sieben höllischen Fürsten, mit denen sich Luzifer den sieben heiligen Engelsfürsten widersetzt hat. (Siehe Nr. 114 und 119.)
Im Leben der hl. Franziska von Rom lesen wir bei den Bollandisten, daß sie neben ihrem ordentlichen Schutzengel aus dem neunten Chor noch einen anderen aus dem achten Chor, nämlich einen Erzengel in sichtbarer Gestalt bekommen hat. Dieser hat sie überall begleitet und besonders gegen die bösen Geister beschützt, von denen die hl. Franziska oft übel behandelt und geschlagen wurde, um sie von Weg der Tugend abzubringen. Als Franziska nach dem Tod ihres Mannes in das von ihr gestiftete Kloster eintrat und dessen Vorsteherin wurde, hat Gott ihr anstatt des Erzengels einen noch höheren Engel aus dem vierten, oder wie andere sagen aus dem fünften Chor, gegeben, damit er die größeren Stürme und Wut der bösen Geister, welche im Kloster mit Franziska noch grausamer verfuhren, im Zaum hielte.
Ähnliches hätte mit Tobias und Sara geschehen können. So hat Gott den hl. Raphael, einen Seraphim gesandt, weil er das fromme Anliegen der Sara sah und ihn von Anfang an dem Tobias als Schutzengel gegeben. Man liest von einigen großen Heiligen, daß sie einen Seraphim als ihren Schutzengel gehabt haben, wie dies P. Burchhardus bezeugt.

137. Es bleibt noch übrig zu fragen, warum der hl. Raphael sich gleich anfangs, als er sich dem jungen Tobias als Reisegefährte anbot und von dessen Vater nach seinem Namen und seiner Herkunft befragt wurde, sagen konnte, er heiße Azarias und sei der Sohn des großen Ananias? Tob. 5. Ich antworte mit Menochio, Raphael habe sich gar wohl so nennen können, denn Azarias heißt soviel wie divinum auxilium - göttliche Hilfe oder Adjutor - Helfer nach Kard. Hugo und als solcher hat sich Raphael gezeigt. Ananias aber heißt soviel wie gratia Dei - die Gnade Gottes. Durch diese werden die Engel Kinder Gottes und haben so Gott zum Vater. Diese stimmt mit dem oben genannten überein und so sagte der alte Tobias: Fürwahr du bist aus einem großen Geschlecht. Dies erkannte er noch besser, als Raphael zuletzt sagte, daß er einer von den sieben Geistern sei, die immer vor Gott stehen.

[Anmerkung: Den hl. Raphael halte ich für den Engel des hl. Josef. Die Aufgaben beider ähneln sich sehr: Beschützen, Reinheit, geistliche Begleitung...]

St. Uriel, Sealtiel, Jehudiel und Barachiel sind auch Seraphim

138. Nachdem von St. Michael, Gabriel und Raphael, als den ersten drei Engelsfürsten ausführlich dargelegt wurde, daß sie Seraphim sind, so ist dies ebenso von den übrigen vier Engelsfürsten Uriel, Sealtiel, Jehudiel und Barachiel einleuchtend. Dies ist bei Raphael nachgewiesen worden und daher ist bei Barry S. 178 zu lesen, weil sie alle sieben Gott am nächsten sind und mehr als alle anderen Engel bei ihm vermögen, sind auch alle in gleicher Würde und Ansehen bei Gott. Diese Würde ist so groß, daß der hl. Johannes von ihnen, als den höchsten Engeln, vornehmsten Hofherren und mächtigsten Verwaltern Gottes, für die Seinen Gnade und Frieden begehrt, da sie vor allen anderen Engeln dies von Gott am allerleichtesten bewirken können.
Von diesen sieben Geistern berichtet das garganische Buch im ersten Vorwort:
Nach Gott und Maria steht St. Michael, wie ein Oberst-Hofmeister, samt den anderen sechs Geistern, welche gleichsam die innersten Vertrauten und geheime Ratgeber sind, als Nächster vor den Thron Gottes um aufzuwarten. Auf diese folgen die Seraphim, Cherubim, Throne usw. Dann werden auf die unteren Chöre die Sorge für die Menschen, die Verwaltung der vier Elemente, Planeten, Himmel und Sterne aufgeteilt. Wenn Dir dieser himmlische Hofstaat nicht gefallen sollte, so stelle dir den hl. Erzengel Michael als einen Generalleutnant vor, den hl. Gabriel aber als einen Oberst-Hofmeister. Oder nehme Christus als General und dann die sieben Erz- oder Hauptengel als Generalfeldmarschälle. Soweit dieses Buch, worin zu lesen ist, daß die sieben Geister oder Engelsfürsten allezeit den nächsten Platz nach Gott und Maria haben, und daher die höchsten Engel und Seraphim sind.

[Der hl. Josef dürfte als Nährvater Jesu und Bräutigam Mariens noch über ihnen stehen, so wie der ägyptische Josef einst schon Vizekönig im Reich des Pharaos war. Wir beten ja in der Josefslitanei: Du hast ihn bestellt zum Herrn deines Hauses. Josef wird auch der Schrecken der bösen Geister und Schutzherr der Kirche genannt.]

139. Daß man aber diese sieben höchsten Geister allgemein nur Erzengel nennt, besagt nicht, daß sie keine Seraphim sind, denn das Wort Erzengel hat zweierlei Bedeutung. Erstens bedeutet es den besonderen Chor der Engel (den achten), aus dem diese höchsten Engel nicht sein können, weil sie die Nächsten bei Gott sind, was der ersten Hierarchie allein zusteht. Die Erzengel befinden sich aber in der untersten und dritten Hierarchie. Andererseits bedeutet das Wort Erzengel im Gegensatz zu den Engeln im neunten Chor, daß zwar alle Geister der neun Chöre Engel oder Boten sind und zu unserem Heil gesandt werden, aber diejenigen werden Erzengel genannt, welche aus den höheren Chören sind und in wichtigeren Angelegenheiten zu uns auf Erden gesandt werden, wie dies bei den sieben Geistern geschieht.
So sagen Budon und Barry, daß der Name Erzengel nicht allein den achten Chor bezeichnet..., sowie auch Engel nicht nur den neunten Chor meint, denn als Engel werden alle glückseligen Geister bezeichnet, sowohl die Seraphim als auch die Engel des letzten Chors. Suarez sagt, das Wort Erzengel sei allen höheren Chören gemeinsam, so daß man die höchsten drei Chöre der Seraphim, Cherubim und Throne mit Recht Erzengel nennt. In diesem Sinn nennen wir auch die sieben Engelsfürsten Erzengel, wobei wir die Seraphim meinen, als sagten wir seraphische Erzengel.
 

5. Kapitel Von einigen Wundern und Wohltaten der seraphischen sieben Geister, zunächst St. Michael

140. Es wurden bereits zwei lange Kapitel über die höchsten Seraphim und Erzengel geschrieben, doch bleibt noch soviel übrig, daß der Autor nicht weiß, wo er beginnen und aufhören soll. Es ist besser aus dem Vielen wenig zu berichten, als ganz zu schweigen. So sei in Kürze erwähnt, was diesen großen Engelsfürsten zur Ehre, uns aber zu ihrer Verehrung am besten geeignet ist.
Der hl. Erzengel Michael ist ein so hoher und vortrefflicher Geist, daß alle Gott treugebliebenen Engel, wie ein kleines Michaelsbuch - Multa magnalia de Michaelis - im Vorwort berichtet, aus Hochschätzung und Liebe, die sie zu ihm haben, ihn zu ihrem Heerführer und Obersten angenommen und sich ihm in der Verteidigung der göttlichen Ehre gegen Luzifer und seinen Anhang mit gleichem Eifer zu folgen einhellig verbunden haben. Dieses Bündnis ist gleichsam die allerälteste und allererste im Himmel errichtete Bruderschaft gewesen, und deshalb soll auch auf Erden die Bruderschaft des hl. Michael bis ans Ende der Welt eifrig gefördert und weitergeführt werden.
So mit seinen untergebenen Engeln verbunden, hat der hl. seraphische Großfürst Michael den aufständischen Luzifer mit samt seinen abtrünnigen Engeln aus dem Himmel in den Abgrund der Hölle verstoßen. Da die Menschwerdung Christi ein Grund dieses Streites gewesen ist, ist dieser Erzengel, als Gott die Welt mit der Geburt seines Sohnes erfreute, mit einer großen himmlischen Heerschar in den Stall heruntergekommen, um das göttliche Kind anzubeten, ihm zu huldigen und den Gesang der Engel anzustimmen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. Die hl. Engel haben den Himmel verlassen, um den Stall in einen himmlischen Palast zu verwandeln.

141. Dem hl. Michael hat Gott, wie einst vor Zeiten die Synagoge und das Volk Gottes, nun auch die Kirche Jesu Christi besonders anbefohlen, damit er sie leite und beschütze. Daher nennt ihn Budon einen Erz-Schutz-Engel der katholischen Kirche. Unter seinem Schutz steht besonders auch ganz Frankreich, deren Könige ihn allezeit hoch verehrten. Sie haben ihm zu Ehren einige Kirchen erbaut und Ludwig XI. hat zu seiner Ehre den Ritterorden St. Michael errichtet, über dessen Andacht und Eifer der hl. Michael so Gefallen hatte, daß er Karl VI. geraten hatte, seine königliche Prinzessin, die ihm Isabella von Bayern geboren hatte, Michaela zu nennen.

[Michael ist auch Patron Deutschlands und Portugals. Karl der Große und der hl. Kaiser Heinrich haben ihm ihr Reich anvertraut.]

142. Der hl. Michael bringt nach dem hl. Hieronymus das Gebet der Christgläubigen zu Gott. Er ist einer der vertrautesten und stärksten Freunde, die wir wünschen und haben können, und dies besonders in unserer Sterbestunde, wo er eigens auf unsere Seele Acht gibt, wie die Kirche an seinem Festtag betet: Stärke sie wider die Anfechtungen des bösen Feindes und verteidige sie vor dem strengen Richterstuhl Gottes. Viele vortreffliche Lehrer meinen, dem hl. Erzengel Michael sei von Gott der Vollzug des besonderen Gerichtes anvertraut, das gleich nach dem Tod eines jeden Menschen stattfindet. Daher kommt es, daß ihm eine Waage und ein Schwert zugeordnet wird, um seine hohe Macht und Gerechtigkeit bei der Erforschung und Abwägung der guten und bösen Taten anzudeuten, wie dies aus vielen Erscheinungen und Berichten ersichtlich wird. Magnal. 7. Barry 169.

143. Der hl. Michael hilft auch den Armen Seelen im Fegfeuer zur baldigen Erlösung, wie es ein junger und frommer Ordensmann namens Wilhelm erfahren hat. Er erschien nach seinem Tod seinen Ordensbrüdern und bat sie, daß sie unter anderem die kirchlichen Gebete zu St. Michael beten, damit er aus dem Fegfeuer erlöst werde, was dann auch geschah. Magnal. 8.
Der hl. Michael geleitet unsere Seelen in den Himmel, wobei er ausdrücklich auf den Befehl der Muttergottes wartet, um jenen Seelen mehr zu helfen, welchen Maria mehr gewogen ist. Michael war immer der größte Eiferer für die Ehre seiner allerseligsten Engelskönigin Maria. So sah einst der sel. Alanus de Rupe eine Art des Psalters in Form einer großen Orgel aus 150 Pfeifen und jede Pfeife mit
150 unbeschreiblich innigen Melodien. Der Komponist und Organist dieser Musik war der seraphische Erzengel Michael. Um ihn standen und musizierten 150 englische Hofmusikanten zu Ehren ihrer hl. Engelskönigin, wie bei P. F. Johann Andre Coppenstein zu lesen ist.
So ist der hl. Michael auch von sich aus bereiter jenen zu helfen, welche ihn besonders verehrt haben. So hat er den Abt Pandulphus in seiner Sterbestunde besucht und ihn auf einer Leiter, die von der Erde bis in den Himmel reichte, wo sich Gott in großer Herrlichkeit sehen ließ, mit großem Jubel in den Himmel hinaufbegleitet. Magnal. 9.

144. Der Name des hl. Michael ist so mächtig, daß durch dessen Anrufung und Aussprechen ein 30-jahrelang besessener Mann von dem bösen Feind befreit wurde, wie bei Matthioli zu lesen ist. Ein anderer Sterbender, welcher aus teuflischer Bedrängnis anstatt der ihm vorgesprochenen hl. Namen Jesus und Maria wider seien Willen nur den Teufel nannte, wurde von dieser Anfechtung befreit, sobald die Ordensleute zweimal den hl. Michael mit den Worten: Hl. Michael, bitt für ihn! anriefen. So liest man im Mariä-Namen-Stammbuch am 29. Oktober, daß in Tumba, wo die Michaelskirche auf einer Insel liegt, aus dem Michaelsbild ein heilsames Öl fließt. Dieses Bild vertreibt die Teufel und stärkt in der Todestunde beim letzten Kampf, wie man in seiner großen Lob- und Bittlitanei betet. Daher ist dieses Bild hoch zu schätzen und zu ehren.

145. Was wundert es uns, daß der hl. Michael bei Gott solches Ansehen und Wertschätzung hat, daß dieser sich dessen oftmals zu den größten Wun-derwerken gebraucht hat und weiter braucht? Denn der hl. Michael war es, der den Fleischkoloß Goliath zu Boden geworfen hat, als ihn David an der Stirn verwundet hatte. Er war es, der in einer Nacht 185.000 Assyrer im Feldlager des Königs Sancherib 2 Kg 19,35 erschlagen hat. Er hat den Daniel, als dieser in die Löwengrube geworfen ward, vor den Löwen gerettet und verschont.
Er hat Balaams Esel das Maul geöffnet und die Zunge gelöst, damit er den Propheten von seiner unseligen Reise abhielt. Er hat Christus, den Herrn, im Ölgarten vor seinem Leiden getröstet. Er hat die hl. Gottesmutter, als sie in den Himmel aufbrach, vor vielen Tausend anderen Engeln als ihr Fürst und Generaloberst in den Himmel hinaufgeführt. Er hat in der Gestalt des Gekreuzigten dem seraphischen Vater Franziskus die fünf schmerzhaften Wundmale eingeprägt. Dies ist umso glaubwürdiger, weil der hl. Franziskus zuvor 40 Tage zu Ehren des hl. Michael gefastet hatte, wie es P. Matthioli l. 5.§ 25 exemp. 6.F.157 und andere ausführlich berichten. Mit einem Wort ist er jener, von dem die Kirche betet Ant. 9 Multa Magnalia etc. - Viele große Wundertaten lassen sich am hl. Erzengel Michael sehen. Deren zwölf Wundertaten legt kurz und gut das unter Nr. 140 genannte Michaelinische Büchel dar. Es ist mit vielen schönen Kupferstichen eben unter diesem Titel Multa Magnalia 1705 in Augsburg gedruckt worden. Darin ist auch die große Michaelslitanei mit mehr als 100 Versen. Darüber berichten alle Bücher, die von ihm handeln, so daß nicht zu bezweifeln ist, daß der hl. Michael der vornehmste aller Engel und über allen Seraphim erhöht ist.

146. Wenn wir daher die Ehre Gottes beherzigen und uns freuen, daß diese auf der ganzen Welt ausgebreitet werde; wenn wir die katholische Kirche und uns selbst lieben; wenn wir wünschen, daß unser Gebet der göttlichen Majestät angenehm sei; wenn wir in der Sterbestunde einen gnädigen Richter haben wollen; wenn wir im Leben und im Tod einen guten und hilfreichen Freund bei Gott zu haben wünschen, so laßt uns den hl. Erzengel Michael verehren und uns zum Freund machen, besonders, weil die eifrige und beständige Andacht zum hl. Michael ein Zeichen der göttlichen Gnadenwahl bzw. Auserwählung zur Seligkeit ist, wie P. Marcellus Cavaglieri, Recupitus und Victorellus in dem erwähnten Büchlein der 12 Magnalien behaupten.
Schließlich ist es ratsam, sagt Budon s. 290, daß man den hl. Michael anrufe, wenn die Kirche angegriffen wird, damit die Ketzereien zerstört, die kirchliche Disziplin gefördert, die Heiligkeit der Sitten, der Lebenswandel der Prälaten, besonders des Papstes als Oberhaupt, erhalten; damit der Glaube unverändert bleibe und immer weiter ausgebreitet wird, das Evangelium bei den Ungläubigen verkündet und gepredigt werde, was die christliche Liebe und unser eigener daraus entspringender Nutzen von uns verlangt.

 

I. Abschnitt. Von St. Gabriel und Raphael

147. Der hl. Erzengel Gabriel ist nach Meinung fast aller Lehrer, wie schon bei Nr. 130 erwähnt, der vornehmste Engel und Seraphim nach dem hl. Michael. Es gibt einige, die ihn dem hl. Michael voranstellen, obgleich er dem hl. Michael nachfolgt. Er steht bei Gott in solcher Hoheit und Würde, daß ihm das allerwürdigste Amt, wie keinem anderen Engel geschehen, aufgetragen worden ist. Er ist derjenige, der die höchste und unaussprechliche Botschaft unserer Erlösung, aus welchem all unsere Seligkeit fließt, überbracht hat. In der geistlichen Stadt Gottes 2. Teil, Buch 3, Kap. 10 wird er durchgehend ein großer Himmelsfürst genannt, was mehr ein hoher Seraphim als ein niedriger Erzengel des achten Chors bedeutet. Dies zeigt auch seine erhabene Gestalt, mit der er Maria erschienen ist und wie in Nr. 113 beschrieben wird.

148. Die Gestalt dieses großen Himmelsfürsten Gabriel war wie die eines holdseligen Jünglings, von seltsamer Schönheit; sein Gesicht war glänzend und warf große Lichtstrahlen von sich; sein Ansehen majestätisch, sein Eintreten vornehm, sein Wort klar und mächtig; ja ganz zwischen Ernsthaftigkeit und Lieblichkeit. So stellte er die Gottheit besser vor als alle übrigen schönsten Engel, deren tausend ihn in sichtbarer Gestalt begleiteten. Sein Haupt war geziert und seine Kleidung spiegelte in unterschiedlichen Farben hellglänzend und unvergleichlich schön. Auf der Brust war ein zweifaches Kreuz, das auf seine Botschaft, die Menschwerdung des ewigen Wortes hinwies.
Diese Botschaft, dieser majestätische Auftrag Gottes gebührt besser einem Seraphim als einem Erzengel, auch weil dieser große Himmelsfürst ein Führer dieses großen himmlischen Heers, das ihn begleitete, genannt wird.

149. Jene, die der Himmelskönigin einen Schutzengel zuordnen, glauben, daß der hl. Gabriel dieses Amt innehatte. Jene, die mutmaßen, daß die Muttergottes keinen besonderen Schutzengel sondern ganze Engelsscharen zu ihrem Dienst gehabt habe, sind der Meinung, daß der hl. Gabriel der Vornehmste dieser Schar gewesen sei. Daraus erhellt, daß der hl. Gabriel ein Seraphim ist, weil kein gewöhnlicher Erzengel zu den vornehmsten und höchsten Engeln gehören kann.

150. So ist auch der Name des großen Erzengels von solcher Kraft, daß einst ein König, als er vor einer Schlacht Gott um Hilfe anrief und hierauf dreimal im ganzen Lager das Wort erschallte: Gabriel, Gabriel, Gabriel! mit seiner kleinen Armee eine große Menge Ungläubiger beherzt angriff und den Sieg erhielt, wie P. Barry; Matthioli und andere schreiben.
Nicht weniger zeigt er seine Hilfe und Beistand in der Sterbestunde, wenn er von uns angerufen wird. Gleichwie sein Name Stärke oder Kraft Gottes heißt, so hat es ein armer sterbender frommer Pilger erfahren, wie unter Nr. 43 berichtet. Der hl. Erzengel verdient also von uns höchst verehrt zu werden.

[Gabriel dürfte der Engel Marias sein, da Michael wohl Jesus selbst zugeordnet ist. Weiterhin gibt es auch gewisse Parallelen bei Raphael und Joseph!]

151. Der hl. Raphael ist der dritte aus den sieben Engelsfürsten, nicht weniger wohlwollend gegen uns Menschen als die hl. Michael und Gabriel. Dies beweist die Hl. Schrift selbst, wo wir lesen, wie der hl. Raphael in Gestalt eines schönen Jünglings den jungen Tobias nach Rages begleitete, von der Gefahr des großen Fisches, der Tobias verschlucken wollte, befreite; ihm das Geld, das man seinem Vater schuldete, zurückgebracht hat und auch verhindert hat, daß der Teufel ihm nicht, wie den vorhergehenden sieben Ehemännern dieser Braut, Schaden zufügen konnte. Er tröstete ihn auf der Reise, unterwies ihn und erfüllte ihn mit vielfältigen Gnaden; ja nicht nur ihn, sondern auch seinen alten Vater, dem er das Augenlicht wieder gegeben und ihn und das ganze Haus mit dem Segen des himmlischen Friedens und der Freude des Paradieses erfüllt hat, wie im Buch Tobit zu lesen ist.

152. Dergleichen Wohltaten haben neben Tobias viele andere vom hl. Raphael empfangen. So hat er den hl. Makarius, einen Römer, sichtbar von Rom, wo er am Tag seiner Hochzeit bei einem Tanz seine Braut verlassen hat, in eine weit entlegene Einöde begleitet und ist drei Jahre lang nie von ihm gewichen. Einen französischen Wallfahrer, der nach Santiago gehen wollte, hat er aus den Händen der Straßenräuber errettet, indem er ihn über einen Fluß gebracht hat, obwohl dieser nicht wußte, wie er darüber gekommen ist. Barry 194. Die hl. Witwe Sophia hat er ebenso sichtbar nach Rom begleitet. Der hl. Benevenuta OP ist er mit dem hl. Gabriel erschienen und hat ihr gezeigt, wie sie Maria und Anna, die ihr danach erschienen, empfangen solle. Leonard Mayr. Ferner erschien der hl. Raphael auch als ein Arzt einem Novizen desgleichen Dominikanerordens, den er von der Epilepsie befreite, jedoch unter der Bedingung, daß er sich besonders um die englische Tugend der Keuschheit bemühe und jede Woche den ersten Tag zu Ehren aller hl. Engel faste. Barry.

153. Da darüber hinaus der hl. Raphael der Schutzengel des jungen Tobias von Jugend auf war, so erkennt man die große Güte und Hilfsbereitschaft dieses großen Engelsfürsten zu uns Menschen. Wir haben genug Grund ihn höchst zu verehren, besonders, wenn wir auf Reisen gehen, erst recht wenn es in Gottes Wille ist und die Wanderer und Reisenden sollen sich dem Schutz dieses Erzengels empfehlen.  
 

II. Abschnitt von St. Uriel und Sealtiel

154. Vom hl. Uriel, dem vierten der sieben Geister, berichtet das 4. Buch Esdra, das zwar nicht kanonisch und von der Kirche approbiert ist, aber es ist auch nicht verworfen. Daher wurde es (früher ?) neben dem 3. Buch Esdra am Schluß der Hl. Schrift angefügt. Einige setzen es, namentlich Johannes Dietenberger gleich nach den ersten beiden Esdrabüchern in die Ordnung des Alten Testaments.
Diesen Engelsnamen kennen und erwähnen der hl. Ambrosius und der hl. Isidor als einen der sieben Geister. Dieser Name ist auch in der mozarabischen Liturgie zu finden. Ebenso berichten hiervon Andreas Cäsar, der hl. Albert der Große, der hl. Bonaventura, Prado, Sixtus Senen. und andere, wie Alcazar erwähnt. Man liest, daß dieser Name einigen Christen in der hl. Taufe gegeben wurde, was nicht geschehen wäre, wenn es kein heiliger Name wäre. So gab es in Mainz einen Dekan, der später Erzbischof wurde, Uriel von Gemmingen hieß und 1514 verstarb. So Burchardus. Erwähnt wird ein Bild, das den hl. Uriel mit dem Kreuz und dem Schweißtuch Christi darstellt.

155. Der Name Uriel heißt lux Dei - Licht Gottes. Folglich ist sein Amt, daß er uns Menschen durch innere Einsprechungen, gleichwie der Schutzengel im allgemeinen, so St. Uriel in wichtigen und höheren Dingen erleuchte und unterweise, wie er es beim frommen Gesetzeslehrer Esdras getan hat, besonders in dessen viertem Buch. Obschon dieses Buch nicht kanonisiert ist, so gilt dies doch soviel wie jedes andere fromme Buch oder wenigstens als eine Offenbarung, die menschlichen Glauben verdient und die Kraft hat, die Menschen zur Tugend anzuleiten. Hierin unterrichtet der hl. Uriel den Esdras in verschiedenen Dingen, erläutert ihm vielfältige Fragen, erklärt ihm seltsame Visionen und enthüllt ihm geheime Dinge. Damit er solch erhabene Dinge leichter fassen konnte, hat ihm St. Uriel einen Kelch zu trinken gegeben, in dem ein Wasser war, dessen Farbe dem Feuer glich. Dadurch bekam er große Einsicht und Weisheit. Diese feurige Farbe weist auf den Namen Uriel hin, der Feuer oder Licht Gottes heißt - nomen est omen - Wort und Tat stimmen überein.

156. Neben den erwähnten Stellen kann man aus der Hl. Schrift vermuten, daß sowohl St. Uriel, wie auch die anderen drei Engelsfürsten Sealtiel, Jehudiel und Barachiel auf Erden erschienen sind und uns Menschen ihre Wohltaten erwiesen haben. Denn wie bei vielen Stellen der hl. Schrift der Name des Engels nicht genannt ist und doch viele Lehrer in ihrer Meinung übereinstimmen, daß es der hl. Michael oder Gabriel gewesen sei oder ein Seraph aus dem höchsten Chor, so kann man bei vielen Stellen vermuten, daß es St. Uriel, Sealtiel, Jehudiel oder Barachiel war, je nachdem wie das Ereignis mit dem Namen und Amt dieses oder jenes Engels übereinstimmt.
So ist der hl. Uriel vielleicht als ein Erleuchter des Gemütes dem Diener des Abrahams erschienen, damit er ihn erleuchtete und ein bestimmtes Zeichen setzte, um die von Gott erwählte Jungfrau, welche die Braut Isaaks werden sollte, nämlich Rebekka zu erkennen. Gen 24.

157. Ebenso kann es Uriel gewesen sein, der als Feuer oder Licht Gottes dem Moses auf dem Berg erschienen ist und der auf Befehl des Propheten Elias das Feuer vom Himmel gesandt hat und die zwei Hauptmänner mit den 50 Soldaten, die Elias gefangen nehmen wollten, verbrannt hat. Daß es aber Engel aus den sieben höchsten Geistern gewesen sind, ist deshalb anzunehmen, weil sie in Person Gottes gesandt wurden und Gott selbst repräsentiert haben. Dies steht aber nur den höchsten Engeln zu, wie aus anderen Stellen von St. Michael bekannt ist. Schließlich berichtet das Englische Allerei von St. Uriel am 8. Juni und dem 26. Dezember.

158. Der hl. Sealtiel, der fünfte der sieben Geister, ist Patron aller Gläubigen und Fürsprecher bei Gott, denn sein Name heißt soviel wie oratio Dei - Gebet Gottes. Sein Ehrentitel ist, daß er ein Fürsprecher ist, der unsere Anliegen und Probleme der göttlichen Majestät vorträgt und den erwünschten Trost und die nötige Hilfe erwirkt. Diese Wohltat dieses großen Engelsfürsten ist umso größer, je mehr wir der selben bedürfen, und obschon die Hl. Schrift ihn dem Namen nach nicht erwähnt, ist doch nicht zu bezweifeln, daß er dem ganzen Menschengeschlecht, insofern es in seinen Nöten zu Gott fleht, viele und große Hilfe verschafft, als ein von Gott dazu bestimmter Geist, der die Anliegen der Menschen beobachtet, ernst nimmt und ihnen davon abzuhelfen sucht. So dürfte der hl. Sealtiel die flehentlichen Bitten des bedrängente Königs Ezechias, der belagerten Stadt Bethulien und die harte Verfolgung der Makkabäer beherzigend, bei Gott durch seine mächtige Fürbitte erwirkt haben, daß Gott seinen vornehmsten Diener und den Fürsten des ganzen himmlischen Heeres, den siegreichen seraphischen Erzengel Michael gesandt hat mit dem Befehl, daß er das ganze assyrische Kriegsheer mit 185.000 bewaffneten Soldaten erschlage. 4 Kg 19. Ferner, daß St. Michael die mutige Heldin Judith zur Enthauptung des Holofernes aufmunterte und stärkte (Jud 13) und in Gestalt eines weißen Reiters oder Ritters dem makkabäischen Helden Judas den Sieg über seine Feinde in die Hände spielte.

159. Gleichermaßen ist zu vermuten, daß St. Sealtiel jener Engel war, von dem das Englische Allerei am 4. September berichtet, der dem Pater Joseph Matthao einem der ersten und heiligsten Kapuziner in schwerer Hungersnot zweimal in Jünglingsgestalt ein himmlisches Brot gebracht, ihn damit gespeist hat und zur betenden Dankbarkeit angeregt hat.  
 

III. Abschnitt Von St. Jehudiel und Barachiel

160. Der hl. Jehudiel, der sechste aus den sieben Geistern, ist der Engel der Belohnung, der die Frommen belohnt und krönt, die Bösen aber bestraft und geißelt. Daher wird er in der einen Hand mit einer Krone und in der anderen mit einer Geißel mit drei schwarzen Stricken dargestellt. Sein Name heißt laus Dei - Lob Gottes, weil durch diesen Engel der Belohnung die Barmherzigkeit und Güte Gottes in der Belohnung der Guten und andererseits die Gerechtigkeit und Strenge Gottes in der Bestrafung der Bösen, die Gott nicht loben, sondern seine Barmherzigkeit und Güte mißbrauchen, gepriesen wird. Und weil nach Maria, der Königin der hl. Engel, die hl. Engel durch ihren immerwährenden dreifachen Lobpreis: Heilig, Heilig, Heilig, Gott auf die vollkommenste und wohlgefälligste Weise loben und preisen, denen aber die keuschen und gottliebenden Jungfrauen auf Erden an Reinheit am nächsten stehen und auch Gott auf das vollkommenste loben, so steht dem hl. Jehudiel das Amt zu die frommen Jungfrauen zu beschützen und vor den bösen und vor allem geilen Böcken in vielerlei Gefahren eifrig zu behüten. Daher ist er ein Beschützer der Jungfrauen, wie er im dritten Teil seiner eigenen Antiphon genannt wird. Daraus erhellt, daß das Beschützen der Jungfrauen gar wohl den höchsten Engeln zusteht, weil darüber Gott großes Wohlgefallen hat und durch sie als irdische ‘Engel’ hoch gelobt wird. [Hierzu gehören wohl auch die heiligen Jünglinge, die man wie den hl. Aloisius nicht von ungefähr engelgleich oder andere auch gar seraphische Heilige nennt.]

161. Daher liest man, daß ein Seraphim das Herz der hl. Jungfrau Theresia (von Avila) mit einem Liebespfeil durchstochen hat, [Das unverweste Herz mit dieser Wunde ist heute noch im Kloster zu Avila zu sehen!] in das Herz der seligen Baptista de Veranis glühende Funken gestreut und in schönem Purpur und Samt Katherina de Racconis erschienen ist. Ein Seraphim hat die selige Dominikanerin Katherina de Racconis mit ihren Reisegefährtinnen bei finsterer Nacht durch ein himmlisches Licht geführt und ihr einst alle Begierlichkeit genommen dadurch, daß er mit drei anderen Engeln ihre Lenden umgürtet und im Namen Gottes, des Herrn, gesagt hat: Wir umgürten dich mit dem Gürtel der jungfräulichen Reinheit. Ebenso sei ein Seraphim, nämlich der hl. Erzengel Gabriel, der Schutzengel von Maria der Jungfrau aller Jungfrauen gewesen, wie dem heiligmäßigen Pater Bathasar Alvarez von der Gesellschaft Jesu von Gott geoffenbart worden ist. Und daß die selige Johanna vom Kreuz einen Schutzengel aus den höheren Geistern gehabt hat.

162. Was verwundert es, wenn ich sage, daß der hl. Jehudiel jener Engel gewesen sei, der die hl. Jungfrau Eustochium, die hl. Jungfrau Basilissa, die hl. Jungfrau Lucia und Theophila, von vielen anderen ganz zu schweigen, ebenso die keusche Jungfrau Juliana so eifrig beschützt hat, daß er die Feinde ihrer jungfräulichen Reinheit aufs schärfste gezüchtigt hat, wobei sich dann sein dreifaches Amt zeigte, daß er nämlich die Jungfrauen beschützt, ihre Keuschheit belohnt und die boshaften Ehrenschänder bestraft. So kann man auch sagen, daß Jehudiel jener Engel war, der Moses bestrafen wollte, als er die Beschneidung seines Söhnleins etwas aufschieben wollte. Ex. 4. Und der die Abgötterei der Israeliten, die das goldene Kalb anbeteten, bestrafte. Ex.32. Und der durch einen Löwen den ungehorsamen Propheten tötete. 3 Kg 13. Ebenso, der als einer aus den sieben Vorstehern der Kirche in Gestalt eines geharnischten Soldaten erschien und den hl. Chrysostomus gegen die Gewalt der Kaiserin Eudoxia mit einem schrecklich zitternden Schwert beschützte, hingegen zwei wucherische und geizige Bischöfe mit dem Tod bestrafte.

163. Der hl. Barachiel, der siebte aus den sieben Geistern, heißt Benedictio Dei - Segen Gottes, da er uns von Gott verschiedene Gnaden, Wohltaten und Segen in all in unserem Tun und Lassen, worin wir Gott um Hilfe erflehen, erlangt und das Erlangte übermittelt. Dies bedeuten die Rosen am Saum seines Mantels. Daher wird er ein Diener der Gaben des Hl. Geistes genannt. Weil wir ohne die Gaben Gottes nichts tun können, diese aber der hl. Barachiel uns bei Gott erlangt, so wird er Adjutor - Helfer und Beistands-Engel genannt.

164. Seine große Hilfe und Wohltat hat im Alten Testament Obed-Edom aus Gat (2 Sam 6,11) erfahren. Gott hat ihn und sein ganzes Haus gesegnet und reichlich belohnt, weil er die Bundeslade mit großer Ehrfurcht aufbewahrt hatte. Diese Gnaden und Segen hat ihm der hl. Barachiel, der vielleicht der Schutzengel der Arche des Bundes war, von Gott erlangt. Dergleichen Wohltat hat er wohl dem König Salomon erwiesen, dem er in Person Gottes erschien und ihm auf sein demütiges Begehren die Weisheit und neben ihr auch großen Reichtum und Herrlichkeit gebracht hat, so daß vor und nach ihm seines gleichen nicht gefunden wurde. Durch diese Weisheit hat er dem König Salomon eine Hilfe zur Leitung seines großen Volkes gegeben.
Und wie zuvor bei St. Jehudiel berichtet, daß ein Seraphim der sel. Katharina von Racconis nachts mit einem himmlischen Licht geleuchtet und ihr die Gnade der vollkommenen Keuschheit durch Umgürtung ihrer Lenden verliehen hat, so kann es sein, daß der hl. Barachiel einer der vier Engel war, die dabei geholfen haben, da er der ‘Segen Gottes’, ein Diener der göttlichen Gaben und unser treuer Helfer ist.

165. Soviel von den sieben Hauptgeistern, wie sie das Englische Allerei nennt. Obwohl viel, was die letzten vier Engelsfürsten betrifft, in bloßen Vermutungen besteht, ist dies nicht ohne Grund, sondern aus dem Amt und Namen eines jeden hergeleitet. Wie es Gott gefällt, die Namen der letzen vier zu offenbaren, so kann es sein, daß sie mit der Zeit noch bekannter werden, wie Gott von Zeit zu Zeit viele andere Geheimnisse der Welt kundtut. Es soll uns genügen, daß wir eine Möglichkeit haben einen jeden dieser sieben Engelsfürsten besonders anzurufen und verehren zu können, indem wir auf diese Weise von einem jeden, den wir verehren, zweifellos erlangen, um was wir ihn bitten. Denn alle sieben stehen über allen anderen Engeln vor Gott...
 

6. Kapitel - Von den heiligen Schutzengeln

166. Jetzt steigen wir von den höchsten seraphischen sieben Hauptgeistern und Engelsfürsten aus dem ersten und höchsten Chor in den neunten und letzten Chor hinab zu den Engeln und Fürsten der Menschen, nämlich unsren Schutzengeln, welche unsere Fürsten, Väter, Lehrer, Beschützer, höchste Freunde und Patrone sind. Unter den unzählbaren Wohltaten, die Gottes freigebige Vorsehung den Menschen erwiesen hat, ist gewiß nicht die geringste, daß es Gott gefiel, jedem Menschen einen Engel zu geben, der ihn leiten, beschützen, beistehen und bewahren soll, wie es der Prophet im Psalm 90/91 erwähnt: Gott hat seinen Engeln befohlen dich auf all deinen Wegen zu behüten. Darüber sagt der hl. Bernhard: Welch eine große Würde und Zuneigung. Denn wer gibt diesen Befehl? Weshalb? Bedenkt es gut und nehmt es zu Herzen: Deus mandavit - Gott, der die höchste Güte, die unermeßliche Weisheit und die unendliche Majestät ist, hat den Engeln befohlen, und zwar seinen Engeln, den so hohen und adeligen Kreaturen, diesen so reinen und glückseligen Geistern, diesen so vollkommenen und herrlichen Geschöpfen, die Ihm so nah stehen und in Wahrheit seine Hausgenossen sind, in denen das Bild der allerheiligsten Dreifaltigkeit erstrahlt, welche die Strahlen und das Bild der göttlichen Hoheit tragen, diesen hat Gott befohlen, daß sie die Menschen beschützen sollen und zwar nicht nur für kurze Zeit und an diesem oder jenem Ort, sondern auf allen Wegen, an allen Orten, zu allen Zeiten und Anlässen.

167. O welch große Würde, welch große Liebe, da Gott verordnet, daß diese so hohe, so gottselige, Gott so ähnliche, so mächtige, so behende und schnelle, so schöne und majestätische über die Sonne glänzenden Geister, diese großen Himmelsfürsten und Herren des göttlichen Hofes, uns aufwarten und uns armen sündigen Menschen dienen. Und was ist ihr Dienst, ihr Amt? Daß sie die Menschen zu ihrem ewigen Heil, zu Gott führen, sie mit seiner Erkenntnis erleuchten und mit Liebe entzünden. Ihr Amt ist, den anvertrauten Pflegekindern guten und heilsamen Rat zu geben, himmlische Gaben und Gnaden zu bringen, alles Übel von ihnen gnädigst abzuwenden, dieselbe vor dem Untergang zu bewahren, in Gefahren zu beschützen und, wenn sie vom rechten Weg abweichen wiederum zurückzuführen. Ihr Amt ist, das Böse nicht ungestraft zu lassen, das Gebet, die guten Werke und eifrigen Wünsche der Menschen dem allmächtigen Gott darzubringen und schließlich nach dem Tod die Seelen in den Himmel zu begleiten und der höchsten Majestät vorzustellen.

168. Der hl. Augustinus sagt, die Engel lieben uns als ihre Mitbürger, da durch uns einst die Lücken der abtrünnigen Geister ersetzt werden sollen. Daher stehen sie uns mit großer Sorgfalt und Eifer zu allen Stunden und an allen Orten bei, auch in unseren Nöten und Anliegen am besten zu sorgen. Bald schwingen sie sich in die Höhe zu Gott und bringen ihm unsere Seufzer und Klagen; bald lassen sie sich wieder herunter auf Erden uns den erwünschten Segen vom gütigen Gott zu bringen. Sie wandern mit uns auf allen Straßen, gehen mit uns aus und ein, achten emsig auf uns, mit welcher Zucht und Ehrbarkeit wir uns in dieser verkehrten Welt verhalten und wandeln; mit welchem Fleiß wir nach dem Reich Gottes streben und seine Gerechtigkeit suchen, mit welcher Furcht und Zittern wir Gott unserem Herrn dienen und vor Ihm in der Freude unseres Herzens frohlocken. Sie helfen uns in der Arbeit, beschützen uns in der Ruhe, ermuntern uns im Kampf, krönen uns nach bestandenem Sieg, sie freuen sich mit uns, wenn wir im Herrn fröhlich sind, tragen Mitleid, wenn wir wegen Gott leiden und dies alles zur Ehre und Lob der unbegreiflichen Liebe, mit der uns Gott geliebt hat und noch liebt.

169. Die Macht und Gewalt der hl. Schutzengel ist so groß, daß nach dem Zeugnis eines gewissen Autors, in sichtbarer Gegenwart des geringsten Schutzengels die Teufel, seien es auch noch so viele, wenn sie den guten Engel sehen, sich nicht getrauen die Menschen anzufechten. Daher sagte ein Hofarzt und zugleich erfahrener Zauberer der neuen Welt, als er hörte, daß eine bestimmte starke Zauberei aufgehoben wurde, dies müsse ein mächtiger Schwarzkünstler gewesen sein, der diese Zauberei gelegt hat. Der es aber aufgehoben hat, müsse alle Teufel an Stärke überwinden. Nun aber war dies durch den Schutzengel dessen, der verzaubert wurde, geschehen. So im Engl. Allerei am 29. Mai zu lesen.

170. Was weiter die Wohltaten betrifft, die der Mensch von seinem Schutzengel empfängt, so sind diese größer, als sie vom menschlichen Verstand begriffen oder mit Worten ausgesprochen werden können. Was wir mit unseren Augen erblicken, kommen uns die hl. Schutzengel sozusagen mit 100 Händen und Füßen Gutes tuend entgegen. Eher wird man den Sand am Meer, die Blätter an den Bäumen und die Sterne am Himmel zählen, als die Menge ihrer Wohltaten herbeibringen. Denn sie sind so zahlreich, daß wo wir hinblicken, wir nichts anderes sehen als die Wohltaten der hl. Schutzengel, lauter Zeugnisse ihrer Liebe zu uns.

171. Daraus ersehen wir, wie Burchardus sagt, wie hoch uns Gott schätzt und liebt. Wie sorgfältig er für unser zeitliches und ewiges Heil sorgt, da er so mächtige Himmelsfürsten und edelste Kreaturen zu unserem Schutz bestellt; Ihm, dem auch die hl. Engel mit Freuden gehorchen und zwar mit solchen Freuden, daß sie die Zeit unserer Empfängnis schon vor vielen Jahrhunderten ersehnt und als sie gekommen, sogleich sich bei der neu erschaffenen Seele eingefunden und dieser wegen der soeben empfangenen hohen Gnade der Erschaffung und des ihnen daher auferlegten Schutzamtes gratuliert haben.

172. Welch großen Dank sind wir diesen hl. Schutzengeln schuldig! Welche Ehrfurcht sollen wir ihnen erweisen? Welche Andacht, welches Vertrauen zu ihnen haben? Wie der hl. Bernhard sagt, die Dankbarkeit für ihre Gegenwart, die Verehrung für ihre Hilfe und das Vertrauen für ihren Schutz. Dieser Pflicht werden wir nachkommen, wenn wir die Andacht zu den hl. Schutzengeln pflegen...
 

Besondere Fragen über die hl. Schutzengel

173. Ob alle Menschen und jeder einen eigenen Schutzengeln hat, und einen, den vor ihm noch kein anderer Mensch hatte noch jemals bekommen wird, so daß ein Engel nur einen Menschen und nicht nachher noch einen zweiten oder mehr Menschen beschützt? Dazu antworten der hl. Thomas und der hl. Antoninus und mit ihnen viele andere Lehrer, daß jeder Mensch einen besonderen eigenen Schutzengel hat, welcher vor und nach ihm keinen anderen Menschen mehr beschützt. Diese Meinung haben viele, wie in Nummer 12 schon erwähnt, wo manche meinen, daß die Zahl der Engel zehnmal größer sei, als die der Menschen... [Doch da ein Drittel der Engel gefallen ist und dieses Drittel im Himmel durch die seligen Menschen aufgefüllt werden soll, müßte man sagen, daß es doppelt soviel Engel wie Menschen gibt!]
Daher besteht keine Notwendigkeit, daß ein Engel nacheinander mehrere Menschen beschützt, da ihrer Zahl, die der Menschen übersteigt.

174. Eine andere Frage ist, ob Christus und Maria, die ohne Erbsünde empfangen und geboren sind und auch ohne Sünde gelebt haben, einen Schutzengel gehabt haben? Nach allgemeiner Meinung hätte Christus keinen Schutzengel gehabt, sondern nur viele Dienstengel. [Doch der Psalm 91 dürfte auch für Christus gelten und wie bereits erwähnt, ist zu vermuten, daß eben der höchste Engel Michael dem Herrn zum Schutz gegeben worden ist, da nicht er sondern Gabriel zu Maria gesandt wurde.]
Maria sei mit mehreren Schutzengeln versehen gewesen, deren vornehmster der hl. seraphische Erzengel Gabriel gewesen sei (Nr. 131, 149 und 161). Der Grund des Unterschieds sei, weil Christus kein reiner Mensch und Pilger war, sondern zugleich mit der Gottheit vereint quasi zugleich wie im Himmel in der Gottesschau gelebt hat...
[Nun das sind Spekulationen: Am Ölberg kam wohl nicht ohne Grund ein Engel zu Jesus und wie er sich von Maria und Josef beschützen und helfen ließ, so wohl auch durch die hl. Engel, deren höchster Michael ihm doch am ehesten zustand.]

175. Der Schutz der hl. Engel ist nach dem hl. Thomas ein Vollzug der göttlichen Vorsehung an uns Menschen, von Gott uns als Pilgern geschenkt, da wir hier keine bleibende Stadt haben... Daraus folgt, daß alle Menschen ohne Ausnahme, Gläubige und Ungläubige, Fromme und Böse, Heiden und Götzendiener einen Schutzengel haben, und obwohl sich dieser von seinem Pflegekind, wenn es schwer sündigt, etwas entfernt, so verläßt er es nicht völlig, sondern bemüht sich, dieses auf bessere Wege zu leiten. Er trägt für sein Seelenheil so große Sorge, daß einige Lehrer sagen, daß manche Schutzengel ihren Schützlingen das zeitliche Leben nehmen, damit sie selig werden, im Fall, daß sie voraussehen, daß diese auf längere Sicht verloren gingen. Denn der vorzeitige Tod ist oft eine Wirkung der Gnade und das größte Gut des Menschen, gemäß dem Buch der Weisheit 4,11 ‘er wurde hinweggenommen, damit die Bosheit nicht seinen Verstand verkehrte noch Arglist seine Seele verführte.’
So ist auch gewiß, daß Adam und Eva im Stand der Unschuld einen Schutzengel gehabt hatten, dergleichen hätten alle Menschen, wenn sie im Paradies verblieben wären, ebenso einen Schutzengel gehabt, weil sie Pilger wären und gleich wie die ersten Eltern von bösen Geistern angefochten worden wären. Also ziemte es sich, daß sie Schutzengel hätten, von denen die bösen Geister gezähmt und sie durch hl. Einsprechungen zu größerer Tugend angetrieben würden.

176. Die dritte Frage ist, ob auch die großen Propheten Henoch und Elias noch unter dem Schutz ihres hl. Schutzengel stehen? Der Grund liegt darin, daß sie nicht mehr als Pilger auf Erden sind, sondern entrückt und in das irdische Paradies versetzt sind, wie alle Schriftsteller glauben. Dort führen sie ein glückseliges Leben und genießen, wie einige vermuten, entweder beständig oder doch zuweilen die göttliche Anschauung. Dies geben viele hl. Väter zu erkennen, da sie Elias den Titel eines Heiligen beigeben, der nach dem Brauch der Kirche nur jenen zukommt, die wirklich die Anschauung Gottes genießen. Wenn sie nicht mehr auf der Pilgerschaft sind, so können sie auch nicht mehr durch gute Werke etwas verdienen und haben den Schutz der Engel nicht mehr nötig, welcher nur den Menschen zusteht, die auf der Pilgerschaft sind.
Trotzdem ist zu sagen, daß Henoch und Elias unter dem Schutz der hl. Schutzengel stehen, denn obwohl sie in größter Ruhe ohne Gefahr leben und Gott wie auch die Engel öfter sehen, so sind sie noch auf dem Weg und gehören zur streitenden und nicht zur triumphierenden Kirche, weil sie noch im Fleisch leben und noch nicht am Ziel (Himmel) sind. Sie brauchen den Schutz der hl. Engel, vor allem in der letzten Zeit ihres Lebens, wenn sie wiederum auf die Erde kommen (Apokalypse) und gegen den gottlosen Antichrist predigen, die Christen im katholischen Glauben stärken, zum Martyrium aufmuntern und schließlich selbst vom Antichrist getötet werden. Darüber schrieb P. Joseph Heffner.

177. Da nun vom Antichrist die Rede war, entsteht die vierte Frage, ob auch der Antichrist, den seine Mutter von einem bösen Geist empfangen soll, einen hl. Schutzengel haben wird? Der hl. Thomas antwortet mit Ja (Q. 113 art. 4 ad 3), weil dieser Schutz dem Antichristen und anderen lasterhaften Menschen, obwohl er sie nicht zum Lohn des ewigen Lebens führen kann, doch dahingegen hilft, daß sie von vielen und weit größeren Übeln abgehalten werden, als sie wirklich begehen. Daher wird der gottlose Antichrist nicht soviel schaden können, als er gern wollte und wird auch von Gott der Gnadenhilfe und der allgemeinen Vorsehung keineswegs beraubt. So P. Burchardus.

178. Die fünfte Frage ist, ob ein Mensch zuweilen mehr als einen Schutzengel hat? Die Antwort ist JA. Nach Meinung fast aller Theologen haben hohe Personen wie Papst, Kardinäle, Bischöfe, Kaiser, Könige, Fürsten und Regierende zwei hl. Schutzengel, einen aus dem letzten Chor für ihre Person und einen anderen aus dem Chor der Erzengel oder Fürstentümer. Dieser letztgenannte Chor trägt Sorge für die Ordnung und Wohlfahrt des Gemeinwesens, wofür diese hohen Häupter in ihrer Regierung zu sorgen haben. Daher bekommen sie diesen anderen Engel erst zu der Zeit, da sie die Regierung antreten und solange diese dauert. Sobald sie aber den Regierungstab ablegen, verlieren sie diesen Engel. Diese Wahrheit gründet in der Hl. Schrift, besonders bei Daniel 10, wo die Engel des Reichs der Perser, Griechen und der Juden ausdrücklich erwähnt werden.

179. Manchmal haben auch Menschen zwei Schutzengel gehabt: die hl. Franziska von Rom, die hl. Franziska Vachina, die ehrw. Maria Raggia OP, der ehrw. P. Dominikus a Jesu Maria, der einen Engel den Zusprecher nannte und den anderen, der aus einem höheren Chor war, Vorläufer. Der erste glich der Sonne, der andere aber viel heller als die Sonne. Sie haben sich ihm sehr oft sichtbar gezeigt und ihn zu herrlichen Tugenden aufgemuntert, und ihm mit Rat und Tat beigestanden. Der hl. Wenzeslaus von Böhmen hatte viele Engel als Leibwächter; die ehrw. Marina von Escobar hatte neben ihrem Schutzengel noch zehn andere Engel, mit welchen sie wie mit ihren Edelknaben umging.
Eine andere Jungfrau von Vallisolet hatte ebenso noch zehn andere Schirmgeister und zwar Assistentes, nämlich solche aus den höchsten vier Chören, wie bei Arriga und unter Nr. 95 zu lesen ist. Die selige Klara, eine indianische königliche Prinzessin, wurde täglich von 70 Engeln besucht und öfter in den Himmel erhoben, wie unter Nr. 41,7 bereits erwähnt. Der hl. Martialis, Bischof von Limoges, hat bei seinen Predigten und Reisen durch Frankreich zwölf Engel gehabt, wie Barry bezeugt. Auch die gottselige Äbtissin Maria von Jesu hat acht Engel gehabt, die ihr zur Beschreibung der Mystischen Stadt Gottes gegeben wurden, sechs aus den unteren und zwei aus den höheren Chören I.Teil Nr.4. Damit ich im Bericht der Beispiele nicht verbleibe, sage ich mit P. Burchardus, daß alle Freunde der engelhaften Reinheit mehr als einen Schutzengel haben. Denn wo ein reines Herz wohnt, da findet sich die Freude der Engel.

180. Aus dem erwähnten ist zu erkennen, daß nicht alle Schutzengel aus dem untersten Chor, sondern auch aus den höchsten und ersten vier Chören sind. So soll der hl. Michael der Schutzengel Adams gewesen sein, der ihn im Ackerbau unterwiesen hat, wie das Allerei am 24. Dez. berichtet...
So ist auch der hl. Michael, wie zuvor der Synagoge so jetzt der katholischen Kirche Schutzpatron. Bereits erwähnt ist, daß der hl. Gabriel der Schutzengel Marias und der hl. Raphael der des Tobias gewesen ist, obwohl beide doch Seraphim sind. Ansonsten ist die allgemeine Vermutung, daß einfache Leute von den Engeln, höhere Personen aber wie Fürsten, Bischöfe usw. von Erzengeln, höchste Herrscher jedoch wie Kaiser, Könige und Päpste von den Fürstentümern beschützt werden.
Der gelehrte Posquierius nennt zu unserem Trost sehr viele Engel, die ein Mensch hat: Neben dem Schutzengel, den Engel des ganzen Menschengeschlechts und den Engel der katholischen Kirche. Dann beschützt uns der Engel des Landes, der Stadt, des Marktes oder Dorfes und der Pfarrei, wo wir wohnen. Dann haben wir den oder die Engel der Bruderschaften, zu denen wir gehören und soviele Engel, wie Menschen mit uns im Haus wohnen. Wir haben einen Engel, der bestellt ist über die Elemente des Feuers, des Wassers, der Luft und der Erde und dazu noch soviel Engel als Gattungen von Tieren und Pflanzen auf Erden gefunden werden. Welch großer Trost soll uns dies sein, da wir fast mehr unter Engeln als unter Menschen leben! Aber auch welches Leid, da wir unter soviel Engeln nicht mehr engelhaft als menschlich leben.

181. Es scheint jetzt noch eine Frage offen zu sein, wann nämlich der Mensch seinen Schutzengel bekommt? Ganspeck antwortet [im Gegensatz zu Nr. 171] mit mehreren Theologen, wie Thomas, Hieronymus und Bernhard, daß dieser Schutz nicht bei der Empfängnis / Eingießung der Seele beginnt, sondern bei der Geburt. Der sel. Johannes Dun Scotus (der auch als erster die unbefleckte Empfängnis Mariens lehrte) sagt bei P. Burchardus, daß der Schutzengel bei der Empfängnis dem Kind zuteil wird. Die erstere Meinung geht davon aus, daß das Kind zwar gleich einen Schutzengel hat, der es gegen den bösen Feind beschützt, da dieser nicht will, daß es zur hl. Taufe gelangt. doch dieser Engel sei noch nicht des Kindes eigener, sondern der Mutter Schutzengel, der beide zugleich beschützt, weil das Kind im Mutterleib für einen Teil der Mutter gehalten wird, wie bei einem Baum die noch daran hängende Frucht als ein Teil des Baumes betrachtet wird. Sobald aber das Kind durch die Geburt von der Mutter getrennt wird, da bekommt es seinen eigen Schutzengel. So erklärt es der hl. Hieronymus, wenn er sagt:
‘Es sei eine große Gnade und Würde unserer Seelen, daß eine jede von der Stunde, da sie auf die Welt kommt, zu ihrem Schutz einen besonders von Gott verordneten Engel hat. Und diese so edlen Schutzgeister zeigen sich uns gegenüber so freundlich und vertraulich, daß sie oft auch sichtbar erscheinen... Doch pflegen sie niemals oder gar selten in weiblicher Gestalt zu erscheinen; in welcher doch oft die bösen Geister erscheinen. Vor diesen Höllenengeln, die nicht unser Seelenheil suchen, möge uns der gütige Gott und der Schutzengel bewahren.

[Inzwischen dürfte sich wohl die Meinung des seligen Johannes Dun Scotus sich durchgesetzt haben. Denn heute wissen wir mehr über die Entstehung des neuen Lebens. Und mit der Verkündigung des Glaubensatzes der Unbefleckten Empfängnis dürfte auch klar ein, daß jeder Mensch von der Empfängnis/Zeugung an von Gott eine Seele bekommt und eben zum Schutz dieser unsterblichen Seele seinen Schutzengel. Früher meinten sogar namhafte Theologen, daß die Seele erst nach einigen Wochen in den neuentstandenen Leib käme.]
 

7. Kap. Die Schutzengel der Königreiche, Städte, Kirchen usw.

182. Es möge nicht seltsam klingen von anderen Schutzengeln zu lesen, von denen man bisher kaum oder gar nichts gehört hat. Doch die Menge des darüber vorliegenden Stoffes macht es dem Autor schwer nur kurz zu berichten. Dazu greift er auf P. Paulus de Barry zurück, der in sechs Kapiteln einen Überblick gewährt. Gott hat jedem Königreich und Provinz einen Schutzengel gegeben, wie der Prophet Daniel schreibt. So hat der Engel der Perser dem Engel der Israeliten Widerstand geleistet...

183. Daher hat der geistreiche P. Petrus Cottoni SJ die Engel der Provinzen verehrt und oft angerufen, besonders wenn er von einer in die andere Provinz reiste. Dann hat er dem Engel der einen Provinz gedankt und sich dem Engel der nächsten Provinz anempfohlen. Dies haben ihm die Engel auch hoch vergolten, wie P. Barry berichtet. Der hl. Franz Xaver hat, als er nach Indien reiste, zu den hl. Erzengeln, die über dieses Königreich gesetzt waren, seine innige Andacht verrichtet. Ganz Frankreich bekannte öffentlich, daß der seraphische hl. Erzengel Michael sein mächtiger Schutzpatron ist. [Viele Könige pilgerten früher zu dem berühmten Mont Saint Michel, angefangen von Karl dem Großen. Der hl. Kaiser Heinrich ging zum Monte Gargano nach Italien und bat dort in der Erscheinungsgrotte den hl. Erzengel Michael sein Reich zu beschützen. Daher ist der hl. Michael auch der Schutzpatron Deutschlands.]

184. Daß auch die Städte und Dörfer und Häuser ihre besonderen Schutzengel haben, bezeugt Gott selbst durch den Mund des Propheten Jesaja 62. Kap., da er sagt: ‘Jerusalem, ich habe auf deine Maurern viele Wächter gestellt, Tag und Nacht.’ Dies erklären die Gelehrten so, daß hiermit die Engel der Häuser und Städte gemeint sind. Dies zeigt auch folgende Begebenheit: Als der Tyrann Gaynas die Festung Konstantinopel belagerte, sind ihm schreckliche Reiter erschienen, die allein mit ihrem Aussehen die feindliche Armee in die Flucht getrieben haben. Dies war niemand anders als die Schutzengel der Stadt und Bewohner. Tostati und andere sagen mit dem hl. Thomas: Der Engel, der die flüchtige Magd Abrahams wieder zurückführte, sei der Schutzengel des Hauses des Patriarchen gewesen... Der hl. Papst Klemens sagt, daß jede Nation einen Engel hat, dem das Volk anvertraut ist. P. Suarez meint, daß jede Armee einen besonderen Schutzengel habe.

185. Daher hat wohl auch jedes Kloster und jede geistliche Gemeinschaft einen Schutzengel. P. Barry bringt ein schönes Beispiel, wonach ein Jurist im Schlaf von einem Engel geweckt und ermahnt wurde umgehend mit allen Hausgenossen das Haus zu verlassen, da es bald einstürzen werde. Der Engel hatte die Gestalt eines seiner Freunde angenommen. Der Mann stand auf, weckte Frau, Kinder und seine Hausangestellten, nahm die wertvollsten Sachen mit und als sie kaum 50 Schritte aus dem Haus weg waren, fiel das Haus zusammen. Danach dankte er Gott und seinem Schutzengel.
Daher hat der hl. Petrus Faber, der erste Jünger des hl. Ignatius, sobald er in eine Stadt, Marktfleck, Dorf, Kloster oder Haus kam, dessen Schutzengel gegrüßt und ihn gebeten ihm gnädig zu sein, solang er sich hier aufhalten werde. Dies tat auch ein Bürger Neapels. Als der Vesuv ausbrach hat er seine Schutzengel zum Beschützer über Haus und Felder bestellt und ist unverletzt davon gekommen, obgleich alle Nachbarhäuser bis auf den Grund verbrannten. Der hl. Franz von Sales erinnert in seiner Einführung zu einem frommen Leben auch an diese Andacht.

186. Die Kirchen, Kapellen und Altäre haben auch bestimmte Schutzengel. Dies läßt sich schließen aus folgenden Tatsachen: Bei der Zerstörung des Tempels von Jerusalem hat man die Engel sagen hören: Laßt uns weichen, laßt uns weichen. Am hl. Ort, dem Allerheiligsten, war ein anderer Engel, der immer in menschlicher Gestalt mit glänzenden Augen und klarem Leib zu sehen war. Wenn der Hohepriester einmal im Jahr diesen hl. Ort betreten hat, hat sich der Engel in einer purpurfarbenen Wolke verborgen, damit er ihn wegen des großen Lichts nicht blende. So bezeugen es Josephus Judäus und Abulensis bei Barry.
Daher dürften unsere Kirchen, welche heiliger sind als der Tempel des Alten Bundes, des Schutzes der Engel viel würdiger sein. So werden zuweilen die Engel in den Gotteshäusern sichtbar, wie am Berg Gargano, wo der hl. Erzengel Michael öfter sichtbar in der Felsenkirche erschienen ist.
187. Von den Kapellen ist gleiches zu vermuten. Als ein Einsiedler in die Kapelle des Abtes Barnabas kam, sah er auf dem Altar einen Engel. Da er ihn fragte, was er da mache, sagte er, er sei von der Zeit an, da die Kapelle und der Altar geweiht wurden, nie davon gewichen und dies auf besonderen Befehl Gottes. Dieser hl. Abt sah selbst einmal, wie der hl. Schutzengel den Altar verteidigte und die Teufel mit ihren Nachstellungen vertrieb. Daraus ist zu erkennen, daß auch die Altäre ihre eigenen Schutzengel haben.
Ein Einsiedler hat einst den Schutzengel seiner Klause gebeten, er möge doch immer bei seinem Altar bleiben und keine bösen Engel in seine Herberge kommen lassen. In der Mystischen Stadt Gottes ist zu lesen, daß ein Engel, die von englischen Händen geformte Säule und das darauf gestellte Bild der Muttergottes, das Maria selbst noch zu Lebzeiten im Jahre 40 am 2. Januar ihrem Verwandten und Apostel Jakobus nach Saragossa in Spanien gebracht hat, bis auf den heutigen Tag unversehrt bewacht.
[Von dieser Säule geht ein ungewöhnlicher Duft aus.]
Link U. L. Frau von der Säule - Saragossa

188. Dem hl. Bischof Leontius bekannte ein Engel, daß er nicht von jenem Altar weichen wolle, wo einmal die hl. Hostie verwandelt wurde... Daher hat der hl. Petrus Faber, so oft er eine Kirche berat, die Engel der Kirche und Altäre begrüßt und sie um Beistand in seiner Seelsorge angerufen. Dergleichen hat P. Balthasar Alvarez den Altarengel, wo er die hl. Messe gefeiert hat mit inniger Andacht verehrt. Dies mit Recht, da wohl jeder Priester bei der Feier der hl. Messe einen besonderen Engel hat, der ihm beisteht, damit er das hl. Opfer heilig verrichte. Dieser Engel ist wohl kein anderer als der Altarengel, dem die Aufgabe obliegt, daß alle Unehre vom Altar abgewandt und alles Heilige darauf heilig verrichtet werde.

189. Der Altarengel hilft dem Priester, wie der hl. Thomas nach Kajetan sagt, sein Gebet und die Messe Gott dem Herrn aufzuopfern, gemäß den Worten des römischen Kanons: Wir bitten dich, allmächtiger Gott: Dein hl. Engel trage diese Opfergabe auf deinen himmlischen Altar vor deine göttliche Herrlichkeit... An der hl. Messe werden aber nicht nur ein Engel, sondern wohl mehrere Engel teilnehmen. Dies bezeugt der hl. Johannes Chrysostomus, da er fast immer die Kirchen voller Engel sah, vornehmlich aber, wenn er die hl. Messe feierte. Zu dieser Zeit sah er auch die Engel vom Himmel herabsteigen und zwar barfuß, aber weiß gekleidet, aus Ehrfurcht etwas niedergeneigt und auf den Altar sehend bis zum Ende der hl. Messe.
Ein hl. Mönch im Kloster der Abtes Serionis hat, wenn er die hl. Messe gefeiert hat und zu den Worten kam: ‘Dein hl. Engel trage...’ tausend Engel um den Altar herum gesehen, wobei einer scheinbar die hl Hostie vom Altar genommen, dieselbe Gott aufgeopfert und wieder auf den Altar gelegt hat und darauf sind alle verschwunden. Daher sagt der hl. Paulus, daß die Frauen in den Kirchen ihre Häupter bedecken sollen wegen den Engeln.( 1 Kor 11) Der hl. Chrysostomus sagt, daß die hl. Engel zwar allezeit für uns beten, in der hl. Messe aber das Gebet verdoppeln und indessen auf alle Anliegen achten, damit sie uns von Gott besondere Gnaden erwerben. Diese Engel aber sind keine anderen als die Schutzengel der Kirchen und Altäre. Welche Verehrung sind wir diesen Engeln schuldig?
[Haben nicht vielleicht auch andere hl. Orte besondere Schutzengel, wie der Beichtstuhl, die Kanzel/Ambo, der Friedhof, das Pfarrhaus, die wir aus Unwissenheit nicht kennen und daher nicht verehren?]

190. Viertens schließlich haben die Orden, wie auch die Kongregationen und Bruderschaften, wie Barry nach Meinung des hl. Thomas schreibt, ihre eigenen Schutzengel. Dies ist aus der Geschichte bekannt, denn als der hl. Franz von Paula seinen Orden aufheben wollte, ist ihm ein Engel erschienen mit einem Schild, worauf stand: Die Liebe. Dies war sicher kein anderer Engel, als Gott danach dem ganzen Paulinerorden beigestellt hat. So liest man an mehreren Stellen, daß dem kranken Studenten Wilhelm zwei Engel erschienen sind, die bei ihm blieben bis zu seinem Tod. Sie erklärten, daß einer sein Schutzengel sei und der andere der Bruderschaftsengel, zu der er gehört. Gott habe ihn gesandt zum Lohn, weil er die Bruderschaftsregeln und Satzungen so fleißig beobachtet und gehalten hat. Bei Barry und Schutzengelhilf. Hier erwähnt P. Sylvius auch die Pfarreien, Seminare und Kollegien und eignet ihnen eigene Engel zu.
 

Fortsetzung des 7. Kapitels

191. Daß Hab und Gut und Menschen, wie bisher berichtet, ihre Schutzengel haben, ist nicht zu verwundern, ebenso Königreiche, Länder Städte, Klöster, Kirchen und Bruderschaften. Daß aber auch Sterne und Planeten am Himmel, das vernunftlose Vieh, das leblose Meer, die Winde und die vier Elemente besondere Schutzengel haben ist bewundernswert. Die Theologen sagen, daß Himmel und Sterne von gewissen Engeln bewegt werden und daß Sonne, Mond und Sterne bestimmten Engeln unterworfen sind, wie der blinde Pater sagt, da Sonne, Mond und Sterne schon 6 000 Jahre ohne Unordnung und Verwirrung sich bewegen. Der hl. Thomas ist auch dieser Meinung und bemerkt, daß er keinen Lehrer je gefunden hat, der gegen diese Wahrheit ist.

192. Weiter bezeugt Suarez, daß auch die Tiere ihre Schutzengel haben. Das heißt nicht, das jedes Tier - Pferd, Ochs, Schaf usw. - wie jeder Mensch einen Schutzengel hat, aber, daß die Arten und Gattungen einen besonderen Engel haben und zwar wie Suarez sagt in jeder Landschaft. Der Zweck dieses Schutzes ist, da manche besonders wilde Tiere den Menschen schaden; damit andere sich zähmen lassen und Mäuse, Würmer, Käfer usw. die Pflanzen nicht ganz abfressen und zerstören, damit die Arten nicht aussterben.

193. So haben auch alle anderen körperlichen Dinge, Meer, Wind und die vier Elemente ihre Engel, wie der hl. Thomas und andere lehren. Der hl. Johannes bezeugt dies in seiner geheimen Offenbarung 7,1: Ich habe die Engel an den vier Enden der Erde gesehen. Sie hielten die vier Winde, damit sie weder über die Erde noch über das Meer noch über irgendeinen Baum wehten ... und denselben Schaden zufügten. Von den Engeln der Erde schreibt Moses Dt 32, 8: Gott legte die Grenzen der Völker fest nach der Zahl der Söhne Gottes (= Engel). Von den Engeln des Wassers spricht Johannes Off. 16,5, [ebenso von Engeln der Luft, des Landes, der Sonne...]
Also kann der Engel der Luft die Winde halten, daß sie keine Unwetter und tobenden Meeresstürme verursachen. So kann der Wasserengel die Wellen beruhigen, damit die Schiffe nicht untergehen und der Feuerengel kann die Feuerbrünste verhindern.

[Vielleicht verstehen wir jetzt, warum Heidenvölker zu den Geistern beten. Wenn ihre Götter auch Dämonen sind, so zeigt dies uns doch, daß geistige Mächte am Werk sind. Wir haben vielmehr die Möglichkeit die hl. Engel Gottes um ihren Schutz und Hilfe anzurufen. Warum läutete man früher bei Unwetter die geweihten Glocken, betete den Wettersegen, den Segen gegen Ungeziefer, Segen bei Krankheiten bei Vieh und Mensch, Kräutersegen zu Mariä Himmelfahrt usw. !!!]

194. Wenn schließlich jedes Land seinen Schutzengel hat, so meinen manche Lehrer, daß jeder Erdteil auch einen besonderen Schutzengel hat, der für dessen Bestand sorgt. Gottes Vorsehung ist für das Wohlergehen der sündigen Menschen groß und dafür sollten wir IHM dankbar sein, aber auch allen hl. Schutzengeln, die wir öfter und eifriger verehren und um ihren Schutz anflehen sollten.

195. Die Neugierde könnte nun wissen wollen, wie die Engel den Zustand , den Zweck und die Bedürfnisse der körperlichen Dinge und auch die geheimen, guten oder bösen Gedanken der Menschen erkennen können, damit sie helfen können und den Nutzen fördern bzw das Unheil abwenden. Denn die Hl. Schrift sagt, daß Gott die Herzen aller Menschen kennt und die Geheimnisse der Herzen ergründet Wsh 1. Wie kann ein Engel die inneren Absichten der Menschen dann erkennen und diese leiten?
P. Albertino sagt, daß durch göttliche Offenbarung den Engeln unsere Gedanken und Absichten mitgeteilt werden. Wie die Auserwählten im Himmel nach dem hl. Thomas in Gott alles erkennen, was auf Erden geschieht und gedacht wird, so erkennt ein Vater
[wohl aber abgeschwächt, denn die rein geistige Erkenntnis ist klarer als die Erkenntnis über die Sinne] z.B. die Handlungen seines Sohnes und anderer Verwandten; ein Ordensstifter sieht das Tun und Lassen seiner Untergebenen...

196...

197. Warum bedient sich Gott der Engel, da er doch allmächtig ist? Der hl. Bonaventura sagt, daß Gott als weisester und mächtigster Beschützer der Menschen, dies zwar könnte, aber die Engel so seine Allmacht zeigen, die sich nicht damit begnügt, daß die Engelsscharen nur um den Thron herumstehen, sondern den Geschöpfen auf Erden dienen sollen, damit so Gott nicht nur in sich selbst, sondern auch in seinen Dienern gelobt und verherrlicht werde.

198. Die Ordnung der unendlichen Weisheit Gottes erfordert, daß das Niedrige durch das Mittlere vervollkommnet wird und das Mittlere durch das Obere. Zwischen Gott unserem höchsten und letzten Ziel sind die Engel, daher ist notwendig, daß wir durch die Hilfe von Engeln zur vollkommenen Vereinigung mit Gott erhoben werden. So P. Albertino.

199. Nun ist genug über den Schutz der Engel gesagt. Bemühen sie sich, daß sie dieses hohen Schutzes würdig werden, damit sie nicht vom bösen Engel, den der Teufel von der Stunde der Geburt an, wie Gott den Guten, gesandt hat, angefochten, überwunden und ins ewige Verderben gestürzt werden. Vor diesem Unheil möge uns Gott behüten.

Das 8. Kapitel handelt von Christus dem König der Engel und Maria der Königin der Engel. Hier gibt es weniger wichtige Spekulationen über die hl. Mutter Anna und deren Verwandtschaft. Der Abschnitt handelt dann von den verschiedenen Hoheiten = Vorzügen Marias als Königin der Engel. dies ist auch bei Maria von Agreda in der Mystischen Stadt Gottes zu finden. Unter Nr. 230 heißt es, daß der hl. Dionysius vom Areopag ganz außer sich war als er zum erstenmal die Muttergottes gesehen hat. Auch der Märtyrerbischof Ignatius bekannte, daß er in Maria mehr Himmlisches als Menschliches erkannt hat. [Dies ist nicht zu verwundern, da doch schon Moses eine solche Herrlichkeit ausstrahlte, als er mit Gott gesprochen hatte, daß er sein Angesicht verhüllen mußte.]

Wichtig ist nun, daß wir uns mehr um die Verehrung der hl. Engel bemühen, denn alles über sie können wir auf Erden nicht wissen und erfahren. Die Schutzengel auch der anderen zu verehren lehrte schon P. Pius XI. seinem späteren Nachfolger dem Johannes XXIII. Beten wir nicht nur zu unserem Schutzengel, sondern auch zu dem unserer Mitmenschen, Kinder, Vorgesetzten und Untergebenen und danken wir ihm auch.

Verehren wir die neun Chöre der seligen Geister, besonders die Engel unserer Pfarreien, Kirchen, Länder usw. und die ausführlich genannten sieben Hauptengel, die vor dem Thron Gottes stehen, damit sie uns vor den sieben Hauptsünden und deren bösen Mächten, die dahinter stehen, bewahren. Auch wenn uns manches unbekannt klingen mag oder manche erwähnte Details Spekulation sind, die Macht der hl. Engel ist groß, ihre Liebe zu uns unfaßbar. Denn wie kann ein so reines geistiges und heiliges Geschöpf sich mit uns armen sündhaften und oft undankbaren Menschen abmühen.  
 

Anhang - Ergänzung

Aus ‘Zeugnis bin ich Dir’, Selbstbiographie der Maria von der Menschwerdung, Christiana-Verlag 1981 S. 83 bis 86.

Durch die gleiche Anziehung und den gleichen Eindruck unterwies mich die Heiligste Dreifaltigkeit darüber, wie sie durch Mitteilung in der höchsten Hierarchie der Engel, den Cherubim, den Seraphim und den Thronen, wirkt. Sie teilt ihnen ihren heiligsten Willen mit ohne Vermittlung eines geschaffenen Geistes. Klar voneinander geschieden erkannte ich die Wirkweise jeder der drei göttlichen Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit, der ewige Vater wohnte in den Thronen, wodurch mir die Reinheit und Festigkeit Seiner ewigen Gedanken bedeutet wurde; das Ewige Wort teilte sich durch den Glanz Seines Lichtes den Cherubim mit, und mir wurde bedeutet, daß es ganz Licht und Wahrheit ist, sowohl in sich selbst durch seinen ewigen Ursprung als auch in Seiner Mitteilung nach außen; der Heilige Geist, erfüllte die Seraphim mit Seiner Glut; das ließ mich verstehen, daß diese anbetungswürdige Person ganz Feuer und Liebe ist, da sie einen Chor der Engel derart entflammt. Ähnlich teilt sich die ganze Heiligste Dreifaltigkeit in der Einheit ihres Wesens der erhabenen Hierarchie der Engel mit, die ihrerseits den andern himmlischen Geistern, den Anordnungen Gottes entsprechend, Seine Willenskundgebungen mitteilen.

Meine Seele verlor sich ganz in diesen Tiefen. Die göttliche Majestät schien sich darin zu gefallen, sie mehr und mehr über die göttlichen Geheimnisse zu erleuchten, die die Unzulänglichkeit des Geschöpfes nicht auszudrücken vermag. Ich sah auch noch dieses: Gott hat die Scharen der Engel zwar durch Abstufungen unterschieden und gewollt, daß sie voneinander Erleuchtung erhalten. Wenn es Ihm jedoch gefällt, so erleuchtet Er sie, seinen Absichten entsprechend, durch sich selbst direkt. So wirkt sie auch in einigen auserwählten Seelen auf Erden. Zwar bin ich nur Staub und Unreinheit; aber meine Seele schaute wie mit Sicherheit, daß sie dazu gehört. Und während sie dieses Licht empfing, verstand und erfuhr sie gleichzeitig, daß sie nach dem Bild Gottes geschaffen ist: daß das Gedächtnis in Beziehung zum Ewigen Vater steht, der Verstand zum Sohn und der Wille zum Heiligen Geist. Und wie die Heiligste Dreifaltigkeit dreifaltig ist in den Personen, aber einfach in ihrer göttlichen Wesenheit, so ist auch die Seele dreifaltig in ihren Kräften, aber einfach in ihrer Wesenheit.
Diese innere Inanspruchnahme dauerte während mehrerer Messen an. Ich empfing all diese Erleuchtungen ohne einen Akt des Nachdenkens, ohne die geringste persönliche Anstrengung. Meine Seele war in das All verabgründet und erlitt in dieser Einwirkung die Größe der göttlichen Majestät, die ihr nicht gestattete, mit ihr zu sprechen. Ich erinnere mich nur, daß ich in kleinen Abständen zu mir kam und mir meines Ichs bewußt wurde; aber dann nahm der Geist Gottes mich von neuem ganz in sich auf. Am Ende fand ich mich in der Haltung wieder, die ich zu Beginn der Verzückung einnahm: auf den Knien und die Hände auf der Brust...
Einige Jahre nach Empfang dieser Erleuchtungen erhielt ich durch P. Raymund, dem ich nicht immer alles gleich mitteilen konnte, die Werke des hl. Dionysius, deren Übersetzung ein Pater seines Ordens angefertigt hatte. Ich begriff in aller Klarheit alles und fühlte mich unsagbar getröstet, als ich dort von den großen Geheimnissen durch Lesen erfuhr, nachdem Gott in Seiner Güte sie mir bereits mitgeteilt hatte. Nur besteht ein großer Unterschied in der Weise, wie die göttliche Majestät der Seele diese Dinge einprägt, und jener, wie die Bücher sie lehren, obwohl sie in aller Wahrheit die Geheimnisse unseres heiligen Glaubens behandeln.
Alles, was ich seither noch in einigen andern Büchern gelesen habe, kann kaum mit dem verglichen werden, was der hl. Dionysius sagt. Dieser große Heilige übertrifft sie alle, soweit ich mich des Eindrucks erinnere, den ich gewann. Ich weiß, daß er im Licht des Heiligen Geistes geschrieben hat. Aber auch seine Worte konnten unmöglich mehr aussagen; denn diese Dinge sind unaussprechlich. Besonders tröstete mich sein Wort über den hl. Hieroteus, daß er die göttlichen Geheimnisse erlitt. Oft, eigentlich fast ständig, erging es mir so. Die Einwirkungen des göttlichen Wortes erfüllten mich mit Liebesregungen, die mich in unaussprechlich vertraulicher Weise zu Seiner göttlichen Person erhoben. Jene Lektüre half mir; und obwohl ich darin nicht gerade genau die Erhebungen fand, die ich erlitt, so zerstreute der Sinn des Gelesenen doch all meine Furcht; denn zu jener Zeit besaß ich noch nicht die Erfahrung von heute.  
 

‘Die Engel - unsere himmlischen Helfer’ von Anne Bernet, Parvis-Verlag, ist ein sehr interessantes Buch mit 446 Seiten. Hier wird auch der hl. Uriel erwähnt und gesagt, daß der hl. Isidor in ihm den Engel sah, der Abrahams Arm zurückhielt, als dieser bereit war seinen Sohn zu opfern. Er hatte einst in der lateinischen und griechischen Kirche einen Festtag. Im römischen Kalender am 15. Juli. Auch beim Mailänder Dom steht der Glockenturm unter dem Schutz von Michael, Gabriel, Raphael und Uriel.
Im Jahr 745 strich das II. Konzil von Rom Uriel ganz unerwartet aus dem Kalender, den Gebeten und der Liturgie, und hat untersagt, daß ihm die geringste Verehrung erwiesen wird. Ursache kann wohl nur gewesen sein, daß sein Name nicht in der Hl. Schrift erwähnt ist und daß es damals vielleicht einen übertriebenen Engelkult gab. Aber auch andere Heilige, wie die Mutter Anna und Joachim sind apokryphen Ursprungs!

Doch spätere Offenbarungen, wie von P. Ganspeck in diesem Buch erwähnt, zeigen, daß er wohl doch zu den sieben Hauptengeln gehört.

[Die Aussage, daß alle Engelnamen, außer den drei in der Hl. Schrift erwähnten Namen von Dämonen seien, ist nicht haltbar. Sicher muß man vorsichtig sein, besonders was die unerklärlichen hebräischen Namen betrifft, die seit einigen Jahrzehnten in Umlauf gebracht wurden. Goethe schrieb wohl nicht ohne Grund: ‘Die Geister, die ich rief, werd ich nicht mehr los!’

Das Konzil von Rom war eine lokale Synode. Dieser Entscheid ist also kein Dogma. Tatsache ist, daß in Rom eine Kirche Maria von den Engel ist, wo im Altarbild die sieben Erzengel dargestellt sind. Ebenso ist die Darstellung in der Kirche zu Weilheim und Mettenheim in Oberbayern und ganz verbreitet in Mexiko. Am Erscheinungsort des Erzengels Michael von 1631 in Mexiko stehen sieben Statuen mit Namen und in der Kathedrale von Mexiko-City ist ein großer Seitenaltar mit denselben Engelsdarstellungen.]

Die karolingischen Litaneien von 785 erwähnten Uriel und andere Engel weiterhin. Sogar im 15. Jahrhundert war Uriel in einer Exorzistenformel, was wohl kaum sein kann, wenn er ein Dämon wäre.

[Die Kirche hat leider schon manche Heilgenfeste plötzlich aus dem Kalender gestrichen, wie z.B. die Lieblingsheilige des hl. Pfarrers von Ars, die hl. Philomena oder den sel. Anderl von Rinn.]

Auch die erst von Johannes Paul II. heiliggesprochene und von ihm verehrte hl. Sr. Faustina hatte eine Erscheinung eines Engels, der ihr sagte: “Ich bin einer der sieben Engel, die Tag und Nacht vor dem Thron Gottes stehen und ihn ohne Unterlaß lobpreisen.” S. 317 bzw. Tagebuch.

Von der berühmten hl. Franziska von Rom, die fast immer ihren Schutzengel sehen durfte, werden auf S. 331 die Aufgaben der zweiten Hierarchie erwähnt: Die Herrschaften verwalten das Universum, die Kräfte gebieten dem Wasser und der Finsternis und die Mächte verfolgen als Krieger und Exorzisten überall die Legionen Satans. Einer dieser Mächte wurde ihr zum Schutz gegeben.

Interessant ist auch die Geschichte des französischen Paters Lamy, der sowohl mit der Muttergottes, dem Erzengel Gabriel und auch dem Teufel sprechen durfte und sagte, daß man den Teufel nicht beschimpfen soll, denn auch er ist immer noch ein Geschöpf Gottes. Er nennt Satan einen Seraph (!), der nach Belieben mit Gott sprechen kann! Er erkannte auch, daß eine Kirche soviel Engel hat wie Altäre.
In der Apokalypse ist erwähnt, daß der Apostel Johannes sich an die Engel der sieben Gemeinden wendet. Origenes sagt, daß es zwei Bischöfe für jede Kirche gibt, einen sichtbaren und einen unsichtbaren. Beten wir daher nicht nur zu den Patronen der Diözesen, sondern auch zu deren Engeln. S. 382  
 

Ein Büchlein von den Engeln 1935 herausgegeben von Friedrich Ritter von Lama gibt schöne und tiefe Hinweise über die Engel. Er wurde am 9.2.1944 im Dritten Reich umgebracht. Es beruht auf Mitteilungen der Ancilla Domini, einer großen Leidenseele, deren Beichtvater er war und die 1919 verstarb.

Sie sagt, daß der hl. Michael Gott am nächsten steht, daß die Priester für die Predigt und alle, die Maria inniger lieben wollen, zum hl. Gabriel beten sollen. Er sei auch der Schutzengel der Menschheit Jesu gewesen. Der hl. Raphael ist für die Beichtväter und Beichtkinder und Ehe anzurufen. [Auch bei Versuchungen gegen die Reinheit.]

Sie schreibt zunächst über die Engel und Schutzengel und sagt, daß wer auf dem Weg der Vollkommenheit wandelt außer dem Schutzengel noch einen höheren Engel aus den Kräften oder Gewalten bekommt. Bei ihr ist die Reihenfolge der Engelchöre etwas anders, auch meint sie, daß die sieben seligen Geister vor Gottes Thron Erzengel wären und die sieben Gaben des Hl. Geistes durch Erzengel von unaussprechlicher Schönheit dargestellt werden. [Dann müßte man vermuten, daß diese sieben Engel von Natur aus Erzengel wären, aber von ihrer Liebe über den Seraphim, also seraphische Erzengel, wie Franziskus ein seraphischer Heiliger ist, obwohl er nur Diakon und kein Bischof oder Papst war. Heiligkeit und Natur und Amt sind oft verschieden. Manche tiefgläubige und eifrige Hausfrau ist heiliger als Könige und Bischöfe.]

Die Kräfte sollen für das innere Leben angerufen werden. Die Gewalten dienen den Priestern beim Breviergebet und Beichthören. Klosterbeichtväter haben immer einen. Die Fürsten sind die Engel der Pfarreien, die Tag und Nacht vor dem Allerheiligsten beten. Die Herrschaften helfen den Theologen, Verkündern, Missionaren, den Oberen der Klöster und Seminare, bei der Bekehrung der Irr- und Ungläubigen und beim inneren Gebet. Die Throne sind über Bistümer, Klostergemeinschaften und Königreiche und Priesterseminare gesetzt. Vier Cherubim stehen vor dem päpstlichen Thron und einer bewacht das Paradies.

In Versuchungen gegen den Glauben und gegen die hl. Reinheit sollen wir die Cherubim anrufen. Die Seraphim ehren und lieben ohne Ende die Allerheiligste Dreifaltigkeit.
Bei Mystikern finden wir immer wieder unterschiedliche Aussagen. Eine Selige sagt sogar, daß Jesus an einem Gabelkreuz gestorben sei. Grundsätzlich sollen wir uns an die Hl. Schrift, die Überlieferung (Kirchenväter) und letztlich an die Lehre der Kirche halten.

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Gebet zum hl. Erzengel Michael

Hl. Erzengel Michael, verteidige uns im Kampf. Gegen die Bosheit und Arglist des Teufels sei unser Schutz. Gott gebiete ihm! So bitten wir flehentlich. Du aber Fürst der himmlischen Heerscharen, stürze den Satan und die anderen bösen Geister, die zum Verderben der Seelen die Welt durchschweifen, in der Kraft Gottes hinab in die Hölle. Amen.

Ein sehr wirksames Gebet zum hl. Erzengel Michael

O Gott, sei mir Sünder gnädig und sei mein Beschützer alle Tage meines Lebens. O Gott Abrahams, Gott lsaak, Gott Jakobs erbarme dich meiner und sende mir den hl. Erzengel Michael zur Hilfe, der mich vor allen meinen sichtbaren und unsichtbaren Feinden, den fleischlichen, geistlichen und zeitlichen bewacht, beschützt, behütet, mit Gnaden beschenkt und verteidigt.

HI. Erzengel Michael verteidige uns im Kampf, damit wir nicht verloren gehen im furchtbaren Gericht. HI. Erzengel Michael durch die Gnade, die du verdient hast, bitten wir dich durch Gott unseren eingeborenen Herrn Jesus Christus, daß du mich vor allem vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Bösen (Übel) errettest durch die Fürsprache der glorreichen Jungfrau Maria mit der ganzen himmlischen Gesellschaft.

Hl. Michael, hI. Gabriel, hI. Raphael und alle hI. Engel und Erzengel eilt mir Sünder zu Hilfe. Ich bitte euch alle Kräfte der Himmel, daß kein Feind mir schaden kann, weder auf dem Weg, weder im Wasser, weder im Feuer noch im Haus noch außer Haus, weder weggehend noch heimgehend, weder wachend noch schlafend, weder beim Essen noch beim Arbeiten.

Seht das Zeichen des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, flieht ihr feindlichen Mächte; gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Wurzel David. Unser Erlöser, durch dein Blut und dein Kreuz hast Du die Welt erlöst, erlöse (errette) mich heute und alle Tage meines Lebens.

Heilig, heilig, heilig, o Kreuz Christi hilf mir;
o Kreuz Christi befreie mich von allem Bösen,
o Kreuz Christi beschütze mich alle Tage meines Lebens. Amen. Betet Gott an. - Alle Engel Gottes.

Lasset uns beten. O Gott, der Du durch wunderbare Anordnung die Dienste der Engel und Menschen verteilst, gewähre gnädig, daß durch jene, die Dir im Himmel dienen, unser Leben auf Erden beschützt werde. Durch Christus unseren Herrn. Amen.

Beide folgende Gebete sind einem offiziellen Faltblatt des berühmten Wallfahrtsortes Mont Saint Michel entnommen. (Monsieur le Recteur F-50116 Mont Saint Michel)

 

Litanei vom heiligen Michael

Herr; erbarme dich unser
Christus, erbarme dich unser
Herr, erbarme dich unser
Christus, höre uns - Christus, erhöre uns
Gott Vater des Himmels, erbarme dich unser
Gott Sohn, Erlöser der Welt, erbarme ...
Gott, Heiliger Geist, erbarme ...
Heilige Dreifaltigkeit, ein einiger Gott, erbarme ...
Heilige Maria, Königin der Engel, bitte für uns
Heiliger Erzengel Michael, bitte für uns
Heiliger Michael, Führer aller Engel, bitte für uns
Heiliger Michael, erfüllt von Gottes Weisheit, bitte ...
Heiliger Michael, glorreicher Fürst, bitte für uns
Heiliger Michael, stark im Kampf, bitte für uns
Heiliger Michael, Schrecken der Dämonen, bitte ...
Heiliger Michael, Besieger des Satans, bitte für uns
Heiliger Michael, unser Helfer im Kampf gegen das Böse, bitte für uns
Heiliger Michael, Fürst der himmlischen Heerschar, ...
Heiliger Michael, treuer Diener Gottes, bitte für uns
Heiliger Michael, du Bote Gottes, bitte für uns
Heiliger Michael, du Friedensengel, bitte für uns
Heiliger Michael, du Wächter des Paradieses, bitte ...
Heiliger Michael, du Helfer des Volkes Gottes, bitte ...
Heiliger Michael, du Schützer und Patron der Kirche ...
Heiliger Michael, du Wohltäter der Völker; die dich ehren, bitte für uns
Heiliger Michael, dessen Gebet zum Himmel führt ...
Heiliger Michael, der die Seelen in das ewige Licht führt, bitte für uns
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, verzeihe uns.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erhöre uns.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser

V: Bitte für uns, heiliger Erzengel Michael,
R: Auf daß wir würdig werden der Verheißungen Christi

Gebet: Allmächtiger, ewiger Gott, du hast den heiligen Michael zum Wächter der Kirche und des Paradieses bestellt. Gewähre durch seine Fürsprache, der Kirche ihren Auftrag zu erfüllen, der Welt den Frieden und gerechte Verteilung, uns die Gnade in diesem Leben und die Herrlichkeit in der Ewigkeit. Durch Jesus Christus unseren Herrn. Amen.  

 

Rosenkranz des hl. Michaels

Der hl. Michael sagte 1751 der Antonia von Astonac, einer portugiesischen Ordensfrau, er wünsche, daß man zu seiner Ehre und der neun Chören der Engel neun Anrufungen,, zusammenstellen solle. Er versicherte, daß er denen, die diesen Rosenkranz verrichteten, seinen beständigen Schutz während ihres ganzen Lebens und nach dem Tod Befreiung aus dem Fegfeuer erwirken wolle. Das ist der Ursprung des Rosenkranzes vom hl. Michael. (Er hat auch den Schutz der hl. Engel bei der hl. Kommunion versprochen.)

Wie man ihn betet:

O Gott, komm mir zu Hilfe! Herr, eile mir zu Hilfe!
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.

Dann bete man an den Perlen nach der Medaille vier Vater unser:
               das erste zu Ehren von St. Michael,
               das zweite zu Ehren von St. Gabriel,
               das dritte zu Ehren von St. Raphael,
               das vierte zu Ehren unseres Schutzengels.

Danach betet man neunmal je ein Vater unser und drei Gegrüßt seist Maria

Zum 1. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Seraphim schenke uns Gott die Gnade, uns von der Sünde abzuwenden und in der Gottesliebe Fortschritte zu machen.

Zum 2. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Cherubim breite der Herr in uns den Geist der Demut aus.

Zum 3. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Throne schenke uns der Herr die Gnade, unsere Sinne zu beherrschen und uns in schlechten Gewohnheiten zu bessern

Zum 4. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Herrschaften lasse uns der Herr der Versuchung nicht erliegen.

Zum 5. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Kräfte möge der Herr unsere Seelen beschützen und uns vor dem Bösen bewahren.

Zum 6. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Mächte möge der Herr uns Sorge schenken, unseren Glauben zu erhellen und zu festigen, um so zu einer besseren Erkenntnis Gottes zu gelangen.

Zum 7. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Fürstentümer möge der Herr uns großzügig im Dienste an den Nächsten und aufmerksam auf ihre Bedürfnisse machen.

Zum 8. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores der Erzengel möge der Herr uns helfen, Zeugen Christi zu werden.

Zum 9. Chor der Engel: Auf die Fürsprache des hl. Michael und des himmlischen Chores aller Engel möge der Herr uns in Gnaden gewähren, von ihnen in diesem Leben geleitet und dann mit ihnen zur ewigen Herrlichkeit des Himmels geführt zu werden. Amen.

Schlußgebet: Hl. Michael, du hast die aufrührerischen Engel an die Größe Gottes erinnert und hast den Stolz Luzifers zuschanden gemacht. Laß uns verstehen, daß nur Gott groß ist und ihm allein Herrschaft, Macht und Ehre gebühren. Lehre uns Demut und die eigene Einsicht, daß wir nach deinem Beispiel die vollkommene Herrschaft Gottes erkennen und ihr in der Liebe zu unseren Brüdern dienen. Amen.

 

Inhaltsverzeichnis

I. Teil Von allen heiligen Engeln

II. Teil Von den heiligen Engeln speziell

  1. Kap. Die Hierarchien
  2. Kap. Die drei Hierarchien der Engel speziell
    I. Abschnitt. Die drei Chöre der ersten Hierarchie
    II. Abschnitt. Die Chöre der mittleren Hierarchie
    III. Abschnitt. Die Chöre der letzten Hierarchie
    Anhang und Schluß des 2. Kapitels
  3. Kap. Ob alle Chöre oder nur die unteren fünf zum Dienst der Menschen auf die Erde herab gesandt werden?
  4. Kap. Von den sieben Engelsfürsten, die stets vor dem Thron Gottes stehen
    I. Abschnitt: Die Namen der hl. sieben Engelsfürsten
    II. Abschnitt: Auslegung der Namen der sieben Engelsfürsten, samt deren Ehrentitel und Kennzeichen
   

III. Abschnitt: Sind die sieben Erzengel nur Erzengel aus dem vorletzten Chor oder aber höchste Seraphim?

  5. Kap. Von einigen Wundern und Wohltaten der seraphischen sieben Geister, zunächst St. Michael
    St. Gabriel und St. Raphael
    St. Uriel und Sealtiel
    St. Jehudiel und Barachiel
  6. Kap. Von den hl. Schutzengeln
  7. Kap. Die Schutzengel der Königreiche, Städte, Kirchen usw.
    Fortsetzung des 7. Kapitels
 
Anhang - Ergänzung Hinweis auf andere Bücher
  Maria von der Menschwerdung
  Die Engel - unsere himmlischen Helfer
  Ein Büchlein von den Engeln
   
Gebete
  Litanei zum hl. Erzengel Michael
  Rosenkranz zu St. Michael und den hl. Engelchören
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