1. Symbolgeschichte: Der wahre Erretter
Ein Chinese erzählte einmal in seiner bildhaften Sprache die Erfahrungen seines Lebens: "Ich war in eine tiefe Grube gefallen. Mit allen Anstrengungen versuchte ich herauszukommen, doch es gelang mir nicht." Endlich kam Konfuzius vorbei und sprach:
"Mein Sohn hättest du meiner Lehre gehorcht, würdest du jetzt nicht in dieser Grube sitzen!
"Das weiß ich", schrie ich, "aber das hilft mir jetzt nichts. Hilf mir, dann werde ich deine Lehre befolgen".
Aber Konfuzius setzte seinen Weg unbekümmert fort und ließ mich ohne Hoffnung zurück.
Da schaute ein anderer über den Rand der Grube. Es war Buddha. Er kreuzte die Arme und sagte:
"Mein Sohn wenn du nur die Arme kreuzest und deine Augen schließt und in einen Zustand völliger Ruhe und Unterwerfung kommst, so wirst du einmal das Nirwana (das ewige Nichts) erreichen, gleich wie ich. Du musst dich gleichgültig verhalten in allen äußeren Umständen; so wirst du Ruhe finden."
Mit stürmischen Schritten näherte sich Mohammed, beugte sich über den Rand und schaute in die Grube.
"Mann, mache keinen solchen Lärm. Gewiss, du bist in einer elenden Lage. Hast du Angst, du brauchst dich nicht zu fürchten. Siehe, es ist der Wille Allahs, dass du da hineingefallen bist. ....
Bedenke das! Wer kann sich seinem Willen widersetzen?
Und Mohammed ging weg ... Aber er tat nichts für mich!
Danach hörte ich eine Stimme:
"Mein Sohn!"
Aufblickend sah ich das Antlitz Jesu - voller Liebe und Mitgefühl.
Kein Vorwurf kam über seine Lippen. Sofort kam er zu mir in die Grube herab.
Er umschlang mich, hob mich aus der Grube und setzte meine Füße auf festen Boden.
Er setzte sein Leben für mich ein, um meines zu retten. Darum bin ich Christ geworden!
Quelle: Der Weg zum Glück, Frohe Botschaft, Hagen-Haspe
2. Symbolgeschichte: Der Papst läd ein
Juden und Christen philosophieren nicht über Gott, sie erleben Ihn seit Jahrtausenden
Der Papst hat Vertreter aller Religionen eingeladen, damit jeder die anderen über seine Sichtweise informiere... Der Papst wollte, so stand in dem Einladungsschreiben, mit ihnen über Gott sprechen.Nicht im Sinne eines Streitgespräches, sondern in einer neuen Weise. Es sollte sein wie das Gespräch von Menschen, die auf einen hohen Herrn warten, von dem ihr Schicksal abhängt. Aber die Leute kennen ihn noch nicht, sie wissen nicht, wie sie ihn einschätzen sollen: Wie wird er wohl wirklich sein, der hohe Herr? Nur gerecht oder auch gütig? Vielleicht uninteressiert am Schicksal des einzelnen? Neigt er zu Jähzorn und willkürlichen Entscheidungen? Wie ist er wirklich?
Und der Papst fügte hinzu: Das Ergebnis könnte sein, daß wir einig sind in der Frage, welchen Gott wir uns wünschen würden. Natürlich wissen wir alle, daß Gott ist, wie Er ist. Ein bloß erfundener, „gewünschter“ Gott, ein Gott, den wir Menschen uns, wie Ludwig Feuerbach meinte, „nach unserem Ebenbild gemacht“ hätten, wäre wertlos, der gewaltigste Betrug, den man sich denken kann. Und die Geladenen kamen tatsächlich! Alle versprachen, bittere Erinnerungen an frühere Feindseligkeiten hintanzustellen und nur zu lauschen, um die Antwort auf die Frage zu finden: In welcher Religion wird der „beste“, der wünschenswerteste Gott verehrt? Alles Weitere sollte man Gott überlassen, der allein die Herzen der Menschen kennt und sie bewegen kann.
Zunächst sprachen die Vertreter der nicht-christlichen Religionen. Der Buddhist entschuldigte sich gleich von Beginn weg dafür, daß er nicht zum Thema sprechen könne, weil seine Religion dem Menschen zwar Ratschläge mit auf den Weg „der Erleuchtung“ gebe und ihm auch ein Ziel seines Lebens nennen könne, aber über Gott selbst hätte er eigentlich nichts zu sagen. Er müsse zugeben, „Gott“ existiere für ihn nicht. Dennoch, beteuerte er, sei es auch ihm eine Ehre, eingeladen worden zu sein und zuhören zu dürfen. Danach kam ein Hindu zu Wort. Er sprach zuerst über die Schwierigkeit, wie er angesichts der Vielzahl der hinduistischen Götterwelt von „einem Gott“ sprechen sollte. Er tat sein Bestes, aber was Hindus nun wirklich über Gott denken, wollte nicht so recht klar werden. Das hinderte die Versammlung nicht, auch ihm aufmerksam zuzuhören.
Die Spannung stieg, als ein muslimischer Iman das Mikrophon ergriff und von „Allah“ zu reden begann: Zuerst betonte er, daß Gott ein „einziger“ sei, allmächtig, gerecht und barmherzig. Mit Koran-Zitaten belegte er seine Worte. Gott, sagte er, sitzt im Himmel und schaut auf die Menschen und das, was sie tun. Nach dem Tod würde sich Gott vor allem als Richter erweisen, der die Guten mit vielen Freuden im Himmel belohnen, die Bösen und Ungläubigen aber mit dem Feuer der Hölle bestrafen würde. Allerdings wisse niemand genau, wie dieses Gericht sein werde, denn Allah könne entscheiden, wie er wolle; alles sei vorherbestimmt. Nur als er von den „Jungfrauen“ sprach, die Gott den Märtyrern des Dschihads im Himmel geben würde, regte sich Unmut, da und dort auch ein nur mühsam unterdrücktes Lachen, das aber gleich wieder verstummte. Alles in allem lauschten die Anwesenden mit wohlwollender Aufmerksamkeit.
Dann trat Rabbi Josef ans Rednerpult. „Wir Juden“, begann er, „philosophieren nicht über Gott. Alles, was wir von Gott sagen können, entstammt nicht unserem Denken, sondern unseren Erfahrungen, die wir mit Gott im Laufe von Jahrtausenden gemacht haben. Wenn ich also von Gott, dem Heiligen Israels, sprechen soll, kann ich nicht anders als euch unsere wunderbare, lange Geschichte zu erzählen: Nachdem Gott die Welt und auch den Menschen erschaffen hatte, geschah ein großes Unglück. Die ersten Menschen wollten Gott gleich werden, und dafür nahmen sie auch den Ungehorsam gegenüber Gott in Kauf. Aber die Folge war nicht Seligkeit, sondern der größte Verlust: Ihre so beglückende Gemeinschaft mit Gott zerbrach, und sie verloren Ihn, der doch ihre Bestimmung gewesen wäre, aus den Augen. Zwar blieb ihnen die Sehnsucht nach Gott, aber ihr Bemühen, den verborgenen Gott wieder zu finden, brachte nur magere Ergebnisse. An diesem Punkt angelangt, beginnt meine eigentliche Geschichte, die Geschichte der Juden mit Gott: Er trat aus seiner Verborgenheit heraus. Unsere heiligen Bücher erzählen von einem Bund, den Gott mit den Menschen und all seinen Geschöpfen schloß. Das Zeichen dieses Bundes kennen Sie alle“, sagte der Rabbi und sah lächelnd in die Runde: „Es ist der Regenbogen! Ich weiß, man kann ihn leicht physikalisch erklären, und kein vernünftiger Jude zweifelt an dieser Erklärung. Nur ist der Regenbogen für uns Juden seither mehr als nur eine Brechung der Lichtstrahlen in den Wassertropfen. Er ist ein besonders liebenswürdiges Zeichen für jenen Bund, den Gott mit uns Menschen geschlossen hat. Ich erwähne dieses Ereignis, weil hier ein erstes Mal in unserer Geschichte der Gedanke von dem Bund auftaucht, den Gott mit uns geschlossen hat.
Noch viel deutlicher offenbarte sich Gott Mose, einem der ganz Großen in unserer Geschichte: Gott erschien ihm in einem geheimnisvoll brennenden Dornbusch und auf die Frage des Mose, wer er sei, gab er zur Antwort: ,Ich bin, der ich bin!’ Oder auch ,Ich bin da.’“ Wieder unterbrach der Rabbi seine Rede, weil er das Unverständnis seiner Zuhörerschaft spürte: „Bitte, haben Sie keine Sorge, wenn Sie das Gemeinte nicht wirklich verstehen. Es geht uns Juden auch nicht anders. Die Antwort Gottes in dieser Geschichte heißt ja gerade auch: Gott bleibt geheimnisvoll.“ Der Rabbi schaute prüfend in die Runde und fuhr fort: „Dieses Erlebnis unseres Anführers Mose mit Gott im brennenden Dornbusch schmiedete unser Volk zusammen, machte es geradezu zu dem Volk, das wir bis heute sind, und seit dieser Zeit erlebte das Volk in den schwierigsten Situationen die Hilfe, die Gegenwart Gottes. Am Berg Sinai nämlich sagte Gott seinem Volk wiederum und noch eindringlicher als bisher: Ich schließe einen Bund mit euch. Ich werde euer Gott sein und euch nicht verlassen, eure Aufgabe ist es, euch an meine Gebote zu halten.“ Der Rabbi schwieg eine Weile, er schien zu zögern, aber dann fuhr er fort: „Die Juden haben den Bund mit Gott immer wieder gebrochen. Das wird Sie wohl kaum sehr wundern, aber staunenswert ist etwas anderes: Derselbe Gott, der in der Zeit des Noach die Menschen wegen ihrer Sünden fast gänzlich vernichtete, hat in unserer Geschichte ganz anders reagiert: Er hat uns verziehen und, was den Bund betrifft, hat er ihn immer wieder erneuert und sogar verbessert!
Er hat seine Liebe mit der eines Bräutigams zur Braut verglichen und der einer Mutter zu ihrem Kind.“ Der Rabbi griff nach seiner Bibel und begann aus dem Propheten Ezechiel vorzulesen: die Stelle nämlich, an der sich Gott mit einem Ehemann vergleicht, der für seine geliebte Frau von ihrer Geburt an alles, wirklich alles getan hatte - aber sie gab seine Geschenke anderen Männern und verkehrte mit ihnen. Wieder hielt der Rabbi inne: „Ja, wir waren treulos, wir konnten nur verstummen, es stimmte ja. Aber was tat Gott?“ Und der Rabbi las: „Ich aber, Gott, ich will an meinen Bund denken, den ich mit dir in den Tagen deiner Jugend geschlossen habe, und will einen ewigen Bund mit dir eingehen.“ Weil wir Gott so erlebt haben, darum glauben wir, daß Er wirklich so ist, und darum beten wir Juden jeden Tag: „Höre Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen.“ (Dtn 6,4-6) Einmal mehr hielt der Rabbi kurz inne. Dann fuhr er fort: „Noch etwas: Unsere Propheten haben uns einen Mann angekündigt, den Gott senden wird, den ,Messias’, der uns erlösen wird. Seit Jahrhunderten warten wir Juden schon auf ihn, aber bis zum heutigen Tag ist er nicht gekommen.“ Der Rabbi seufzte, dann sagte er: „Seit langem ist nichts Neues geschehen, aber wir warten. Irgendwann wird der Messias kommen, Gott ist treu.“ Der Rabbi wischte eine Träne ab, dann lächelte er in die TV-Kamera und ging zu seinem Platz.
Einer der Organisatoren sagte eine Pause an. Die Anwesenden strömten hinaus. Vor allem die Rede des Rabbis hatte einen tiefen Eindruck hinterlassen und regte zu intensiven Gesprächen an.
Alle hatten gesprochen, es fehlte nur noch der Papst. Im Vorfeld der Konferenz hatten sich die Christen nämlich darauf geeinigt, daß er ihr Sprecher sein sollte. Als der Papst zum Rednerpult schritt, wurde es ganz still: „Lieber Bruder Rabbi Josef hat mir aus dem Herzen gesprochen. Seine Geschichte ist auch unsere Geschichte, wir Christen glauben alles, was Rabbi Josef erzählt hat und sehen Gott genauso. Allerdings, Rabbi Josef hat zum Schluß gesagt, er warte noch immer auf den Messias. Er weiß natürlich, was ich jetzt sagen werde und wird es mir nicht verübeln: Wir Christen nämlich wissen, wie diese phantastische Geschichte Gottes weiter gegangen ist: Gott hat seinen Bund mit uns Menschen in einer ganz und gar unerwarteten Weise vollendet. Sie erinnern sich, unser Freund Rabbi Josef hat uns von dem Messias erzählt, den Gott zu senden versprochen hat.“ Der Papst schwieg einen Augenblick, dann erhob er seine Stimme: „Dieser Messias ist gekommen. Und er hat in allem unsere kühnsten Erwartungen übertroffen. Er war Gottes Sohn, wahrer Gott und wahrer Mensch, er war die fleischgewordene Liebe und Barmherzigkeit für uns.“ Und mit einem Blick auf den Rabbiner fügte er hinzu: „Ich verstehe unsere jüdischen Brüder und Schwestern, daß sie das nicht glauben wollten, ich verstehe auch die Muslime, die Jesus nur als Prophet und Vorläufer ihres Mohammeds verehren - ich verstehe jeden, der diese Botschaft buchstäblich für ‚unglaublich’ hält. Aber ich kann nicht anders als zu bekennen: Gott ist nicht nur Jahwe, der, der ,da’ ist! Viel, viel mehr: Er hat unser Fleisch angenommen, er hat unter uns gewohnt und hat sich unseren Leiden unterworfen, in unfassbarer Barmherzigkeit für uns. Warum tat er das? Wie schon Rabbi Josef sagte: Weil sich Gott unser erbarmt hat, weil er uns liebt. Und das war zugleich die Vollendung des Bundes, wie sie die Propheten ja angekündigt hatten.“
Unter den Zuhörern breitete sich Unruhe aus, und es war unklar, ob diese nicht Unmut war. Der Papst hob beschwörend seine Hände und rief: „Ich bin noch nicht fertig. Vor allem möchte ich Euch allen sagen: Das, was ich euch erzählt habe, ist Gottes Werk, nicht Werk oder gar Verdienst der Christen. Wir halten uns keineswegs für überlegen, wir beanspruchen keineswegs, besser zu sein als ihr. Aber seht, das Wichtigste ist, ob Gott wirklich so barmherzig ist, ob er wirklich auf die Erde herabgestiegen ist oder eben nicht. Tatsache ist: Jesus hat viele Geschichten von Gott erzählt, die schönsten von ihnen sagen uns: Gott ist der Barmherzige, der unvorstellbar Barmherzige.
Beachtet wohl: Wir Juden und Christen spekulieren kaum darüber, wie Gott, philosophisch betrachtet, ist oder sein könnte. Wir haben eine Geschichte mit Ihm erlebt, die Geschichte geht weiter und mündet in die Ewigkeit ein. Durch sie haben wir erkannt: Gott ist die Liebe.“ Der Papst schwieg einen Augenblick. Auf den großen Bildschirmen konnte man sehen, wie tief bewegt er war. Er fuhr fort: „Ich bitte Euch ein letztes Mal um Geduld. Gott hat nicht nur gerne ,unter uns gewohnt’, sondern er hat noch etwas gemacht: Vor seinem Tod am Kreuz hat er das jüdische Pascha-Fest in ein neues Fest verwandelt.
Der alte Sinn ,Befreiung und neues Leben im gelobten Land’ ist immer noch darin enthalten, aber auf einer anderen, nicht politischen Ebene. Jetzt geht es um die Befreiung von der Gottesferne und um Bürgerrecht im Reich Gottes. Mit diesem Fest wird der ,neue und ewige Bund’ mit Gott gefeiert. Wir nennen es ,Eucharistie’, und in ihr ist Jesus mitten unter uns bis ans Ende der Welt. Und weil Gott mit uns einen ewigen Bund geschlossen hat, wird Er uns nach dem Tod ein anderes Leben und ein anderes Glück geben, Er selbst wird unsere Freude sein, nicht mehr schmerzlich verborgen wie jetzt, sondern von ,Angesicht zu Angesicht’ mit Ihm. Ihr seht, das Ende unserer Liebesgeschichte mit Gott ist kein Ende, sondern ewiger Anfang, Glück der Liebe, Glück des Geliebtwerdens, Leben in Fülle.“
Ich weiß, das alles muß euch wie ein phantastischer Traum vorkommen. Aber dieser Traum ist Wirklichkeit. Gott ist Liebe, Liebe zu uns, und diese Liebe ist wie die alles umfassende, beglückende, unlösbare Liebe zwischen Mann und Frau. So ist unser Gott.“ Das Gesicht des Papstes strahlte vor Begeisterung. Die Zuhörer spürten, daß er sein Innerstes vor ihnen ausgebreitet hatte. Sie schwiegen bewegt. Manche hatten Tränen in den Augen, und man hörte sagen: „Wenn er doch bloß Recht hätte!“ Und: „Wie schön wäre es, wenn das, was die Christen über Gott erzählen, wahr wäre.“
Autor: Weihbischof Andreas Laun, Salzburg.