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Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zur dir.
Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.
Hl. Klaus von Flüe
Lebendige Gegenwart
Das voranstehende Gebet des heiligen Klaus von Flüe wird nicht dadurch zu unserem Gebet, dass wir es sprechen, sondern wenn wir mit den Worten des heiligen Klaus ein Stück unseres eigenen Lebens vor Gott tragen. Jeder der drei kurzen Gebetssätze beginnt gleich: "Mein Herr und mein Gott". Dieses Bekenntnis spricht der Apostel Thomas zum auferstandenen Herrn (vgl. Joh 20,28). In dieser Begegnung erfährt Thomas, dass es weder auf seine Vorstellungskraft noch auf sein Begreifen noch auf die Bedingungen, ankommt, die er meint, Gott aufdrängen zu können. Die lebendige Erfahrung des Auferstandenen im eigenen Leben ist Geschenk, unverdient, überraschend, unplanbar.
Als Thomas sich dessen bewusst wird, erneuert und vertieft sich sein Glauben. Dieser Glaube fordert nicht, sondern ist bereit zu vertrauen, hinzuhören und die Gegenwart des Herrn freudig und staunend in sich aufzunehmen: Mein Herr und mein Gott.
Hindernisse wahrnehmen
"Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir". Diese Bitte bliebe leer, wenn dem Beter nicht klar vor Augen stünde, was Gott von ihm nehmen soll. Anders gewendet lautet die vorbereitende Frage: Was hindert mich zu Gott? Die Antwort wird sehr unterschiedlich ausfallen und kann letztlich nur im Weg einer Betrachtung gefunden werden. Es geht dabei um die Wahrnehmung der eigenen Grenzen, Schwächen, Fehler oder Sünden.
All das kann man mit den Steinen einer Mauer vergleichen, die wir selbst zwischen Gott und uns aufbauen. Diese Mauer muss keineswegs unter dramatischen Umständen oder aus besonders schwerwiegenden Steinen errichtet worden sein.
Stein um Stein
Unaufgearbeitete Enttäuschungen, unbeantwortet gebliebene Fragen, spirituelle Müdigkeit oder Oberflächlichkeit kann man in einer solchen Mauer ebenso entdecken wie Überforderungen, falsche Prioritäten oder fehlgeschlagene Anläufe zum Besseren. Was immer wir in uns entdecken mögen: wir können mit Bruder Klaus die Bitte vor Gott tragen, diese Mauer, die Begegnung mit Gott hindert, Stein um Stein abzutragen.
"Gibt alles mir, was mich fördert zu dir", betet Bruder Klaus weiter. Damit diese Bitte zu unserer wird, stellt sich die Frage: Was fördert mich in der Beziehung zu Gott? Sind etwaige Hindernisse weggeräumt, liegt ein Weg zwar offen vor uns. Aber es ist keineswegs selbstverständlich, dass wir ihn konsequent gehen können.
Mangelerscheinungen
Es kann uns an Mut und Ausdauer fehlen, so dass die Bitte um Kraft nahe liegt; es kann an Orientierung oder an Begeisterung fehlen; es gibt viele Möglichkeiten von "Mangelerscheinungen", deren Behebung durch Gott uns "zu ihm fördert". Neben etwaigen "Mangelerscheinungen" sollte man auch den Schritt vom Guten zum Besseren nicht aus dem Auge verlieren.
Es ist gut, wenn wir beten, es ist besser, wenn wir regelmäßig und selbstverständlich den Dialog mit Gott suchen. Es ist gut, wenn wir den Glauben bewahren; es ist besser, wenn wir ihn in Betrachtung oder Weiterbildung vertiefen und erneuern. Wieder wird eine Betrachtung helfen, die Bitte um "Förderung zu Gott" mit Leben zu füllen, mit einem Stück unseres Lebens.
An Gott gebunden und frei
Diese Betrachtungen werden gleichsam in der dritten Bitte zusammengefasst: "Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir". Es wäre ein grobes Missverständnis, wollte man aus dem "Nimm mich mir" auf eine Wert- oder Belanglosigkeit der eigenen Existenz schließen. Vielmehr beugt sich Gott ja zu uns nieder, weil ihm jeder Mensch unendlich kostbar und lieb ist. Noch kostbarer ist jedoch die volle Entfaltung unseres Menschseins über den jetzigen Stand hinaus.
Das aber gelingt um so tiefer und grundsätzlicher, je inniger wir uns an Gott binden. Gott ist Gott und kein Mensch (vgl. Hos 11,9b). Deshalb werden wir entgegen menschlicher Erfahrung frei, wenn wir Gott als den Herrn anerkennen. Ganz ähnlich wird uns Gott erschließen, welche Dynamik "Leben" selbst über den Tod hinaus enthält, wenn wir es mit ihm und für ihn leben; denn er ist die Quelle des Lebens.