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Von den Irrlehren und deren Bekämpfung
(1/1)
Joel:
Von den Irrlehren und deren Bekämpfung
Hier wird die Gruppe der Irrlehrer vom Erzengel Michael aus dem
Himmel verstoßen. Hinter dem hl. Michael sitzen die vier Kirchenväter
auf einer Wolke.
1)
Wenn Christus das Licht ist, welches hinein zündet in die Finsternisse der Welt: muß nicht Alles frohlockend diesem Lichte sich zuwenden? Wenn Er gekommen ist, das Reich der Lüge zu zerstören, und die Götzen des Aber- und Irrglaubens umzustürzen: wer dürfte es wagen, sie wieder aufrichten zu wollen? Wenn die Wahrheit, die Er verkündet hat, vom Himmel stammt, aus dem Schoße des ewigen Vaters selbst: werden nicht alle Menschen sich freudig und unbedingt zu ihr bekennen? - Ach, so sollte und könnte es sein! Aber wir wissen, dass schon die Juden zur Zeit Christi die Finsternis mehr geliebt haben als das Licht; dass Juden und Heiden gleich Anfangs schon sich anstrengten, die zu Boden geworfenen Götzen wieder auf den Altar zu stellen, und die Wahrheit in Christo zu bekämpfen. Wenn Er auf seine göttliche Würde und Wesensgleichheit mit dem himmlischen Vater hinwies, so hielten sie das für Gotteslästerung. Als Er bezeugte, dass Er älter sei als Abraham, ja von Ewigkeit her, da wollten sie Ihn steinigen. Als Er ihnen vom Brote des ewigen Lebens sprach, und die Einsetzung vom heiligsten Altarsakramente ankündigte, hielten sie das für eine Unmöglichkeit, und traten murrend aus der heiligen Gemeinschaft mit Ihm und den Aposteln. Seine Wunder leugneten sie, oder suchten - weil die Tatsachen vor allem Volke geschehen waren - sie auf ebenso boshafte als lächerliche Weise zu mißdeuten.
Wenn nun unser liebe Herr und Heiland Jesus Christus solcher Maßen mißkannt wurde schon zur Zeit, wo Er das Erlösungswerk auf Erden vollbrachte, so dürfen wir uns darüber nicht wundern, dass auch seine heilige Kirche, die Lehrmeisterin der Völker, mißkannt und ihre Lehre bekämpft wird durch alle Jahrhunderte: in dieser Kirche lebt ja Christus fort; Er aber ist und bleibt bis zum großen Gerichtstage "das Zeichen, dem man widersprechen wird!" - Wie damals, so wird der menschliche Verstand auch fortwährend ohnmächtig sein, die hohen Geheimnisse der Religion Jesu ganz zu begreifen; und darum wird er sich, in stolzer Verblendung, gegen selbige empören: an Scheingründen und Einwendungen wider die Wahrheit kann es ihm heute so wenig fehlen, wie damals! - Wie damals, so wird das menschliche Herz auch fortwährend zum Bösen geneigt sein, und darum die Glaubwürdigkeit des Lehrmeisters leugnen, der Ihm Demut, Gehorsam und Selbstüberwindung predigt: heute so gut, wie damals, will sich das Gewissen vor sich selber rechtfertigen und entschuldigen! - Wie damals, so wird der stolze Mensch auch fortwährend Eifersucht und Neid gegen diejenigen hegen, welche im Auftrage eines unsichtbaren Königs Glauben und Unterwerfung fordern; um wie viel mehr, wenn diesen Stellvertretern des Unsichtbaren persönliche Makel und große Unvollkommenheit anhaftet!
Das ist der Ursprung aller Häresien oder Irrlehren. Die Geschichte dieser Irrlehren entrollt ein düstres Bild vor unsern Augen. Ach, wie sinnlos ist der Mensch, der sich immer und immer wieder zum Richter über jene Wahrheit aufwirft, welche der Sohn Gottes vom Himmel gebracht, durch unzählige Wunder bekräftigt und mit seinem Blute besiegelt hat, für welche Millionen der heiligsten Menschen bereitwillig Blut und Leben geopfert, in welcher die edelsten und klarsten Menschen ihr Glück im Leben und ihren Trost in der Sterbstunde gefunden haben! Und wie beklagenswert ist das Schicksal der Tausende und Millionen, welche durch den Stolz der Irrlehrer vom Quell der Wahrheit, der Gnade und des Lebens, von Christo und seiner Kirche losgetrennt wurden! Dennoch ist der Anblick auch dieses Bildes dir heilsam, o christliche Seele! Mitten im Kampfgewühle erblickest du ja Christus, den Feldherrn, in hoher, göttlicher Majestät, wie Er seine Kirche bewacht vor den Pforten der Hölle, indem Er seine Getreuen sammelt, sie erleuchtet, kräftigt und begeistert, mit dem Schilde großer Kirchenlehrer und heiliger Concilien sie schützt, und das Gold der christlichen Wahrheit aus den Gluten, welche die Irrlehrer angezündet, nur um so reiner und lautrer hervorgehen läßt.
2)
Unter den zahlreichen Irrlehren des christlichen Altertums sind besonders vier von größter Bedeutung, weil sie gegen die vier hauptsächlichsten Glaubensartikel von der Weltschöpfung, von der hochheiligen Dreifaltigkeit, von der gottmenschlichen Person Christi und von der Gnade gerichtet waren.
a) Gegen die christliche Lehre von der Weltschöpfung erhoben sich in den drei ersten Jahrhunderten die Gnostiker d. h. Männer, die sich eine höhere Weisheit zutrauten, und mit Verachtung auf den einfachen Christenglauben herabblickten, dafür aber in die lächerlichsten Träumereien verfielen. So schien es ihnen unmöglich, dass Gott, der erhabene unendliche Geist, den rohen Weltstoff erschaffen habe. Darum behaupteten sie: dieser Weltstoff sei schon von Ewigkeit her dagewesen, wie Gott selbst; aus Gott aber sei ein zweiter, jedoch unvollkommener Geist hervorgestrahlt worden, aus diesem Zweiten ein Dritter, und so noch unzählbar Viele, Jeder geringer an Würde und Weisheit als die Vorhergehenden; nun habe einer dieser geringern Geister sich gegen den allerhöchsten Gott empöret, und ein eigenes Reich gründen wollen;
zu diesem Zweck habe er sich des Weltstoffes bemächtigt, und daraus die Welt mit den drei Naturreichen gebildet, somit verdanke diese Körperwelt einem geringern, bösen Geiste (Demiurg) ihr Dasein, weshalb alles Körperliche an und für sich böse und sündhaft sei; darum müsse der Mensch, der zu Gott empor steigen wolle, sich von allem Körperlichen so viel als möglich fern halten, namentlich vom Genusse des Fleisches, des Weines und von der Ehe; darum habe auch Jesus (ebenfalls ein, aus dem höchsten Gott ausgestrahlter, niedriger Geist) keinen wirklichen Körper, sondern nur einen Scheinleib gehabt. Solche und ähnliche Abgeschmacktheiten schmückten die Gnostiker mit herausgerissenen Sätzen aus der heiligen Schrift und den Büchern der heidnischen Weltweisen aus, und vermeinten, damit die wahre, geistige Wissenschaft erlangt zu haben! Ihre Sittenlehre schien sehr strenge; der Lebenswandel aber der Meisten unter ihnen war voller Ausschweifung und Gräuel; solches hießen sie dann eine gottwohlgefällige Verachtung des Körperlichen! Die merkwürdigsten Lehrer dieser Gnosis waren Cerinthus, Basilides, Valentin, Marcion, und der Perser Manes; die Lehre des Letztern ist der Manichäismus. Gegen sie kämpften schon die heiligen Apostel Johannes und Paulus, sowie die ersten Apostelschüler und die ältesten Kirchenväter, und wachten sorgfältig, dass die kirchliche Lehre durch keine solche Träumereien verunstaltet und befleckt wurde.
b) Gegen das Geheimnis von der hochheiligen Dreieinigkeit hatten sich schon im dritten Jahrhundert mehrere Irrlehrer erhoben, z. B. Paulus von Samosata, Beryllus von Bostra, der afrikanische Priester Sabellius u. A., welche behaupteten: "in Gott sei nur Eine Person, die freilich auf dreifache Art und Weise, als Vater, Sohn und heiliger Geist, sich offenbare." - Arius, Priester in Alexandria, wollte diese Irrlehre bekämpfen, verfiel aber dabei in den gegenteiligen Irrtum: um die Dreifaltigkeit der Person zu beweisen, zerriß er die Einheit der göttlichen Wesenheit, und lehrte: "Der Sohn Gottes ist nicht nur der Person, sondern auch der Natur nach verschieden vom Vater; Er ist nicht aus dem Wesen des Vaters geboren, sondern aus Nichts gemacht worden, und darum nicht gleich ewig und gleich vollkommen wie der Vater, sondern nur das Erste und Vornehmste seiner Geschöpfe." - Dadurch wurde Arius der Vorläufer der heutigen sog. Vernunftgläubigen, (Rationalisten) welche dir Gottheit Jesu Christi leugnen. In der Person des heiligen Kirchenlehrers Athanasius aber erweckte Gott seiner Kirche einen glorreichen Bekenner und Verteidiger der Wahrheit gegn diese schreckliche Irrlehre, welche in der allgemeinen Kirchenversammlung von Nicäa, 325, feierlich verworfen wurde. Dennoch ließ es Gott zu, dass der Arianismus sich über einen großen Teil der Christenheit ausbreiten, und bei verschiedenen Völkern - teils durch die Hinterlist und Heuchelei der Irrlehrer, teils durch die Unterstützung, welche sie am kaiserlichen Hofe fanden (der heilige Athanasius wurde fünf mal verbannt) - gegen 300 Jahre lang sich erhalten konnte.
Verwandt mit dieser Irrlehre ist die des Macedonius, welcher auch vom heiligen Geiste behauptete: "Er sei nicht gleichen Wesens mit dem Vater, sondern geringer als der Vater und der Sohn." Die Kirchenversammlung von Constantinopel hat diese Lästerung wider den heiligen Geist im Jahre 381 verurteilt.
c) Hundert Jahre nach dem Auftreten des Arius erhob sich Nestorius, Patriarch von Constantinopel, gegen die katholische Lehre von der Einheit der Person in Christo boshaften Widerspruch. Das Geheimnis von der innigen und unzertrennlichen Vereinigung der beiden Naturen in Christo - der göttlichen und der menschlichen Natur - in Einheit der Person hielt er für eine Torheit, und behauptete: "in Christo seien zwei Personen, die göttliche und die menschliche; und weil Maria nur die menschliche Person Christi geboren habe, dürfe sie nicht Mutter Gottes genannt werden." Diese Lehre predigte er im Jahre 428 öffentlich in Constantinopel. Unbeschreiblich war die Aufregung und der Schmerz des gläubigen Volkes. Wie, es sollte Maria nicht mehr als die hocherhabene Gottesmutter lobpreisen dürfen? Und wenn die göttliche und menschliche Natur in Chrsto nicht unzertrennlich verbunden sind, wenn also am Kreuze nur die menschliche Person Christi gelitten hat und gestorben ist: welchen Wert kann alsdann das Erlösungsopfer auf Golgatha noch haben? Deshalb ward diese Irrlehre durch zahlreiche Bischöfe und Priester, insonderheit aber durch den heiligen Patriarchen Cyrillus von Alexandrien bekämpft, und auf dem dritten allgemeinen Concil zu Ephesus im Jahre 431 verworfen.
In die gegenteilige Irrlehre verfiel der Abt Eutyches. Um den Nestorius zu bekämpfen, behauptete er: "Die menschliche Natur in Christo sei mit der göttlichen so innig vereint, dass sie sich in ihr ganz aufgelöst habe, so dass man eigentlich nur mehr von einer einzigen Natur in Christo, von der göttlichen, reden könne." Er bedachte nicht, dass Jesus Christus, wenn die menschliche Natur in Ihm aufgehoben wird, nicht mehr unser wahrhaftige Bruder, also auch nicht mehr unser Erlöser sein kann! Deshalb erhob sich besonders der heilige Papst Leo, der Große, mit apostolischem Eifer gegen die Monophysiten (d. h. die Anhänger der Lehre von einer einzigen Natur in Christo), und das vierte allgemeine Concil von Chalcedon sprach im Jahre 451 die Verurteilung wider sie aus.
d) Fast gleichzeitig ergriff der britische Mönch Pelagius in Rom (später in Karthago) die christliche Lehre von der Gnade und von der Freiheit des menschlichen Willens an, indem er diesen allzusehr erhob und jene herabwürdigte. Ganz ähnlich den Vernunftgläubigen unsrer Tage, behauptete dieser verblendete Mönch schon vor anderthalb Jahrtausenden: "Adams Sünde habe seinen Nachkommen keinen Schaden gebracht, darum gebe es auch keine Erbsünde, die Taufe sei zum Heile des Menschen nicht notwendig, und der Mensch habe in sich selbst so viel sittliche Kraft, um auch ohne die Gnade ganz tugendhaft und gottwohlgefällig zu leben, und das Himmelreich verdienen zu können." Der hauptsächliche Bekämpfer dieser Irrlehre war der heilige Kirchenlehrer Augustinus. Gegen die Pelagianer verteidigte er die Notwendigkeit der übernatürlichen Gnade, gegen die Manichäer aber die Freiheit des menschlichen Willens: All unsre Tugend und Heiligkeit könne nur aus der Vereinigung des Göttlichen und des Menschlichen, d. h. der Gnade vom Himmel und der freien Tätigkeit des Menschen hervorgehen, und die göttliche Gnade sei es, welche den, durch Adams Sünde verwundeten und geschwächten Willen des Menschen wieder befreie, belebe, bekräftige und zu wahrhaftiger (übernatürlicher) Tugend befähige. Diese altchristliche Lehre des heiligen Augustinus wurde in mehrern Concilien bestätigt, und die Irrlehre der Pelagianer nochmals auf der dritten allgemeinen Kirchenversammlung zu Ephesus feierlich verworfen.
e) Beim Abschlusse des christlichen Altertumes entbrannte noch in der morgenländischen Kirche der Bilderstreit. Die Morgenländer hatten nämlich die Verehrung, welche den heiligen Bildern gebühret, vielfach auf abergläubische Weise übertrieben; und so vermeinte der griechische Kaiser Leo, der Isaurier, im Jahre 727, den Bilderdienst als etwas Abgöttisches, ganz verbieten zu müssen. Der Streit dauerte 120 Jahre, und mehrere griechische Kaiser vergaßen alle Sorge für die bürgerliche Wohlfahrt ihrer Völker, nur um in die Kirche Gottes hineinzuregieren, und die christliche Bilderverehrung durch kaiserliche Verordnungen, Folter- und Todestrafe auszurotten. Allein die frommen Kaiserinnen Irene und Theodora nahmen sich der in törichter Weise so übermäßig verfolgten urchristlichen Sitte an, und die siebente und die achte allgemeine Kirchenversammlung zu Nicäa und Constantinopel verteidigten die Verehrung (nicht Anbetung) der Bilder als etwas ganz erlaubtes und dem christlichen Volke sehr heilsames.
3)
Im christlichen Mittelalter waren es hauptsächlich drei große Stürme, welche die Einheit der Kirche bedrohten, und ihren Mutterarmen zahlreiche Bekenner entrissen: das griechische Schisma, die manichäistischen Schwärmereien des dreizehnten Jahrhunderts und der Husitenkampf.
a) Der Urheber des griechischen Schisma, welches die morgenländische oder griechische Kirche von der römischen Haupt- und Mutterkirche lostrennte, ist Photius. Dieser arglistige Mann, unterstützt durch die Ränke und Gewalttätigkeiten des kaiserlichen Hofes, bestieg im Jahre 858 den Patriarchenstuhl zu Constantinopel. Anfänglich suchte er sich, durch unwürdige Schmeicheleien und Geschenke, die päpstliche Anerkennung zu verschaffen. Als ihm das aber nicht gelang, warf er die Larve ab, und erfrechte sich, über die abendländische oder römische Kirche, als sei sie vom Glauben und der christlichen Sitte der Vorväter abgewichen, den Bann auszusprechen. Der Heuchler wurde zwar später von Kaiser Leo VI. seiner Würde entsetzt und starb im Jahre 891. Allein die Glut der Zwietracht, die er angefacht hatte, brannte unter der Asche fort, bis der ehrgeizige Michael Cerularius, der im Jahre 1043 zum Patriarchen von Constantinopel erhoben wurde, sie neuerdings zur mächtigen Flamme anfachte. Er wiederholte die frühern Klagen des Photius wider Rom, und wußte Volk und Geistlichkeit dermaßen aufzuwiegeln, dass die völlige Losreißung der morgenländischen Kirche von der abendländischen erfolgte. - Seither haben die Päpste und die, auf allgemeinen Concilien versammelten Bischöfe nicht aufgehört, die Getrennten wieder zur kirchlichen Einheit zurückzurufen. Allein obschon diese Bemühungen hie und da großen Erfolg zu versprechen schienen, und einzelne Bistümer wirklich zur Mutterkirche zurückkehrten (unirte Griechen) so dauert dir Spaltung im Großen und Ganzen bis auf den heutigen Tag noch fort. Die griechische Kirche aber, aus welcher einst die größten Lehrer und berühmtesten Heiligen hervorgegangen, ist seither wie ein, vom Weinstock abgeschnittenes Rebschoß, vertrocknet und verdorret; und der Fluch des Cäsareopapismus, d. h. der kaiserlichen Oberherrlichkeit über die Kirche, wie er einst von den Kaisern in Constantinopel ausging, liegt heute noch - nachdem diese Stadt im Jahre 1453 in die Hände der mahomedanischen Türken gefallen - über der unglücklichen griechischen Kirche, wo die höchste geistliche und die höchste bürgerliche Gewalt in den Händen eines Kaiserpapstes, des rußischen Zaren, liegt.
b) Kaum anderthalb Jahrhundert nach diesem traurigen Abfalle des Morgenlandes, ward das christliche Abendland selbst durch die Schwärmerei der Katharer und Albigenser erschüttert. Es waren dies nicht etwa zwei verschiedene religiöse Parteien, sondern vielmehr eine ganze Menge manichäisch- gnostischer Sekten, die besonders in Spanien und Südfrankreich am Anfange des dreizehnten Jahrhunderts ihr Unwesen trieben. Wegen ihrer stolzen Scheinheiligkeit heißen sie Katharer ("die Reinen"), von ihrem Hauptsitze aber, der südfranzösischen Stadt Albi, erhielten sie den Namen Albigenser.
Sie verwarfen alle christlichen Grundwahrheiten von der Weltschöpfung, von der Menschwerdung Christi, von seiner Auferstehung, sowie allen äußeren Gottesdienst, und namentlich auch die Ehe. "Nicht der Gott des Lichtes - so lehrten sie - habe die Welt erschaffen, sondern der Gott der Finsternis, Jehova; die, von diesem abstammenden Menschen seien darum, ihrer Natur nach, Feinde des Lichtes; allein der Lichtgott habe seinen vornehmsten Engel, Jesus, mit einem Scheinleibe in die Welt gesandt, um die Menschen von der Knechtschaft Jehova´s und seiner zehn Gebote zu befreien. Diese Befreiten bilden eine höhere Menschenklasse, und nur ihnen ist man Gehorsam schuldig, weil nur sie in strengster Enthaltung von allem Körperlichen leben. Ein Jeder, der verspricht, sich noch vor seinem Tode in diese höhere Klasse aufnehmen zu lassen, darf sich inzwischen alle Genüsse erlauben, und braucht sich al keine Gebote zu halten, zumal diese ja vom Gotte der Finsternis, von Jehova, herstammen."
So schauerliche Grundsätze mußten begreiflich nicht nur alle Grundlagen der Kirche, sondern auch des Staates zerstören. Als darum die Mittel der Güte und der Belehrung, welche der große Papst Innocenz III. gegen sie angewandt, vergeblich waren; als auch der geistige Kreuzzug der Predigt und des Rosenkranzgebetes, welchen der heilige Dominikus und seine Mönche unternahmen, das schreckliche Übel nicht völlig besiegte; als die Empörer in ihrer Frechheit sogar an der Person des päpstlichen Legaten, Peters von Castelnau, sich vergriffen, und ihn während der Predigt am 15. Jänner 1209 erschlugen: da mußte auch gegen sie zum Schwerte gegriffen werden. Ein Kreuzheer, Graf Simon von Montfort an der Spitze, zog wider sie aus, und es begann eine Reihe blutiger und gräuelvoller Kriege - nach deren Vollendung, um´s Jahr 1229, die Inquisition in´s Leben trat, und die Hartnäckigen, als Frevler an der bürgerlichen Ordnung, dem bürgerlichen Strafgerichte überantwortete.
c) Mit dem Unwesen der Albigenser stunden im Mittelalter noch zahlreiche andere schwärmerische Erscheinungen in Verbindung. Die äußere Majestät der Kirche, der fürstliche Glanz und die Reichtümer ihrer Vorsteher, der ärgerliche Lebenswandel vieler Geistlichen: dies verwirrte manch gutmütige aber schwache Seele, welche das Zufällige nicht vom Wesentlichen und die Ausnahmen nicht von der Regel zu unterscheiden vermochte. Solche Seelen verfielen dann leicht in Argwohn und Zweifel wider die Kirche. Ihr blödes Auge sah nur das Äußerliche; und so meinten sie, das Innerliche, der Geist Jesu Christi, sei ganz aus dieser Kirche gewichen. In diesem Argwohn wurden sie gar oft noch bestärkt durch die Strafpredigten heiliger Männer und gottbegnadigter Frauen wider pflichtvergessene Bischöfe und Priester; vielfach auch durch mißverständliche oder falsche Prophezeiungen. So entstand dann allmälig in ihnen Verachtung gegen die Kirche, ihre Verordnungen und ihren Gottesdienst; sie wollten ganz innerlich, ganz geistig werden, um in unmittelbare Verbindung mit Christus und der jenseitigen Welt zu treten, und verfielen dabei in eine höchst gefährliche falsche Mystik.
Dies war das Schicksal der Waldenser im 12. Jahrhundert, der Brüder und Schwestern des freien Geistes, sowie der Apostelbrüder im dreizehnten. Auch der Engländer John Wikless gehörte zu diesen verderblichen Schwärmern. Mit großer Leidenschaft eiferte er wider den Güterbesitz der Kirche und wider den Papst, und setzte (wie später die sog. Reformatoren) den Verstand und das fromme Gemüt jedes einzelnen Menschen, welcher die heiligen Schriften las, zum unfehlbaren Erklärer derselben und obersten Schiedsrichter des Glaubens ein. Er starb im Jahre 1384; seine Lehre aber wurde wieder aufgegriffen und verbreitet durch den Böhmischen Irrlehrer Johannes Hus. "Die einen Menschen - so lehrte er - sind von Gott zur ewigen Seligkeit vorausbestimmt (die Prädestinierten), und diese könne nicht anders als selig werden. Die Anderen aber sind zur Verdammnis vorausbestimmt, und können ihr nicht entrinnen. Nur die Prädestinierten sind Mitglieder der Kirche; nur diese können Vorsteher der Kirche und des Staates sein; den Anderen schuldet man keinen Gehorsam." Dadurch wurde Hus zum gefährlichsten Empörer wider der Kirche und Staat. Mit einem Geleitsbriefe von Kaiser Sigismund versehen, erschien er vor der allgemeinen Kirchenversammlung zu Constanz. Die Fürsten, sowie die gelehrtesten und menschenfreundlichsten Bischöfe drangen mit Bitte und Belehrung in ihn, seiner unsinnigen und gefährlichen Irrlehre zu entsagen und die Kirche Gottes von so schrecklichem Ärgernisse zu befreien. Allein der stolze und hartnäckige Mann widerstand jeglicher Mahnung, und wurde deshalb am 6. Juli 1415 als Ketzer und Aufrührer zu Constanz verbrannt. Nun begannen die böhmischen Edelleute - unter dem Vorwande, Hus zu rächen und den Laienkelch, d. h. die Kommunion unter beiden Gestalten, zu erzwingen - wider den deutschen König Sigismund den fürchterlichen Husitenkrieg, der erst nach zwanzig Jahren mit Unterwerfung der böhmischen und mährischen Husiten endete.
4)
An der Schwelle der neueren Zeit, d. h. im Anfange des 16. Jahrhunderts erblicken wir drei Männer, welche die Kirche Christi reformieren, d. h. umbilden und verbessern wollten, in Wahrheit aber sie zerrissen, und einen großen Teil der Christenheit von ihr losgetrennt haben. Diese drei sogenannten Reformatoren sind Luther, Zwingli und Calvin. Ihr Widerspruch gegen die Kirche bezog sich anfänglich nur auf äußere Dinge und wirkliche Übelstände; allein die Unklarheit ihres Geistes, der Stolz ihres Herzens und die gefährliche Lobpreisung, welche ihnen von einigen Großen dieser Welt zu Teil wurde, führte sie immer weiter, bis endlich ihre Lehren alle Grundlagen und Glaubenswahrheiten der katholischen Kirche erschütterten. Sie selbst waren unter sich nichts weniger als einig, und bekämpften einander in wichtigen Punkten auf´s leidenschaftlichste. Diese Kämpfe haben auch unter ihren Anhängern fortgedauert. Heutzutage, wo der Unglaube unter Letztern in schauerlicher Weise um sich greift, und gläubige und ungläubige Protestanten immer schroffer sich ausscheiden, kann die Lehre der Erstern, soweit sie von dem katholischen Glauben abweicht, ungefähr in folgenden Sätzen ausgedrückt werden:
1. "Das Fundament alles christlichen Glaubens ist die Bibel; und ein Jeder, der mit gutem Willen in ihr liest und danach lebt, wird aller Wahrheit und aller Gnade in Christo teilhaftig." - Dagegen lehrt uns der katholische Glaube, dass Christus die Seinigen nicht auf tote Buchstaben, sondern auf die Apostel und ihre Nachfolger angewiesen hat; dass Er nicht ein geschriebenes Buch, sondern eine lebendige Kirche zur unfehlbaren Lehrmeisterin der Völker eingesetzt hat; und dass diese allein Auftrag und Vollmacht besitzt, den wahren Sinn der Bibel, sowie den reichen Inhalt der mündlichen Überlieferung allen Völkern mitzuteilen und zu erklären.
2. "Der Glaube allein macht die Menschen selig." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass Christus von den Seinigen nicht nur den Glauben, sondern auch die, aus dem Glauben hervorgehenden Werke der christlichen Liebe als unerlässliche Bedingung der ewigen Seligkeit fordert.
3. "Christus allein ist der Priester in Ewigkeit, und darum bedarf seine Kirche keiner Priester, sondern nur gewisser Männer, welche das Wort Gottes verkünden, und die kirchliche Ordnung unter den Gläubigen aufrecht erhalten." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass Christus, der Hohepriester, auch die Apostel und ihre Nachfolger seiner priesterlichen Vollmacht teilhaftig gemacht, und ihnen den Auftrag gegeben hat, nicht nur seine Lehre zu predigen, sondern auch sein hochheiliges Opfer in unblutiger Weise zu erneuern, die heiligen Sakramente zu spenden und in seinem Namen zu segnen.
4. "Die Kirche Christi braucht und besitzt kein anderes Oberhaupt, als Jesum Christum." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass Christus den heiligen Petrus und seinen Rechtsnachfolger, den Papst, zu seinem sichtbaren Stellvertreter und zum Oberhaupte der heiligen Gemeinde, zum Mittelpunkt der christlichen Einheit und zum unfehlbaren Lehrmeister der Glaubenswahrheit gemacht hat.
5. "Es gibt nur zwei eigentliche Sakramente: die Taufe und das Abendmahl." - Dagegen lehret uns die katholische Kirche, dass sieben heilige Sakramente von Christus eingesetzt, und durch alle Jahrhunderte den Gläubigen gespendet worden sind.
6. "Für die Christen gibt es kein anderes Opfer als das blutige Kreuzopfer unsers Herrn." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass dieses blutige Kreuzopfer, nach der Anordnung Christi beim letzten Abendmahle, bis ans Ende der Welt auf unblutige Weise in der heiligen Messe erneuert werden muß, als das, von den Propheten geweissagte reine Speiseopfer nach der Ordnung Melchisedechs.
7. "Da Gott nur im Geiste und in der Wahrheit angebetet werden will, so können beim christlichen Gottesdienste weder religiöse Bilder noch mancherlei Ceremonien geduldet werden." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass fromme Bilder und bedeutungsvolle heilige Ceremonien die innerliche Andacht und die Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit mächtig wecken und fördern, und darum mit dem christlichen Gottesdienste verbunden sein soll.
8. "Der Sünder bedarf zur Sündennachlassung nichts anderes als den Glauben an die Versöhnung in Christo und den ernstlichen Entschluß der Lebensbesserung." - Dagegen lehret uns die katholische Kirche, dass Christus seine Apostel und ihre Nachfolger beauftragt hat, die reumütigen Sünder, nachdem sie in der heiligen Beicht ihre Vergehungen demütig bekannt haben, von denselben loszusprechen.
9. "Das Abendmahl enthält nur ein Sinnbild und gnadenreiches Andenken an den Erlösungstod Jesu Christi." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass im heiligsten Altarsakramente das verheissene wahrhaftige Brot des Lebens, d. h. Jesus Christus selbst, wirklich und wesentlich gegenwärtig ist.
10. "Dem Herrn allein gebühret Anbetung, Lob und Preis; deshalb ist es ein unchristlicher Gebrauch, sich mit Gebeten an Maria und an die Heiligen zu wenden." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass es sehr heilsam und vernünftig ist, Maria und die lieben Heiligen zu verehren und sie um ihre Fürsprache am Throne Gottes anzurufen.
11. "Im Jenseits gibt es nur Himmel und Hölle." - Dagegen lehrt uns die katholische Kirche, dass es noch einen Reinigungsort (Fegfeuer) gibt, und deshalb für die Seelen der lieben Verstorbenen Gebete und Opfer dargebracht werden sollen.
Hieraus ersiehst du, o christliche Seele, wie weit diese neue Lehre von der alten, urchristlichen Wahrheit abweicht, und wie tief diejenigen zu beklagen sind, welche sich (mit oder ohne ihre Schuld, darüber können wir nicht urteilen: Gott ist der Richter!) dem "neuen Evangelium" zugewendet haben! - Wünschest du aber über die drei unglücklichen Männer, ihr Auftreten und ihre Schicksale, Näheres zu vernehmen, so sei dir solches hier in aller Kürze erzählt.
a) Martin Luther, geboren den 10. November 1483 zu Eisleben in Sachsen, wurde Augustinermönch, Priester und Professor zu Wittenberg. Damals wurde in Deutschland der Ablass gepredigt, und hierbei die Gläubigen eingeladen, eine fromme Beisteuer zum herrlichsten Tempel der Christenheit, zur Erbauung der Peterskirche in Rom darzubringen. Luther nahm Anstoß am Auftreten der Ablaßprediger, und schlug am Tore der Allerheiligenkirche zu Wittenberg eine Darlegung seiner Ansichten über den Ablass in 95 Sätzen an. Dies geschah am 31. Oktober 1517. Die Sätze erregten ungeheures Aufsehen in ganz Europa, und viele, sonst rechtgläubige Männer nahmen Partei für den kühnen Mönch, in welchem sie nur einen Eiferer wider unchristliche Mißbräuche erblickten. Luther selbst wollte sich anfänglich von der Kirche nicht trennen. Noch am 3. März 1519 schrieb er nach Rom, dass ihm, nächst Christus, die Autorität des Papstes über Alles im Himmel und auf Erden gehe; ja sogar noch am 15. Jänner 1520 beteuerte er dem Kaiser Karl: er wolle als treuer und gehorsamer Sohn der katholischen Kirche leben und sterben. Allein der Geist des Widerspruchs hatte ihn schon allzusehr verblendet. Eine christliche Wahrheit nach der anderen leugnend, verfiel er dem Kirchenbanne, verband sich mit allen Feinden der Kirche, lästerte und verhöhnte schriftlich und mündlich in den rohesten Ausdrücken die katholischen Glaubenslehren, Sittenvorschriften und Gebräuche, und trat endlich im Juni 1525 auch seine heiligen Ordensgelübde mit Füßen, indem er sich mit einer ausgesprungenen Nonne, Catharina Bora, verheiratete. Er starb am 22. Februar 1546, nachdem er es noch mit eigenen Augen hatte ansehen und beklagen müssen, wie das deutsche Volk, seit dem Beginne der neuen Lehre, sittenloser und ausschweifender geworden!
b) Ulrich Zwingli, geboren den 1. Jänner 1484 zu Wildhausen in der Schweiz, trat in den heiligen Priesterstand und wurde Pfarrer in Clarus, später in Einsiedeln - ein, wenn auch gelehrter, doch unwürdiger Seelsorger, der, nach seinem eigenen Geständnisse, durch unzüchtigen Lebenswandel großes Ärgernis gab. Dennoch ward er im Jahre 1518 als Pfarrer nach Zürich gewählt, woselbst er gar bald, unterstützt durch die Regierung, gegen die alte katholische Lehre auftrat, sich verehlichte, die heilige Messe abschaffte, die religiösen Bilder zerstörte, die Klöster aufhob. Gegen Luther, welcher an der wahrhaftigen Gegenwart Christi in der heiligen Kommunion festhalten wollte, trat Zwingli mit großem Ingrimme auf, so dass Luther, als er den Tod Zwingli´s in der Schlacht von Kappel (11. Oktober 1531) vernahm, frohlockend ausrief: "Siehe, das ist das Ende ihrer Herrlichkeit, welche sie durch Lästerungen wider das Abendmahl unsers Herrn gesucht haben! Nun erheben sie den Zwingli gar noch zu einem Martyrer Christi, um das Mass ihrer Gotteslästerungen voll zu machen, bis es überlaufen muss." - Ebenso feindselig benahmen sich andererseits auch die Anhänger Zwingli´s gegen Luther, dessen "kurzes Glaubensbekenntnis" sie ein "so unreines, lästerliches, wütendes und verteufeltes Buch" nannten, dass es "einzig und beispiellos in seiner Art" und eine Schmach der Christenheit sei.
c) Johannes Calvin, geboren den 10. Juli zu Noyon in Frankreich, wurde in Paris mit dem Luthertume bekannt, und trat sofort mit glühendem Eifer als Verteidiger der neuen Lehre auf. Bald aber sah er sich genötigt, Frankreich zu verlassen und kam, nach kurzem Aufenthalte in Basel, nach Genf. Hier gelang es ihm, durch seine Kenntnisse und seine eiserne Willenskraft, sich zum obersten, fast unumschränkten Herrn in geistlichen und weltlichen Dingen aufzuwerfen, und die neue Lehre einzuführen. Dieser düstere, unheimliche und gewalttätige Mann huldigte der strengsten Prädestinationslehre, d. h. dem schauerlichen Wahne: Gott habe einige Menschen zum ewigen Leben, Andere unrettbar zum ewigen Tode vorausbestimmt. Alle, die nicht gänzlich und in allen Stücken sich seiner Lehre unterwarfen, verfolgte er mit dem grimmigsten Hasse. Den Arzt Bolsec, den Ratsherrn Ameaux, den Gentilis u. A. ließ er einkerkern und verbannen, den Jakob Grüet ließ er wiederholt auf die Folter spannen und dann enthaupten, den Arzt Michael Servet verbrennen: nur weil sie in kirchlichen Dingen anderer Ansicht waren, als er. Er selbst starb am 27. Mai 1564.
d) Das waren die drei Männer, welche die Religion Jesu Christi verbessern und die Kirche Gottes reformieren wollten! Mit Recht rief ihnen der gelehrte und vielgepriesene Crasmus von Rotterdam zu: "Was wollt ihr denn? Ihr verlangt, dass die Welt auf einmal das verachte, was die Voreltern seit einem Jahrtausend uns überliefert haben! Eurem neuen Evangelium fehlt alles, die Weissagung, die Wunder, die Reinheit des Lebenswandels, die innere Vernünftigkeit der Lehre, die Übereinstimmung der Lehrmeister, die Martyrer: - und dennoch verlangt ihr, dass wir mit Händen und Füßen in dieses neue Evangelium hinüberspringen! Ihr wollet uns glauben machen, dass die Kirche während vierzehn Jahrhunderten ihren Christus entbehrt, und dass, während der Bräutigam so lange schlief, die Braut Larven und Götzen verehrt habe! -
O kein Laster ist schrecklicher, als der Abfall von der Kirche. Wenn ihr all die Übbigkeit, den Stolz, den Geiz, und was immer man den Priestern vorwerfen mag, zusammenhäufet, so ist diese vielköpfige Schlange von Lastern doch nichts gegen das eine Ungeheuer der Lostrennung von der Kirche. - Die Apostel enthielten sich entweder ganz der Ehe, oder lebten mit ihren rechtmäßigen Gattinnen wie Bruder und Schwester, nur um so ungeteilter sich dem Evangelium zu widmen: nun erblühet ein Evangelium nach welchem Priester und Mönche gegen Gesetz und Gelübde sich verheiraten! Einst verwandelte das Evangelium die rohen, streitsüchtigen und aufbrausenden Menschen in sanfte und friedfertige Lämmer: die Anhänger des neuen Evangeliums aber verwildern, rauben, verfluchen ihre Wohltäter und predigen Aufruhr. Neue Heuchler sehe ich, neue Tyrannen, aber keine Spur evangelischen Geistes! Zeiget mir auch nur einen Einzigen, welcher durch dieses Evangelium ein besserer Mensch geworden wäre; ich für meinen Teil habe noch keinen gekannt, der dadurch nicht schlechter geworden wäre als ehedem. - Wo dieses neue Evangelium herrschet, geht die Wissenschaft zu Grunde. Die Schriften der Alten liegen in Verachtung. Die Philosophie des Aristoteles nennt Luther ein Teufelswerk, und verdammt jegliche Wissenschaft. Melanchton eifert gegen die Universitäten. Pharell verlästert alle menschliche Gelehrsamkeit als Teufelserfindung. Hier möchte man die Schuld, dass die Zahl der Studierenden abnimmt, gerne den Geistlichen aufbürden, denn auf diesem Felde tummelt man sich so gerne herum - und gedenkt nicht der zahllosen Collegien in England, Holland, Frankreich und anderwärts, die von Bischöfen und Priestern auf´s Freigebigste gegründet und mit Stiftungen für die Zöglinge auf´s Reichlichste bedacht wurden. Allerdings haben neulich auch einige (protestantische) Städte angefangen, sich Professoren zu verschreiben: es wird notwendig sein, dass sie sich auch die Schüler dazu verschreiben - solche Geistesträgheit hat uns das neue Evangelium gebracht."
Rechnen wir zu dieser damaligen Verwilderung und Entsittlichung, wie sie hier der sonst so milde Erasmus schildert, noch die schrecklichen Religionskriege in England, Frankreich, Deutschland und der Schweiz, dann die Gewalttätigkeiten, mit welchen die neue Lehre an den meisten Orten eingeführt und begründet wurde, und endlich die traurige Spaltung, die nun seit drei Jahrhunderten das christliche Europa in zwei feindliche Lager teilt, zur Freude des Unglaubens und der Hölle: - dann werden wir sog. Reformation als eine der schwersten Heimsuchungen, welche der Herr je über seine Kirche kommen ließ, betrachten müssen. Doch unentwegt vertrauen wir auf sein Wort: "Die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen - und es wird Ein Hirt und Eine Herde sein!"
e) Überblicken wir die Anfechtungen und Kämpfe, welche seit den Tagen der Reformation bis heute von einzelnen Katholiken gegen die heilige Kirche ausgingen, so beruhen sie größtenteils auf einem falschen Liberalismus. Bemühe dich, o christliche Seele, die Bedeutung dieses wichtigen Wortes recht genau zu erfassen. Die katholische Kirche wird hauptsächlich von drei Feinden bekämpft: von der Staatsomnipotenz, d. h. von der staatlichen Gewalt, die Alles, auch das kirchliche Leben beherrschen und allmächtig sein will; vom bibelgläubigen Protestantismus, und vom Unglauben. Nun gab es von jeher und gibt es bis auf unsre Tage herab einzelne Katholiken, einzelne Gelehrten und Professoren, sogar hochgestellte Geistliche, die, statt diesen drei Feinden gegenüber die kostbare Hinterlage des Glaubens und der Gnade unversehrt zu hüten und mannhaft zu verteidigen, mit denselben mehr oder weniger liebäugelten, und bald diesen, bald jenen Teil der katholischen Wahrheit und des kirchlichen Rechtes preisgaben, in der guten Absicht, die Hauptsache zu retten und den kirchlichen Frieden zu bewahren. Sie bedachten nicht, dass die christliche Wahrheit nicht Menschenwerk noch eine Ware ist, mit welcher man, nach Art der Kaufleute, um irdischen Gewinnes willen, markten und feilschen darf! Sie bedachten nicht, wie ernstlich der Herr uns befiehlt, auch am kleinsten Teile seiner Lehre und Vorschriften in unentwegter Treue fetstzuhalten! Sie bedachten nicht, dass der Feind durch solche Nachgiebigkeit doch niemals zufrieden gestellt wird, und somit die vermeintliche Klugheit sich am Ende als Torheit und Treulosigkeit erweisen muss! - Freilich ernten solche Menschen eine Zeit lang das Lob der Welt. Sie werden als tolerante, freisinnige und aufgeklärte Katholiken gepriesen, während man ihre Mitbrüder, die standhaft und unerschütterlich an der Kirche festhalten, als Ultramontane, beschimpft, verachtet und verfolgt. Allein gerade diese Lobpreisungen der Feinde sollten ihnen bange machen! Denn Christus, der Herr, hat gesprochen: "Gedenket meiner Rede: der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie Mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen. Wäret ihr von dieser Welt gewesen, so würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern Ich euch von der Welt auserwählt habe, darum hasset euch die Welt."
Zur Bekämpfung dieses falschen Liberalismus hat der göttliche Heiland in unsern Tagen viele große, gelehrte und starkmütige Männer erwecket: an ihrer Spitze die Bischöfe Deutschlands und der Schweiz. Ausgerüstet mit der Waffenrüstung des Glaubens, unerschütterlich im Vertrauen auf Gott, ausgezeichnet durch Erfahrung und Wissenschaft, unzugänglich wie den schmeichlerischen Verlockungen, so auch den Drohungen von Seite der Gewaltigen dieser Erde, pflichtbewußt, einträchtig und der Martyrerbischöfe früherer Jahrhunderte eingedenkt: so kämpfen diese erlauchten Männer wider die Angriffe des folschen Liberalismus, und verteidigen in Wort und Schrift, in Rechtsverwahrungen und Hirtenschreiben die Hinterlage des Glaubens, die Freiheit der Kirche und die Rechte des christgläubigen Volkes.
Ihr Anführer in diesem heiligen Kampfe ist der Vater der Christenheit, der glorreiche Papst Pius IX. Mild und freundlich gegen die Menschen, hat er vom Beginne seines Pontifikates an nicht aufgehört, die falschen Grundsätze mit Heldenmut zu bekämpfen. Wie einst der greise Mathathias in den Tagen des treulosen und übermütigen Königs Antiochus, so rief auch Pius IX.: "Wer immer Eifer für das Gesetz hat, und den Bund des Herrn aufrecht hält, der ziehe aus, mir nach! Stark ist der Übermut unsrer Feinde, eine Zeit der Strafe, der Verwüstung und des grimmigen Zornes. Drum ermannet euch, o Brüder, und seid wacker für das Gesetz!" - In zahlreichen apostolischen Rundschreiben, Ansprachen und päpstlichen Erlassen hat er den Antiochus einer gottlosen Aufklärung entlarvt, und mit lauter Stimme es den Völkern verkündet, dass nicht falsche Nachgiebigkeit und biegsame Grundsatzlosigkeit zum Frieden führt; dass wahrer, dauerhafter und beseligender Friede einzig und allein in Christo ist, und nur derjenige diesen Frieden findet, der in allem, ganz und ungeteilt Ihm huldigt und Ehre gibt. Denn ewig unzertrennlich bleibet der Engelsgruß: "Ehre Gott in der Höhe - und Friede den Menschen auf Erden!"
(Auszug aus: LEBEN JESU, von L.C.Businger, 1874)
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