Wahre und falsche Propheten
Prof. Dr. Georg May
Prälat mit dem Ehrentitel „Apostolischer Protonotar“ Predigt gehalten am 31. Juli 2011
Nun treten aber
falsche Propheten auf, die äußerlich gesehen auch Christus bekennen. Da
gibt es ein zweites Kriterium, um sie zu durchschauen, nämlich: man muss
auf ihren Wandel achten. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Was
von ihnen ausgeht, was sie bewirken, das ist ein Kriterium für die
Unterscheidung der Geister, die notwendig ist, um den echten vom falschen
Propheten zu unterscheiden.
Wahre und falsche Propheten Predigt gehalten am 15. Juli 2012
Im Namen
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Propheten sind die charismatischen Organe der Offenbarung Gottes im
Alten Testament wie im Neuen. Sie stehen in besonderer Weise mit Gott in
Verbindung. Sie verkünden Gottes Willen und bewahren das religiöse Erbe.
Sie sind die unerschrockenen Verkünder der Rechte und des Gerichtes
Gottes. Sie reden dem Volk ins Gewissen. Ja, man kann sagen: sie sind das
Gewissen des Volkes. Sie suchen den heiligen Rest als Samen des neuen
Gottesreiches zu retten. Die Propheten sind Kämpfer, wo der Kampf
gefordert ist. Sie sind aber auch Trostspender, wo Trost angebracht ist. Ihr
Amt ruht nicht auf Beruf, sondern auf Berufung. Sie drängen sich niemals zum Prophetenamt, sie fürchten sich vielmehr vor Gottes Auftrag und ringen
schwer mit ihrem Gott, und beugen sich dann seinem heiligen Willen. Die
meisten Propheten sind Männer, aber die Frauen fehlen keineswegs. Im
Alten Bunde wissen wir von Prophetinnen wie Deborah, Mirjam, Hulda. Und im
Neuen Bunde begegnen uns die Prophetin Anna im Tempel und die vier Töchter
des Philippus. Sie sind Prophetinnen. Die Propheten hatten in der
Urkirche eine wichtige Stellung. Der Apostel Paulus schreibt an die
Epheser: „Ihr seid auferbaut auf dem Grunde der Apostel und der
Propheten.“ Die Propheten sind also Grundstein, Fundament. Sie sind nicht
wegzudenken. Es muss sie geben. Sie haben eine besondere Aufgabe in den
Gemeinden. Sie sollen die Gemeinden erbauen, also ihren Glauben stärken und
ihre Sittlichkeit heben. Ihre Worte beziehen sich sowohl auf die Zukunft als
auch auf die gegenwärtige Situation. Sie wissen um die Geheimnisse Gottes
und künden sie den Menschen je nachdem, wie es die Stunde verlangt. Die
echten Propheten erkennen den Plan Gottes in einer geschichtlichen
Stunde.
Neben den echten Propheten treten falsche Propheten auf, im Alten Bund
wie im Neuen. Sie verkünden dem Volk nach dessen Wünschen. Sie sagen den
Menschen das, was sie hören wollen, nicht, was sie hören sollen. Sie
verkünden um Geld und führen das Volk in die Irre. „Sie sprechen“, so sagt
der Prophet Jeremias, „sie sprechen Friede, Friede – und es ist doch kein
Friede.“ Sie sind nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie treiben Betrug!
Der Apostel Petrus schreibt in seinem ersten Briefe: „Es gab auch im Volke
falsche Propheten, wie auch in eurer Mitte falsche Propheten auftreten
werden. Sie werden verderbliche Irrlehren einführen, weil sie den
Herrn, der sie erkauft hat, verleugnen.“ Die falschen Propheten werden im
Neuen Testament nicht nur für die Endzeit erwartet. Sie treten auch jetzt
schon auf. Und deswegen bedarf es der Unterscheidung der Geister, ob sie
aus Gott sind. Maßgebend für den echten Propheten ist die ‚Analogia fidei‘,
also das Maß des Glaubens, insbesondere das unverdorbene Bekenntnis zu
Christus. Im Glauben der Kirche finden die Propheten ihren Auftrag und
ihre Grenze. „Gott ist ein Gott des Friedens und nicht der Unordnung“,
schreibt der Apostel Paulus. Ein Prophet muss die Art des Herrn an sich
haben. Weil aber auch die falschen Propheten von Christus sprechen, muss
man auf ihren Wandel achten. Dem Vorsteher der Gemeinde in Thyatira, das
ist in der heutigen Türkei, dem Vorsteher der Gemeinde in Thyatira
schreibt der Apokalyptiker Johannes: „Ich habe wider Dich, dass Du das Weib
Jezabel gewähren lässt, die sich eine Prophetin nennt und meine Knechte
lehrt und verführt, Unzucht zu treiben und Götzenopferfleisch zu essen.“
Auch Jesus war ein Prophet. Das Volk sah in ihm mit Recht einen Propheten,
und zwar den letzten, den endzeitlichen Propheten, der angekündigt war
im Buche Deuteronomium des Alten Testamentes. Als Messias und als
Machthaber über die Gewalten der Erde ist er der endzeitliche Prophet,
der höchste Prophet und Lehrer. Der „höchste“ deswegen, weil seine Natur
göttlichen Wesens ist. Er ist der Gottessohn, und aufgrund seiner
Wesenheit überragt er jeden anderen Propheten. Christus, der Prophet, ist
der Herr aller Propheten. Er ist der Offenbarer. In ihm ist die Wahrheit
Gottes den Menschen kund. Das prophetische Amt Christi hat mit seiner
Heimkehr in die Herrlichkeit des Vaters nicht aufgehört – es lebt weiter
in seiner Kirche. Die gesamte Kirche hat Anteil am prophetischen Amt. In
erster Linie selbstverständlich die Amtsträger, Bischöfe und Priester.
Aber das Zweite Vaticanum sagt ganz richtig: „Christus, der große Prophet,
erfüllt sein prophetisches Amt nicht nur durch die Hierarchie, sondern
auch durch die Laien. Er bestellt sie zu Zeugen und rüstet sie mit dem
Glaubenssinn aus und mit der Gnade des Wortes.“
Wie steht es heute, meine lieben Freunde, um die Ausübung des prophetischen
Amtes Christi in unserer Kirche? Nehmen die Glieder der Kirche, vor allem
natürlich die Amtsträger, dieses Amt wahr? Die Bischöfe sind als wahre
Propheten berufen, zu lehren, zu unterrichten, zu mahnen, zu warnen, zur
Umkehr und Bekehrung zu rufen. Wie üben sie ihr Amt aus? Die Bischöfe sind
authentische, das heißt mit Autorität ausgerüstete Lehrer. Sie sollen
dem Volk die Wahrheit des Glaubens unverkürzt und vollständig verkünden.
Tun sie es? Ich stelle Fragen. Sind die Weihnachtspredigten der Bischöfe
ein überzeugendes Zeugnis der Menschwerdung Gottes auf Erden? Oder wird
da soziologisches Zeug vorgetragen? Lehren sie ohne Wenn und Aber die
wahre metaphysische Gottessohnschaft Jesu Christi? Bekennen sie ohne
dunkle Allgemeinheiten die leibhaftige Auferstehung unseres
Heilandes? Legen sie dem Volke lichtvoll die Wahrheit des Dreieinigen
Gottes vor? Wie viele Bischöfe verkünden die Wahrheit von den Letzten
Dingen: Tod, Gericht, Himmel, Hölle? Wann haben die Bischöfe zum letzten Mal
die Lehre vom Fegefeuer vorgelegt? Die Bischöfe sollen durch ihre
Verkündigung der Kirche neue Glieder zuführen. Sie sollen
missionarisch wirken. Tun sie das? Bemühen sie sich, die Unwissenden und
Ungläubigen, die Abgefallenen und Abständigen, die Ausgetretenen und
die Austretungswilligen der Kirche zurückzuführen oder in der Kirche
zu halten? Verlassen die Bischöfe den Kirchenraum und verkünden sie das
Evangelium in Markthallen und Vortragssälen? Gehen sie zu den Menschen
oder warten sie, bis sie kommen? Viele kommen niemals! Wie sieht die
Statistik der Konvertiten und der Revertiten in unserer Kirche aus? Ich
fürchte, sie ist vernichtend!
Die Bischöfe sollen die Normen des sittlichen Lebens vorlegen. Die
Menschen müssen nicht nur wissen, was sie glauben sollen. Sie müssen auch
wissen, was sie tun dürfen. Die christliche, die katholische Sittenlehre
ist eingehend, schlüssig und erhaben. Wird sie von den Bischöfen
vollständig und situationsbezogen vorgelegt? Wie viele deutsche
Bischöfe erklären den Menschen, dass niemand, der im Dauerzustand der
schweren Sünde lebt, die Sakramente der Buße und des Altares empfangen
kann, es sei denn, er bekehrt sich? Welcher deutsche Bischof hat in einer Zeit
grenzenloser Verwirrung die katholische Lehre über die geschlechtliche
Sittlichkeit ausführlich und abstrichlos vorgelegt? Die Bischöfe sollen
die ihrem Volk drohenden Irrtümer bannen. Sie sollen die Wölfe von ihrer
Herde fernhalten. Tun sie es? Weisen sie die Irrlehrer in die Schranken?
Schützen sie das Volk vor den Hetzern und Wühlern? Was unternehmen sie
gegen jene Theologen, die zum offenen Widerstand gegen die Ordnung der
Kirche aufrufen? Was unternehmen sie? Greifen sie ein, wenn die Liturgie
der Kirche fortlaufend verschandelt wird? Welche und wie viele Bischöfe
stellen sich vor den Heiligen Vater, wenn er verunglimpft wird? In einer
Zeit der Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit wäre es notwendig, die
Unterscheidungslehren zwischen katholischer Kirche und
nicht-katholischen Religionsgemeinschaften vorzulegen. Welcher
deutsche Bischof kommt dieser Aufgabe nach? Ist jemals ein Hirtenbrief
erschienen, der den Unterschied zwischen dem katholischen Priester und dem
nicht-katholischen Prediger lichtvoll darlegt? Hat jemals ein Bischof den
wesentlichen Unterschied zwischen dem Messopfer und der Abendmahlsfeier
der Protestanten erklärt? Von den Atheisten werden die
Naturwissenschaften bemüht, um den Menschen den Glauben zu rauben.
Welcher deutsche Bischof hat sich dagegen zur Wehr gesetzt? Wer hat jemals
die Stolpersteine des Darwinismus dem Volke vor Augen geführt?
Die Priester haben in ähnlicher Weise am Prophetenamt Christi Anteil wie
die Bischöfe. Sie haben in gewisser Hinsicht die gleichen Aufgaben in
Verkündigung und Lehre. Kommen sie ihnen nach? Was träufelt jeden Sonntag
von den Ambonen auf die zusammenschrumpfenden Gemeinden? Ist es das
Evangelium Christi im Verständnis der katholischen Kirche oder eine
ausgewählte Verkürzung, wie sie den Menschen grad recht ist, um sie nicht
zu beunruhigen? Ich stelle Fragen. Ich meine, notwendige Fragen. Ich
möchte nicht missverstanden werden. Gewiss versuchen manche Bischöfe und
Priester, dem prophetischen Amt, das ihnen übertragen wurde, gerecht zu
werden. Sie unternehmen es, die Wahrheit Gottes zu lehren und zu
predigen. Aber eines ist sicher: Prophetische Männer wie Johannes Dyba
oder wie Leo Scheffczyk sind selten geworden in unserer Kirche. Heute ist
es dahin gekommen, dass die mutigsten Zeugen des katholischen Glaubens
Männer und Frauen aus dem Laienstande sind. Ich nenne: Robert Spaemann,
Martin Mosebach, Matthias Matussek, Alexander Kissler, Manfred Lütz,
Andreas Püttmann, Christa Meves, Johanna von Westphalen, Hilde Bayerl,
Gloria von Thurn und Taxis. Sie erinnern an die unterschlagenen und
vergessenen Wahrheiten. Sie verteidigen die Kirche. Sie stellen sich
vor den Papst. Ihr Zeugnis beschämt die meisten Bischöfe und Priester und
Theologen. Wenn die echten Propheten selten geworden sind, dann sind doch
die falschen Propheten umso zahlreicher. Die Massenmedien sind an den
echten Propheten nicht interessiert; sie stürzen sich auf die falschen.
Es gibt kein kirchliches Ereignis von irgendeiner Bedeutung, ohne dass die
falschen Propheten um einen Kommentar bemüht werden. Wer sind die
falschen Propheten? Die meisten sitzen auf Lehrstühlen der Theologie!
Von da träufelt Mephisto sein Gift in die Wunde eines Volkes. Die falschen
Propheten sitzen in den Redaktionsstuben der Massenmedien, der
Zeitungen, des Rundfunks, des Fernsehens. Woran erkennt man sie? Sie
kommen in Schafskleidern, innen aber sind sie reißende Wölfe. Ohne Bild
gesprochen: Sie verwenden die christlichen Begriffe weiter. Aber sie
verfälschen ihren Sinn. Sie sprechen weiter von der Gottessohnschaft
Jesu. Sie meinen aber damit nicht die Wesenseinheit mit dem Vater, sondern
eine besonders „innige Gemeinschaft“ des Menschen Jesus, der Sohn der Maria,
mit Gott. Falsche Propheten sind jene die sagen: Mariendogmen und
Marienverehrung sind nicht wichtig. Man muss sich an das Wesentliche
halten, an das Kerygma, an die Verkündigung Christi. Meine lieben
Freunde: Hat es jemals eine Verkündigung Christi gegeben ohne seine
gebenedeite Mutter? Gibt es einen Gottessohn ohne die Gottesmutter?
Falsche Propheten sind jene, die sagen: „Die Hölle ist leer! Jesus droht nur
deswegen mit der Verdammnis, um die Zuhörer zu erschrecken.“ Ja aber,
meine lieben Freunde, wenn man das einmal durchschaut hat, dass er ‚nur
schrecken‘ will und in Wirklichkeit seinen Worten keine Taten folgen,
dann ist ja der Schrecken ausgelöscht, dann erschreckt er ja gar nicht mehr!
Falsche Propheten sind jene, die behaupten, auf die Glaubenssätze kommt es
nicht an, Hauptsache, dass man ein anständiger Mensch ist. Ja aber: woher
weiß man denn, dass man ein anständiger Mensch sein soll? Wer sagt uns denn,
was Anständigkeit ist? Das sagt uns doch der Glaube! Falsche Propheten sind
jene, die fortwährend nach Reformen rufen. In Wirklichkeit wollen sie die
Auflösung von Lehre und Ordnung der Kirche. Sie wollen uns in den
Protestantismus führen. Falsche Propheten sind jene, die unentwegt
Erklärungen, Memoranden verfassen, um das Volk gegen die Hierarchie der
Kirche und gegen den Glauben und die Ordnung der Kirche aufbringen. Zu den
falschen Propheten gehört auch die Bundesministerien für Bildung,
Annette Schavan. Papst Johannes Paul II. erklärte am 22. Mai 1994: „Ich
erkläre kraft meines Amtes, ich erkläre kraft meines Amtes, dass die Kirche
keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden und dass sich
alle Gläubigen der Kirche endgültig –endgültig!- an diese Entscheidung
zu halten haben.“ Frau Schavan ist anderer Meinung. Sie sagt: „Die
Diskussion geht weiter.“ Natürlich in der Absicht, die Lehre der Kirche
umzustoßen.
Die falschen Propheten erkennt man an ihren Früchten. Wo finden Sie die
falschen Propheten? Vor dem ausgesetzten Allerheiligsten? In der
Werktagsmesse? Vor dem Beichtstuhl? Die Fragen stellen heißt, sie
beantworten! Haben die falschen Propheten, die Beherrscher der
öffentlichen Meinung, die Priesterseminare gefüllt oder geleert? Sind
durch die Pamphlete der falschen Propheten die Orden der Kirche
aufgeblüht oder zusammengebrochen? Ist die katholische Bevölkerung
durch die falsche Moralverkündigung kinderfreudig geworden oder
kinderarm? Die Früchte weisen die selbsternannten Propheten als falsche
Propheten aus, ihre Früchte sind faulig. Ein schlechter Baum kann keine
guten Früchte bringen. Die falschen Propheten haben ihr Werk getan, meine
lieben Freunde. Ihr Auftreten war erfolgreich. Seit langer Zeit ist die
katholische Bevölkerung systematisch mit protestantischen
Vorstellungen erfüllt und imprägniert worden. Die Mehrzahl derer, die sich
heute noch katholisch nennen, steht nicht mehr hinter dem Glauben und
hinter der Ordnung der Kirche. Die meisten Katholiken sind, wie der Herr
Bundestagspräsident Lammert sagte, „protestantische Katholiken“. Sie
haben katholische Restbestände bewahrt, aber sie denken und verhalten
sich nicht mehr katholisch.
Wie wird es weitergehen? Zunächst wie bisher! Solange das Geld für die
falschen Propheten fließt, fahren sie fort, Lehre und Ordnung der Kirche
zu untergraben. Solange ihre zeitgeistigen Tiraden Abnehmer finden und
sie davon auskömmlich leben können, bedienen sie ihre Kunden. Die falschen
Propheten geben erst auf, wenn der Geldhahn zugedreht wird. Sobald ihre
Reden und Schriften nicht mehr gefragt sind, gehen sie zu anderen
Tätigkeiten über und verlassen das sinkende Schiff.
Und noch eine andere Weise gibt es, wie die falschen Propheten verschwinden
werden. Sie stellen sich um. Sie verkriechen sich, wenn es gefährlich wird.
Zum Leiden für den Glauben fühlen sie sich nicht berufen. Sie sind
Schönwetterchristen! Stürme und Hagel mögen sie nicht aushalten. Aber
schlechtes Wetter ist für die Gläubigen angesagt. Wenn nicht alle Zeichen
trügen, stehen unserer Kirche schwere Zeiten bevor. Der Druck auf sie und
die Feindschaft gegen sie nehmen fortlaufend zu. Es kann sein, dass über
kurz oder lang die Verfolgung ausbricht, die Gott über die Kirche kommen
läßt, um sie zu reinigen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt.
Ein jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer
geworfen.
Falsche Propheten
Predigt , H.H. Prof. Dr. G.May von 27. Juli 2014
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Ein ernster Warnruf dringt heute an unser Ohr: „Hütet euch vor den falschen
Propheten.“ Der Herr hatte in seiner Gegenwart Lehrer der Theologie vor
Augen, welche die kleinen Dinge wichtig, aber die großen Dinge nicht wichtig
nahmen. „Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel“, sagte er seinen
Gegnern, „aber die großen Dinge: Treue, Barmherzigkeit, Nächstenliebe, die
lasst ihr beiseite.“ Und er hat das erschütternde Gleichnis erzählt von den
Männern, die an dem Wundgeschlagenen vorbeigingen, weil sie angeblich
Wichtigeres zu tun hatten, als ihm zu helfen, bis auf den einen, der sich
seiner annahm. Die falschen Propheten halten sich an geringfügige Dinge und
lassen die großen, die bedeutenden auf dem Speicher stehen. Das allwissende
Auge des Herrn hat aber auch in die Zukunft geschaut. Er wusste, dass in
seine Gemeinden Irrlehrer eindringen werden. Häufig schon in den Briefen,
die uns im Neuen Testament vorliegen, wird vor falschen Lehrern, vor
Irrlehrern, vor falschen Propheten, vor irrlehrenden Propheten gewarnt. Und
der Herr hat sicher auch in die Zukunft unserer Zeit geschaut und hat die
Irrlehrer gesehen, die heute unter uns sind. Die Geschichte der Kirche hat
gezeigt, wie berechtigt der Warnruf des Herrn ist. Es gibt kein Jahrhundert
der Kirchengeschichte, das nicht seine falschen Propheten gehabt hat. Immer
sind in die christlichen Gemeinden falsche Prediger eingesickert und haben
die Gläubigen zu verführen gesucht. Es gibt keine Lehre des Christentums,
die nicht im Laufe der Jahrhunderte verzerrt oder geleugnet worden wäre.
Und wie ist es heute? Gibt es auch heute falsche Propheten? Die meisten –
und gewöhnlich die gefährlichsten – falschen Propheten unserer Zeit sind
Theologen. Sie treten mit dem Schein des Wissens auf und mit dem Anspruch
ihres Titels. Sie behaupten mit der Autorität des Gelehrten zu reden,
verkehren aber in Wirklichkeit den Dienst, der ihnen aufgetragen ist. Ich
habe hier ein Buch von Klaus Berger. Dieses Buch hat den Titel „Die
Bibelfälscher: Wie wir um die Wahrheit betrogen werden.“ In diesem Buch, das
soeben erschienen ist, listet Berger all diese Irrtümer der falschen
Propheten auf, z.B. Jesus ist nicht in Bethlehem geboren; Jesus war
verheiratet; Jesus hat nicht den Lazarus vom Tode erweckt, den Lazarus hat
es gar nicht gegeben; Jesus hat keine Kirche gestiftet; Jesus hat kein
Bundesmahl eingesetzt; die sieben letzten Worte Jesu sind Erfindungen der
Evangelisten. Das ist nur eine kleine Auswahl aus dem, was die falschen
Propheten unserer Tage von sich geben. Das alles dringt auf unsere Jugend,
auf die kommenden Religionslehrer und die kommenden Priester ein. Zahlreiche
falsche Propheten befinden sich in den Redaktionen der Zeitungen und der
Medienanstalten. Sie lauern auf jede Blöße, die sich die Kirche gibt,
stürzen sich darauf, verbreiten sie als eine schlimme Sensation. Sie machen
aus menschlicher Schwäche einen Skandalfall, zerstören den Gläubigen die
Freude an der Kirche und am Glauben, bereiten sie für den Abfall und den
Kirchenaustritt. Leider gibt es falsche Propheten auch unter den Hirten der
Kirche. Sie sind es müde geworden, eine Botschaft zu verkündigen, die auf
Ablehnung stößt. Sie möchten ankommen bei den Menschen, beliebt, geehrt,
anerkannt sein. So lassen sie in der Verkündigung das aus, was den Menschen
nicht eingeht. Und so predigen sie harmlose Dinge, mit denen sich auch der
gottvergessenste Mensch zufrieden geben kann.
Die falschen Propheten treten in verschiedener Form auf, aber eines ist
ihnen gemeinsam, nämlich dass sie in „Schafskleidern“ kommen. Sie geben sich
den Anschein der geistigen Überlegenheit, des Wissens, des Fortschritts, des
Willens zur Erneuerung, sie sprechen von Reformen. Sie führen große und
schöne Worte im Munde und missbrauchen edle Begriffe und Ideen, um sie ihren
falschen religiösen Lehren dienstbar zu machen: Wissenschaft, Freiheit,
Humanität, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, frohe Lebensbejahung. Das
alles wird angerufen, um die Botschaft der falschen Propheten annehmbar zu
machen. Eines haben alle falschen Propheten gemeinsam, nämlich sie wollen es
mit ihren Lehren nicht Gott, sondern den Menschen recht machen. Sie tragen
das vor, was ankommt, was Beifall findet, wofür man anerkannt, belobigt,
eingeladen, befördert wird. Es ist das Kennzeichen der falschen Propheten,
dass sie das lehren, was die Menschen wünschen, nicht das, was sie brauchen.
Die falschen Propheten verkaufen das Christentum zu Discountpreisen.
Sie sagen: Mach dir’s auf Erden schön. Kein Jenseits gibt’s, kein
Wiedersehen. Die ewige Wahrheit sagt: „Was der Mensch sät, das wird er
ernten. Wer auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer
aber auf dem Geist sät, wird vom Geist das ewige Leben ernten.“ Die falschen
Propheten sagen: Ich habe gesündigt, und was ist mir passiert? Gar nichts.
Die ewige Wahrheit sagt: „Täuscht euch nicht. Gott lässt seiner nicht
spotten.“ Die falschen Propheten sagen: Eitel ist es Gott zu dienen. Welchen
Vorteil haben wir davon, dass wir seine Gebote halten? Die ewige Wahrheit
lehrt: „Die Liebe verzeiht alles, mit einer einzigen Ausnahme: die ist darin
gelegen, nicht wieder geliebt zu werden.“ Die falschen Propheten sagen: Der
Sonntag ist zum Ausschlafen, zum Feiern, zum Sporttreiben da. Die ewige
Wahrheit lehrt: „Diejenigen, welche im Leben die Glocken der Kirche nicht
gehört haben, werden die Posaunen des ewigen Gerichtes nicht überhören.“ Die
falschen Propheten sagen: Es ist egal was man glaubt, Hauptsache man ist ein
anständiger Mensch. Die ewige Wahrheit lehrt: „Wenn du mit dem Munde
bekennst Jesus als den Herrn und im Herzen glaubst, dass Gott ihn von den
Toten erweckt hat, wirst du gerettet werden.“ Christus ist gekommen, die
Wahrheit zu bringen. Wie soll es da egal sein, was einer glaubt? Und was ist
das: ein anständiger Mensch? Wer sagt uns, was anständig ist? Woher weiß man
es, wenn es uns Gott nicht sagt? Der Reichsführer SS Heinrich Himmler hielt
im August 1943 eine Rede in Posen vor SS-Leuten. Und da sagte er: „Die
meisten von euch werden wissen, was es heißt, wenn da tausend, zehntausend
Tote liegen. Das alles mitgetragen zu haben und dabei anständig geblieben zu
sein, das ist ein Ruhmestitel, auf den wir nie verzichten werden.“ – und
dabei anständig geblieben zu sein! Die Menschen sind sehr verschiedener
Ansicht darüber, was anständig ist. Lügen, Steuerhinterziehung,
Schwarzarbeit, Seitensprünge; dadurch wird man nicht unanständig nach der
Meinung der Menschen. Ich staune immer wieder, was sich Politiker leisten,
besonders auf dem Gebiet des Geschlechtlichen und doch von uns als
anständige Menschen anerkannt sein wollen. Der französische Staatspräsident
Hollande lässt sich mit einem Motorroller zur Unzucht fahren! Die Moral des
anständigen Menschen, des sogenannten anständigen Menschen, kommt ohne Gott
aus. Die religionslose Moral leugnet Gott, aber er ist doch der Urheber des
Sittengesetzes. Ohne ihn hängt doch das Sittengesetz in der Luft. Es gibt
doch kein Gesetz ohne Gesetzgeber. Nur Gesetze, die von Gott ausgehen, sind
unverbrüchlich. Nur Gesetze, die Gott gibt, sind sicher zu begründen. Nur
Gesetze, die Gott als Urheber haben, vermögen die Kräfte zu erwecken, die
notwendig sind, um das Sittengesetz auch unter schwierigen Umständen zu
beobachten.
Die falschen Propheten sagen: Es ist alles gleich unter den Konfessionen. Es
ist gleichgültig, welcher Konfession man anhängt, ob man Katholik oder
Protestant ist. Der Apostel Paulus lehrt: „Wenn einer euch ein anderes
Evangelium verkündet, als ihr empfangen habt, der sei verflucht!“ Der
Apostel Johannes lehrt: „Wenn einer zu euch kommt und bringt nicht diese
Lehre, den nehmt nicht ins Haus auf und bietet ihm nicht den Gruß.“ Die
falschen Propheten erzeugen den heute alltäglichen „Zwitterkatholiken“: den
protestantischen Katholiken. Er hat Restbestände aus der katholischen
Vergangenheit bewahrt – soweit sie nicht anspruchsvoll sind –, aber er lebt
aus den beliebigen Ansichten, wie sie nun einmal bei unseren evangelischen
Brüdern gang und gäbe sind. Falsche Propheten sind Theologen und Bischöfe,
welche die Weihe von Frauen zu Diakonen oder Priestern fordern. Falsche
Propheten sind Männer der Kirche, die Kommunionunwürdigen die Kommunion
spenden wollen. Falsche Propheten sind jene, die die Beichte für überflüssig
erklären. Falsche Propheten sind Prediger, welche die ernsten Wahrheiten des
Evangeliums unterschlagen. Der Münchener Erzbischof Marx fordert die Kirche
auf, für die Bilder der Hölle und des Fegefeuers Buße zu tun, mit denen sie
angeblich den Menschen Angst vor dem Tode gemacht hat. Ich frage Herrn Marx:
„Sind Hölle und Fegefeuer Bilder oder Wirklichkeiten? Sind sie Meinungen
oder unaufgebbare Wahrheiten des Evangeliums?“ Und warum soll die Kirche
dafür Buße tun? Weil Menschen dadurch erschreckt wurden? Ja, das ist der der
Sinn dieser Wahrheiten! Wenn uns die Liebe nicht zur Buße treibt, dann
wenigstens die Furcht! Wir sollen uns fürchten, damit uns wenigstens die
Furcht vom Sündigen abhält, wenn es die Liebe nicht vermag. Seit wann tut
die Kirche Buße, d.h. nimmt sie Strafe auf sich, wenn sie das Evangelium
verkündet? Weiß Herr Marx, welche Ungeheuerlichkeiten er hier in Erding von
sich gegeben hat?! Alle falschen Propheten nehmen sich der Welt des
Geschlechtlichen an und bereiten sie nach ihrem Empfinden zu. Ich kenne
keine einzige Irrlehre, die nicht Abstriche an der katholischen Sittlichkeit
des Geschlechtlichen macht. Daraus erklärt sich ihre Beliebtheit. Die
falschen Propheten sagen: Was ich mit meiner Geschlechtlichkeit tue, geht
niemand etwas an. Wirklich? Auch Gott nicht, der sie geschaffen hat? Der sie
mit unveränderlichen Gesetzen ausgestattet hat? Die Kirche erfindet nicht
diese Gesetze, sie verkündigt sie. Die falschen Propheten sagen: Die
homosexuelle Betätigung ist eine andere mögliche Form geschlechtlicher
Liebe. Die ewige Wahrheit lehrt: Homosexualität ist eine diabolische
Verirrung und eine himmelschreiende Sünde. Ein falscher Prophet, meine
lieben Freunde – es fällt mir schwer, es zu sagen – ein falscher Prophet
lebt in Trier. Er heißt Ackermann und sitzt auf dem Bischofsthron. Nach ihm
hört das Geschlechtsleben in einer ungültigen Ehe nach einiger Zeit auf,
sündhaft zu sein. Nach ihm kann Geschlechtsverkehr zwischen
Nichtverheirateten zulässig sein. Nach ihm ist die Unterscheidung zwischen
Geschlechtsverkehr in der empfängnisfreien Zeit und Verkehr mit „Gummi“ oder
Pille unverständlich. Nach ihm ist Homosexualität nicht widernatürlich. Es
ist nicht zu viel gesagt, dass sich dieser famose Nachfolger der Apostel von
der katholischen Sittenlehre verabschiedet hat! Der Erzbischof Marx fordert
eine breite Debatte über Ehe und Familie. Ich erlaube mir die Frage: Was ist
hier zu debattieren? Ist nicht aus der unfehlbaren und unwandelbaren Lehre
der Kirche bekannt, was Gottes Wille über Ehe und Familie ist? Wissen wir
nicht aus den Erkenntnissen der Natur, der Offenbarung und aus den
Entscheidungen der Konzilien und Päpste, wie es um Ehe und Familie steht?
Was soll hier eine Debatte? Ich vermute, es geht darum, die unfehlbar
vorgetragene Lehre der Kirche zu verbiegen. Es soll solange über die Ehe und
über die Familie geredet werden, bis die Wahrheit nicht mehr durchdringt.
Der Erzbischof Marx behauptet, die Unauflöslichkeit der Ehe sei keine
moralische Leistung des Menschen, sondern eine Verheißung. Eine Verheißung
ist die Zusage der künftigen Erfüllung. Was wird bei der Eheschließung
verheißen? Die Gnade und die Treue Gottes zu diesem Bunde. Der Bund selbst
ist keine Verheißung. Der Bund ist ein Gesetz, und Gesetze muss man halten.
Es macht mir keinen Spaß, Bischöfe vor das Tribunal zu zerren, aber um der
Wahrheit willen muss gesagt werden, was zu sagen notwendig ist.
Ich weiß mich bei dieser Arbeit mit der Kirche der Apostel verbunden.
„Glaubt nicht jedem Geiste“, sagt der Apostel Johannes, „sondern prüfet die
Geister, ob sie aus Gott sind.“ Wir haben einen Maßstab, einen sicheren
Maßstab, um die Geister zu prüfen. „Einer ist euer Lehrer: Christus. Wer die
Kirche nicht hört, der sei euch wie ein Heide.“ An der Lehre der Kirche
prüfen wir die Aussagen der falschen Propheten und verwerfen sie. Christus
weist auf ein doppeltes Kennzeichen der falschen Propheten hin: auf ihre
Früchte und auf ihr Schicksal. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“
Welches sind denn die Früchte der falschen Propheten? Die leeren
Priesterseminare? Die zusammenbrechenden Klöster? Die Millionen
Geschiedenen? Das ist das Kennzeichen jeder Häresie: Ihre Lehren sind
unfruchtbar. Nimm den Rest des katholischen Glaubens fort, den die Häresie
noch bietet, und was bleibt, ist Lehrstreit, Wortspalterei, Proteste. Und
das Schicksal? „Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen
und ins Feuer geworfen.“ Das Schicksal der falschen Propheten ist, dass sie
in den Abgrund der Vergessenheit ziehen. Alle Religionsgemeinschaften, die
sich von der römischen Kirche getrennt haben, sind entweder versteinert wie
Alpenberge oder zerflossen wie die Wogen eines Sees. Die Religionsgeschichte
ist ein riesiges Trümmerfeld voll von Ruinen großer und kleiner Bauwerke,
die der Menschengeist errichtet hat. Und wenn sich, meine lieben Freunde –
was ja leider Gottes wahr ist – und wenn sich Menschen wegen der
Verkündigung von uns, von unseren Gemeinden, von unserer Kirche abwenden,
was dann? Dann erinnern wir uns an das, was der Apostel Johannes schreibt:
„Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht wirklich von uns. Denn
wenn sie wirklich von uns gewesen wären, wären sie bei uns geblieben.“ Dann
denken wir auch an das, was der Herr den ausgesandten Jüngern auf den Weg
mitgab: „Wenn ihr in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann
geht hinaus an ihre Straßen und sprecht: Auch den Staub, der sich in eurer
Stadt an unsere Füße gehängt hat, schütteln wir auf euch ab. Aber das sollt
ihr wissen: dass das Reich Gottes nahe ist. Ich sage euch: Sodoma wird es an
jenem Tage erträglicher ergehen als jener Stadt.“