MARIA, MEINE BRAUT
Der Brautring, den der heilige Joseph bei seiner Vermählung von der reinsten und unbefleckten Jungfrau erhielt und den er am Finger trug, wird in der Stadt Perugia in Italien in einem prachtvollen, goldenen Behältnis auf dem Altar einer Kapelle der Hauptkirche des heiligen Laurentius aufbewahrt. Im fünfzehnten Jahrhundert kam dieser Ring durch eine Fügung Gottes aus der Stadt Chiugi nach Perugia.
Hierüber entstand ein Streit und großer Zwist zwischen den Bewohnern beider Städte, bis Papst Sixtus IV. beschloss, dass diese heilige Reliquie nach Rom, der Hauptstadt der Christenheit, gebracht werden sollte. Endlich im Jahr 1486 unter Papst Innozenz VIII. erneuerten die Perugianer ihre Bitte und erhielten den Ring wieder unter großem Jubel des Volkes.
Können auch wir, liebe Christen, diesen Ring nicht sehen und verehren, so erweckt doch die Erinnerung daran den heißen Wunsch in unserer Seele, nach einer innigen Verbindung mit Maria, nach einer Vereinigung unseres Herzens mit ihrem Herzen. Es geht uns da, wie dem heiligen Bernhardin von Siena, der bei der Betrachtung des Festes Mariä Vermählung sehnsuchtsvoll ausrief:
O glücklicher Joseph, könnte ich Maria, gleich wie du, auch meine Braut nennen!
– Das Wesen des bräutlichen Verhältnisses ist die Liebe und in Kraft dieser Liebe können und dürfen wir sie heute und immer begrüßen: Maria, meine Braut!
– Diese Liebe muss aber eine einer solch erhabenen himmlischen Braut würdige Liebe sein wenigstens dem Willen nach, denn in der Tat können wir sündhafte Menschen dies nie erreichen; wir müssen Maria lieben rein, wahr, ewig!
Als einst der Weltweise Aristoteles gefragt wurde, warum man die Schönheit liebe und ihr so nachlaufe, antwortete er, das wäre die Frage eines Blinden.
Die Schönheit nämlich hat einen solchen Reiz, dass wer sie nur immer sieht, sich davon angezogen fühlt. Maria war aber, wie die heiligen Väter einstimmig sagen, das schönste Geschöpf, das je aus der schaffenden Hand der göttlichen Allmacht hervorgegangen, weil in ihr Leibesschönheit mit der Schönheit der Seele aufs Innigste vereinigt war; weshalb sie auch der heilige Geist im Hohenlied die Schönste unter den Frauen nennt. Daher kommt es, liebe Christen, dass wir uns so angezogen fühlen von Maria, mögen wir sie nun im Bild erblicken oder durch die Betrachtung vor unserem geistigen Auge erscheinen lassen; daher kommt es, dass wir ganz hingerissen werden von ihrer Schönheit, dass selbst in dem Herzen des versunkensten Menschen oft noch ein Funken der Liebe sich für sie regt, dass selbst das kleinste Kind beim Anblick eines Muttergottesbildes oder beim Nennen ihres heiligen Namens Freude und Lust empfindet.
Fromme Schriftsteller haben uns die Nachricht hinterlassen, dass wer immer die jungfräuliche Erscheinung Mariens, so lange sie auf Erden wandelte, erblickte, sich von einer solchen Liebe zur heiligen Reinigkeit durchdrungen fühlte, dass jede irdische Regung, jede sündige Neigung augenblicklich verschwand.
Dieselbe Erfahrung können wir auch jetzt noch machen, wenn wir an ihren Gnadenorten beten und vor ihren heiligen Bildern knien; nur keusche Gefühle durchziehen unsere Seele und wir empfinden deutlich, dass unsere jungfräuliche Braut nur eine reine Liebe wohlgefalle.
Der heilige Ambrosius sagt: Maria stand mitten unter den Soldaten und Henkersknechten standhaft bei dem Kreuz, ohne von deren Frechheit etwas zu befürchten, weil sie eine so wunderbare Gnade hatte, dass nicht allein ihre Keuschheit unter den frechen Soldaten ganz sicher war, sondern auch ihr heiliges Antlitz schon denen, die sie betrachteten, Liebe zur Reinigkeit eingeflößt habe.
– Der ehrwürdige Bruder Gerard Majella hatte die jungfräuliche Reinigkeit bis zu seinem Tod bewahrt und das Kleid der Unschuld seit seiner Taufe nie durch eine schwere Sünde befleckt. Warum?
– Weil er die allerseligste Jungfrau mit reiner Liebe liebte und oft sagte: Maria hat mein Herz bezaubert und ich habe es ihr hingegeben. Wurde ein Fest Mariens gefeiert, so konnte er sich den ganzen Tag über nicht mehr von ihrem Altar trennen.
Einst sah man ihn an einem solchen Fest ganz entflammt vor vielem Volk an den Altar eilen und einen Ring hinauflegen. Darüber befragt, sagte er, er habe seine Reinigkeit mit der Reinheit Mariens vermählen wollen. Und in seiner Begeisterung sprach er dann, wenn von ihr die Rede war: Maria ist meine Braut! Wollen auch wir es wagen, liebe Christen, die allerseligste Jungfrau unsere Braut zu nennen, so müssen wir mit keuschem Leib, mit schuldloser Seele ihr dienen und sie mit reiner Liebe lieben.
Das sicherste Zeichen der wahren Liebe, sagt der heilige Augustin, ist die Opferwilligkeit. Der echten Liebe ist keine Mühe zu viel, keine Beschwerde zu hart, kein Opfer zu groß; sie gibt für den Geliebten alles mit Freuden hin; darum ist die Liebe Jesu Christi zu uns eine wahre Liebe, weil er sein Blut und Leben für uns dahingegeben; darum ist die Liebe unserer himmlischen Braut Maria zu uns eine echte Liebe, weil sie ihren einzigen, geliebtesten Sohn für uns geopfert hat; und auch wir können nur dadurch die Wahrheit unserer Liebe beweisen, dass wir Opfer bringen für Maria.
– Der Vater des heiligen Bernhard, keinen Widerspruch ertragend, wollte seinen Sohn als den Stammhalter seines Adels und als den Erben seiner reichen Güter, zur Verehelichung zwingen und hatte schon längst Margaretha, die Tochter des Grafen von Miolans, für ihn als Braut bestimmt. In dieser Bedrängnis keinen Ausweg findend zog sich Bernhard am Vorabend der Trauung betrübt in sein Zimmer zurück, warf sich vor dem Bild der Gottesmutter auf seine Knie und rief: Ich will keine andere Braut, als dich, o Maria! Gerne opfere ich deiner Liebe jede irdische Liebe, die Hand dieses jungen Mädchens, den Adel meiner Geburt, den Reichtum meines Erbes, alles! Und er entfloh noch in dieser Nacht aus seinem väterlichen Schloss für immer.
Das war wirklich eine wahre Liebe; doch, liebe Christen, wenn auch wir nicht in der Lage sind, solche Opfer zu bringen und sie in solcher Weise auch nicht von uns verlangt werden, so können wir doch immer die Wahrheit unserer Liebe beweisen.
Es gibt so viele Gelegenheiten, Maria auf irgend eine Art ein Opfer zu bringen und ihr zu lieb etwas zu ertragen, zu entbehren, sich zu versagen, im Essen und Trinken, im Reden, Sehen und Hören, durch Fasten, Almosen und Selbstverleugnung, dass fast kein Tag, ja keine Stunde vorübergeht, ohne ihr ein kleines Opfer zu Füßen legen zu können.
Der gottselige Jüngling Abulcher Bisciarah in Ägypten schmückte schon als Knabe täglich das Bild Mariens mit Blumen aus dem väterlichen Garten; auch legte er dort gewisse Gaben nieder, die zugleich Geschenk und Opfer waren; denn am Samstag brachte er einige Datteln, die er sich von seinem Frühstück abgespart hatte, bald waren es einige Äpfel oder ein Brot; gegen Abend nahm er sie wieder weg, um sie dem ersten Armen zu geben, der ihm begegnete. Seine Mutter fand ihn oft, mit dem Gesicht auf dem Boden liegend, ganz in Andacht versunken und hörte ihn zur Gottesmutter rufen: O wie gerne, Maria, möchte ich dir meine Liebe durch größere Opfer beweisen!
Wenn der Priester am Altar steht, ein Brautpaar zum ehelichen Bund einzusegnen, so fragt er dreimal: Wollt ihr euch lieben, bis euch der Tod scheidet? Und wenn ich euch, liebe Christen, fragen würde: Wollt ihr Maria bis in den Tod lieben, was würdet ihr mir antworten?
– Ja ich will Maria, die ich mir zur Braut erwählt habe, treu lieben, ich will sie nicht bloß bis zum Tod, sondern ewig lieben. – Eine Liebe, die aufhören kann, sagt der heilige Augustin, ist nie eine Liebe gewesen, und eine Braut von solcher Hoheit und Majestät, eine Braut von solcher Anmut und Liebenswürdigkeit, eine Braut von solchen Schätzen und Reichtümern, verdient eine ewige Liebe. Eine Braut, die uns von Ewigkeit her, die uns wegen der Ewigkeit, die uns bis in die Ewigkeit liebt, ist nur einer ewigen Liebe wert.
– Sie zu lieben, auch wenn sie uns nicht zu erhören scheint; sie zu lieben, auch wenn kein Gefühl der Andacht sich in unserem Herzen regt; sie zu lieben, auch wenn Unglück, Trübsal und Verfolgung über uns kommt, das allein ist das Zeichen einer Liebe, die uns das Anrecht verleiht, Maria unsere Braut zu nennen.
Als den sterbenden Jüngling Johannes Berchmanns, der Maria über alles liebte, ein Mitbruder fragte, welcher Dienst wohl der allerseligsten Jungfrau am wohlgefälligsten sei, gab er zur Antwort: Auch der kleinste, nur muss er beharrlich sein! – Ähnliches sagt auch ein anderer frommer Diener der Muttergottes, Richard: Die sich beharrlich an Maria halten und ihr unausgesetzt anhängen, werden selig sein in der Hoffnung und in Zukunft selig werden in der Tat.
– Auch der heilige Bonaventura fordert zu dieser beharrlichen Liebe auf, indem er spricht: Du kannst sicher deine Sache der heiligen Jungfrau anvertrauen, weil sie eine Mutter des Erbarmens ist, aber täglich musst du ihr Ehre erweisen. Unterlasst also, liebe Christen, keinen Tag Maria eure Liebe zu beweisen. Wenn auch viele Geschäfte euch drängen, wenn ihr ermüdet von der Arbeit seid, wenn Unlust euer Herz befällt oder wenn Versuchung euch abhalten will, unterlasst eure Übungen, Andachten und Gebete nicht. Selig, ruft Maria, wer täglich wacht an meiner Tür! Spr 8.
Wenn nun unsere Liebe zu Maria rein, wahr und ewig ist, dann können wir mit den Worten der heiligen Schrift rufen: Sie habe ich geliebt und auserwählt von meiner Jugend auf und sie suchte ich mir als Braut zu nehmen und wurde ein Liebhaber ihrer Schönheit, Weish 8; dann treten wir mit Maria in jenes bräutliche Verhältnis, das uns nach dem Ausspruch des heiligen Alphonsus schon hienieden den Himmel ahnen lässt. O welches Glück, o welche Seligkeit! von der durchdrungen so viele fromme und heilige Seelen auch äußerlich jene süße Verbindung mit Maria auszudrücken suchten, die innerlich ihre Herzen mit jener himmlischen Braut verband.
Der fromme Kurfürst Maximilian I. von Bayern hatte sein Herz ganz der Liebe zu Maria geweiht. Er ließ für das Gnadenbild von Altötting einen kostbaren silbernen Tabernakel verfertigen und brachte ihn im Jahr 1645 der allerseligsten Jungfrau zum Opfer.
Nach seinem Tod wurde, wie er es befohlen hatte, sein Herz in ein silbernes Herz eingeschlossen, nach Altötting gebracht und dort in der heiligen Kapelle beigesetzt. Nach der feierlichen Beisetzung befahl seine Gemahlin Maria Anna in dem silbernen Tabernakel des Gnadenbildes nachzusuchen, weil die Sage ging, es liege hier eine Handschrift des verstorbenen Kurfürsten Maximilian verborgen.
Wirklich fand man auch unter den Füßen des Gnadenbildes eine mit dem kurfürstlichen Siegel zweimal verschlossene Handschrift, die eine von dem frommen Kurfürsten mit eigener Hand und seinem eigenen Blut geschriebene Aufopferung enthielt, die also lautet: Ich schenke und weihe mich dir, o Jungfrau Maria! Dies bezeuge ich mit meinem Blut und meiner Handschrift. Maximilian, der größte Sünder.
Der heilige Edmund legte als blühender Jüngling vor dem Bild der heiligen Jungfrau das Gelübde der Keuschheit ab und wählte Maria zu seiner Braut. Zum Unterpfand seiner Treue tat er an den Finger des Bildes einen goldenen Ring, worauf der englische Gruß geschrieben stand. – Amen.