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Nachfolge Christi - Gott in Demut und Gehorsam dienen macht selig!
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Thomasa:
Thomas von Kempen: "Nachfolge Christi":
Achtes Kapitel
Wie klein ist der Mensch vor Gott!
„Ich will zu meinem Herrn sprechen, obwohl ich Staub und Asche bin" (Gen 18,27). Hielte ich mich für mehr, so stehst du wider mich auf, und meine Sünden geben beredtes Zeugnis, dem ich nicht widersprechen kann. Wenn ich mich aber erniedrige und mir wie ein Nichts vorkomme, von jeder eigenen Wertschätzung ablasse und mich wie Staub achte, der ich wirklich bin, dann wird deine Gnade mir gnädig und dein Licht meinem Herzen nahe sein, und es wird jede Selbstschätzung, auch die geringste, in der Tiefe meines Nichts versinken und für immer vergehen.
Dort zeigst du mir, was ich bin, was ich gewesen und wohin ich gekommen bin, denn ich war nichts und wusste es nicht.
Werde ich mir selbst überlassen, so bin ich ein Nichts und lauter Schwäche. Wenn Du aber mich wieder anschaust, werde ich gleich stark und mit neuer Freude erfüllt. Wunderbar ist es, dass ich so plötzlich erhoben und so gütig von dir umfangen werde, wo doch meine eigene Schwere mich immer wieder zur Tiefe zieht. Das bewirkt deine Liebe, die mir unverdient zuvorkommt und in so vielen Nöten beisteht, mich auch vor schweren Gefahren bewahrt und mich, um die Wahrheit zu sagen, aus unzähligen Übeln errettet.
Denn indem ich mich selbst sündhaft liebte, habe ich mich selbst verloren; und als ich dich allein suchte und lauter liebte, habe ich mich und dich zugleich gefunden und mich aus Liebe noch tiefer in mein Nichts versenkt. Denn du, Mildreichster, tust weit mehr für mich, als ich je verdiente und zu hoffen oder erbitten wagte. Sei gepriesen, mein Gott! Obwohl ich aller Wohltaten unwürdig bin, hört doch deine Großmut und unendliche Güte niemals auf, auch denen Gutes zu erweisen, die keine Dankbarkeit kennen und sich weit von dir verirrt haben. Bekehre uns zu dir, damit wir dankbar, demütig und fromm werden; denn du bist unsere Zuflucht, unsere Kraft und Stärke.
Neuntes Kapitel
Gott unser Lebensziel
Mein Sohn! Ich muss dein höchstes und letztes Ziel sein, wenn du wahrhaft glücklich werden willst. Dadurch wird dein Herz geläutert, das sich so oft sündhaft zu sich selbst und zu den Geschöpfen wendet. Wenn du dich selbst in irgendeinem Ding suchst, wirst du gleich schwach und kraftlos. Beziehe alles auf mich als den Urgrund; denn ich bin es, der alles gegeben hat. Betrachte das Einzelne als aus dem höchsten Gut hervorgehend, und führe alles auf mich als seinen Ursprung zurück. Aus mir schöpfen Klein und Groß, Arm und Reich wie aus einer lebendigen Quelle lebendiges Wasser; und die mir willig und gern dienen, werden Gnade über Gnade empfangen. Wer sich aber außer mir rühmen oder sich an einem besonderen Gute erfreuen will, dem wird die wahre Freude nicht zuteil. In seinem Herzen fühlt er sich beengt, vielfach behindert und verkrampft. Du sollst dir also nichts Gutes zuschreiben und keinem Menschen Tugend beimessen; führe alles auf Gott zurück. Ohne ihn hat der Mensch nichts.
Ich habe alles gegeben; ich will alles wiederhaben und fordere mit großer Strenge, dass man mir Dank sagt. Dies ist die Wahrheit, vor ihr verkriecht sich die eitle Ehrsucht. Wo aber die himmlische Gnade und wahre Liebe einkehrt, da wird es keinen Neid und keine Engherzigkeit geben und auch die Eigenliebe nicht herrschen. Denn die Gottesliebe überwindet alles und beschwingt alle Kräfte der Seele. Hast du die rechte Weisheit gefunden, so wirst du dich in mir allein freuen, auf mich allein hoffen; weil „niemand gut ist als Gott allein" (Lk 18,19). Er ist über alles zu loben und in allem zu preisen.
Zehntes Kapitel
Gott dienen macht selig
Jetzt will ich wieder reden, Herr. Ich kann nicht schweigen. Sprechen will ich zu Gott, meinem Herrn und König, der in den Himmeln wohnt.
„Wie groß ist die Fülle deiner Liebe, Herr! Du hältst sie für jene verborgen, die dich fürchten" (Ps 30,20).
Aber: Was bist du erst für jene, die dich lieben! Für die, die dir mit ganzem Herzen dienen! Wahrhaft unaussprechlich ist die Wonne, dich zu schauen, wie du sie denen verleihst, die dich lieben! Darin hast du mir deine Liebe am meisten gezeigt, dass du mich erschufst, als ich noch nicht war; als ich fern von dir umherirrte, mich zu deinem Dienste zurückholtest und mir gebotest, dich zu lieben. Quell ewiger Liebe! Was soll ich von dir sagen?
Wie sollte ich deiner vergessen können, der du gnädig meiner gedacht hast, auch nachdem ich schon verdorben und verloren war?
Du hast wider alle Hoffnung Erbarmen an deinem Diener geübt und ihm über alles Verdienst Gnade und Freundschaft geschenkt. Was soll ich dir vergelten für solche Gnade? Denn nicht jedem ist es gegeben, auf alles zu verzichten, der Welt zu entsagen und das Leben im Kloster auf sich zu nehmen.
Ist es denn etwas Großes, dass ich dir diene, da jedes Geschöpf dir dienen muss? Nicht groß darf es mir vorkommen, dass ich dir diene; aber das erscheint mir groß und wunderbar, dass du einen so Armen und Unwürdigen gnädig zu deinem Dienste annimmst und deinen geliebten Dienern zugesellst. Siehe, dein ist alles, was ich besitze, und darum diene ich dir. Aber eigentlich dienst du mehr mir als ich dir.
Siehe, Himmel und Erde, die du zum Dienst an den Menschen erschaffen hast, sind bereit und tun täglich, was du geboten hast.
Und dies ist noch wenig; du hast sogar die Engel in den Dienst der Menschen gestellt. Eins aber übersteigt alles, dass du dich selbst herabgelassen hast, dem Menschen zu dienen, und versprochen hast, dich selbst ihm zu geben. Was soll ich dir für all diese tausendfachen Wohltaten geben? Könnte ich dir doch alle Tage meines Lebens dienen!
Brächte ich es doch fertig, dir wenigstens einen Tag lang so zu dienen, wie es deiner würdig ist. Du bist wahrhaftig jeden Dienstes, aller Ehre und des ewigen Lobes würdig. Du bist wahrhaftig mein Herr und ich dein armer Knecht! Ich sollte dir aus allen Kräften dienen und in deinem Lobe niemals ermüden. Das will ich, danach verlange ich; und was mir fehlt, wollest du huldvoll ergänzen. Eine große Ehre, ein großer Ruhm ist es, dir zu dienen und alles um deinetwillen zu verschmähen. Denn große Gnade werden jene erhalten, die sich willig deinem heiligen Dienste unterwerfen.
Erquickenden Trost des Heiligen Geistes werden jene finden, die aus Liebe zu dir aller Sinneslust entsagen.
Große Freiheit des Geistes werden erlangen, die dir zuliebe die schmale Straße gehen und alle weltliche Sorge fahren lassen.
Gnadenvolle, angenehme Knechtschaft Gottes! Durch dich wird der Mensch wahrhaft frei und heilig! Heiliger Stand des geistlichen Dienstes, der den Menschen den Engeln gleich, Gott wohlgefällig, den bösen Geistern furchtbar und allen Gläubigen liebenswert macht!
O willkommener, allzeit begehrenswerter Dienst! Durch dich erlangt der Mensch das höchste Gut und erwirbt sich Freuden, die ewig währen.
Elftes Kapitel
Prüfe und beherrsche die Regungen des Herzens
Mein Sohn! Du musst noch vieles lernen, was du noch nicht recht begriffen hast. Was ist dies, Herr? Dass du deine Wünsche ganz nach meinem Wohlgefallen richtest und nicht dich selbst liebst, sondern dich eifrig bestrebst, meinen Willen zu erfüllen. Oft werden Wünsche in dir wach und setzen dir heftig zu; aber überlege, ob hierbei meine Ehre oder mehr dein Vorteil dich antreibt. Bin ich das Ziel deiner Wünsche, wirst du gerne zufrieden sein, ob ich es so füge oder anders. Ist aber etwas Selbstsucht darin versteckt, so ist es eben dies, was dich hemmt und beschwert. Lasse dich deshalb auf einen voreiligen Wunschgedanken nicht zu viel ein, ohne mich um Rat gefragt zu haben.
Leicht kann dich später etwas gereuen oder abstoßen, was dir anfangs gefiel und von dir eifrig erstrebt wurde.
Man soll nicht jeder Regung, die einem gut erscheint, sogleich folgen; ebenso darf man auch nicht jeder entgegengesetzten von vornherein ausweichen wollen. Es ist durchaus angebracht, sich hier und da auch bei guten Zielen und Wünschen Zügel anzulegen, damit der Geist nicht durch ungestümes Drängen in Verwirrung gerät. Vielleicht würdest du anderen durch deine Unbeherrschtheit Ärgernis geben oder durch ihren Widerstand irre werden und zu Fall kommen.
Mitunter muss man dem sinnlichen Begehren kräftigen Widerstand entgegensetzen und darf nichts darum geben, was der Leib will, oder was er nicht will. Im Gegenteil: Man soll zu erreichen suchen, dass er sich dem Geiste auch wider seinen Willen unterwirft.
So lange muss er in Zucht genommen werden, bis er zu allem bereit ist und gelernt hat, sich mit Wenigem zu begnügen, am Einfachen Freude zu haben und bei Unannehmlichkeiten nicht zu murren.
Zwölftes Kapitel
Beharrlichkeit im Kampf gegen die Begierden
Herr, mein Gott, ich sehe, wie sehr ich Geduld benötige; denn es gibt in diesem Leben so viel Widerwärtiges.
Ich mag mich anstrengen, so viel ich will, um Frieden zu finden - ohne Kampf und Leid wird mein Leben nicht sein.
Du hast Recht, mein Sohn. Aber du sollst auch nach keinem Frieden suchen, der von Versuchungen frei ist oder Widerwärtigkeiten nicht empfindet.
Glaube vielmehr dann den wahren Frieden gefunden zu haben, wenn du durch mancherlei Trübsal geläutert und durch viele Widrigkeiten erprobt bist. Du sagst, du könntest nicht viel leiden. Wie willst du dann einst die Pein des Fegfeuers ertragen?
Von zwei Übeln soll man immer das kleinere wählen.
Um den künftigen Strafen in der Ewigkeit zu entgehen, suche die irdischen Übel Gott zuliebe mit Gleichmut zu ertragen.
Oder meinst du, die Weltmenschen hätten nichts oder nur wenig zu leiden? Das wirst du nicht einmal finden, wenn du die fragst, die sich alles erlauben können. Aber sie haben, wirst du einwenden, viele Vergnügungen, können tun und lassen, was ihnen beliebt, und empfinden daher die Unannehmlichkeiten des Lebens nicht so schwer. Es mag zutreffen, dass sie alles nach ihren Wünschen haben; aber wie lange, meinst du, wird das währen? Die in der Welt Überfluss haben, „werden wie der Rauch vergehen" (Ps 36,20), und keine Erinnerung an vergangene Freuden wird ihnen bleiben. Aber auch zu Lebzeiten können sie vor Widerwillen, Überdruss und Angst nicht zur Ruhe kommen.
Denn gerade das, was ihnen Genuss bringen soll, bringt ihnen oft genug Schmerz und Strafe ein.
Es geschieht ihnen recht! Weil sie maßlos nach Vergnügungen jagen und haschen, können sie diese nicht ohne bitteren Ekel und ohne Angst auskosten. Wie kurzlebig, trügerisch, ordnungswidrig und abscheulich sind doch alle diese Gelüste! Aber vor Trunkenheit und Verblendung kommen solche Menschen nicht zur Besinnung. Wie ein vernunftloses Tier rennen sie in ihrem Leben, das so schnell vergeht, dem kleinsten Vergnügen nach. Und was finden sie? Den Tod ihrer Seele. Deshalb, mein Sohn, „gehe nicht deinen Begierden nach und entsage deinem Eigenwillen" (Sir 18,30). „Freue dich im Herrn, und er wird dir die Wünsche deines Herzens erfüllen" (Ps 36,4).
Willst du dich wahrhaft freuen und in reichstem Maße Trost bei mir finden: Aus der Verachtung alles Weltlichen und im Verzicht auf alle niederen Gelüste wird dir Segen und reicher Trost strömen.
Und je mehr du dich allem Trost der Geschöpfe entziehst, desto erquickenderen und kräftigeren Trost wirst du in mir finden.
Aber dahin wirst du vorerst nicht ganz ohne seelische Not und mühevollen Kampf gelangen.
Die eingewurzelte schlechte Gewohnheit wird dich hindern, aber sie wird durch die bessere Gewohnheit überwunden werden.
Der Leib wird zwar aufbegehren, aber durch den Eifer des Geistes gezügelt werden. Die alte Schlange wird dich reizen und plagen: Aber durch das Gebet wird sie verscheucht, und durch nützliche Beschäftigung wird ihr überdies der Zugang versperrt.
Dreizehntes Kapitel
Demut und Gehorsam
Mein Sohn! Wer sich dem Gehorsam zu entziehen trachtet, entzieht sich auch der Gnade. Und wer nur Eigenes besitzen will, verliert das Gemeinsame.
Wer sich nicht gern und willig seinem Vorgesetzten unterwirft, zeigt damit, dass seine Sinne ihm noch nicht ganz gehorchen, sondern oft widerspenstig sind und sich sträuben. Lerne also, dich schnell zu unterwerfen, wenn du den eigenen Leib zu unterjochen wünschest.
Denn der äußere Feind wird leichter überwunden, wenn der innere Mensch heil ist. Keinen lästigeren und schlimmeren Feind der Seele gibt es, als du selbst es bist, wenn dein Inneres in Unordnung ist.
Du musst dir unbedingt eine aufrichtige Selbstverachtung aneignen, wenn du über Fleisch und Blut die Oberhand gewinnen willst.
Weil du dich bis jetzt gegen alle Ordnung viel zu sehr liebst, darum schreckst du davor zurück, dich dem Willen anderer gänzlich unterzuordnen.
Aber was ist denn Großes dabei, wenn du, Staub und ein Nichts, dich Gott zuliebe einem Menschen unterwirfst, da ich, der Allmächtige und Höchste, der alles aus nichts erschuf, mich dir zuliebe demütig dem Menschen unterworfen habe? Ich bin unter allen der Demütigste und Niedrigste geworden, damit du durch meine Demut deinen Stolz überwinden möchtest.
Lerne gehorchen, du Erdenstaub; lerne dich demütigen, der du Erde und Lehm bist, und dich unter alle Menschen zu erniedrigen. Lerne deinen Eigenwillen brechen und dich in jede Art des Gehorsams fügen. Eifere wider dich selbst und lass keinen Übermut in dir aufkommen, sondern zeige dich so unterwürfig und klein, dass alle über dich wie über Straßenstaub hinwegschreiten.
Was hast du, eitler Mensch, dich zu beklagen?
Was kannst du, elender Sünder, denen, die dir Vorwürfe machen, entgegnen, wo du Gott so oft beleidigt und hundertfach die Hölle verdient hast?
Aber mein Auge hat voll Schonung auf dich geschaut, weil deine Seele vor meinem Angesichte kostbar war, damit du meine Liebe erkennst und dich für meine Guttaten immerdar dankbar zeigst, dich wahrer Demut und Unterwürfigkeit befleißigst und in Geduld die Selbstverachtung auf dich nimmst.
(Quelle: "Dienst am Glauben", Heft 4-2017, S. 102-107, A-6094 Axams)
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