Wer war Jesus Christus? Diese Frage beschäftigt die Menschen, seit der Sohn Gottes auf der Erde gelebt hat und der Streit um die Beantwortung dieser Frage wurde nicht immer friedlich ausgetragen. Denn für den, der an Jesus Christus glaubt, berührt diese Frage das Herzstück seines Lebens.
Schon seit jeher fällt es den Menschen schwer, sich vorzustellen, was es heißt, dass Gott dreifaltig ist. Ein göttliches Wesen, das eines ist in drei Personen, übersteigt jegliche menschliche Vorstellungskraft. Auch wenn der Mensch sich mit seinem Verstand der Frage nach Gott nähern kann, so zeichnet es doch gerade Gott aus, dass er immer höher ist als alle menschliche Vernunft.
Nun verkündet der christliche Glaube aber nicht nur einen dreifaltigen Gott, sondern er verkündet auch, dass eine der drei göttlichen Personen, der Sohn des Vaters, Jesus Christus, die Menschheit angenommen hat und so der ewige Gott zu einer bestimmten Zeit unter den Menschen gelebt hat.
Schon im frühen Christentum gab es Lehrer, die diese für den menschlichen Verstand schier unbegreifliche Tatsache auf "verständliche" Weise erklären wollten und wir kennen solche Erklärungsversuche ja bis heute. Da heißt es dann, Jesus sei nicht wirklich Gott gewesen, sondern nur ein Mensch, der Gott besonders nahe stand, die Rede vom Sohn Gottes sei also nur im übertragenen Sinne zu verstehen. Oder Gott sei nicht wirklich Mensch geworden, sondern habe sich nur in einem Scheinleib in der Welt aufgehalten. Hier ließen sich noch eine Unzahl weiterer Beispiele anführen.
Wie kann aber der Mensch überhaupt die Frage nach Gott beantworten, wenn sie sich doch der menschlichen Vernunft entzieht? Die Kirche glaubt schon immer daran, dass Gott sich den Menschen offenbaren will, dass er den Menschen zeigen will, wie er ist. Diese Offenbarung findet sich in der Heiligen Schrift. Doch auch diese kann unterschiedlich ausgelegt werden. Es bedarf einer Instanz, die eine verbindliche Auslegung des Glaubens garantiert und diese Instanz ist die Kirche.
Doch auch der Kirche wird nicht direkt von Gott eingegeben, was der wahre Glaube ist. Es bedarf eines langen Ringens, bis sich Wahres vom Falschen scheidet und eine klare Aussage getroffen werden kann. Es ist der Heilige Geist, der diese Entscheidungsfindung leitet, aber es ist auch immer der unvollkommene Mensch daran beteiligt. Daher ist das Ringen um Antworten nie frei von Streit und menschlicher Eitelkeit.
Wir erleben diesen Prozess des Ringens um die Antwort auf die Frage, wer Jesus Christus ist, besonders deutlich in den ersten christlichen Jahrhunderten. Als die Kirche nach Kaiser Konstantin zu einem bestimmenden Faktor im römischen Reich und schließlich zur Staatskirche wird, bekommt die Antwort auf diese Frage über die Kirche hinaus auch eine politische Brisanz. Waren Irrlehren bisher eine rein innerkirchliche Angelegenheit, so betreffen sie nun auch die politische Einheit des Reiches. Nur eine einige Kirche kann auch die Einheit des Reiches garantieren. Deshalb hatte bereits Kaiser Konstantin großes Interesse daran, dass die innerkirchlichen Streitigkeiten möglichst einvernehmlich gelöst werden.
Als Kaiser Konstantin die Freiheit der Kirche verkündete, schwelte schon der Streit um die Frage danach, wer Jesus Christus gewesen ist. Eine starke Gruppe um den alexandrinischen Priester Arius vertrat die Ansicht, dass Jesus Christus eine Art Mittelwesen zwischen Gott und Mensch sei. Der wahre, ungeschaffene Gott konnte nach Arius nur einer sein und Jesus Christus sei demnach nur ein geschaffener Gott, gottähnlich, aber nicht gleich ewig und ungeschaffen wie der Vater.
Nizäa 325
Um diese Frage zu klären, berief Kaiser Konstantin im Jahre 325 das erste allgemeine Konzil von Nizäa ein. Auch Athanasius, damals Diakon in Alexandrien, reiste mit seinem Bischof Alexander dorthin. Das Ergebnis des Konzils war eindeutig. Bis heute beten wir in der Hl. Messe das Glaubensbekenntnis, das die Väter in Nizäa formuliert haben und das durch das Konzil von Konstantinopel (381) noch einige Präzisierungen erfahren hat, das "Nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis". Dort heißt es: Jesus Christus ist "wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater".
Die Irrlehre des Arius war somit eindeutig wiederlegt. Arius und seine Anhänger wurden verurteilt und verbannt, doch der Streit ging weiter. Er entzündete sich an dem einen Wort "wesensgleich", homoousios. Der Kaiser war nicht glücklich darüber, dass eine doch relativ große Gruppe dem Glaubensbekenntnis von Nizäa nicht folgte. Man suchte nach einem Kompromiss. Könnte man statt wesensgleich (homoousios) nicht wesensähnlich (homoiousios) sagen? Ein kleiner Buchstabe mit einer großen Wirkung.
328
Athanasius Bischof von Alexandrien
Hier nun tritt Athanasius als Kämpfer für den Glauben von Nizäa ins Rampenlicht. Athanasius war im Jahr 328 nach dem Tod Alexanders Bischof von Alexandrien geworden. Er lehnt jeglichen Kompromiss in der Frage nach Jesus Christus strikt ab. Für seine Überzeugung traf ihn fünf mal das Los der Verbannung. 20 Jahre seiner 46-jährigen Amtszeit als Bischof verbrachte er im Exil.
Warum trat Athanasius so unnachgiebig auf? Wäre es nicht besser gewesen, durch eine zweideutige Kompromissformel eine Einheit zu erreichen, als durch eine eindeutige Formulierung die Spaltung zu zementieren? Doch Athanasius war überzeugt davon, dass es nicht egal ist, wie wir von Jesus Christus sprechen. Was manchen als theologische Spitzfindigkeit erscheinen mag, trifft den Kern unseres Menschseins. Ihm ging es um die Wahrheit, die allein den Menschen frei macht.
Nur wenn Gott wirklich Mensch geworden ist und wenn Jesus Christus wirklich Gott von Gott ist, Gott wesensgleich, kann der Mensch eintreten in eine lebendige Beziehung zu Gott. Wäre Christus nicht wahrer Mensch und wahrer Gott, so bliebe der wahre Gott stets für die Menschen unzugänglich. Nur wenn Gott wirklich Mensch geworden ist, ist er wirklich der "Gott mit uns", den uns die Schrift verkündet.
"Er wurde, was wir sind, damit er aus uns machen könne, was er ist."
"Das Wort Gottes wurde Mensch, damit wir zur Erkenntnis des unsichtbaren Vaters gelangen. Er selbst hat die Gewalt der Menschen ertragen, damit wir die Unsterblichkeit erfahren."
"Der allheilige Sohn des Vaters hat als Bild des Vaters unter uns gewohnt, um den nach seinem Bild erschaffenen Menschen zu erneuern und ihn, der verloren war, durch die Nachlassung der Sünden wiederzufinden, wie er auch selbst in den Evangelien sagt: Ich bin gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren war (Lk 19,10)."
Um diese Rettung des Menschen ging es Athanasius. Der Mensch liegt Gott wirklich am Herzen. Er hat sich nicht eines Geschaffenen bedient, und sei dieser noch so erhaben, um die Menschen zu erlösen, sondern ist selbst unter uns Mensch geworden, um die Menschen zu retten.
336-366
Fünf Mal in der Verbannung
Um 330 brachen die Gräben in der Auseinandersetzung um das Glaubensbekenntnis von Nizäa auf. Arius und seine Anhänger hatten inzwischen beim Kaiser Gehör gefunden und ihre Verurteilung wurde aufgehoben. Der Kaiser verlangte, dass Arius wieder in seine kirchlichen Ämter als Priester in Alexandrien eingesetzt würde. Doch Bischof Athanasius weigerte sich strikt, dem Kaiser in dieser Sache Gehorsam zu leisten. "Es geht nicht an, Leute in die Kirche wieder aufzunehmen, die der Wahrheit widersprechen und eine Irrlehre aufzüchten, die von einem allgemeinen Konzil verurteilt worden ist."
Die Lage in Alexandrien spitzte sich zu. Athanasius musste die Stadt verlassen und sich in ein Kloster zurückziehen. Dort traf er den berühmten Mönchsvater Pachomius. Athanasius war vom Ideal des Mönchtums begeistert. Doch bald musste er Ägypten ganz verlassen. Im Jahr 336 traf Athanasius zum ersten Mal der Bann des Kaisers. Konstantin war die unerbittliche Haltung des Bischofs leid und er schickte ihn von Ägypten ins Exil in das ferne Trier, am anderen Ende des Römischen Reiches. Doch so schmerzhaft diese Verbannung war, so brachte sie der Kirche doch auch Segen. Durch Athanasius verbreitete sich die Kunde von den Mönchen Ägyptens auch im fernen Gallien und auch dort waren bald viele Menschen begeistert von dieser Lebensform.
Nach dem Tod Konstantins durfte Athanasius in seine Bischofsstadt zurückkehren, doch 339 musste er erneut die Stadt verlassen. Diesmal flüchtete er nach Rom. Dort konnte er den Papst auf die Gefahr aufmerksam machen, die von der Irrlehre des Arius für die Kirche ausging. Bisher hatte sich Rom aus den theologischen Streitigkeiten im fernen Ostern eher herausgehalten.
362
Begegnung mit dem Einsiedler Antonius
Noch dreimal wiederholte sich der Wechsel von Exil und Rückkehr, zuletzt im Jahr 366. Erst danach kehrte Ruhe ein in seiner Bischofsstadt. Bei seiner vierten Verbannung (362-363) ging Athanasius in die ägyptische Wüste. Dort lebten zu dieser Zeit unzählige Mönche und Einsiedler. Athanasius begegnete dem heiligen Einsiedler Antonius, dem er nach dessen Tod durch seine Vita ein unsterbliches Andenken hinterlassen und dessen Name er in der ganzen Welt bis heute bekannt gemacht hat. Athanasius hat Antonius seinen Mantel geschenkt, den dieser stets in Ehren hielt und Athanasius erbte nach dem Tod des Antonius eines der beiden Schafsfelle, mit denen der Einsiedler sich bekleidete.
Athanasius war als Bischof vor allem der Hirte der Seelen. Das Wohl der Gläubigen lag ihm am Herzen. Neben den Schriften zur Glaubensverteidigung hat er auch eine große Anzahl von Pastoralschriften hinterlassen. Er war dem Volk nah, er war kein Aristokrat, sondern ein Volksbischof. Seine Theologie war ganz praktisch. Wir haben ja gesehen, dass er für seinen Glauben nicht aus theologischer Spitzfindigkeit heraus kämpfte, sondern weil es ihm um den Menschen ging, darum, dass Gott den Menschen wirklich nahe gekommen ist und es so für den Menschen einen Weg gibt, zu Gott zu kommen.
Athanasius war sein Leben lang ein Kämpfer. Er war streng gegen sich selbst und sein Lebenswandel war vorbildlich. Seine Gegner aber bekämpfte er mit unnachgiebiger Strenge. Er hatte viele Bewunderer, aber auch viele Gegner. Im Gedächtnis der Kirche ist er bleibend eingeprägt als eine Säule der Kirche und ein Vorbild der Rechtgläubigkeit. Seine pastoralen Schriften, allen voran seine Vita des hl. Antonius, haben unzählige Menschen zu einem wahren christlichen Leben ermutigt.