Hl. Bruno der Kartäuser
Der hl. Bruno wurde um 1030 in Köln geboren. Nach dem Studium in Paris wurde der reich begabte Bruno Chorherr in Köln, späer in Reims, wo er Leiter der Domschule wurde. Nach dem Tode seines Bischofs mußte er sich vor dessen weltlich gesinntem Nachfolger auf dem Lande verbergen. Dort faßte er den Entschluß, der Welt zu entsagen und ein Leben der Buße zu führen. Mit sechs Gefährten wandte er sich an den Bischof von Grenoble, Hugo von Châteauneuf, der ihnen die Einöde des Tals der Chartreuse zur Verfügung stellte. Dort führten sie ein Leben in äußerster Armut und Askese, nach Art der Einsiedler, jeder in seinem eigenen Zellenhäuschen. Nur zur den Gottesdiensten trafen sie sich in der Kirche.
Sechs Jahre später berief Papst Urban II., der einst einer von Brunos Schülern war, diesen als seinen Seelenführer und Ratgeber nach Rom. Als Bruno jedoch zum Erzbischof von Reggio ernannt werden sollte, bat er darum, sein Einsiedlerleben wieder aufnehmen zu dürfen und zog sich mit Erlaubnis des Papstes in eine Höhle bei Squillace in Kalabrien zurück, wo er in der dort errichteten Einsiedelei bis zu seinem Tode am 6. Okober 1101 lebte.
Beim Anschauen des Films Die große Stille ist mir noch einmal bewußt geworden, wie sehr das Leben der Kartäuser – für die ich große Bewunderung habe – das ist, was die kleine hl. Therese ein „Leben des Todes“ genannt hat: die Glocke scheint auf eine tote Stadt hinunterzuklingen, dieses Leben in der Einsamkeit ist wie ein Leben im tiefen, ewigen Schweigen des Grabes. André Frossard schreibt über das Leben der Kartäuser:
Die Chartreuse ist das strengste unter allen Klöstern. Es ist kirchenrechtlich gestattet, daß ein Ordensmann aus seinem eigenen Orden immer in den des heiligen Bruno hinüberwechseln darf: damit erwählt er nur eine höhere religiöse Lebensform. Die Befolgung der Regel der Kartäuser erfordert, so hat die Kirche festgestellt, von allein schon die Ausübung „heroischer“ Tugend. Anders ausgedrückt, wenn ein Kartäuser sich darauf festlegt, bis zu seinem Tode die Regel tatsächlich und uneingeschränkt zu befolgen, so ist er ipso facto wert, kanonisiert zu werden, ohne weiteren Selig- und Heiligsprechungsprozeß. Aber seliggesprochene Kartäuser sind selten. Der heilige Bruno hat seinem Orden seine eigene Auffassung über die völlige Auslöschung seiner Person hinterlassen. Ehe der Novize beim Eintritt das weiße Habit seines neuen Standes empfängt, kleidet er sich in die schwarze Kutte, das Symbol der Trauer um den Menschen, der gewesen ist. Von diesem Tag an beginnt er zu verschwinden. Man wird ihm einen neuen Namen geben. Er wird „Dom Jean Baptiste“ oder Dom Raphael sein; wenn er schreibt und wenn seine Werke für eine Veröffentlichung würdig erscheinen, so zeichnet er sie nicht.
Auf den Friedhöfen des Ordens tragen die Kreuze keine Namen. … Nur wenigen Kennern der Mystik oder solchen Christen, die wißbegierig nach dem geistlichen Leben sind, sind Denys le Chartreux oder Dom Innozenz Le Masson ein Begriff: es waren zwei Zierden des Ordens, neben dem heiligen Bruno, die niemand kennt, nicht einmal ihre Biographen. Die Namenlosigkeit wird den Wänden der Zelle und dem Schweigen hinzugefügt wie eine zusätzliche Klausur. Aber diese Selbstauslöschung, in den Augen der Welt allerdings ziemlich niederdrückend, ist nur die negative Erscheinung einer Auferstehung zum Licht, die aus der schwachen und armseligen Kreatur, die wir sind, nach und nach einen Bruder der Engel macht – wenn auch einen in der Verbannung. …
Wir kennen den Himmel nur in der dunklen Form der Glaubensgeheimnisse und für ein Wesen aus Fleisch und Blut ist es ein ebenso hartes, aufregendes und gefährliches Abenteuer, aus dieser Welt herauszutreten, um in die klare Geistigkeit einzutauchen, wie es für Christoph Kolumbus der Aufbruch (ohne Möglichkeit der Rückkehr) nach einem zwar vermuteten aber unbekannten Lande war. Auch er fand im Glauben an Vernunft seinen Halt; auch er glaubte an die Sterne; aber man darf sich vorstehen, daß er gewiß mehr als einmal vor diesem entsetzlichen, diesem immerwährend fließenden Horizont sich gefragt haben mag, ob die Sterne nicht doch lügen, ob der Glaube nicht doch trügerisch und ob die Vernunft auch wirklich ein gutes Navigationsinstrument sei.
Der Kartäuser, der von unseren Ufern abgeschnitten ist und sich der Gnade Gottes dem Wasser anvertraut hat, muß wie der Held der Santa Maria durch Furcht und Hoffnung hindurchsteuern. Nach dem Enthusiasmus, mit dem Schiff und Segel gerüstet und seetüchtig gemacht worden sind, erfolgt erst auf dem offenen Meer die Bewährung. Er treibt ohne Ende, mit beigesetzten Segeln, inmitten des grenzenlosen Ozeans, aus dem man verzweifelt herauszukommen trachtet; und selbst der Verstand, der doch die Abreise befahl, wagt nicht einmal mehr, den Rat zum Durchhalten zu erteilen. Man sagt, daß etwa um die vierzig Jahre herum (setzen wir dafür den vierzigsten Tag der Seereise) der einsame Seefahrer des geistlichen Lebens ernstlich zu zweifeln anfängt, ob Westindien überhaupt eines Tages am Ende seines Fernrohres auftauchen wird. Seine Opfer scheinen ihm vergeblich, er wird ihre Früchte niemals schauen; der Nächste, den er zu retten wünscht, sieht über ihn hinweg, verachtet oder haßt ihn sogar. Im Dunkel der ihn einhüllenden Nacht nimmt dieser Held seinen Weg von Stern zu Stern; er weiß, es gibt eine andere Welt als diese hier! Er ist die Vorhut der Christenheit.
André Frossard hat seinem immer wieder lesenswerten Büchlein Mönche und Jesuiten der Beschreibung der Eindrücke, die er gewonnen hat, eigene Zeichnungen beigegegeben – hier zwei, die er zur Erläuterung des Aufbaus einer Kartause gemacht hat. Über den heiligen Bruno und die Anlage einer Kartause schreibt Frossard:
Absichtslos wie immer stellt er auf Anhieb den vollkommenen Plan, das endgültige Modell für alle Kartäuserklöster aller Zeiten auf: eine Reihe einzelner Zellen, die durch einen gedeckten, zur Kirche führenden Gang miteinander verbunden sind. (Im Anfang werden es Hütten gewesen sein, die auf Kosten des guten Bischofs von Grenoble erstellt wurden). Eben dadurch ist das Einsiedlerleben der Wüstenväter mit dem Leben in der Gemeinschaft, wie es der hl. Benedikt in seiner Regel festgelegt hate, auf großartige Weise vereinigt. Nachdem er diese Dinge geordnet hatte, begab sich der hl. Bruno über die Alpen, um dort zu sterben, vorher aber schlug er nochmals ein Erzbistum aus, für eine Grotte in Kalabrien.


Der Kartause an der Stelle der „Grotte in Kalabrien“ wird übrigens wenige Tage nach dem Hochfest des hl. Bruno in diesem Jahr die Ehre zuteil, daß Papst Benedikt sie besucht. Ich kann mir vorstellen, daß sowohl die Mönche als auch Papst Benedikt selbst eine kindliche Freude an diesem Besuch haben.

Die Kartause – ein Abbild der Wüste. Obwohl es dort so still ist, daß man den Schlag der Glocke weithin hört, täuscht der Eindruck beständigen Schweigens. Es ist vielmehr ein Leben des Stehens vor Gott, zu dem man schreien, mit dem man hadern, den man lobpreisen, und vor dem man sich auch einsam und alleingelassen fühlen kann.
Vor einiger Zeit hat Paul Badde ein Interview mit dem Prior der deutschen Kartause Marienau geführt. Der Prior seinerzeit: Es ist aus, wenn der Dialog verkümmert und irgendwann aufhört. Eigentlich trifft diese elementare Aussage des Priors auf jeden zu, der Christus als Kleriker oder im geweihten Leben nachfolgt: Es ist aus, wenn wir anfangen, ihn anzuschweigen.
Am besten gefallen mir die Worte: Wir warten doch Tag und Nacht auf nichts anders als dies: eines Tages dem, der mich liebt, in die Augen zu sehen. Aus diesen schlichten Worten geht zugleich sehr deutlich hervor, was ein solches Leben schön macht – eine Liebesgeschichte halt.
„Die meisten gehen wieder. Der Orden bleibt. Einige verlassen uns nach Stunden, andere nach Tagen, manche erst nach 20 Jahren.“ So spät noch? Wie kommt es da noch zur Trennung? „Wie in einer Ehe“, sagt der Mönch, „wenn der Dialog verkümmert und irgendwann aufhört.“ Der Dialog mit den Männern dieses Schweigeordens? „Nein, nein, der Dialog mit Gott natürlich. Das Leben eines Kartäusers ergibt doch nur Sinn durch dieses ständige Gespräch mit ihm, selbst wenn wir hadern und streiten, selbst wenn wir ihn zur Not verzweifelt anschreien. Doch es ist aus, wenn wir anfangen, ihn anzuschweigen! Das ist das Ende. Wir leben doch eine Liebesgeschichte. Wie sonst ließen sich die Härten ertragen und die Einsamkeit? Wir warten doch Tag und Nacht auf nichts anders als dies: eines Tages dem, der mich liebt, in die Augen zu sehen.“