XXV.
Dulde niemals bei deinen Kindern
Eigensinn; gewöhne sie an Gehorsam!
Welche Freude und welches Glück für Eltern, gehorsame Kinder zu haben, die nicht bloß jedem Winke willig folgen, sondern ihnen schon von den Augen absehen, was sie wünschen, und es unaufgefordert freudig erfüllen!
Christliche Mutter! Du wünschest sicherlich, dass auch deine Kinder so folgsam werden, nun wisse, es liegt ganz in deiner Hand und in der deines Gatten, ob die Kinder so brav und willig werden: Denn der Gehorsam ist ebenso Sache der Angewöhnung, wie auch der Eigensinn.
Manche Eltern glauben, mit der Erziehung zum Gehorsam müsse man warten, bis das Kind zum gehörigen Gebrauche seiner Vernunft gelangt sei. „Es kann ja noch nicht gehorchen, es versteht´s noch nicht,“ so sprechen viele Eltern und lassen auf diese Weise den Eigensinn des Kindes immer größer werden, bis es zuletzt zu spät ist. Welch ein Unverstand! Wenn auch das kleine Kind nicht belehrt werden kann, warum es seinen Eltern folgen muss, so kann es doch sehr gut an den Gehorsam gewöhnt werden, und dieses ist von der allergrößten Wichtigkeit. Denn in der Seele des Kindes befindet sich, wenn es auch von der Erbsünde gereinigt ist, noch immer die böse Begierlichkeit. Wenn dieselbe auch durch die Heilige Taufe gemindert ist, so sind doch die bösen Neigungen und Begierden noch immer vorhanden, welche nach und nach erwachen. Werden diese nicht beizeiten unterdrückt, so schlagen sie immer tiefere und tiefere Wurzeln und arten in Gewohnheiten aus, die oft nie mehr abgelegt werden und das größte Unheil anrichten.
Ein junges Bäumchen kann leicht noch gerade gerückt werden, ist das krumme junge Bäumchen aber zu einem großen, starken, krummen Baume geworden, so kann ihn niemand mehr gerade biegen. Ebenso geht es mit den bösen Neigungen des Menschen. Unter diesen bösen Neigungen ist der Eigenwille, der Eigensinn jene, die sich am ersten zeigt und die immer stärker wird, je mehr man ihr nachgibt, und zuletzt eine solche Stärke erhält, dass sie nur mit der größten Mühe und oft gar nicht überwunden werden kann. Wie wichtig und notwendig ist es daher, dass der Eigensinn in der frühesten Jugend, sobald er sich nur zeigt, gebrochen wird.
Deshalb fordert auch die Heilige Schrift die Eltern auf, den Eigensinn ihrer Kinder so frühzeitig als eben möglich zu bekämpfen: „Lass ihnen ihren Willen in der Jugend nicht, beuge ihren Nacken und schmeidige ihre Lenden, solange sie noch jung sind.“ (Eccl. 30, 11. 12.) Denn „das Kind, dem sein Wille gelassen wird, macht seiner Mutter Schande.“ (Sprichw. 29, 15.)
„Solange sie noch jung sind,“ heißt es; denn Hirscher lehrt, „Gehorsam ist mehr als jede andere Tugend Sache der Angewöhnung.“ Christliche Mutter, beginne daher früh mit dem Brechen des Eigensinnes, weil es das Schwerste in der Erziehung ist und überhaupt nur in der frühesten Jugend gelingen kann.
„In der Wiege schon muss die Brechung des Eigenwillens anfangen, und mit dem zweiten Lebensjahre soll sie vollendet sein. Warum sind oft Eltern gezwungen, ihren widerspenstigen Sohn und ihre trotzige Tochter zu züchtigen? Nur darum, weil in den ersten Jahren dem Kinde aller Wille gelassen wurde; später wollten die Eltern den Gehorsam mit Gewalt erzwingen, aber es ging nicht mehr, es war zu spät.
Deshalb sollen die Eltern, sobald sie merken, dass das kleine Kind durch Weinen seinen Willen durchsetzen will, wo es der Mutter vernünftiger erscheint, ihm nicht zu willfahren, sein Geschrei und seine Tränen ganz unbeachtet lassen. Das Kind verlangt noch mehr Speise, - die Mutter ist überzeugt, dass es genug habe und gibt ihm nichts; - das Kind fängt an zu weinen und zu schreien, - da darf die Mutter ihm ja nichts reichen, muss es ruhig aufschreien lassen. Gibt sie nach, dann weiß das Kind, dass es durch sein Weinen etwas erreicht hat, und es wird’s nächstens immer so und noch schlimmer machen, und gar bald ist es so weit gekommen, dass das Kind der Mutter gar nicht mehr folgt, sondern die Mutter dem Willen des Kindes blind gehorcht.“
Christliche Mutter, lass daher deine Kinder vom zartesten Alter an erfahren, dass dein Wille für sie ein Zwang ist, dem sie sich absolut weder durch Bitten und Tränen noch durch Schmeicheln und Geschrei nicht zu entziehen vermögen. Wissen die Kinder, dass kein Widerstand hilft, so versuchen sie auch keinen. Wozu sich abmühen und anstrengen, wenn man vorher weiß, dass doch alles vergebens ist? Hat sich einmal in das Kind die Überzeugung eingelebt, dass es deinen Willen tun muss, so wird es sich jeden Kampf dagegen sparen und dir damit Aufregung und Verdruss. Diese Überzeugung muss dem Kinde schon in den ersten Jahren beigebracht werden und fortwährend gleichmäßig danach gehandelt werden.
Das Kind wird größer, es kann bereits sprechen und spielt recht vergnügt; nun kommt die Zeit zum Mittagessen; da möchte es lieber noch spielen - : Du darfst dich in keine Unterhaltung oder auch nur Auseinandersetzung einlassen; ob es schreit oder nicht schreit, ob es tritt, mit den Händen um sich schlägt, sich krümmt und reckt, - nichts darf dich bewegen, seinem Willen nachzugeben, es muss mit dem Spielen sofort aufhören, und bei fortgesetztem Trotze und Eigensinn muss es die Rute fühlen, wenn es auch noch so klein ist. Der Schmerz der Züchtigung schadet ihm gar nichts; sollte es deshalb allzu laut und lange weinen, so trage es ruhig in ein abgelegenes Zimmer und lass es dort, bis es sich ausgeweint hat. Fürchte dabei gar nicht, das Kind möchte sich durch ein längeres Schreien einen Schaden zufügen. Das ist gar nicht zu besorgen, wenn es ihm weh tut, wird es von selbst schon aufhören. Machen törichte Leute dir den Vorwurf: Wer kann so hartherzig sein, ein unschuldiges, kleines Kind so lange schreien zu lassen, so bleibe dabei ganz ruhig und sage ihnen höchstens: „Für mein Kind habe ich zu sorgen, und ich will es mit GOTTES Hilfe so tun, dass ich es einst vor GOTT verantworten kann.“
Hat die erste Züchtigung das Kind noch nicht gebessert, so muss bei weiteren Anzeichen von Trotz dieses Verfahren immer wiederholt werden, bis das Kind seinen trotzigen Sinn abgelegt hat. Würdest du aber seiner Laune willfahren, so würde es bald immer durch Schreien sein Köpfchen durchzusetzen suchen und notwendig eigensinnig werden.
Nicht genug kann hier betont werden, dass Vater und Mutter in der Erziehung zum Gehorsam ganz einig sein müssen. Hat die Mutter etwas befohlen, so darf der Vater, und wäre es auch nur im Scherze, den Befehl nicht tadeln oder sogar dem Kinde zuliebe aufheben. Ihm und dem Kinde soll dieser Befehl Heilig sein. Das Gleiche gilt für die Mutter. Haben Vater und Mutter verschiedene Ansichten über erteilte Anordnungen, Strafen oder sonst irgend etwas, das die Erziehung betrifft, so sollen sie sich im stillen, wenn sie allein sind, darüber besprechen, aber in Gegenwart der Kinder dürfen die Eltern nur wie aus einem Munde gebieten und verbieten, damit nicht der eine niederreißt, was der andere aufbaut.
Nie darf die Mutter Klagen oder Murren über den Vater oder dieser über die Mutter anhören, und sollte ein Kind ohne genügenden und wichtigen Grund wagen, dergleichen vorzubringen, so verdient es eine Strafe. Es versteht sich von selbst, dass noch viel weniger die Eltern in Gegenwart der Kinder einander tadeln dürfen.
Damit deine Kinder immer wirklich erfahren, dass nicht ihr Wille, sondern dein Wille zu geschehen habe, ist beim Befehlen die allergrößte Vorsicht nötig. Du musst bei deinen Kindern jedesmal, ehe du einen Befehl gibst, überzeugt sein, dass du seine Ausführung erzwingen kannst; du darfst nichts befehlen, was du nicht unter allen Umständen durchsetzen kannst. Daher darfst du nicht zuviel und nicht zu vielerlei befehlen, und du musst immer vorher überlegen, ob das, was du befehlen willst, das Richtige ist und von den Kindern befolgt werden kann. Wenn du nämlich unüberlegte Befehle gibst, so kann es vorkommen, dass du etwas befiehlst, was den Kindern schadet oder sonst Unheil anrichtet, und was du somit zurücknehmen musst – und dieses schadet im allgemeinen immer deinem Ansehen und damit den Kindern.
Oft ist es besser, dem Kinde die Wahl zwischen zwei Dingen zu lassen, als eines direkt zu befehlen. Weint und schreit zum Beispiel das Kind, weil ihm etwas nicht nach seinem Köpfchen geht, so ist es gewagt, ihm bloß Schweigen zu gebieten, weil man dieses nicht erzwingen kann. In einem solchen Falle ist es besser zu sagen: „Höre, das Weinen kann ich hier nicht gebrauchen; entweder musst du damit aufhören, oder hinüber in jenes entlegene Zimmer gehen; da kannst du weinen, solange du willst.“ Jetzt hast du es in der Hand, deinen Willen auszuführen, schweigt das Kind nicht, so wird der Schreier in das entlegene Zimmer transportiert, und er wird sich für die Zukunft merken, dass er nicht eigensinnig sein darf und so Gehorsam lernen.
Um deine Kinder im Gehorsam zu üben, darfst du ihnen nicht einmal alles Erlaubte, um was sie bitten, immer gewähren, sondern du musst hin und wieder zu einer Bitte „nein“ sagen können, und ist das Wörtchen einmal gesprochen, so muss es auch unerbittlich dabei bleiben. Sehr anzuraten ist es, die Kinder alsdann aufzufordern, aus Liebe zu GOTT oder den armen Seelen gern darauf zu verzichten. Denn von der größten Wichtigkeit ist es, dass die Kinder an Entsagung und Enthaltsamkeit auch im Erlaubten aus Liebe zu GOTT frühzeitig gewöhnt werden, damit sie später desto eher die Kraft haben, sich von allem Unerlaubten fernzuhalten.
Gewöhne deine Kinder auch an einen schnellen und pünktlichen Gehorsam, ohne noch lange, besonders bei kleinen Kindern, die Gründe der Befehle auseinanderzusetzen. Es muss Hausgesetz sein: „Was Vater und Mutter befohlen haben, das muss geschehen und zwar sogleich, und geschieht es nicht auf das erste Wort, so wird der Befehl nur einmal mit Nachdruck wiederholt, und folgt darauf das Kind nicht sofort, zeigt es Eigensinn, so ist die Strafe so sicher als zwei mal zwei vier ist.“ „Ein gutes Kind gehorcht geschwind,“ dies goldene Sprüchlein muss den Kindern recht tief eingeprägt werden und auf dessen Befolgung muss von dir, gute Mutter, unnachsichtig gedrungen werden, damit deine Kinder in allem Erlaubten ohne Widerrede und ohne Zögern gehorchen lernen. Damit dieses aber geschehe, müssen die Eltern sich vor zwei Fehlern besonders hüten: 1. Sie dürfen nicht zu viel, nicht ohne Überlegung und nicht aus bloßer Laune ge- und verbieten; 2. Sie dürfen sich das einmal Versagte weder durch Bitten oder Tränen noch durch Schmeicheln oder Geschrei nachträglich wieder abtrotzen lassen. Die Eltern müssen nur das Notwendige ge- und verbieten und alsdann aber auch unerschütterlich auf ihrem Willen beharren.
Je kleiner die Kinder sind, desto unstatthafter ist die Anführung von Gründen. Fragen kleine Kinder nach dem Warum? so erwidere man ihnen: „Weil du folgen musst,“ oder „Weil deine Mutter oder dein Vater es haben will.“ - Ist bei einem Kinde die Vernunft vollständig erwacht, machen sich bei ihm Verstand und Gewissen geltend, so muss das Kind allmählich immer mehr angeleitet werden, dass es den Eltern nicht bloß aus Zwang und Gewohnheit, sondern auch aus eigenem Antriebe und aus Pflichtgefühl im Hinblick auf das IV. Gebot folgt. Belehrung, Mahnung und Warnung sind alsdann die wichtigsten Erziehungsmittel, damit Verstand und Gewissen siegen über die widerstrebende Natur und aus dem Kinde ein charakterfester Jüngling oder eine charakterfeste Jungfrau werde. Die heranwachsenden Kinder müssen von den Eltern auch immer mehr an Selbstständigkeit gewöhnt werden; doch sollen auch solche nichts, was im Hauswesen, in der Arbeit, in Anschaffungen von einiger Bedeutung ist, auf eigene Faust tun, sondern nur mit Einwilligung ihrer Eltern. Das eigentliche Befehlen muss bei erwachsenen Kindern seltener werden, und während den kleinen Kindern nur sehr selten ein Grund angegeben werden soll, warum ihnen etwas befohlen wird, sollen den älteren Kindern die Gründe mehr mitgeteilt und der Befehl in gelinderer Weise, meistens in der Form eines Wunsches, gegeben werden. Ferner sollen die Eltern im allgemeinen mit ihren erwachsenen Kindern die häuslichen Angelegenheiten besprechen und danach streben, dass diese ebenfalls vertrauensvoll und bescheiden ihre Ansichten und Wünsche angeben.
Noch verkehrter als dieses unzeitige Begründen von Befehlen ist die Hinzufügung von schmeichlerischen Versprechungen oder langen Strafandrohungen. Der Befehl sei ruhig, kurz, wohl überlegt und mit Festigkeit.
Darf man den einmal gegebenen Befehl niemals zurücknehmen?
Nie darf es ohne wichtige Gründe geschehen, zum Beispiel wegen unbegründeter Bitten der Kinder; aber wenn wichtige Gründe und Umstände angeführt werden, die man vorher nicht kannte oder nicht berücksichtigt hat, so muss man bereitwillig darauf eingehen und den Befehl demgemäß ändern oder vollständig zurücknehmen. Dieses schadet dem Ansehen der Eltern nicht, und der Gehorsam wird dadurch auch nicht geschädigt, sondern gefördert; denn das Kind sieht, dass die Eltern nicht aus Laune oder Willkür etwas befehlen oder verbieten.
Auf einen Punkt möchte ich noch aufmerksam machen, wovon hauptsächlich bei größeren Kindern der schnelle und freudige Gehorsam abhängt. Wollen Eltern auch bei ihren größeren Kindern einen schnellen und freudigen Gehorsam, so müssen sie sich die nötige Hochachtung bei ihnen bewahren. Vater und Mutter müssen sich in ihrem ganzen Tun und Lassen so benehmen, dass die Kinder in ihnen immer die Stellvertreter GOTTES verehren und Ehrfurcht und Hochachtung vor ihnen haben können. Diese Hochachtung muss aber verloren gehen, wenn Eltern miteinander in Unfrieden leben oder ihre Kinder wegen Fehler bestrafen, die sie selbst vor ihnen begehen. Wird zum Beispiel das Kind wegen einer Lüge bestraft und hört dann, wie die Mutter selbst den Vater belügt, oder wird es bestraft, weil es stiehlt und nascht, und sieht dann, wie Vater und Mutter sich nichts daraus machen, andere Leute zu betrügen und zu hintergehen, so muss das Kind die notwendige Achtung und Ehrfurcht vor den Eltern verlieren, und es wird nicht mehr freudig und schnell gehorchen, sondern nur aus Furcht vor der Strafe.
Die Eltern verlieren die notwendige Achtung auch durch zu große Vertraulichkeit mit ihren Kindern, indem sie mit denselben zu viel scherzen und lachen. Eltern erlauben oft den Kinder, den „unartigen Papa“ oder die „böse Mama“ im Scherze zu schlagen, zu schelten und mit unpassenden Namen zu nennen, und sind später erstaunt, wenn ihre Kleinen es an der schuldigen Achtung fehlen lassen, ungehorsam sind und sich sogar ungeziemende Freiheiten erlauben.
Ferner, wie können Kinder vor Vater und Mutter die nötige Hochachtung bewahren, wenn sie deren geringschätzige und rohe Behandlung der eigenen Eltern sehen? Wo der Großvater oder die Großmutter hinter den Ofen gesetzt werden und sich nicht rühren dürfen, wofern sie nicht beschimpft und rücksichtslos behandelt werden wollen, da werden die Kinder den Respekt und die Ehrfurcht vor den eigenen Eltern gewiss bald verlieren und sich ungehorsam und widerspenstig zeigen. Auch wird gewöhnlich solchen Eltern, wenn sie alt werden, von ihren Kindern ausgezahlt, was sie an ihren eigenen Eltern früher gesündigt haben. (Sieh Kapitel 16.)
Die Eltern werden bei ihren Kindern die Ehrfurcht ebenfalls verlieren, wenn sie sich selbst ehrfurchtslos und ungehorsam gegen zeitliche und weltliche Obrigkeit zeigen. Denn wenn die Kinder sehen, dass die Eltern nichts nach zeitlichen und weltlichen Vorgesetzten, die doch auch Stellvertreter GOTTES sind, fragen, wie kann dann Vater und Mutter hoffen, dass ihre Kinder noch lange in ihnen die Stellvertreter GOTTES respektieren?
Endlich schaden manche Eltern ihrem Ansehen sehr durch eine gewisse Geschwätzigkeit und übel angebrachte Offenherzigkeit, indem sie die Torheit ihrer eigenen Jugend in Gegenwart der Kinder erzählen.
Siehe, gute Mutter! Wohl weiß ich recht gut, dass alles das, was ich dir in diesem Kapitel gesagt habe, keineswegs gering und leicht ist. Allein bedenke, dass es von der frühzeitigen Erziehung zum Gehorsam großenteils abhängt, ob du selbst an deinen Kindern große Freude erleben wirst, oder ob sie für dich das größte Kreuz bilden und ganz unglückliche Menschen werden. Daher dulde niemals bei deinen Kindern Eigensinn und erziehe sie vom zartesten Alter an zu einem schnellen und freudigen Gehorsam!
Zum Schluss diese sehr wichtigen Kapitels will ich noch an einem Beispiele zeigen, wie verderblich bei der Erziehung die Nachgiebigkeit der Eltern gegen die Kinder ist.
Willi, der Erstgeborene von fünf Geschwistern, beherrschte schon als Kind von 2 Jahren das ganze Haus. Wonach er das Händchen ausstreckte, wurde ihm gegeben; und wenn es unserm kleine Weltbürger zu schreien beliebte, so war alles stets zu Diensten. Tat aber jemand nicht, was dieser kleine Prinz begehrte, so fing er jämmerlich zu schreien an und wälzte sich zuweilen vor Zorn auf dem Boden, bis er seinen Willen durchgesetzt hatte. Bei Tisch hörte man von ihm selten ein anderes Wort als: „Ich will das haben, dieses mag ich nicht“ und so weiter, und die unvernünftige Mutter willfahrte blindlinks dem eigensinnigen Knaben. Der Vater sah bald ein, dass es so nicht weiter gehen dürfe. Aber so oft er entschieden auftreten wollte, trat ihm die „zärtliche“ Mutter immer entgegen mit den Worten: „Wie kannst du so hartherzig sein: Ich gebe ihm, was er haben will; dann ist er zufrieden und wir haben Ruhe.“
War Willi am Spiel, so ließ er sich nicht stören, auch wenn die Mutter rief: „Willi, komm und hole mir das, dann kannst du wieder spielen.“ Er spielte ruhig weiter, und die Mutter rief dann gewöhnlich: „Nun, so komm doch, ich habe etwas Schönes für dich, etwas Gutes.“ Aber auch dann kam der Kleine oft noch nicht; und die unverständige Mutter ließ in ihrer Affenliebe diesen Ungehorsam und Eigensinn ungestraft durchgehen.
Was Wunder, wenn auf diese Weise der Eigensinn großgezogen wurde? Was Wunder, wenn Willi den Eltern und Lehrer ungehorsam war und immer seinen Kopf durchsetzen wollte?
Das dieses eigensinnige Benehmen des Ältesten von fünf Geschwistern einen sehr schlimmen Einfluss auf seine jüngeren Brüder und Schwestern ausübte, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.
Als herangewachsener Jüngling lehnte sich Wilhelm gegen geistliche und weltliche Autorität auf, geriet öfters in Schlägereien, ging mehrmals aus der Lehre laufen und desertierte als Soldat zum großen Leidwesen der Eltern und zu seinem eigenen Schaden. Er wurde in der Fremde, im Ausland, ein ganz unglücklicher Mensch, der fortwährend in Streit mit andern lebte, weil er glaubte, alles müsse nach seinem Willen gehen.
Und wer ist schuld an allem diesem?
Allein die Eltern, die ihr Kind so gewöhnt, so erzogen haben, die Trotz und Eigensinn in ihm großgezogen haben. Daher mache du es doch nicht so, gute Mutter, sondern dulde niemals bei deinen Kindern Eigensinn und verlange immer einen schnellen und freudigen Gehorsam und zwar vom zartesten Alter an!
Fortsetzung folgt!