BUSSE UND BEICHTE
SÜNDE UND VERGEBUNG
Unsere Welt ist gezeichnet von Schuld und Sünde. Die Menschheit würde daran zugrunde gehen, wenn sie sich selbst überlassen bliebe. Aber in Christus ist uns Vergebung zugesagt.
SÜNDE
Wir leben nicht allein und für uns selbst. Wir sind geschaffen für die Gemeinschaft mit Gott und für die Gemeinschaft mit den Menschen. Gott hat uns zu seinen Söhnen und Töchtern berufen, und er will, daß wir untereinander Brüder und Schwestern sind. Die Gemeinschaft mit Gott und den Menschen wird aufgebaut durch das Gute; sie wird zerstört durch die Sünde.
Das Böse bedrängt uns täglich von außen und von innen. Auch nach der Taufe, durch die wir der Sünde gestorben und mit Christus zu einem neuen Leben auferstanden sind, bleiben wir der Versuchung ausgesetzt.
Sünde ist eine freie Tat. Der Mensch ist für sie verantwortlich. Wer sündigt, wird schuldig vor Gott. Je bewußter die Entscheidung und je gewichtiger die Sache, umso schwerer die Sünde.
"Denn es gibt Sünde, die zum Tod führt. Jedes Unrecht ist Sünde; aber es gibt Sünde, die nicht zum Tod führt" (1 Joh 5, 16f)
Sünde ist Ungehorsam gegen Gottes Willen. Dieser begegnet uns in der Schöpfungordnung und in den Geboten Gottes. Die Gebote sind Ausdruck der Sorge Gottes um uns. Sie weisen uns den Weg, zu einem wahrhaft menschlichen Leben. Jesus hat das Doppelgebot der Liebe als die Zusammenfassung aller Gebote und Weisungen Gottes bestätigt: Wir sollen Gott über alles lieben und den Nächsten wie uns selbst. Menschliche Gesetze verdeutlichen und ergänzen dieses Kerngebot des Neuen Bundes, so z.B. die Kirchengebote (Sonn- und Feiertagsgebot, kirchliche Bußordnung, jährlicher Sakramentenempfang) und in ihrer Weise auch die staatlichen Gesetze, die dem Zusammenleben der Menschen dienen sollen. Sie verpflichen unser Gewissen, soweit sie dem Willen Gottes entsprechen.
Sünde ist Treubruch. Gott hat mit den Menschen einen Bund geschlossen. Er hat ihnen allezeit Treue erwiesen und um ihre Treue geworben. Durch die Menschwerdung seines Sohnes, durch den Tod und die Auferstehung Jesu wurde Gottes Treue zu uns ein für allemal besiegelt und der neue Bund gestiftet. Wer sündigt, mißachtet oder zerstört diesen Bund. Er weist die Liebe Gottes zurück, der uns zuerst geliebt hat und auf unsere Liebe wartet. "Ich stehe an der Tür und klopfe" (Offb 3,20).
Sünde ist auch ein Verstoß gegen die Gemeinschaft. Wer sündigt, gibt dem Bösen Raum in der Welt. Die Sünde belastet das Zusammenleben und schafft Leid. Sie schwächt den Willen zum Guten. Der Sünder handelt gegen seine Berufung, als Glied der Kirche das Reich Gottes aufzubauen. Er schwächt die Zeugniskraft der Kirche und macht sie unglaubwürdig.
Vergebung
Gott ist heilig; er richtet das Böse, aber er führt den Sünder zur Einsicht und zur Reue und verzeiht die Schuld. Wir können die Vergebung Gottes nur erbitten und als Geschenk annehmen im Vertrauen auf das Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn Jesus Christus.
Wenn wir von Gott Vergebung erlangen wollen, müssen wir einander unsere Schuld vergeben. Der Herr spricht zum unbarmherzigen Knecht: "Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte?"
(Mt 18,33); im Vaterunser hat er uns zu beten gelehrt: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern."
Christus hat den Aposteln Vollmacht gegeben, in seinem Namen Sünden nachzulassen: "Empfangt den Heiligen Geist. Allen, denen ihr die Sünden erlaßt, sind sie erlassen, allen, denen ihr sie nicht erlaßt, sind sie nicht erlassen" (Joh 20,22f). Die Kirche übt in der Kraft des Geistes, der sie erfüllt, durch ihre Priester die Vollmacht im Bußsakrament aus. Die Vergebung unserer Schuld vor Gott erfordert jedoch unsere Umkehr zu Gott, unsere Reue.
UMKEHR
Gott ruft uns zur Buße und Umkehr. Jesus sagt: "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15). Gott weckt in uns den Willen, alles daranzusetzen, daß wir die kostbare Perle, das Reich Gottes, gewinnen.
Buße ist eine Grundhaltung des Christen. Sie besteht in der von Gott gewirkten Bereitschaft, das Böse zu bekämpfen, sich von der Sünde weg und Gott zuzuwenden. Sie kommt sowohl in der inneren Bußgesinnung, vor allem in Reue und Vorsatz, als auch in tätiger Buße zum Ausdruck.
Wir können umkehren und ein neues Leben beginnen, weil Christus uns aus der Macht des Bösen befreit hat. "Wenn euch also der Sohn frei macht, dann seid ihr in Wahrheit frei" (Joh 8,36). Das Grundsakrament der Umkehr und des Neubeginns ist die Taufe. Für den Christen, der nach der Taufe schuldig geworden ist, vollendet sich die Abkehr von der Sünde und die erneute Hinwendung zu Gott im Bußsakrament. Hier bekennt er vor Gott und der Kirche seine Schuld und erlangt nicht nur Vergebung, sondern auch Kraft zu einem neuen Beginn. Auch die übrigen Sakramente schließen den Willen der Umkehr zu Gott ein.
REUE
Gottes Geist wirkt in uns die Reue: das Nein zur eigenen Sünde.
Ohne Reue ist Vergebung nicht möglich. Gott verzeiht jede Sünde, die wir aus Liebe zu ihm bereuen. Wenn jemand nur aus Furcht vor Gottes gerechter Strafe seine Sünden bereut, ist seine Reue noch unvollkommen. Sie genügt aber zum Empfang des Bußsakramentes. Die Angst vor dem Urteil der Menschen oder anderen Folgen der Sünde ist noch keine Reue. Ebensowenig der Ärger oder die Bitterkeit, die jemand empfindet, weil er etwas verkehrt gemacht hat. Denn zur Reue gehört, daß man zugibt: Ich habe Böses getan VOR GOTT.
Manchmal fällt es uns schwer, unsere Sünden zu bereuen. Das kann verschiedene Gründe haben.
Es kann sein, daß uns nicht bewußt ist, wie sehr Gott uns liebt, wie undankbar und lieblos wir daher sind, wenn wir sündigen; daß es nicht nur um die einzelne Sünde geht, sondern um die verkehrte Grundhaltung, aus der sie entsteht.
Manchmal unterscheiden wir nicht genügend zwischen dem Ziel und dem Weg dorthin. Was uns schuldig werden läßt, ist nicht immer das angestrebte Ziel, das in sich gut sein kann. Es ist oft der verkehrte Weg, den wir wählen, weil wir nicht auf den Willen Gottes und auf unsere Mitmenschen Rücksicht nehmen.
Es kann schließlich auch sein, daß wir kein Reuegefühl empfinden und deshalb meinen, keine Reue zu haben. Das Wesentliche ist jedoch nicht der fühlbare Schmerz, sondern das Bewußtsein der Schuld und die Entschiedenheit, mit der wir uns von dem abwenden, was wir als böse erkannt haben.
VORSATZ
Der Vorsatz, das Gute zu tun und die Sünde zu meiden, ist untrennbar mit der Reue verbunden; denn wir können uns nur wirksam vom Bösen abwenden, indem wir uns dem Guten zuwenden. Im Unterschied von der Reue ist der Vorsatz in die Zukunft gerichtet: Wir nehmen die Chance zu einem neuen Anfang wahr, die Gott uns bietet. Wir ziehen die Folgerungen aus unserem Versagen und planen unser Leben voraus. Wir fällen in der Gegenwart eine klare Entscheidung, die unsere Zukunft bestimmt.
Unser Vorsatz soll sich nicht nur allgemein gegen die Sünde, sondern gegen unsere tatsächlichen Sünden und Fehlhaltungen richten. Wir müssen unsere Kräfte nüchtern einschätzen und uns deshalb auf die Überwindung konkreter Fehler, besonders der schwerwiegenden, konzentrieren. Fehlhaltungen werden selten grundsätzlich und auf einmal überwunden; sie werden meist dadurch abgebaut, daß man das Handeln aus der sündigen Haltung unterläßt und das entgegengesetzte Gute tut. Wenn nicht alles gleich gelingt, was wir uns vornehmen, brauchen wir nicht zu verzagen: Gott schaut nicht nur auf unsere Leistungen, sondern auch auf unsern guten Willen.
BUSSE, BEKENNTNIS
Durch Taten der Buße und besonders durch das Bekenntnis der Sünden bringen wir unsere Bußgesinnung zum Ausdruck. Umgekehrt vertieft das äußere Bußetun die innere Haltung der Buße.
Das Bußetun muß dort ansetzen, wo unsere Sünde Unordnung und Schaden angerichtet hat. Eine Wiedergutmachung gegenüber Gott ist uns jedoch nicht möglich. Selbst das Unrecht, das wir unseren Mitmenschen zufügen, können wir oft nicht wiedergutmachen. Wir bleiben daher immer auf die Barmherzigkeit Gottes und auf das Verzeihen unserer Mitmenschen angewiesen.
Die Formen tätiger Buße sind so vielfältig wie das Leben selbst.
Jede Sünde entfernt uns von Gott. Daher kann das Gebet als erneute Hinwendung zu Gott, als Schuldbekenntnis, als Bitte um Vergebung und Hilfe, als Fürbitte für Menschen oder Gemeinschaften, denen wir geschadet haben, ein echtes Zeichen der Buße sein.
Hinwendung zu Gott ist auch das Hören auf sein Wort und das Lesen der Schrift. "Meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und befolgen" (Lk 8,21). Die Weisungen Gottes, das Leben und die Lehre Jesu und seiner Jünger verändern unser Leben zum Guten, wenn wir sie ernst nehmen.
Auch das geduldige Ertragen von Sorge, Leid und Krankheit kann Buße sein. Leid, das wir selber verschuldet haben, sollen wir in Geduld und Bußgesinnung hinnehmen und die Auswirkungen der Schuld anderer ertragen lernen. Im Hinblick auf das Beispiel Jesu können wir auch Leid für andere auf uns nehmen.
In sehr vielen Fällen verletzt die Sünde andere Menschen und stört das Zusammenleben. Daher ist alles, was den Frieden und die gestörte Ordnung wiederherstellt, Ausdruck wahrer Bußgesinnung: Einsatz und Opfer für die Mitmenschen, Werke der Nächstenliebe, jede Bitte um Verzeihung und jedes Zeichen der Vergebung.
Oft erkennen wir, daß Sehnsucht und Mangel an Selbstbeherrschung Grund unserer Sünde ist. Deshalb ist es sinnvoll, durch Verzicht und Selbstzucht sich um größere Freiheit von ungeordneten Neigungen und Begierden zu bemühen.
Wirksame Buße soll man nicht nur durch selbstgewählte Werke, sondern auch dadurch tun, daß man den Alltag mit seinen Pflichten und Mühen bereitwillig auf sich nimmt und ohne Klagen erträgt.
Bußetun ist nicht nur Aufgabe des einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft. Die Kirche hilft dem einzelnen in seiner Buße, indem sie ihm für bestimmte Werke und Gebete einen "Ablaß" gewährt. Darin zeigt sich, daß alle Glieder am Leib Christi zusammengehören und füreinander bußetun ( z.B Portiunkulaablaß). Die ganze Kirche bereitet sich durch Zeiten der Buße auf die Hochfeste vor, vor allem in der Fastenzeit lädt sie ein zum Empfang der Eucharistie, zur sakramentalen Beichte, zur Teilnahme an Bußfeiern, zum Einhalten der Fast- und Abstinenztage (besonders Aschermittwoch und Karfreitag), zu Spendenaktionen, um die Not in der Welt zu lindern, und zu anderen Werken der Caritas und der Buße.
Auf besondere Feste in den Gemeinden und Familien wie Taufe, Erstkommunion- und Firmfeiern, Primizen oder Trauungen sollen wir uns in ähnlicher Weise vorbereiten.
Bußtage sind alle Festtage des Jahres, weil Jesus an einem Freitag durch sein Leiden und Sterben die Schuld der Welt gesühnt hat. Wir bemühen uns an diesem Tag um eine Vertiefung unserer Gemeinschaft mit Christus. Das kann durch Gebet, Gottesdienst, geistliche Lesung, Werke der Nächstenliebe, aber auch durch einen spürbaren Verzicht (z.B. auf Fleischspeisen) geschehen.
Solche Opfer sollen Zeichen der Verbundenheit mit allen Gliedern der Kirche und allen Menschen sein. Daher sollen sie soweit wie möglich notleidenden Menschen zugute kommen.
Christliche Familien, Gruppen und Gemeinschaften sollen sich um einen Lebensstil bemühen, in dem Jesu Ruf zu Umkehr und Nachfolge verwirklicht wird. In gemeinsamer Überlegung sollen sie Ausdrucksformen tätiger Buße finden, die sich in ihrem Kreis verwirklichen lassen und zum Zeugnis christlicher Liebe werden.
DAS SAKRAMENT DER BUSSE
Jesus Christus hat uns die Liebe Gottes kundgetan und uns mit dem Vater versöhnt. Im Sakrament der Buße gibt er dem Sünder Anteil an seinem Leben. Wer dieses Sakrament empfängt, stellt sich unter das Gericht über die Sünde, das Gott im Kreuzestod seines Sohnes gehalten hat, um uns vor dem ewigen Tod zu retten.
Das natürliche Verlangen des Menschen, die Schuld, die ihn bedrückt, zu bekennen und von ihr befreit zu werden, wird nicht enttäuscht. Christus hat uns Vergebung zugesagt, wenn wir vor der Kirche unsere Schuld eingestehen: "Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein; und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein" (Mt 18,18). Diese frohe Botschaft darf der Christ im Bußsakrament durch die Lossprechung des Priesters vernehmen.
In der Kirche ist Christus, der uns mit dem Vater versöhnt hat, gegenwärtig. Denn die Apostel haben vom Herrn die Vollmacht erhalten, in der Kraft seines Geistes Sünden nachzulassen: "Empfangt den Heiligen Geist. Allen, denen ihr die Sünden erlaßt, sind sie erlassen; allen, denen ihr sie nicht erlaßt, sind sie nicht erlassen" (Joh 20,22f).
Wo die Kirche durch die Priester von dieser Vollmacht Gebrauch macht und einen Sünder, der seine Schuld bereut, sie aufrichtig bekennt und zur Wiedergutmachung bereit ist, losspricht, besiegelt Gott die Versöhnung mit dem Sünder. Christus selbst ist es, der in diesem Sakrament wirkt: Er führt den Sünder zur Umkehr, damit er seine Schuld bereut und eingesteht. Er wirkt im Priester, der in seinem Auftrag das wirksame Wort der Lossprechung sagt. So wird die Begegnung des Sünders mit dem Vertreter der Kirche zum Zeichen der siegreichen Gnade Gottes, die das Böse überwindet. Diese Zeichen nennen wir Bußsakrament.
Die Sünden des einzelnen, auch die bloßen Gedankensünden, hemmen das Wirken des Heiligen Geistes
nicht nur im einzelnen, sondern auch in der Gemeinschaft der Glieder der Kirche.
Deshalb muß der Sünder auch vor der Kirche und durch sie Buße tun. Die Beichte ist auch ein Gericht der Kirche.
Man darf dieses Sakrament nicht von den übrigen Bußformen trennen. Die vielfältigen Arten der Buße im Alltag, das Schuldbekenntnis in der Eucharistiefeier und die Bußgottesdienste wecken, erhalten und vertiefen den Willen zur ständigen Erneuerung des Lebens der Gemeinde und der einzelnen Christen aus dem Geist des Evangeliums. Sie sind Vorstufen auf dem Weg zur sakramentalen Beichte und Lossprechung, die ohne sie verkümmern würde. Umgekehrt ist das Bußsakrament der Ziel- und Gipfelpunkt aller übrigen Bußformen, in dem diese sich vollenden. Darum ist die Hochschätzung dieses Sakramentes und sein regelmäßiger Empfang für alle Christen - und nicht etwa nur für jene, die schwer gesündigt haben - von so großer Bedeutung.
Alle, die sich einer schweren Schuld bewußt sind, sind zum Empfang des Bußsakramentes verpflichtet. Darüber hinaus sind alle Gläubigen zur häufigen Beichte eingeladen. Denn sie empfangen durch das Bußsakrament reiche Gnade, wachsen im Geist der Buße, erkennen und überwinden besser ihre Fehler und Schwächen und werden fähiger zu einem freien, persönlichen Bekenntnis.
Ein wichtiger Vorzug der sakramentalen Einzelbeichte liegt in der Möglichkeit zum Beichtgespräch. Es kann die persönliche Situation des einzelnen berücksichtigen, die Hintergründe seiner Fehler und Verirrungen klären und zu vertiefter Selbsterkenntnis führen.
Die Beichte gewinnt heute an Bedeutung , weil sie die Möglichkeit individueller Führung und Gewissensbildung bietet. Sie dient so nicht nur dem Bekenntnis und der Vergebung der Sünden; sie soll auch zur Bildung des Gewissens aller Christen und zur Vertiefung ihres Glaubens beitragen.
Die regelmäßge Beichte ist daher eine wichtige Hilfe auf dem Weg zu einem verantwortungsbewußten christlichen Leben, besonders dann, wenn der Beichtvater den Beichtenden und dessen persönliche Situation kennt. Beicht- oder Sprechzimmer können die offene Aussprache fördern. Viele werden aber auch weiterhin aus verschiedenen Gründen die Anonymität wünschen und daher den Beichtstuhl vorziehen.
Quelle: GOTTESLOB