Das Leben und Leiden und der Tod Jesu
Betrachtungen über das Leiden Jesu. Der große Sabbat und die Grabesruhe
Matth. 27,62. Des andern Tages nun, der auf den Rüsttag folgt, versammelten sich die Hohenpriester und Pharisäer bei Pilatus – 63. und sprachen: „Herr, wir haben uns erinnert, daß jener Verführer, als er noch lebte, gesagt hat: Nach drei Tagen werde ich wieder auferstehen! – 64. Befiehl also, daß man das Grab bis auf den dritten Tag bewache, damit nicht etwa seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volk sagen: Er ist von den Toten auferstanden! Und so
der letzte Irrtum ärger würde als der erste.“ – 65. Pilatus sprach zu ihnen: „Ihr sollt eine Wache haben: geht, haltet Wache, wie es euch dünkt.“ – 66. Sie aber gingen hin, verwahrten das Grab mit Wächtern und versiegelten den Stein.
Luk.23,56. Und die Frauen kehrten zurück und bereiteten Spezereien und Salben: am Sabbat aber ruhten sie nach dem Gesetz.
Mark. 16,1. Als nun der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena, Maria, des Jakobus Mutter, und Salome Spezereien, um hinzugehen und Jesus zu salben.
Es ging nun der Sabbat an, ein Tag voll stille, Trauer und Hoffnung. Sein Charakter ist ein Dämmern und ein Durcheinander-Wirken von Karfreitag und Ostersonntag. Ein Blick auf das Haus der Mutter Gottes in der Stadt, auf das Grab des Herrn und auf die Vorhölle vergegenwärtigt uns die Begebnisse dieses Tages.
Das Haus auf dem Berge Sion Das Grab des Herrn Die Vorhölle Das Haus auf dem Berge Sion Das Haus auf den Höhen der Oberstadt (Sion), in dessen Nebengebäuden wahrscheinlich die Mutter Gottes wohnte, umschließt alles, was von dem Apostelkollegium noch übrig ist, und die ganze Kirche. Die Bewohner sind still, sehr still (Luk. 23,56) Sie haben viel zu denken, viel zu betrauern, manches zu bereuen. Man sieht nur rotgeweinte Augen, hört stille Seufzer und sieht Tränen fließen. Gesprochen wird wenig. Der gestrige Tag mit all den schrecklichen Ereignissen lag drückend und schmerzlich über allen Herzen. Der Heiland hatte gelitten, war tot, lag draußen außerhalb der Stadt begraben. – So sollte eigentlich auch unser ganzes Leben sein. Wir sollten nie vergessen, daß unser lieber Herr gelitten und gestorben, wenn es auch schon lange her ist. Für ein edles Herz ist dieser Gedanke nie gleichgültig.
Wie still und tief getröstet sind die Bewohner dieses Hauses, die bis zum Ende treu gehalten zum Herrn: Johannes, Magdalena und die heiligen Frauen! Die Apostel und Jünger mochten sich wohl auch allmählich einfinden aus ihrer Zerstreuung und ihren Verstecken. Sie kommen demütig und verschämt und bitten leise um Einlaß. Die andern kommen ihnen freundlich ermutigend entgegen und trösten sie. Auch Petrus mag da gekommen sein und seinen Fehler unter Tränen bekannt haben. Alle Apostel waren aber sehr traurig und untröstlich (Mark. 16,10). Sie durften nicht an die Vergangenheit, nicht an die Zukunft denken. Wer war da ihr Halt und Trost? Die Mutter Gottes. Bei aller Trostlosigkeit und allem Schmerz, der in ihrem Herzen wühlte, war sie doch die Ruhe, die Festigkeit, die Unerschütterlichkeit und der Trost aller, schon damals die Mutter, das Leben, die Süßigkeit und die Hoffnung der Kirche. Zum Andenken an dieses Trösteramt, welches Maria in diesen Tagen verwaltet, hat die Kirche unter anderem auch den Samstag in jeder Woche besonders der Verehrung der Mutter Gottes geweiht.
Am Abend des großen Sabbats, beim Anbrechen des ersten Sabbats (oder Wochentages) denken die heiligen Frauen schon wieder an den Dienst des Herrn (ebd. 16,1). Sie kauften und bereiteten Spezereien, um nachzuholen an der Leichenbereitung des Herrn, was das Einbrechen des Sabbats am Freitag nicht mehr erlaubt hatte (Luk. 23,56). So gibt ein gutes Werk Anregung und Lust zum andern.
Das Grab des Herrn
Die Ruhestätte, das Grab des Herrn war wirklich glorreich.
Erstens war das Grab glorreich an sich. Es lag lieblich, still in einem blühenden Garten, der einen ganzen Frühling von Blumenduft um die schön gehauene Gruft verbreitete. – Der Leichnam des Herrn liegt regungslos wie ein schönes Marmorbild da, voll Wunden, aber sie bluten nicht und ziehen keine Fäulnis. Die Spezereien und Blütenbüsche und Wohlgerüche hauchen süßen Duft aus. Die Gottheit, die nie vom Leibe wich, breitet wie einen stillen Strahlenglanz um ihn; wahrscheinlich umringte ihn stets ein Kreis von anbetenden Engeln. Es ist diese Grabruhe des Herrn ein liebliches Bild des heiligsten Altarsakramentes, eine wunderbare Vereinigung von Verborgenheit und Herrlichkeit, von Leben und Tod.
Das Grab des Herrn war auch glorreich wegen der Liebe und Hochachtung der Apostel, der heiligen Frauen, der Mutter Gottes, kurz aller Anhänger des Herrn. Wie die Bienen und Schmetterlinge um die Blumen und Blüten des Grabgartens spielten, so kreisten auch die Gedanken und wehmütigen Gefühle aller Jünger des Herrn um das Grab. Es sind dieses nur die Vorboten des wunderbaren Zuges aller christlichen Herzen und Völker zum Grab des Herrn, der sich im Laufe der Jahrhunderte so großartig ausgesprochen und betätigt hat. Wie ein bezaubernder Vogel ruft und lockt dieses heilige Grab stets die Christenheit und die ganze Welt zu sich heran.
Das Grab des Herrn ist endlich glorreich auch durch die Furcht und Angst der Feinde. Am Sabbat selbst noch (Matth. 27,62), wahrscheinlich am Abend, fanden sich die Hohenpriester und Pharisäer bei Pilatus ein und sagten, sie erinnerten sich an Äußerungen, die dieser Betrüger getan, daß er nach drei Tagen von den Toten auferstehen werde (ebd. 12,40; 16,21; 17,22; Joh. 2,19); vielleicht hatte dieses auch durch Jünger verlautet; und wohl auch geschreckt durch die Zeichen beim Tode des Herrn baten sie nun, Pilatus möge das Grab drei tage bewachen lassen, damit nicht die Jünger kämen, den Leichnam fort nähmen und sagten, er sei auferstanden; dieser (politische) Betrug wäre dann natürlich ärger als der erste (Matth. 27,62-64). Der erste Betrug war die Aufwiegelung des Volkes durch Jesus infolge des angemaßten Messiastitels. Der zweite wäre die Aufhetzung des Volkes durch die Jünger durch das Vorgeben, Jesus sei wieder auferstanden. Beidem gaben die Juden eine politische Bedeutung, um Pilatus zu schrecken. Sie fürchten also und trauen ihrem Siege nicht, ja sie gestehen, daß die Auferstehung oder so etwas das Schlimmste von allem wäre. – Pilatus antwortete, sie hätten ja die Tempelwache, die er ihnen gewöhnlich zu Befehl stellte, oder sie sollten sich eine Wache nehmen und tun, was sie könnten und vermöchten; er wolle nichts damit zu tun haben (Matth. 27,65). Er ist eben immer derselbe, einmal nachgiebig, das andere Mal wegwerfend gegen die Juden. – So gingen denn die Hohenpriester hin und stellten einen Posten ihrer Wache, sechzehn Mann, im Vorraum des Grabes auf und siegelten den Stein mit Bändern kreuz und quer zu (ebd. 27,66). Das war eine doppelte Sicherheitsmaßregel, sowohl gegen die Jünger als gegen die Soldaten. Sie sorgten dergestalt selbst mit ausgesuchtem Scharfsinn für die Unumstößlichkeit des Wunders der Auferstehung und stellten an das Grab eine Ehrenwache und unverfälschliche Zeugen für das, was sie mit aller Gewalt verhindern wollten. So ist das Grab des Herrn wirklich glorreich, und wie immer bereitet er sich in der Erniedrigung seine Herrlichkeit.
Die Vorhölle
Im Augenblick des Hinscheidens fuhr die Seele Christi zur Vorhölle (1. Petr. 3,19), und zwar schon verklärt, leidlos, sieghaft und mit herrlichem Geleit von heiligen Engeln. Unter der Vorhölle ist jedenfalls der Aufenthalt der Heiligen zu verstehen. Ob der Heiland seiner persönlichen Gegenwart nach auch in den Aufenthaltsort der Verdammten drang, ist ungewiß. Wenigstens war er seiner Macht und Wirkung nach auch an diesem Ort.
In welcher Absicht stieg die Seele Christi in die Vorhölle? Die erste Absicht war, um sich in seiner Macht und Gottheit zu offenbaren, sowie er auch hier auf Erden getan. – Zweitens um die bösen Geister zu beschämen, zu demütigen. Welch eine Furcht und ein Entsetzen und eine Scham muß über sie gekommen sein, da sie ihn einst bei ihrer Prüfung nicht hatten anerkennen wollen; da sie durch ihre Bosheit die Juden zum Mord an ihm verleitet und nun gerade dadurch die Erlösung der Menschheit hatten vollenden helfen! Sie hatten sich selbst mit der Schärfe ihres eigenen Schwertes getroffen. Furchtbar ließ sie nun Christus seine Macht fühlen: so mußten sich in seinem Namen auch die Knie beugen in der Unterwelt (Phil. 2,10; Is. 45,24). – Drittens stieg die glorreiche Seele Christi in die Vorhölle, um die Heiligen des Alten Bundes von der Strafe des Aufenthaltes in der Vorhölle, in welcher sie sich immer noch befanden, zu befreien. Er hatte Satan besiegt, und nun befreite er auch dessen Gefangene. Wie Licht und Tau und frisches Morgenwehen kündete sich der Heiland den heiligen Seelen an. Alle, von den ersten Eltern an, die Patriarchen, Propheten, Könige und Hohenpriester, die Blutsverwandten des Herrn, bis herab auf Johannes, Elisabeth und den hl. Joseph, beteten ihn mit seligem Entzücken an, jubelten auf in heiliger Freude und in Lobpreis Gottes nach tausendjährigem Sehnen und Harren; sie beteten die Seele Jesu an und dankten ihm für die Erlösung der Welt und die Erfüllungen aller Prophezeiungen und Vorbilder und für das Glück, das ihnen zuteil geworden, durch ihr Leben, ihre Tugenden, ihre Lebensschicksale ihm ähnlich gewesen zu sein und etwas beigetragen zu haben zur Gründung seines Reiches. Wie liebenswürdig war es auch, daß er selbst zu den heiligen Seelen kam, sich ihnen offenbarte und selbst sie befreite, durch seinen Anblick sie erfreute und ihnen die unmittelbare Anschauung Gottes mitteilte! Er liebte sie wie uns als die Glieder seines mystischen Leibes und umfaßte sie als Teil seines welterlösenden Lebens. Wahrscheinlich verblieb der Herr die zeit bis zu seiner Auferstehung bei den heiligen Altvätern.
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