Christsein - Mystik - Gaben, Charismen, Früchte. > Christsein im Alltag
FÜR JEDEN NEUEN TAG
amos:
LEIDEN SPÜREN
Es gibt kein fremdes Leid.
Konstantin Simonow
Je unfähiger wir werden, das eigene Leid zu spüren,
desto leichter fällt es uns, fremdes Leiden zu ertragen.
Leszek Kolakowski
Ein Ehepaar, beide berufstätig, hastet kurz vor Weihnach-
ten in ein Spielwarengeschäft und erläutert der Verkäufe-
rin: "Wir sind den ganzen Tag von zu Hause weg und haben
eine kleine Tochter. Wir brauchen etwas, das die Kleine
erfreut, sie lange beschäftigt und ihr das Gefühl des Allein-
seins nimmt." - "Tut mir leid", lächelt die Verkäuferin freund-
lich, "Eltern führen wir nicht im Sortiment."
Martin ist kürzlich 14jährig gestorben. Von Geburt an kör-
perbehindert, war er seit acht Jahren gelähmt. Er kannte
viele Kliniken und Krankenhäuser. Er kannte die Welt der
Rollstühle, der Sauerstoff-Flaschen, der Stethoskope. Mar-
tin hatte einen hellen Verstand. Er hat alles begriffen. Er
wußte, was ihm bevorstand.
Und genau so, wie wir es immer befürchtet hatten, daß sein
Ende einmal sein würde, so war es dann auch. Sein Sterben
war sehr mühsam. Es bestand darin, daß er langsam erstickte.
Ich frage dich, Herr, warum mußte dieser Junge mit den
freundlichen, sanften Augen so lange leiden? Warum sagst
du uns nicht, warum dies alles so sein muß? Ich frage dich
immer wieder, was war der Sinn dieses Lebens und dieses
qualvollen Sterbens?
***
Es ist wichtig, sich Menschen vor Augen zu stellen, die
bewußt gelitten haben; Leute, die wir kennen, die im Leiden
gütiger und nicht bitterer geworden sind,solche, die freiwil-
lig Leiden auf sich genommen haben um anderer willen. Es
gibt solche Menschen, und die Stärkung, die von ihnen aus-
geht, ist der Trost der Heiligen.
Dorothee Sölle
amos:
SPANNUNG AUSHALTEN
Widersprüche sind kein Zeichen von Schwäche.
Marcel Jouhandeau
Ich bin außer mir vor Wut, aber ich darf es nicht zeigen.
Jeder findet mich übertieben, wenn ich nur den Mund auf-
tue, lächerlich, wenn ich still bin, frech, wenn ich eine Ant-
wort gebe, raffiniert, wenn ich mal eine gute Idee habe, faul,
wenn ich müde bin, egoistisch, wenn ich mal einen Löffel
mehr nehme, dumm, feige, berechnend. Den ganzen Tag
höre ich nur, daß ich ein unausstehliches Geschöpf sei, und
wenn ich auch darüber lache und so tue, als wenn ich mir
nichts daraus machte, ist es mir wirklich nicht gleichgültig.
Ich möchte den lieben Gott bitten, mir eine Natur zu schen-
ken, die nicht alle gegen mich aufbringt. Das geht jedoch
nicht. Meine Natur ist mir gegeben, aber ich bin nicht
schlecht, ich fühle es. Ich bemühe mich mehr, es allen recht
zu machen, als sie es nur im entferntesten ahnen. Ich lache
mit ihnen, um meinen tiefen inneren Kummer nicht zu zei-
gen.
Anne Frank
Herr, mein Gott: Wir Menschen und Meere -
sollen wir denn stets zwischen Ebbe und Flut schwingen?
Helder Camara
Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
laßt dies Herz alleine haben
seine Wonne, seine Pein!
Was ich traure, weiß ich nicht,
es ist unbekanntes Wehe;
immerdar durch Tränen sehe
ich der Sonne liebes Licht.
Oft bin ich mir kaum bewußt,
und die helle Freude zücket
durch die Schwere, die mich drücket,
wonniglich in meiner Brust.
Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
laßt dies Herz allein haben
seine Wonne, seine Pein!
Eduard Mörike
amos:
NÄHE ERFAHREN
Wenn ein Mensch nicht spürt,
daß er geliebt und angenommen ist,
nützt alle Weisheit nicht, ihn glücklich zu machen.
Barbara Herzog
Wir erzählen ein bißchen von uns,
du zeigst mir die Stadt
bei einem Einkaufsbummel,
und es ist schön,
mit deinen Augen zu sehen.
In einem Caféhaus schreibst du
ein paar verrückte Worte
und ein Ich-mag-Dich
auf einen Bierdeckel,
und unser Tisch ist eine Insel
im Gemurmel des Mittagsbetriebes.
Wir wollen Freunde sein,
miteinander reden,
es gibt so vieles,
was wir nicht
voneinander wissen,
so viele Bierdeckel,
auf die wir schreiben können
ich liebe Dich.
Bert Metzkow
Man braucht nur eine Insel
allein im weiten Meer.
Man braucht nur einen Menschen,
den aber braucht man sehr.
Mascha Kaléko
Wo ich gehe Du.
Wo ich stehe Du.
Du, Du,
wieder Du,
immer Du,
Du, Du, Du.
Ergeht's mir gut,
Du.
Wenn's weh mir tut,
Du.
Du, Du,
wieder Du,
immer Du,
Du,Du, Du.
Himmel: Du,
Erde: Du,
Oben: Du,
Unten: Du.
Wohin ich mich wende,
an jedem Ende: nur Du,
wieder Du,
immer Du,
Du, Du, Du.
Martin Buber
Am Sabbat lehrte Jesus in einer Synagoge. Dort saß eine
Frau, die seit achtzehn Jahren krank war, weil sie von einem
Dämonen geplagt wurde; ihr Rücken war verkrümmt, und sie
konnte nicht mehr aufrecht gehen. Als Jesus sie sah, rief er
sie zu sich und sagte: "Frau, du bist von deinem Leiden
erlöst." Und er legte ihr die Hände auf. Im gleichen Augen-
blick richtete sie sich auf und pries Gott.
Lukas 13, 10-13
amos:
SCHWÄCHE ZULASSEN
Man fällt nicht, weil man schwach ist,
sondern weil man meint, stark zu sein.
Jüdisches Sprichwort
Tagsüber darf er keine Schwäche zeigen.
Tagsüber muß er sich korrekt verhalten.
Tagsüber muß er gepanzert sein.
Tagsüber darf er sich kein Gefühl erlauben.
Erst am Abend,
im Kreis der Freunde,
hört man, wie ihm die Steine
vom Herzen fallen.
Erst nach Mitternacht sagt er ganz leise:
"Wenn ich ehrlich bin..."
Martin Gutl
In meinen Beziehungen zu Menschen habe ich herausge-
funden, daß es auf lange Sicht nicht hilft, so zu tun, als wäre
ich jemand, der ich nicht bin. Es hilft nicht, ruhig und freund-
lich zu tun, wenn ich eigentlich ärgerlich bin und Bedenken
habe. Es ist nicht hilfreich, so zu tun, als wüßte ich Antwor-
ten, wenn ich sie nicht weiß. Es hilf nicht, den liebevollen
Menschen zu spielen, wenn ich im Augenblick eigentlich
feindlich gestimmt bin. Es hilft nicht, so zu tun, als wäre ich
voller Sicherheit, wenn ich eigentlich ängstlich und unsi-
cher bin. Es hilft nicht, so zu tun, als sei ich gesund, wenn ich
mich krank fühle. Es ist für mich einfacher, mich als einen
unvollkommenden Menschen zu akzeptieren, der keines-
falls zu jeder Zeit so handelt, wie er handeln möchte.Man-
chen mag diese Entwicklung befremdlich erscheinen, mir
ist sie wertvoll. Denn: Wenn ich mich so akzeptiere, wie ich
bin, dann ändere ich mich.
Carl R. Rogers
Ich bin eigentlich ganz anders,
aber ich komme so selten dazu.
Ödön von Horvath
amos:
VORURTEILE ABBAUEN
Vorurteile: eine Meinung, die einen Menschen hat.
Ein Mensch, der, sagen wir, als Christ
streng gegen Mord und Totschlag ist,
hält einen Krieg, wenn überhaupt,
nur gegen Heiden für erlaubt.
Die allerdings sind auszurotten,
weil sie des wahren Glaubens spotten!
Ein andrer Mensch, ein frommer Heide,
tut keinem Menschen was zu leide,
nur gegenüber Christenhunden
wäre jedes Mitleid falsch empfunden.
Der ewigen Kriege blutige Spur
kommt nur von diesem kleinen "nur".
Eugen Roth
Johannes sagte zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie
jemand in deinem Namen Dämonen austrieb, und wir ver-
suchten, ihn daran zu hindern, weil er nicht mit uns zusam-
men dir nachfolgt. Jesus antwortete ihm: Hindert ihn nicht!
Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.
Und Jesus schickte Boten vor sich her. Diese kamen in ein
samaritisches Dorf und wollten eine Unterkunft für ihn
besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem
Weg nach Jerusalem war. Als die Jünger Jakobus und
Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen,
das Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet? Da wandte
er sich um und wies sie zurecht.
Lukas 9,49-50.52-55
"Gut und Böse sind die Vorurteile Gottes" -
sagte die Schlange.
Friedrich Nietzsche
An einem Baum hing eine Glocke, und wenn der Wind kam
und die Äste bewegte, so gab sie ihren Ton. Als ein Fuchs
das Getön hörte, bekam er Angst und dachte, daß es ein
starkes Tier sein müßte, das solch ein Getön von sich gäbe.
Er schlich sacht hinzu. Als er die Glocke sah, die groß, aber
ganz hohl und leer war und nichts dahinter als das Getön,
sprach er: "Nie mehr will ich glauben, daß alle Dinge, die
groß sind und laut tönen, darum auch mehr Stärke haben."
Antonius von Pforr
so ist
sagt man
ein baum zum beispiel
ist so
so ist ein baum
und ein baum ist nicht so
und alles ist nicht so
so ist es
Peter Bichsel
Ich brauche jemanden nur zu sehen -
und schon weiß ich über ihn Bescheid.
Ich brauche mit jemandem nur ein paar Worte zu
wechseln -
und schon weiß ich, mit wem ich es zu tun habe.
Ich brauche über jemanden nur dieses oder jenes zu
hören -
und schon weiß ich, was für ein Mensch er ist.
Mein Gott,
es ist erschreckend,
wie schnell ich jemanden zu kennen glaube -
und wie lange es dauert,
bis ich mein voreiliges Urteil ändere.
Petrus Ceelen
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