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TRIALOG DER KULTUREN
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TRIALOG DER KULTUREN
Eine Spurensuche
Ein Religionsgespräch zwischen Judentum, Christentum und Islam über den Glauben? Eine Atmosphäre, die dem gegenseitigen Kennenlernen, der Begegnung und dem friedlichen Ringen um die Wahrheit förderlich ist? Zunächst waren derartige Gesprächssituationen innerhalb des frühen islamischen Herrschaftsbereiches am ehesten denkbar, so das Urteil der Historiker. Dies mag allzu idealisierend klingen, doch waren die ersten muslimischen Herren in religiösen Fragen duldsamer als ihre byzantinischen und sassanidischen Vorgänger. Von der christlichen und jüdischen Bevölkerung wurden sie weniger als Feinde denn als Glaubensgegner wahrgenommen. Die Auseinandersetzung um den Glauben fand als gelehrter Disput oder Briefwechsel oder, populärer ausgerichtet, als Religionsgespräch statt, das von einem muslimischen Herrscher, manchmal auch unter seiner Beteiligung, geführt wurde. Im islamischen Herrschaftsbereich waren Juden und Christen als "Buchbesitzer" ja rechtlich nicht zur Aufgabe ihres Glaubens und zu Annahme des Islam gezwungen, auch wenn die Möglichkeit zur Konversion permanent bestand. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen - Juden und Christen wurde eine Kopfsteuer auferlegt - und aufgrund sozialen Drucks wurde sie von der christlichen Bevölkerung verstärkt genutzt. Nur durch Konversion konnte man dem Schicksal eines Bürgers zweiter Klasse entgehen. Zu einer wesentlichen Verschlechterung der Beziehungen und zu einer zunehmenden sozialen Isolation der Christen in der islamischen Gesellschaft führten jedoch erst die Kreuzzüge.
Eine christliche Obrigkeit für muslimische Untertanen sah das islamische Recht umgekehrt nicht vor. Doch ab dem 11. Jahrhundert, mit der Rückeroberung Siziliens und dem Beginn der sogenannten Reconquista (Rückeroberung) des seit 719 unter muslimischer Herrschaft stehenden Spanien, stellte sich das Problem faktisch. Vor dieser Zeit mußten muslimische Bürger von Byzanz zurückeroberte Gebiete ohne Ausnahme verlassen oder aber zum Christentum übertreten. Nun wurden in Sizilien und Spanien Sonderregeln erarbeitet, die die freie Religionsausübung und eine entsprechende Gerichtsbarkeit gewähren sollten, und erst ab 1502 wurden die unter christlicher Herrschaft lebenden spanischen Muslime und Juden gezwungen, entweder den christlichen Glauben anzunehmen oder auszuwandern.
Aus islamischer Sicht besaß das Christentum eine unzweifelhafte Bedeutung als Vorläuferreligion, die nach dem Erscheinen des Islam jedoch von begrenztem Wert war. Für die Christen stellt der Islam ein viel schwierigeres Problem dar, da er als nachchristliche Religion den Absolutheitsanspruch der christlichen Religion in Frage stellt. Die byzantinischen Theologen schwankten zunächst zwischen der Bewertung der Muslime als Häretiker (heretici) oder als Heiden (ethnici bzw. pagani oder gentiles). Während der Theologe Johannes von Damaskus (gestorben um 750) dem Islam noch einen Platz in der christlichen Ketzergeschichte zuwies, setzte sich bis zur Hochscholastik die zweite Deutung durch. Allerdings blieb auf christlicher Seite stets das Bewußtsein erhalten, daß der Islam aufgrund seines Monotheismus anders zu bewerten sei als das polytheistische Heidentum, ein wichtiger Faktor im Blick auf die Atmosphäre eines Religionsgesprächs.
Im frühen islamischen Herrschaftsbereich lebten verschiedene heterodoxe christliche Gruppen nebeneinander (Nestorianer, Jakobiten), die sich zwar verbal bekämpften, aber darüber doch die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten nicht vergaßen.
Gerade für diese christlichen Gruppierungen war es naheliegend, auch mit dem Islam eine ähnliche Form der Auseinandersetzung zu pflegen. Die außerhalb islamischer Herrschaft lebenden byzantinischen oder lateinischen Theologen hatten hingegen selten eine Kenntnis des Islam aus erster Hand. Selbst wenn die griechisch und lateinisch geschriebene Kontroversliteratur formal als Dialog oder Trialog gestaltet war, so fehlte den Christen doch das lebendige Gegenüber, und der in all diesen Gesprächen auftauchende Muslim äußerte seine Glaubensansichten stets so, wie ein Christ sie sieht bzw. wie sie christlichem Wunschdenken ensprachen.
Bereits im Anfangsstadium der Kreuzzüge begann im Abendland ein neues Nachdenken über den Islam, von dem man eher vage Vorstellungen hatte. Petrus Venerabilis versuchte als erster, dem Gedanken Gehör zu veschaffen, daß man den Islam nicht mit dem Schwert, sondern allein mit den Waffen des Geistes und der Liebe überwinden könne - der Beginn einer neuen inneren Haltung und eines ernsthaften Studiums des Islams im Westen. Die Bettelorden nahmen den Impuls auf und widmeten sich dem Studium des Arabischen, hier ist der Beitrag von Raimundus Lullus hervorzuheben. Im Zuge dieser friedlichen Missionsbemühungen wurde im Abendland erstmals ein differenzierteres Bild des Islam möglich. Die Tradition von Religionsgesprächen wurde durch die Missionstätigkeit der Bettelorden belebt, man denke etwa an das Gespräch Franz von Assisis mit dem Sultan al-Malik al-Kamil (1219). Nach dem Fall von Konstantinopel im Jahre 1453 erhielt einerseits der Kreuzzugsgedanke neuen Auftrieb, doch gleichzeitig kam im Briefwechsel von Nikolaus von Kues und Johannes von Segovia erstmals der Gedanke eines "Konzils zwischen den Religionen" auf. Die politische Entwicklung erstickte diesen zukunftweisenden Ansatz, doch fand der Gedanke seinen literarischen Niederschlag in Nikolaus' Schrift "De pace fidei".
Zweifellos war aber insbesondere die Situation auf der liberischen Halbinsel, vor allem im 12. und 13., aber noch bis ins 15. Jahrhundert, im Blick auf einen "Trialog der Kulturen" herausragend fruchtbar. Was hier an Kultur- und Wissenstransfer, an soziokulturellen und religiösen Aneignungs- und Transformationsprozessen, an alltagsweltlichen Begegnungen, an überwiegend friedlicher Konfliktbewältigung zwischen Juden, Christen und Muslimen stattgefunden hat, ist noch nicht umfassend erforscht und in seiner ganzen Bedeutung erfaßt. Die hier zu erwartenden Aufschlüsse über Bedingungen, Erfordernisse und Verläufe interreligiöser Kontakte und Begegnungen dürften aber von höchstem Interesse sein im Hinblick auf drängende Herausforderungen unserer eigenen Zeit.
Susanne Sandherr
Quelle: Mangnificat, Verlag Butzon & Bercker
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