Gebet > Macht des Gebetes

DAS STUNDENGEBET DER KIRCHE

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LoveAndPray85:



Der Kosmos hat eine Mitte.
Aus ihr kommt alles.
Zu ihr führt alles.
Um sie kreist unser Leben.

Während unser Leben
Raum und Zeit durchmisst,
eilt es dem Kommenden entgegen,
von dem das Stundengebet bekennt:

Du hältst mich fest
und stellst mich vor dein Antlitz
für immer.
Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels,
von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen, ja amen.
Psalm 41. Vesper vom Freitag der 1. Woche

LoveAndPray85:
EINFÜHRUNG

aus dem "Keinen Stundenbuch" im Jahreskreis
für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebebietes
Das Stundengebet der Kirche ist kein Standesgebet der Priester. Mehr und mehr bricht die Erkenntnis sich Bahn, dass das Stundenbuch ein Kirchengebetbuch ist und damit das Gebetbuch aller: ein Gebetbuch, das aus den Gottesdiensten besteht, die an sich dazu bestimmt sind, von den Gläubigen unter Leitung ihrer Vorsteher gehalten zu werden. Das Vatikanische Konzil hat ausdrücklich gesagt: "Auch den Laien wird empfohlen, das Stundengebet zu verrichten, sei es mit den Priestern, sei es unter sich oder auch jeder einzelne allein" (SC 100). Wer immer diese Mahnung befolgt, der entdeckt aufeinmal, was für ein kostbares Gebetbuch er in den Händen hat: da findet sich kein sentimentales Wort, kein frommer Überschwang. In dieser Luft kann auch ein junger Mensch des ausgehenden zweiten christlichen Jahrtausends atmen: alles, was ihm in den Mund gelegt wird, ist herzhaft, gemessen und gesund.

Aber der Beter des Stundengebets entdeckt noch etwas anderes: wie groß und tröstlich es ist, sich in seinem täglichen Beten Schulter an Schulter zu wissen mit Tausenden auf der Welt, die um die gleiche Zeit die gleichen Gebete sprechen. Gewiss sollten wir uns immer, wenn wir beten, als Glieder an dem einen Leibe Christi wissen, aber wenn die Gebete, die wir sprechen, überall in der Welt zur gleichen Zeit (wenn auch in verschiedenen Sprachen) verrichtet werden, wird das Bewusstsein der Gemeinschaft vor Gott stärker. Es ist ja eine Gemeinschaft, die nicht nur nach links und nacht rechts reicht: sie reicht auch nach rückwärts. So betet die Kirche durch Jahrhunderte, so haben ungezählte heilige Menschen vor uns gebetet. Bei all dem muss man allerdings realistisch bleiben: Tag für Tag das volle Stundengebet mitzuvollziehen, wie es den Geweihten aufgetragen ist, wäre für die meisten Laien eine Überforderung. So stellt das vorliegende Buch das zusammen, was Laien oder Laiengemeinschaften oder auch Ordensgemeinschaften, die nicht zum vollen Stundengebet verpflichtet sind, am leichtesten mitvollziehen können: das Morgenlob möchte den lobpreisen, den wir in der aufgehenden Sonne dargestellt sehen: die am frühen Ostermorgen aus dem Grabe zu Jerusalem aufgegangene Christus-Sonne. Auch im Abendlob geht es darum, den Einen zu preisen, von dem die Alten gerne sagten, er sei unser "abendloses Licht". Hippolyt von Rom hat zu Beginn des 3. Jahrhunderts den Sinn des Stundengebets auf eine ganz schlichte Formel gebracht, die bis heute gültig geblieben ist: Dieser immer wiederholte, morgendliche und abendliche Lobpreis soll uns helfen, "Christus allezeit im Gedächtnis zu bewahren".
Die beiden Gebetsstunden sind in genau der gleichen Weise aufgebaut, so dass das, was wir nun zu den einzelnen Teilen sagen, je für Laudes und Vesper gilt.

Fortsetzung folgt.


LoveAndPray85:
Eröffnung: Jeder Stundengebetsgottesdienst beginnt mit einem dringlichen Hilferuf: "O Gott, komm mir zu Hilfe, Herr, eile mir zu helfen", und schwingt sich dann sogleich zum Lobpreis des dreieinigen Gottes auf.


Hymnus: Der Eröffnung folgt ein festliches Lied, ein Hymnus aus dem jahrhundertealten Hymnenschatz der Kirche: er gibt der ganzen Gebetsstunde ihr freudiges Klima.


Psalmodie: Nach dem festlich bewegten Hymnus treten wir in die stillere Zone der Psalmodie ein. Hier vor allem sollen wir zu uns kommen, hier soll sich unser Gebet an den ehrwürdigen Gebetsworten des AT entzünden. In den Laudes stammt übrigens der mittlere "Psalm" nicht aus dem Buch der Psalmen, sondern aus den übrigen Liedern, die verstreut in den Büchern des AT vorkommen: in der Vesper ist seit dem Konzil der dritte "Psalm" den offen von Christus sprechenden Liedern entnommen, die im NT vorkommen. Deshalb heißen diese beiden Lieder nicht Psalm, sondern ganz einfach Canticum - Gesang. Wohltuend an den Psalmen ist, dass sie so menschlich sind. Sie loben Gott, aber sie sind kein reines Lob. Augustinus sagt, ihr Lob sei "gemischt mit Tränen". Unsere Not und Verzagtheit und Verzweiflung darf hier zum Ausdruck kommen, aber das letzte ist dann doch immer wieder der Lobpreis dessen, der uns geschaffen und erlöst hat. Eine gewisse Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass diese Lieder (mit der einen oben genannten Ausnahme) dem AT entstammen, also vor der Ankunft Christi niedergeschrieben sind und nur in ganz seltenen Fällen auf den kommenden Messias Bezug nehmen. Wie können sie da christliches Gebet werden, bei dem doch Christus die Mitte ist, sei es, dass wir zu ihm beten, sei es, dass wir seinem Beten uns anschließen?
Christus selbst hat diese Gebete gesprochen, und die Alten haben keine Bedenken gehabt, die Psalmen im Lichte des Christusgeheimnisses als Gebete mit oder zu Christus zu sprechen. Wenn der Psalm 22 sagt: "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", so spricht der christliche Beter dieses Lied unwillkürlich mit dem Herrn am Kreuz. Wenn der Psalm 25 sagt: "Vergib mir all meine Sünden.", dann darf der christliche Beter das zu dem sagen, dem Macht gegeben ist, auf Erden Sünden zu vergeben. Es hat einen eigenen Reiz, dass diese Verchristlichung der Psalmen nicht vorgeschrieben und nicht vorprogrammiert ist.
Die Antiphonen, die jeweils den Psalm umrahmen, wollen lediglich den Finger auf einen Vers legen, der wichtig ist: auch die christliche Überschrift, die immer an zweiter Stelle in schwächerem Druck nach der nach der allgemeinen Überschrift über dem Psalm steht, will nicht mehr als eine Anregung sein. Manchem wird es vielleicht am Anfang genügen, wenn im "Ehre sei dem Vater" am Ende jeden Psalms der Sohn genannt wird, der um unseres Heiles Willen Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist.

Fortsetzung folgt.


LoveAndPray85:
Kurzlesungen: Wenn das Herz in der Psalmodie still geworden ist, dann ist es bereit, in Form einer ausgewählten knappen Lesung eine Botschaft aus dem Neuen Testament, ein Wort über das Heil, das uns in Christus geschenkt ist, aufzunehmen.


Responsorium: Die erste Reaktion auf diese Frohbotschaft ist leise und besinnlich. Deshalb steht hier ein Gebilde, in dem die gleiche Antwort (Responsorium) mehrfach wiederkehrt und das Responsorium heißt. Was wir uns hier vorsagen, soll sich durch Wiederholung ins Herz einsenken.


Benedictus - Magnificat: Nach diesem besinnlichen Intermezzo erreicht die Gebetsstunde ihren Höhepunkt. Was Morgen- und Abendlob wollen, kristallisiert sich gleichsam in zwei Liedern aus dem NT, in denen das in Christus gekommene Heil gepriesen wird: dem Lied des Mannes Zacharias, dem Benedictus, und dem Lied der Jungfrau Maria, dem Magnificat. Eingerahmt sind Benedictus und Magnificat von einer Antiphon, die am Werktag meist ein Lob- und Dankmotiv aus diesen Liedern aufgreift: am Sonntag klingen hier Texte aus den Lesungen der Messe auf (s. Eigentexte für die Sonntage [...]).


Bitten und Fürbitten: Schon im alten jüdischen Gebet hat ein sehr menschliches Gesetz gegolten: dass aus dem Lobpreis unsere ganze konkreten Menschen-Bitten herauswachsen dürfen. So tauchen seit alters her am Ende von Morgen- und Abendlob Bitten auf. Die nachkonziliare Reform hat es so geordnet, dass es in den Laudes Bitten für uns selbst sind, für das, was dieser Tag uns an Aufgaben bringt, in der Vesper aber Für-Bitten für andere. Am Ende der Vesper kommen dann die Fürbitten zu ihrem Recht. Es ist eine alte Überzeugung in der Kirche, dass man den Tag nicht schließen solle, ohne noch einmal das Herz weitgemacht zu haben für Mitchristen und Mitmenschen, vor allem solche, die leiden. Bei diesen Bitten und Fürbitten stoßen wir jedesmal auf eine wichtige Zwischenbemerkung. Gegen Ende der Bitten bzw. Fürbitten heißt es: "Hier können Bitten (Fürbitten) in besonderen Anliegen eingefügt werden." Es ist bei solchen vorformulierten Bitten gefährlich, dass sie im Formelhaften erstarren. Dem wird durch diese Öffnung vorgebeugt. Hier soll zu Wort kommen, was den oder die Beter an diesem Tag als besonderes Anliegen bewegt. Die Pilgerin Egeria, die ihren Mitschwestern daheim in Spanien die Gestalt der Jerusalemer Vesper am Ende des 4. Jahrhunderts aus eigenem Augenschein beschrieben hat, erzählt, an dieser Stelle habe man Namen genannt, und dann hätten die Kinder mit  nicht endenwollendem Kyrieruf  über den Genannten das Erbarmen des Erlösers herabgerufen. Ob das nicht auch heute wieder geschehen könnte - vor allem, wo jemand das Stundengebet allein verrichtet -, dass an dieser Stelle der Vesper Namen von Menschen auftauchen, von Menschen, die einem nahestehen, von Menschen, denen man vielleicht besonderes Gebetsgedenken versprochen hat! Ein Zettel mit Namen solcher Menschen, der im Stundenbuch läge, könnte allabendlich an die übernommene Fürbittpflicht erinnern.

Fortsetzung folgt.


LoveAndPray85:
Überleitung zum Vaterunser: Am Ende der Bitten und Fürbitten, die jeweils ein bestimmtes Anliegen mit Namen genannt haben, kann eine Überleitung zum Vaterunser folgen. Die ehrwürdigste ist der reine Erbarmungsruf, der unsere ganze Erbarmungswürdigkeiten meint und gleichsam über allem ausgerufen wird, was Menschenantlitz trägt: Herr, erbarme dich unser. Christus, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich unser.


Vaterunser: Die Linien des Ganzen laufen zusammen in dem Gebet, das der Herr uns zu beten gelehrt hat und das für alle Zeiten die gültigste Zusammenfassung dessen bleibt, um was wir bitten können.


Oration: Zu diesem allgemeinen tritt ein spezielles Schlussgebet hinzu: an den Werktag ist es eine vom Thema des Morgens bzw. des Abends bestimmte Oration, an Sonntagen das Tagesgebet der Messe.


Abschluss: Die Schlussformel, die beim Gebet von Laien an die Stelle des Schlusssegens tritt, kann ganz schlicht sein. Auch beim Einzelbeter ist sie in der Mehrzahl gehalten, damit er nicht vergisst, dass es kein Privat-, sondern ein "Kirchengebet" ist, das er hier verrichtet hat: "Der Herr segne uns, er bewahre uns vor Unheil und führe uns zum ewigen Leben."
Etwas kann allerdings und sollte nach der Vesper noch folgen: der Gruß an die Jungfrau Maria, in deren Fürbitte sich die Gemeinde oder der Beter nach einem ins Mittelalter zurückreichenden Brauch empfehlen. Im Anhang V sind die klassischen Marianischen Antiphonen deutsch und lateinisch abgedruckt, die die betende Kirche für diesen Anlass bereithält.

Fortsetzung folgt.


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