Die Realität des Fegefeuers darf nicht stillschweigend übergangen werden. Die Lehrelemente, die eine solche Aussage gestatten, finden sich im wesentlichen in der Heiligen Schrift und in der Tradition. Denn gerade die christliche Tradition übergibt uns die tröstliche Lehre vom Fegefeuer, von der Läuterung in der barmherzigen Liebe Gottes, der will, dass niemand verloren gehe. Ja, es genügt zu lieben, denn "Gott ist Liebe", und unsere Religion ist eine Religion der Liebe. Darum ist jede Sünde zunächst ein Mangel an Liebe. Sie ist ein Vergehen gegen Gottes Liebe. Daher muss sie auch durch die Liebe gesühnt werden: betende und sühnende Liebe in diesem Leben, leidende und verzehrende Liebe im jenseitigen Leben. Denn wer in der Gnade Gottes stirbt, aber noch nicht frei ist von allen Sünden und Sündenstrafen, kann nicht sofort in den Himmel eingehen, sondern kommt an einen Reinigungsort, den die Kirchenväter "Fegfeuer" oder "Reinigungsfeuer" nennen.
Die Armen Seelen sind erfüllt von bitterer Reue über ihre Sünden und von brennender Sehnsucht nach dem heiligen, guten Gott. Sie leiden umso mehr im Reinigungsort, je mehr sie die Gnaden der Bekehrung oder Vereinigung, die Gott ihnen tagtäglich angeboten hat, auf ihrem irdischen Pilgerweg vernachlässigt haben. Die Seelen im Fegefeuer heißen zurecht "Arme Seelen", hilfsbedürftige Seelen. Sie können nichts mehr für sich tun. Nur mehr sühnen, leiden, beten, bitten!
Die Leiden und Strafen der Armen Seelen sind nach dem heiligen Augustinus schlimmer als die Qualen der Märtyrer. Thomas von Aquin, der große Theologe, Kirchenlehrer und Heilige, lehrt: "Die geringste Strafe im Fegfeuer ist schlimmer als das größte Leid auf Erden." ...
Wüssten wir, was das Fegfeuer ist, wir würden alles tun, um es zuDie Hl. Messe - die Befreiung der Armen Seelen vermeiden. Nach den Zeugnissen vieler Heiliger und der Armen Seelen selbst gibt es drei Läuterungszonen im Fegfeuer. Die unterste Zone liegt nach der hl. Franziska Romana ganz nahe der Hölle. Zu ihr haben sogar die Dämonen noch Zutritt; davon berichten auch die hl. Birgitta, Mechthild von Magdeburg, Maria Anna Lindmayr, Anna Katharina Emmerich und die stigmatisierte Barbara Pfister. Die Leiden der Armen Seelen sind jedoch tausendfach verschieden, je nachdem, worin und womit sie gesündigt haben; z.B. Sünden gegen die Liebe wie Ehrabschneidung, Verleumdung, Unversöhnlichkeit, Streitereien durch Habgier und Neid werden in der Ewigkeit sehr streng bestraft.
Anna Katharina Emmerich, die große deutsche Ordensfrau, Seherin und Stigmatisierte, hat einmal gesagt: "Alles, was der Mensch denkt, spricht und tut, hat in sich etwas Lebendiges, das fortwirkt zum Guten oder zum Bösen. Wer Böses getan, muss eilen, seine Schuld durch Reue und Bekenntnis im Sakrament der Buße zu tilgen, sonst kann er die Folgen des Bösen in ihrer ganzen Entwicklung nur schwer oder gar nicht mehr verhindern. Ich habe dies bei Krankheiten und Leiden mancher Menschen und bei dem Unsegen mancher Orte oft körperlich gefühlt, und es ist mir immer gezeigt worden, dass ungebüßte und unversühnte Schuld eine unberechenbare Nachwirkung hat. Ich sah die Strafen mancher Sünder bis an den späten Nachkommen wie als etwas natürlich-Notwendiges, ebenso wie die Wirkung des Fluches, der auf ungerechtem Gute liegt, oder den unwillkürlichen Abscheu vor Orten, wo große Verbrechen geschehen sind. Ich sehe dies als so natürlich und notwendig, wie der Segen segnet und das Heilige heiligt..."
Pater Pio, der 1968 im Rufe der Heiligkeit starb, war ein großer Helfer der Armen Seelen. Er trug die Stigmata, die Wundmale Christi, hatte die Gabe der Seelenschau und die Gabe der Bilokation. Unzählige Seelen durfte er durch Gebet, Opfer und Sühneleiden aus den Qualen der Läuterung befreien. Pater Pio, während der hl. Wandlung in Ekstase versunken, schaute Christus in der konsekrierten Hostie. Er opferte sich für die Sünder und für die Armen Seelen im Fegfeuer. ... Pater Pio, der 50 Jahre die Wundmale Christi trug, ist ein unübersehbares Erinnerungsmal an die gekreuzigte und kreuzigende Liebe Jesu Christi, ein leuchtendes Zeichen des stellvertretenden Opferns und Sühnens.
Auch P. Pio sind die qualvollen Prüfungen, die Gott allen jenen vorbehält, die ihn am meisten lieben, nicht erspart geblieben: die dunkle Nacht der Seele, das tiefe Schweigen Gottes, die Zeit der Finsternis und der scheinbaren Gottverlassenheit, in der das Gnadenlicht erlischt und der Glaube dunkel und schwer wird. Denn die Seelen haben ihren Preis; sie müssen erkauft werden durch Leid und Nacht, durch Gebet, Opfer und Sühne: das ist das Geheimnis des Kreuzes.
Über fünfzig Jahre ist dieser stigmatisierte Kapuziner ein von Gott Gezeichneter gewesen, aus dessen Wunden das Blut geflossen ist. Über fünfzig Jahre hat sich dieser stigmatisierte Priester dem Herrn als Sühneopfer angeboten. P. Pio hat das Leid in seinem Leben aus der Kraft des Glaubens bewältigt. Und was ihn besonders auszeichnete, war seine heroische Gottes- und Nächstenliebe, seine Treue zur Kirche. Sein Leben ist ein leuchtendes Zeichen der Fruchtbarkeit des Evangeliums.
Auch Therese Neumann, die Stigmatisierte von Konnersreuth, durfte durch ihr heroisches Sühneleiden vielen Armen Seelen helfen. Besonders während der Nacht hat sie viel für die Armen Seelen gebetet, zu Allerseelen meist die ganze Nacht hindurch. Therese Neumann, die 1962 starb, hat viele Schmerzen und Leiden für die Armen Seelen erduldet und aufgeopfert. Sie durfte dadurch vielen Armen Seelen, die sie in ihrer originellen, urwüchsigen Art "Bettelkatzeln" nannte, helfen. Die Stigmatisierte von Konnersreuth war eine große Helferin der Armen Seelen, die ihr sichtbar erschienen und sie um ihre Hilfe baten. Oft sprach sie von der "unaussprechlichen Not" der Armen Seelen und von den "Qualen", die sie zu erdulden haben...
Die Seelen im Fegfeuer leiden große Qualen, und die Ursache ihres Leidens ist die Sünde. Sie leiden darunter, die Liebe auf Erden nicht so geliebt zu haben, wie sie das hätten tun müssen und können. Die Reue über die Sünde und die Sehnsucht nach Gott scheinen die entscheidende Qual des Fegfeuers zu sein. ... Anna Katharina Emmerich, die die Verstorbenen schauen durfte und die in ihren Visionen das Fegfeuer erlebte, sagte, dass man den Armen Seelen im Gesichte eine unaussprechliche Freudigkeit anmerke wegen ihrer Erinnerung an die Barmherzigkeit Gottes und an ihre bevorstehende Erlösung. ... Anna Katharina Emmerich war von tiefem Mitleid für die Armen Seelen im Fegfeuer erfüllt, für die sie Schmerzen, Sorgen und Krankheit litt und aufopferte, um ihnen zu helfen. Oftmals klagte sie: "Es ist traurig, wie jetzt so wenig den Armen Seelen geholfen wird. Und ihr Elend ist doch so groß, sie selber können sich ja gar nicht helfen. Wenn aber jemand für sie betet, etwas für sie leidet, ein Almosen für sie spendet, das kommt ihnen augenblicklich zugute. Sie sind dann so froh, so selig wie ein Verschmachtender, dem ein frischer Trunk gereicht wird."
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, was Maria Anna Lindmayr über das Los der Verstorbenen schreibt. ... Kein Theologe könnte uns die Lehre von den Letzten Dingen, vor allem über den Reinigungs- und Reifeprozess im Jenseits, so anschaulich und plastisch schildern, wie diese große Mystikerin aus dem Karmeliterorden es vermag. ... Anna Katharina Emmerichs Visionen haben Aufsehen erregt. ...
Am verlassensten sind nach Anna Katharina Emmerich und Maria Anna Lindmayr jene Seelen, die nicht der Katholischen Kirche angehören, da sie von ihren Angehörigen, die nicht an das Fegfeuer glauben, verlassen sind. Niemand betet für sie, keiner schenkt ihnen gute Werke. Besonders fehlt das hl. Messopfer, das durch nichts ersetzt werden kann. Am längsten und schwersten leiden die hartherzigen Menschen; auch jene, von denen der
selige Heinrich Suso berichtet: "Es gibt Menschen. die Gott so erzürnt haben, dass sie bis zum Jüngsten Tag im Fegfeuer leiden müssen. Es sind die frevelhaften Sünder, die ihre Besserung bis an ihr Lebensende verschieben und dann vor dem Sterben eine kleine Reue aufbringen..."
Maria Anna Lindmayr berichtet in ihren Aufsehen erregenden Tagebuchaufzeichnungen, dass Arme Seelen bis zu "etlichen hundert Jahren" im Fegfeuer sind. Und nach Anna Katharina Emmerich steigt Jesus jedes Jahr am Karfreitag ins Fegfeuer, um die eine oder andere Seele seiner Feinde zu befreien, die Zeuge seines bitteren Leidens und Sterbens war. ...
Zu Maria Lataste, einer großen Sühneseele und Helferin der Armen Seelen, sagte der Heiland: "Bete für sie, denn damit betest du für dich selber... Sind sie erlöst, dann hast du in ihnen ebenso viele Fürsprecher im Himmel, damit du, solange du noch auf Erden weilst, immer heiliger und nach dem Tod bald aus dem Fegfeuer befreit wirst..."
Dass man den Armen Seelen wirksam helfen kann, wissen nur mehr wenige Menschen. Am meisten können wir den verstorbenen Angehörigen durch das heilige Messopfer helfen - es kann durch nichts ersetzt werden. ... Besonders viel helfen die "Gregorianischen Messen", bei denen an dreißig aufeinander folgenden Tagen die heilige Messe für einen Verstorbenen dargebracht wird.
Jedes Leiden, ob körperlich oder seelisch, das für die Armen Seelen im Geiste der stellvertretenden Sühne aufgeopfert wird, bringt ihnen große Erleichterung. ... Von Johannes Maria Vianney, dem heiligen Pfarrer von Ars, ist bekannt, dass er Gott gebeten hat, nachts für die Amen Seelen leiden zu dürfen...
Das Rosenkranzgebet ist nach dem heiligen Messopfer das wirksamste Mittel, den Armen Seelen zu helfen. Durch den Rosenkranz werden täglich unzählige Arme Seelen erlöst, die sonst noch viele Jahre leiden müssten. Wir empfehlen sie dadurch der mächtigen Fürsprache der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, die den Armen Seelen als ihre große Trösterin besonders gern hilft. Sie sagte zur hl. Birgitta: "Ich bin die Mutter aller, die im Fegfeuer sind. Alle ihre Leiden werden durch meine Fürsprache stündlich gemildert."
Auch das Beten des Kreuzweges bringt den Armen Seelen große Linderung, wenn wir dabei das Leiden und Sterben Jesu und die Tränen der Schmerzensmutter für sie aufopfern. Wir können nach jeder Station hinzufügen: "Gekreuzigter Herr Jesus Christus, erbarme dich unser und der Armen Seelen im Fegfeuer."
Sehr hilfreich ist für die Verstorbenen auch der alte Brauch, zu den heiligen 5 Wunden Christi zu beten.
"Unschätzbar sind die Ablässe", sagen die Armen Seelen bei Maria Simma, deren Charisma darin besteht, durch Gebet und Sühneleiden den Armen Seelen zu helfen. Der Ablaß ist nämlich der vor Gott gültige Nachlass zeitlicher Strafen, die hier oder im Jenseits noch abzubüßen sind. ...
Als besonders wohltuend für die Armen Seelen, die sich selbst nicht mehr helfen können, bezeichnet Maria Anna Lindmayr das Weihwasser. Die leidenden Seelen, die auf unsere Hilfe warten, spüren die reinigende und heiligende Kraft des Weihwassers, aber auch die Liebe, mit der es täglich gegeben wird. ...
Nach Maria Simma hilft auch das Brennen von Kerzen den Armen Seelen; zunächst weil es ein Akt der Aufmerksamkeit und Liebe ist, dann weil die Kerzen geweiht sind und ihr Licht in die Finsternis der Armen Seelen hineinleuchtet. ...
Gerade die verlassenen Priesterseelen sind besonders dankbar und treu. Sie haben eine große fürbittende Macht bei Gott. Unzähligen Menschen haben sie schon geholfen. ...
Die heilige Katharina von Bologna schreibt: "Oft habe ich das, was ich durch die Anrufung der Heiligen im Himmel lange nicht erhalten konnte, sogleich erlangt, wenn ich meine Zuflucht zu den leidenden Seelen im Fegfeuer genommen habe..."...
Wer die Gnadennovene hält und den Armen Seelen hilft, wird wahre Wunder erleben. Denn die Armen Seelen sind dankbar und treu."
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