Die Schönheit des Ostergottesdienstes Mit freundlicher Genehmigung des Klosters des hl. Hiob von Počaev veröffentlicht.
Im Original erschienen in: Bote 1993, 2
Wir wissen nicht, wo wir uns befanden – im Himmel oder auf Erden – So berichteten einst unsere Vorfahren, nachdem sie dem Gottesdienst in der Hagia Sophia von Konstantinopel beigewohnt hatten. Ist euch, geliebte Brüder, die ihr jetzt im Gotteshaus anwesend wart als Zeugen dieser ehrwürdigen Zeremonien und die ihr den Jubelgesängen der hl. Kirche lauschtet, nicht zumute, diese Worte zu wiederholen? Welch eine Pracht von Licht und Weihrauch! Welch wunderbare, nicht verstummende Lobpreisung! Welche reine überirdische Freude in der Seele!
Wahrhaft standen wir heute nicht auf der Erde, sondern gleichsam im Himmel – in den lichten Wohnungen des Himmlischen Vaters! Lobpreis sei Gott, daß Er uns solchen Glückes teilhaftig werden ließ! Und um es in uns zu festigen, um es klarer zu begreifen, wollen wir ein wenig über einige der glanzvollen Besonderheiten des heutigen Gottesdienstes sprechen.
Nach der Überlieferung der Kirche erstand Christus unser Heiland um Mitternacht von den Toten: um Mitternacht versammelten auch wir uns im Gotteshaus, bereit gleich den weisen Jungfrauen dem Herrn zu begegnen, der um Mitternacht in der Herrlichkeit der Auferstehung einherschreitet. Nachdem die Priester das heilige Grablinnen in gebührender Weise verehrt hatten, trugen sie es in den Altarraum und legten es auf den Altar, um sichtbar zu machen, daß Christus der Retter nach seiner Auferstehung 40 Tage lang seinen erwählten Aposteln und Nachfolgern erschien: 40 Tage lang wird das Grablinnen daher sichtbar für alle Gläubige auf dem hl. Altar liegen.
Nach dieser heiligen Handlung hört man aus der Tiefe des Altarraumes den Jubelgesang: “Deine Auferstehung, o Christus Erlöser, besingen die Engel in den Himmeln...” Diese Hymne ist die Versinnbildlichung dessen, daß, während die Bürger Jerusalems tief schliefen, die Apostel und hl. Myronträgerinnen jedoch in untröstlichen Kummer versunken waren, im Himmel die Chöre der Körperlosen bereits den Auferstandenen verherrlichten. Wir bitten durch diesen Gesang den Herrn, daß Er auch uns auf Erden befähige, ihn reinen Herzens zu rühmen. Die erste Kunde von der Auferstehung erhielten die hl. Myronträgerinnen nicht in Jerusalem, sondern im Garten des ehrwürdigen Joseph, in der Nähe der Grabesgruft, wohin sie sich begeben hatten, während es noch dunkel war. Wie sie gingen auch wir, wie aus der Stadt Jerusalem, aus dem Gotteshaus heraus, umrundeten es und hielten in der Kirchenvorhalle an, gleichsam beim Eingang zum Grab des Herrn. Hier, der heiligen Dreiheit Lobpreis singend, hörten wir zum ersten Mal den Jubelruf Christus ist auferstanden aus dem Munde der Zelebrierenden, die in ihrern weißen Gewändern die Engel Gottes versinnbildlichen. Mit unwillkürlichem Erschauern des Herzens und süßen Tränen heiliger Freude nahmen wir diese Kunde auf, und gleich den Myronträgerinnen und den Aposteln begannen wir, den Jubelruf zu wiederholen, frohlockend gingen wir in die Kirche zurück, die vom Kerzenfeuer strahlte und von den Dankes- und Lobesliedern zum Ruhm des Auferstandenen erschallte.
Wie einstmals die Israeliten, die wunderbarerweise vor dem Ertrinken im Roten Meer errettet wurden, feierlich Gott ein Dankeslied darbrachten, so begannen auch bei uns die Priester mit den Jubelgesängen und die Chöre fuhren fort und endeten mit den herrlichen Hymnen des hl. Johannes von Damascus; die ganze Kirche war vom Jubilieren erfüllt, und in die Seele aller ergoß sich ehrfürchtiges Entzücken. Die wonnigsten Minuten im Leben der Apostel waren jene, als der Herr Selber ihnen erschien – und um diese heiligen Minuten zurückzurufen, treten die Zelebrierenden mehrmals aus dem Altarraum heraus und durchschreiten die ganze Kirche mit Kreuz, Kerzen und Weihrauchgefäß. Das mehr als einmal erhobene Kreuz weist auf die mehrmaligen Erscheinungen des Herrn hin. Der Wohlgeruch des Weihrauchs und das Licht der Kerzen stehen symbolisch für die Freude, welche die Seele der Apostel erfüllte, als ihnen der Auferstandene erschien. Und damit jedermann wisse, worum es bei dieser feierlichen Prozession geht, rufen die Zelebranten, während sie uns mit Weihrauch beweihräuchern, oftmals in alle Richtungen der Kirche aus: Christus ist auferstanden! Christus ist auferstanden! Christus ist auferstanden! Unterdessen hörten die Lob- und Dankeshymnen nicht auf; sie machten fast den ganzen Morgengottesdienst aus und ersetzten die sonst vorgeschriebenen Lesungen und Gesänge.
Den Auferstandenen und alle, die Er mit Sich auferweckte verherrlichend, begrüßten wir uns auch gegenseitig in großer und heilbringender Festfreude und gaben uns zur Bestätigung einen brüderlichen Kuß. Dieser Kuß wollte zeigen, daß wir durch die Auferstehung des Erlösers alle – so wie wir es einst waren – zu Kindern Gottes, zu Freunden der Engel, zu Brüdern untereinander geworden sind, die eine geistliche Familie formen, deren Haupt und Vater der Herr Selber ist. O wie selig sind jene unter uns, die, während sie ihrem Nachbarn diesen sakral-geheimnisreichen Kuß geben, den festen Entschluß fassen, aus ihrem Herzen jede feindschaftliche oder mißmutige Regung auszumerzen! Verzeihen wir alles durch die Auferstehung – verzeihen wir unserem Nächsten alles um des auerstandenen Christus willen: dann werden die Menschen und die Engel und der Auferstandene Herr Selbst frohlocken! Bei unserer gegenseitigen Begrüßung schenkten wir einander rote Ostereier. Das ist eine Nachahmung der hl. Maria Magdalena, die nach der Auferstehung des Herrn vor den römischen Imperator trat, ihm ein Ei brachte und mit den Worten Christus ist auferstanden die Verkündung des auferstandenen Heilands begann. Das Ei als Symbol des Lebens ist ein Ausdruck unseres Glaubens an die Unsterblichkeit, unserer Hoffnung auf das künftige Leben und unserer gegenseitigen Liebe. Das rote Ei erinnert uns an das Blut Christi, mit welchem uns das ewige Leben erkauft wurde. Als nächstes verlas uns die heilige Kirche die Predigt des “goldmündigen” Kirchenlehrers.
Licht und glänzend ist das Fest, jubelerfüllt die heiligen Gesänge, aber ist es uns allen auch hell und froh in der Seele? Tragen alle eine reine Freude im Herzen? Bereiteten sich alle gebührend auf das Fest vor? Gibt es vielleicht welche, die faul und nachlässig im Fasten und Beten waren und die sich jetzt schmerzlich ihrer Unwürdigkeit bewußt werden. Und deswegen ertönen hier, damit niemand sich von der heiligen Kirche abgesondert fühle, damit von keinem die lichte Feststimmung verletzt werde, die Worte des heiligen Chrysostomos an alle in der Kirche anwesenden Gläubigen: Also gehet alle ein in die Freude unseres Herrn... Niemand gehe hungrig hinaus... Niemand beklage sich über Armut... Niemand beweine seine Sünden... Niemand fürchte den Tod... Mit diesen Worten erinnert uns der große Kirchenlehrer gleichsam an den Auferstandenen Christus, dessen erste Worte nach der Auferstehung waren: Freuet euch.... fürchtet nicht... Friede sei euch! Niemanden rügte und überführte der Herr am Tage der Auferstehung. Alle rief der Auferstandene zur Freude auf, alle wurden wir zu Fest und Jubel gebeten... Und dabei haltet fest, meine geliebten Brüder, daß die Apostel nach der Auferstehung ihrem Herrn bis zum Ende treu blieben, so daß weder Entbehrungen und Leiden, noch die schwersten Qualen und der Tod sie vom Herrn losreißen konnten: Seien also auch wir unserem Barmherzigen Retter treu bis zum Ende unseres Lebens, ungeachtet aller Umstände.
Das also waren die Wesenszüge des heutigen Ostermorgengottesdienstes. Die Liturgie bietet auch einige glanzvolle Besonderheiten. Um uns klarer zu machen, wer der Auferstandene ist, schreibt die Kirche die Lesung aus dem Evangelium des Johannes vor, des geliebten Freundes Christi, der an der Brust Christi ruhen durfte und einer besonderen Offenbarung über die Göttlichkeit seines Meisters teilhaftig wurde. Aus dieser Lesung wird offenbar, daß Christus, der Herr das urewige Wort des Vaters ist, der eingeborene Sohn Gottes, Gott und Schöpfer aller, der Gottmensch und unser Erlöser, von dem wir Gnade über Gnade empfangen haben. So bekennt ihn der Himmel und so bekennt ihn auch die Erde. Und zum Zeichen dessen wird das Evangelium von allen Zelebrierenden gelesen, wie viele ihrer auch sein mögen; es wird in alle Richtungen der Kirche verkündet, gleichsam in alle Länder der Erde; es wird in verschiedenen Sprachen und in kurzen Abschnitten gelesen, damit alle leicht in seinen Sinn eindringen können. Schließlich, um die lichte Frohbotschaft der ganzen sichtbaren Natur als der Schöpfung Gottes zu bringen, verkündet, bei jedem Teil der Lesung, die Glocke, der Vorbote unserer Gebete, die Frohbotschaft durch ihr Festgeläute allen Geschöpfen nah und fern. Der auferstandene Heiland tat uns durch seine Auferstehung die Tore des Paradieses auf. Zum sichtbaren Zeichen dessen bleiben die königlichen Türen des Altars jetzt offen bei dem Morgengottesdienst, der Liturgie und dem Abendgottesdienst, und so können die Gläubigen verfolgen, wie die zelebrierenden Priester die Gaben weihen und dann kommunizieren. Sie sehen das, was an allen anderen Tagen vor ihren Blicken verborgen bleibt und worauf selbst die Cherubim und Seraphim mit Ehrfurcht und Schauern blicken. Um unsere Freude und Jubelstimmung über die Auferstehung auszudrücken und als Zeichen unserer zukünftigen Seligkeit im Himmel, sind die ganze Zeit von Ostern bis Pfingsten tiefe Verbeugungen verboten – zu anderen Zeiten gebietet die Kirche sie und jetzt verbietet sie sie!
Der auferstandene Herr erschien den Aposteln bis zu Seiner Himmelfahrt, segnete sie und teilte mit ihnen den Tisch, aß Fisch und Honig, ja bot ihnen selbst auf geheimnisvolle Weise zubereiteten Fisch und Brot an. Zur Erinnerung an diese Seine wunderbaren Erscheinungen ließen die Apostel bis zu ihrem Ende, jedes Mal, wenn sie speisten, den Hauptplatz am Tisch unbesetzt, auf den sie jedoch etwas Brot zu Ehren des Herrn legten, als wäre Er selber unter ihnen anwesend. In ähnlicher Weise legen auch wir in der Kirche Brot aus (auf Griechisch artos) mit dem Bild des Kreuzes darauf, dem Zeichen des Sieges Christi über den Tod, oder mit dem Bild Seiner Auferstehung; mit diesem Brot gehen wir feierlich in der Kirche herum und legen es dann auf einen besonderen Tisch zur Erinnerung an Christus, der das wahre Brot des Lebens ist. Gleichzeitig segnet die heilige Kirche auch durch Besprengung mit Weihwasser unsere gewöhnliche Speise, die wir in die Kirche gebracht haben.
Beim Abendgottesdienst des Osterfestes gedenkt die heilige Kirche einer der wichtigsten Erscheinungen Christi des Erlösers, durch die er den Aposteln nicht nur auf das allerdeutlichste bewies, daß Er tatsächlich auferstanden ist, sondern Er lehrte sie auch die Anfangsgründe der Gabe des Heiligen Geistes und erfüllte ihre Herzen mit wahrer Seligkeit. Damit diese Freude der Apostel auch unsere Freude werde, schreibt uns die heilige Kirche die Evangeliumslesung aus Johannes, des geliebten Jüngers Christi, des Augenzeugen dieser großen Erscheinung vor. Deshalb wird das Evangelium auch vom Priester selber gelesen, welcher den Auferstandenen Retter symbolisiert, er liest es mit dem Gesicht zur Gemeinde gewandt, damit die Worte des Evangeliums alle erreichen, damit alle das Wort des Heilandes hören: Friede sei euch! Friede sei euch! Empfanget den Heiligen Geist! Mit diesen unbeschreiblich frohen Worten des Heilandes, mit der Zeichnung des Kreuzes, gleichsam mit dem Segen des Herrn Selbst, gehen wir, Brüder, aus der Kirche. Wollen wir alles in ihr Gesehene und Gehörte im Gedächtnis behalten, wollen wir häufiger an die Auferstehung des Erlösers denken, wollen wir unser Leben, sowohl in der Kirche als auch zuhause rein gestalten, wollen wir die Gefühle unseres Herzens läutern, damit wir in unzugänglichem Licht die Auferstehung des leuchtetenden Christus Selber schauen und seine klaren Worte freuet euch vernehmen mögen. Amen!
Aus:
http://www.orthodoxie-in-deutschland.de/03_textsammlung/bote_roka/o_a_schoenheit_ostergottesdienst.htmlhttp://www.orthodoxie-in-deutschland.de/index.htmlvidere