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Warum und wie spricht die Kirche Menschen selig/heilig?
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Anemone:
Warum und wie spricht die Kirche
Menschen selig/heilig?
Das Neue Testament macht von Anfang an deutlich: „Das ist es, was Gott will: eure Heiligung.“ (1 Thess 4,3). Dies gilt nicht nur für Ordensleute, wie man immer noch glaubt – entgegen den Aussagen der Kirche in der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl. Art. 39, 48–51) und sogar dem kirchlichen Rechtsbuch von 1983 (vgl. can 210 CIC).
Dies zeigt sich im Ansatz schon im Neuen Testament (vgl. Röm 12,1; 15,1), wird aber bald besonders offenbar in der Gestalt des Märtyrers. Das uns überlieferte Martyrium des hl. Polykarp (um 160 n. Chr.) ist hier beispielgebend. Dabei kommt es auf das Einstehen für die Person und die Sache Jesu Christi an, das zum Tod führen kann. Wobei man immer wieder an ein Wort des hl. Augustinus erinnern darf: „Nicht die Strafe, die Anklage macht den Märtyrer.“ Maßgebend ist das Glaubenszeugnis.
Im 4. bis 5. Jahrhundert werden die schon vollendeten Glieder der Kirche „die Heiligen und Seligen der himmlischen Kirche“ genannt. Es war immer wichtig, dass das gläubige Volk diesen vollendeten Menschen durch seine Verehrung Anerkennung und Heiligkeit zusprach. Der Bischof billigte dies durch die Zulassung zum Kult. Im Lauf der Zeit war diese relativ spontane Zuschreibung allein nicht mehr möglich. Um die Jahrtausendwende und dann im 12./13. Jahrhundert braucht es immer mehr eine päpstliche Ermächtigung zur Verehrung eines Heiligen, ja im 17. Jahrhundert ist alle Entscheidung über die Heiligsprechung dem Apostolischen Stuhl, besonders dem Papst selbst vor behalten.1983 wurde das gesamte Verfahren erneuert.
Das Martyrium bis zum Tod ist im Lauf der Zeit ergänzt worden durch die Anerkennung eines „heroischen Tugendlebens“ (Bekenner), also durch ein ganz herausragendes Lebenszeugnis aus dem Glauben. Um in der Beurteilung Gewissheit zu erlangen, kam es immer mehr zu rechtlich orientierten und gerichtsfesten Verfahren: sehr strenge Überprüfung des Lebens und seiner Zeugnisse. Schließlich zählte man immer mehr das geprüfte Vorliegen von Wundern zu den wichtigsten Kriterien. Für längere Zeit sind Selig- und Heiligsprechung noch identisch oder nahe beieinander. Im Lauf der Jahrhunderte unterscheiden sich beide. Dies hat mit der Unterscheidung von bischöflicher Seligsprechung und päpstlicher Heiligsprechung zu tun. Heute geht es in beiden Verfahren um ein amtliches Urteil der Kirche, dass die Seligen bzw. Heiligen vor Gott ein geglücktes Leben aus dem Glauben geführt haben, indem sie dem Vorbild Jesu Christi gefolgt sind. Diese Gewissheit rechtfertigt den öffentlichen Kult. Unterschiede zeigen sich im Folgenden:
♥ Die Seligsprechung erscheint als eine Vorstufe zur Heiligsprechung.
♥ Die Seligsprechung gilt für ein beschränktes Feld der Verehrung, z.B. ein Bistum, eine Region, eine Ordensgemeinschaft.
♥ Die Heiligsprechung bezieht sich auf die ganze Weltkirche, die Seligsprechung ist, wie erwähnt, beschränkt, die Verehrung kann jedoch auf andere Bereiche ausgedehnt werden.
♥ Die Seligsprechung gilt als gewiss; in der Theologie wird der Heiligsprechung in der Regel ein unfehlbarer Charakter zugebilligt.
♥ Papst Benedikt XVI. leitet in der Regel nicht selbst die Seligsprechungen, sondern schickt oft einen Legaten vor Ort. Es gibt freilich Ausnahmen.
♥ Nach erfolgter Seligsprechung ist ein neuer Antrag auf eine Heiligsprechung möglich.
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