Autor Thema: Thomas von Aquin - Lehre des Heils  (Gelesen 18303 mal)

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #8 am: 05. Dezember 2019, 16:42:00 »
DER PRIMAT ALS GRUNDLAGE DER KIRCHLICHEN EINHEIT

Zur Einheit der Kirche ist es erforderlich, daß alle Gläubigen im Glauben übereinstimmen. In dem gesamten Glaubensbereich kommt es aber manchmal vor, daß Fragen aufgeworfen werden. Nun würde die Kirche durch die Verschiedenheit der Meinungen zerteilt werden, wenn sie nicht durch den Lehrentscheid eines Einzigen in der Einheit bewahrt würde. Zur Erhaltung der Einheit der Kirche ist es also erforderlich, daß einer da ist, der der Gesamtkirche vorsteht. Nun liegt es doch auf der Hand, daß Christus seine Kirche, die er geliebt und für die er sein Blut vergossen hat, nicht im Stich gelassen hat in dem was notwendig ist. Sagt doch der Herr sogar von der alttestamentlichen Kirche: "Was hätte ich noch für meinen Weinberg tun können und habe es nicht getan? (Is 5,4). Es läßt sich also nicht anzweifeln, daß auf Grund der Anordnung Christi ein Einziger der Gesamtkirche vorsteht.

Zudem darf niemand daran zweifeln, daß die Leitung der Kirche aufs beste geordnet ist, weil sie ja durch den begründet ist, "durch den die Könige herrschen und die Gesetzgeber das Rechte bestimmen" (Spr 8,15). Die beste Leitung einer Vielheit besteht aber darin, daß sie von einem Einzigen regiert wird; und das ergibt sich offensichtlich aus dem Endziel der Regierung, welches der Friede ist. Denn Friede und Einheit der Untergebenen sind das Endziel des Regenten. Nun ist einer doch ein passenderer Urgrund für die Einheit als viele. Es ist also offenbar, daß die Leitung der Kirche so grundgelegt ist, daß Einer der Gesamtkirche vorsteht...

Wenn aber jemand entgegnen wollte, daß Christus das eine Haupt und der eine Hirt ist, welcher ja der eine Bräutigam der einen Kirche ist, dann würde seine Antwort nicht ausreichen. Denn es ist doch offenbar, daß Christus selbst alle Sakramente der Kirche vollzieht. Er ist es nämlich, der tauft, und Er ist es, der die Sünden vergibt. Er ist der wahre Priester, der sich dargebracht hat auf dem Altare des Kreuzes, und durch dessen Kraft sein Leib täglich auf dem Altare geweiht wird. Und doch hat Er, weil Er nicht in Leibhafter Gegenwart mit allen Gläubigen zusammensein sollte, sich Verwalter erwählt, durch die er die genannten (Sakramente und Lehren) den Gläubigen austeilen wollte, wie oben dargelegt wurde. Somit mußte er auch aus demselben Grunde, weil er seine leibhafte Gegenwart der Kirche entziehen wollte, irgendeinen beauftragen, daß er an seiner Statt die Sorge für die Gesamtkirche trage. Und so sind seine Worte zu verstehen, die er an Petrus richtete vor der Himmelfahrt: "Weide meine Schafe" (Joh 21, 17) und vor seinem Leiden: "Und du, wenn du dich bekehrt hast, stärke deine Brüder" (Lk 22,32). Und ihm allein hat er versprochen: "Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben" (Mt 16,19), damit offenbar werde, daß die Gewalt der Schlüssel durch ihn auf andere übertragen werden soll zur Einhaltung der Einheit der Kirche.

Man kann aber nicht sagen, daß diese Würde zwar von Christus dem Petrus gegeben sei, aber doch nicht auf andere übertragen werde. Denn es ist offenbar, daß Christus die Kirche so eingerichtet hat, daß sie bis zum Ende der Weltzeit fortbestehen soll, wie Isaias sagt: "Auf dem Throne Davids und über seinem Königreiche wird er sitzen, auf daß er es stärke und kräftige durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit" (Is 9,7). Daraus folgt offensichtlich, daß er die, welche damals im Dienste waren, so eingesetzt hat, daß ihre Vollmacht auf die Nachfolger übertragen würde, zum Nutzen der Kirche bis zum Ende der Weltzeit, zumal der Herr selbst sagt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20).

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #9 am: 06. Dezember 2019, 08:02:24 »
DIE EINHEIT DES KIRCHLICHEN LEHRAMTES

Das Glaubensbekenntnis neu zu fassen, ist dann notwendig, wenn neu entstandene Irrtümer zu überwinden sind. Diese Verkündigung des Glaubensbekenntnisses steht kraft seines Amtes dem zu, der die Vollmacht hat, endgültig zu bestimmen, was zum Glauben gehört, so daß es von allen mit unerschütterlichem Glauben festgehalten werden muß. Das gehört aber zur Vollmacht des Papstes, dem die wichtigeren und schwierigeren Fragen der Kirche vorzulegen sind, wie es in den Dekretalen heißt (Extra de baptismo cap. Majores). Deshalb hat auch der Herr zu Petrus gesagt: "Ich habe für dich gebetet, Petrus, daß dein Glaube nicht wanke. Dafür stütze und stärke du dereinst deine Brüder" (Lk 22,32).

Der Grund dafür ist: Die ganze Kirche muß einen Glauben haben, wie der erste Korintherbrief mahnt: "Seid alle einig! Laßt keine Spaltungen unter euch aufkommen! Seid eines Sinnes, einer Meinung!" (1 Kor 1,10). Das kann nur bewahrt werden, wenn eine neu entstandene Glaubensfrage durch den Vorsteher der Gesamtkirche entschieden wird, dessen Urteil darum von der ganzen Kirche mit fester Zustimmung angenommen werden muß. Deshalb steht eine Neuausgabe des Glaubensbekenntnisses kraft seines Amtes nur dem Papste zu, und das gilt auch von allen anderen Angelegenheiten der Gesamtkirche, wie zum Beispiel von der Einberufung eines allgemeinen Konzils.

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #10 am: 09. Dezember 2019, 07:24:55 »
DIE BISCHÖFE ALS NACHFOLGER DER APOSTEL

Nur die zwölf Auserwählten haben von Christus die Sendung empfangen: "Er rief seine Jünger zu sich und wählte zwölf von ihnen aus, die er Apostel nannte" (Lk 6,13). Die anderen Jünger haben nicht diese ursprüngliche, sondern nur eine untergeordnete Sendung. Deshalb sind den Aposteln die Bischöfe nachgefolgt, welchen die besondere Sorge für die Herde des Herrn anvertraut ist. Die übrigen Priester sind jedoch den zweiundsiebzig Jüngern nachgefolgt und vollbringen die ihnen von den Bischöfen zugewiesenen Aufgaben.

Obwohl allen Aposteln gemeinsam die Löse- und Bindegewalt übertragen wurde, so ward sie doch zuerst nur dem Petrus verliehen, damit eine bestimmte Ordnung in dieser Gewalt deutlich werde. Dadurch sollte nämlich die Tatsache zum Ausdruck kommen, daß von Petrus diese Gewalt auf die anderen herabsteigen sollte, und deshalb sagte der Herr zu ihm allein: "Stütze und stärke du dereinst deine Brüder" (Lk 22,32), und: "Weide du meine Schafe", das heißt: statt meiner. Dazu bemerkt Chrysostomus: "Sei du der Vorgesetzte und das Haupt deiner Brüder, auf daß sie sich statt meiner annehmen und dich auf deinem Throne überall auf Erden verkünden und festigen."

Denn da die ganze Kirche ein Leib ist, muß zur Erhaltung dieser Einheit eine bestimmte Regierungsgewalt für die Gesamtkirche da sein, die noch über der die Einzelkirche leitenden bischöflichen Gewalt steht: Und das ist die Vollmacht des Papstes. Deshalb werden die Leugner dieser Vollmacht als Kirchenspalter bezeichnet, da sie gleichsam die Einheit der Kirche zerspalten.

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #11 am: 09. Dezember 2019, 08:21:49 »
DER BISCHOF IST STELLVERTRETER CHRISTI UND SICHTBARES HAUPT SEINES BISTUMS

Wie die Vollkommenheiten aller Dinge urbildlich in Gott vorher existieren, so ist Christus das Urbild der kirchlichen Ämter. Und deshalb stellt jeder Diener der Kirche irgendwelche Züge des Bildes Christi dar... Der hat jedoch einen höheren Rang, der Christus in größerer Vollkommenheit darstellt. Nun stellt der Priester Christus dar als den, der in eigener Person einen bestimmten Auftrag erfüllt hat; während ihn der Bischof darstellt als den, der andere zu Dienern eingesetzt und die Kirche gegründet hat. Somit steht es auch dem Bischof zu, für die göttlichen Dienstleistungen die Hand aufzulegen, als einer, der Begründer des göttlichen Kultes ist nach dem Vorbild Jesu Chrsiti. Deshalb heißt der Bischof auch in besonderer Weise der Bräutigam der Kirche, wie Jesus Christus.

Der Bischofsring ist ein Sinnbild der Geheimnisse des Glaubens, durch den die Kirche Christus bräutlich vermählt ist. Als Christi Stellvertreter ist ja der Bischof der Kirche angetraut. Der Erzbischof trägt außerdem das Pallium als Zeichen jener goldenen Kette, die man den rechtschaffenen Kämpfern nach altem Brauch auf die Schultern legte.

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #12 am: 09. Dezember 2019, 09:40:24 »
DIE EINHEIT DER KIRCHE

Paulus schreibt an die Epheser (4,4): "Bestrebt euch, die Einheit im Geiste durch das Band des Friedens zu bewahren. Es ist ein Leib und ein Geist, wie auch eure Berufung euch eine Hoffnung gegeben hat." Der Apostel spricht hier von der Einheit der Kirche nach Art der Einheit eines menschlichen Leibes. Mit den Worten: "Es ist ein Leib", will er gleichsam sagen: Bleibt verbunden durch das Band des Friedens, damit ihr ein Leib seid..., damit alle Gläubigen in gegenseitiger Hinordnung leben, wie die Glieder, die einen Leib bilden. "Denn wie wir an dem einen Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder den gleichen Dienst verrichten, so bilden wir viele zusammen einen Leib in Christus, einzeln aber sind wir Glieder untereinander" (Röm 12,4).

"Und ein Geist...", das heißt: Ihr sollt kraft der Glaubens- und Liebeseinheit eine geistige Einstimmung besitzen... Dann erklärt Paulus den Sinn dieser Einheit mit den Worten: "wie auch eure Berufung euch eine Hoffnung gegeben hat"... Damit sagt er: Weil ihr zu dem einen Ziele des ewigen Lebens berufen seid, deshalb müßt ihr mit der Geisteseinheit in der einen Hoffnung wandeln, die euch eure Berufung gegeben hat, das heißt: auf das eine Hoffnungsziel hin, zu dem eure Berufung euch hinführt... "Der Gott der Gnade aber, der euch durch Jesus Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit zu leiden habt, ausrüsten, stärken, kräftigen und befestigen. Sein ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen" (1 Petr 5,10 f.)...

"Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen" (Eph 4,5 f.). Nachdem er sie ermahnt hat, die kirchliche Einheit zu bewahren, legt Paulus den Ephesern das Wesen dieser Einheit dar. Man muß dabei bedenken, daß die Kirche kraft ihrer Ähnlichkeit mit einem bürgerlichen Gemeinwesen eine unterschiedliche Einheit darstellt. Denn sie ist sozusagen nicht eine einfache, sondern eine aus verschiedenen Teilen zusammengesetzte Einheit...
Damit ein bürgerliches Gemeinwesen einheitlich sei, muß eine vierfache Gemeinsamkeit dasein, nämlich: ein Lenker, ein Gesetz, dieselben Kennzeichen und die gleiche Zielsetzung. Diese vier Stücke finden sich nach Paulus in der Kirche. Deshalb sagt er: Ihr müßt einen Leib und einen Geist haben, weil ihr in der Einheit der Kirche seid, die eine einige ist aus folgenden Gründen:
Erstens: Sie hat einen Herrscher, nämlich Christus. Und in diesem Sinne sagt Paulus: Es ist nur "Ein Herr", nicht mehrere, deren verschiedenartiges Wollen euch auseinanderbringen müßte. Heißt es doch: "Christus steht als Sohn über seinem Hause" (Hebr 3,6). "So erkenne denn das ganze Haus Israel mit Sicherheit: Eben den Jesus, den ihr ans Kreuz geschlagen habt, hat Gott zum Herrn und zum gesalbten gemacht" (Apg 2,36). "Wir haben nur einen Herrn: Jesus Christus, (durch den alle Dinge und auch wir das Dasein haben") (1 Kor 8,6). "An jenem Tage ist der Herr der Einzige, und 'der Einzige' ist sein Name" (Zach 14,9).

Zweitens: Die Kirche hat nur ein Gesetz, denn das Gesetz der Kirche ist das Gesetz des Glaubens. "Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen! Durch welches Gesetz? Durch das der Werke? Nein, durch das Gesetz des Glaubens" (Röm 3,27). Einerseits versteht man unter dem Glauben unsere Glaubenswahrheiten, so wenn man sagt: "Das ist der katholische Glaube, und niemand kann selig werden, der ihn nicht gläubiger Zustimmung festhält" (Athanasianisches Glaubensbekenntnis). Glaube heißt hier das, was man glauben muß. Andererseits versteht man darunter auch die Glaubenshaltung, mit der man im Herzen glaubt. Und für beide Bedeutungen gilt die zuvor angeführte Behauptung. Bei der ersten ergibt sich folgender Sinn: Der Glaube ist einer, das heißt: Ihr müßt dasselbe glauben und in gleicher Weise tätig sein, denn ein und dasselbe glauben alle Gläubigen. Deshalb heißt die Kirche auch die allumfassende oder die katholische. Und so steht auch im ersten Korintherbrief (1,10): "Ihr sollt alle dasselbe sagen", das heißt: dasselbe glauben. In der anderen Bedeutung handelt es sich um den einen Glauben, das heißt die eine Glaubenshaltung, mit der man glaubt. Ich meine nicht einen zahlenmäßig, sondern der Artgleichheit nach einzigen Glauben, weil derselbe in aller Herzen sein muß. So spricht man ja auch von einem Willen bei denjenigen, die dasselbe wollen.

Drittens: Die Kennzeichen der Kirche sind (für alle) dieselben. Das sind die Sakramente Christi, unter denen die Taufe an erster Stelle steht als die Tür zu allen anderen Sakramenten. Und deshalb sagt Paulus: "Eine Taufe." Ein Einiges heißt sie aus einem dreifachen Grunde: Zunächst sind die Taufen nicht nach ihren Spendern verschieden, weil sie eine gleichartiges Wirkung hervorbringen, gleichgültig, wer sie spendet. Denn der innerliche Taufspender ist ein und derselbe, nämlich Christus: "Auf wen du den Geist herabsteigen und über wem du ihn schweben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft" (Joh 1,33). Sodann heißt die Taufe ein Einiges, weil sie im Namen der Dreieinigkeit gespendet wird: "Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt 28,19). Schließlich auch deshalb, weil sie nicht wiederholt werden kann. Buße, Ehe, Eucharistie und Letzte Ölung können zwar mehrmals empfangen werden, nicht aber die Taufe. "Denn wer einmal (durch die Taufe) erleuchtet war, die Himmelsgabe genossen und den Heiligen Geist empfangen, wer das herrliche Gotteswort und die Kräfte der künftigen Welt gekostet hat und dann abgefallen ist, läßt sich unmöglich wieder zur Umkehr bringen" (Hebr 6,4 ff.). Die Taufe wird nicht wiederholt wegen des bleibenden Males, und weil ihre Ursache nicht wiederholt wird, denn wir sind durch die Taufe auf den Tod mit ihm begraben... ("Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, auch an seinem Leben teilzunehmen. Wissen wir doch, daß Christus, von den Toten auferstanden, nicht wieder stirbt. Der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Mit seinem Tode ist er ein für allemal tot für die Sünde, mit seinem Leben aber lebt er nur für Gott. So betrachtet auch ihr euch als solche, die tot sind für die Sünde, die aber leben für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn") (Röm 6,4-11)...

Viertens: Die Kirche hat ein und daselbe Ziel, nämlich Gott. Der Sohn führt uns ja zum Vater: "Dann kommt das Ende, wenn er seine Königsherrschaft Gott dem Vater übergibt, nachdem er zuvor alle Herrschaft, Macht und Gewalt zunichte gemacht hat. Er muß ja herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. Als letzter Feind wird der Tod vernichtet (1 Kor 15,24 ff.). Und in diesem Sinne sagt Paulus: "Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allem" (Eph 4,6).

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #13 am: 10. Dezember 2019, 07:29:54 »
DIE KATHOLISCHE KIRCHE

Der christliche Glaube kann als katholischer bezeichnet werden zunächst im Hinblick auf seine Bekenner. Denn der Apostel Paulus bezeugt, daß der Glaube der wahre sei, auf den schon das Gesetz und die Propheten hingewiesen hätten (Röm 3,21). Da zur Zeit der Propheten die verschiedenen Völker auch verschiedenen Götterkulten sich hingaben und nur das Volk Israel dem wahren Gott die schuldige Verehrung erwies, bestand damals keine allumfassende Religion. Deshalb hat der Heilige Geist durch den Mund der Propheten vorausgesagt, daß der Kult des wahren Gottes von allen angenommen werden sollte: "Jedes Knie wird sich beugen vor mir, und jede Zunge wird mir huldigen" (Is 45,24). Das geht in Erfüllung in unserem Glauben, in der christlichen Religion, die deshalb mit Recht die katholische heißt, weil sie von den Menschen aller Stände und Länder angenommen ist. Und deshalb heißen die, welche von diesem Glauben, von dieser allgemein verheißenen und angenommenen Religion zu irgendwelchen Sondermeinungen abgefallen sind, nicht mehr Katholiken, sondern Abgespaltene, gleichsam von der Gemeinschaft Abgetrennte.

Aber auch im Hinblick auf die Glaubenslehren offenbart sich im christlichen Glauben die katholische Wahrheit. Denn im Altertum gab es verschiedene Künste und Lebenswege, mit denen man für die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen Vorsorge traf oder doch zu treffen glaubte. So suchten einige das Wohl des Menschen nur im Körperlichen, im Reichtum, im Ruhme oder in der Lust. Andere dagegen sahen das Gut des Menschen nur in den Gütern der Seele, so in den sittlichen oder in der geistigen Tugenden. Augustinus berichtet im "Gottesstaat", daß manche der Ansicht waren, man habe die Götter zu verehren um der leiblichen Lebensgüter willen, wogegen andere meinten: um jener Güter willen, die nach diesem Leben kommen. Porphyrius behauptete ferner, daß die Seele durch bestimmte heidnische Sühneriten in ihrer Einbildungskraft, also nicht vollständig, gereinigt werde. Er lehrte ferner, wie Augustinus im zehnten Buche des "Gottesstaates" berichtet, daß noch kein Glaube Aufnahme gefunden habe, der einen allumfassenden Weg für die Befreiung der Seele enthielte.

Das aber ist, wie Augustinus daselbst lehrt, die christliche Religion. Denn sie lehrt, daß Gott nicht nur um der ewigen, sondern auch um seiner zeitlichen Wohltaten willen verehrt werden muß. Sie führt den Menschen nicht nur im Geistesleben, sondern auch im Gebrauch der sichtbaren Weltdinge. Sie verheißt die Glücksgeborgenheit für die Seele und für den Leib. Und deshalb heißen ihre Vorschriften allumfassend, weil sie das ganze Menschenleben und alles, was irgendwie dazugehört, einbegreifen und in die rechte Ordnung bringen.

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #14 am: 10. Dezember 2019, 07:56:32 »
DIE APOSTOLISCHE KIRCHE

"Ihr seid auf dem Fundament der Apostel und Propheten aufgebaut, und Jesus Christus selbst ist der Eckstein. In ihm ist der ganze Bau fest zusammengefügt und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn empor" (Eph 2,20 f.).
Es ist bedeutsam, daß die Apostel als Fundamente bezeichnet werden. "Seine Fundamente liegen auf heiligen Bergen" (Ps 86,2). "Deinen Grund will ich legen auf Saphirsteine", das heißt: auf himmlische Männer (Is 54,11). Ausdrücklich heißen die Apostel "Fundamente" in der Geheimen Offenbarung (21,14): "Die Mauern der Stadt hatten zwölf Fundamente, auf denen zwölf Namen geschrieben standen, die Namen der zwölf Apostel des Lammes." Sie heißen Fundamente, weil sie durch ihre Lehre Christus verkündigen. "Auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen" (Mt 16,18). Paulus spricht von Aposteln und Propheten, weil beider Lehre zum Heile notwendig ist. "Jeder Lehrer, der in der Verkündigung des Himmelreiches bewandert ist, gleicht einem Hausvater, der aus seinem Schatze Altes und Neues hervorholt" (Mt 13,52). Ferner will Paulus die Übereinstimmung und das einheitliche Fundament beider aufzeigen. Denn was die Propheten als zukünftig voraussagten, das verkündigten die Apostel als geschehene Wirklichkeit. Darum beginnt der Römerbrief mit den Worten: "Paulus, Knecht Christi Jesu, zum Apostel berufen und auserwählt für die Frohbotschaft von seinem Sone, die Gott durch seine Propheten vorherverkündigt hatte" (Röm 1,1 f.). Erstlich ist jedoch Jesus Christus allein das Fundament; deshalb sagt Paulus auch: "und Jesus Christus ist der Eckstein" (Eph 2,12).

Der Herr selbst hat gesagt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Weltzeit" (Mt 28,20). Das gilt aber nicht nur für die Apostel. Denn sie sind alle längst gestorben, und noch immer ist die Weltzeit nicht vollendet... Es ist ein und dieselbe Kirche, die damals bestand, und die jetzt noch fortbesteht. Denn in ihr sind derselbe Glaube, dieselben Sakramente, dieselbe Vollmacht und dasselbe Bekenntnis. Und in diesem Sinne sagt Paulus: "Ist etwa Christus geteilt? Das sei ferne" (1 Kor 1,13).

Die Apostel und ihre Nachfolger sind (also) insofern Gottes Stellvertreter, als sie die durch den Glauben und durch die Glaubenssakramente begründete Kirche zu leiten haben. Sowenig es ihnen demnach erlaubt ist, eine andere Kirche zu gründen, ebenso wenig steht es ihnen zu, einen anderen Glauben zu verkündigen oder andere Sakramente einzusetzen. Die Kirche ist vielmehr aufgebaut durch "die Sakramente die aus der Seitenwunde des am Kreuze hängenden Christus geflossen sind" (Petrus Lombardus zu Röm 5,14).

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Re: Thomas von Aquin - Lehre des Heils
« Antwort #15 am: 10. Dezember 2019, 12:33:24 »
DIE KIRCHE AUF ERDEN LEITET UNS HIN ZUR TRIUMPHIERENDEN GEMEINSCHAFT DER SELIGEN

"Um Eines bitte ich den Herrn. Nur dies erflehe ich für mich: im Haus des Herrn zu weilen alle Tage meines Lebens" (Ps 26,4). Das geistige Gotteshaus ist die streitende Kirche. Paulus schreibt an Timotheus: "Du sollst wissen, wie man sich in Gottes Haus zu verhalten hat, das ja die Kirche des lebendigen Gottes ist, eine Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1 Tim 3,15). Es gibt noch eine andere Kirche, die triumphierende, von der es im zweiten Korintherbrief (5,1) heißt: "Wir wissen ja, wenn unser irdisches Haus abgebrochen wird, erhalten wir einen festen Bau von Gott, ein ewiges Haus im Himmel, das nicht von Menschenhand erbaut ist." Man kann den obigen Psalmvers von beiden Arten der Kirche verstehen, denn das erste Haus ist der Weg und das Tor zum zweiten, wie der Psalm sagt: "Das ist das Tor des Herrn, durch das die Gerechten hineingehen" (Ps 117,20). Und darum muß es unsere Sehnsucht sein, in diesem Hause der Kirche zu wohnen. Und zwar "alle Tage meines Lebens" bis zu seinem Ende. "Sie soll in Ewigkeit mein Ruheplatz sein, ich will hier wohnen, denn hier gefällt es mir" (Ps 131,14).

Nun wohnt man in Gottes Hause durch den Glauben und die Liebe sowie durch entsprechende gute Werke. "Er läßt sie nach gleicher Lebensart in (seinem) Hause wohnen" (Ps 67,7), und zwar, gottlob, für immer. Wir sollen darin wohnen und nicht daraus entfernt werden. Man trennt sich aber von der Kirche durch die Sünde, durch Exkommunikation, durch Abspaltung von der Kirche oder durch Irrlehre. Wer also in ihr, das heißt in dieser Kirche, bis zum Ende wohnt, der wird für dauernd in ihr wohnen. "Selig, die in Deinem Hause wohnen, Herr" (Ps 83,5).

Nunmehr erklärt der Psalmist, warum er im Hause Gottes wohnen will: "um des Herrn Lieblichkeit zu kosten und sie in seinem Tempel zu betrachten" (Ps 26,4)... Hieronymus liest statt dessen: "um die Schönheit des Herrn zu schauen". Damit ist der Lohn bezeichnet, wie Augustinus meint und Johannes (17,3) bezeugt: "Das aber ist das ewige Leben: Dich zu erkennen, den einzig wahren Gott, und den Du gesandt hast: Jesus Christus." Drei Werte begreift diese Gottschauung in sich, nach deren offender Schau der Mensch von Natur aus verlangt: Erstens das Schöne. Die höchste Schönheit ist in Gott selbst. Denn die Schönheit besteht in der Wohlgestalt, und Gott ist die Urform, die allen Wesen Form und Gestalt verleiht. - Zweitens die Freude und das Freisein von Trauer. Und darum heißt es: "Um des Herrn Lieblichkeit zu schauen", das heißt, Gottes Güte, in der die höchste Freude liegt. "In seiner Rechten liegen Wonnen immerdar" (Ps 15,11). - Drittens die Schau der Weltordnung. Denn es ist eine hohe Wonne, in alle Dinge des Weltalls Einsicht zu haben. Und darum ist die offene Schau des Planes der göttlichen Vorsehung solch eine große Freude. Darum sagt der Psalmist, daß er des Herrn Willen schauen möchte, das heißt den von Gottes Willen aufgestellten Heilsplan. "Prüfet, was der Wille Gottes, was gut, wohlgefällig und vollkommen ist" (Röm 12,2). Das tun wir in diesem Leben unvollkommen im Glaubenslicht, wir werden es aber vollkommen tun im künftigen Leben, wo die Heiligen Gott schauen von Angesicht zu Angesicht: "Wir alle aber schauen mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn und werden so zum gleichen Bilde umgestaltet von Herrlichkeit zu Herrlichkeit" (2 Kor 3,18).

 

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