2. Die alleinige Liturgie.
Christus ist gekommen, um unter uns ein Lobopfer dazubringen, Gottesdienst zu feiern.
Diesen Gottesdienst, die Liturgie, feiert er noch immer. Denn als fleischgewordenes Wort ist Jesus Priester, der "Gesandte und Hohepriester, zu dem wir uns bekennen".
Er wird die Liturgie ewig feiern; denn das Priestertum ist eine Grundhaltung, sein Hauptberuf; er "besitzt ein unvergängliches Priestertum" und der Vater hat zu ihm gesagt: "Du bist Priester ewiglich".
Daher sehen wir ihn auch im Himmel und auf Erden dieselbe Liturgie feiern. In einer der erhabensten Visionen der Geheimen Offenbarung zeigt uns Johannes, wie unser Hoherpriester, von der Schar der Auserwählten umgeben, im Mittelpunkt der wiedererkauften Schöpfung sein Priestertum ausübt mitten vor dem Throne, wo der Herr seinen Sitz hat.
Der siebenstrahlige Geist ruht auf ihm und inspiriert sein Priestertum. Er steht da wie ein Opferpriester. Er ist geschlachtet als das allgemeine Opfer. Er spendet Ehre und Lob demjenigen, der da war, der da ist und der da sein wird. Und siehe da: alle Himmelsbewohner vereinigen sich mit dem Lamme, um denjenigen zu preisen, dem sich das Lamm opfert: "Würdig bist du, Herr, unser Gott, Preis, Ehre und Macht zu empfangen; denn du hast das All geschaffen; durch deinen Willen geschaffen, ist es entstanden". "Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der allmächtige Gott". Sie beten an, werfen sich nieder und legen ihre Kronen hin zum Zeichen, daß ihr Sieg und ihr Ruhm vom Herrn kommt, von ihm allein.
Aber die Auserwählten wenden sich zum Lamme, das auch die Lobpreisung empfängt, die ihm gebührt. Während er sein höchstes Priestertum ausübt, werfen sie sich vor ihm nieder, und in mächtigen Klängen erschallt das neue Lied der Erkauften: "Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht, Reichtum, Weisheit, Kraft, Ehre, Preis und Lob zu empfangen".
Das sind die großen Linien der Liturgie, deren Glanz sich ohne Unterlaß in den Himmel enthüllt, enthüllt unter dem Vorsitze Jesu, des ewigen Hohenpriesters, und unter dem Hauche des Hl. Geistes, durch dem sich das Lamm selbst "als makelloses Opfer Gott darbringt".
Nun, es ist genau dieselbe Liturgie, die sich bei uns auf dem Altare vollzieht: dasselbe Priestertum, derselbe Priester, dasselbe Opfer, dieselbe Hinopferung, dasselbe Ziel. Nur die äußere Form ist verschieden: die triumphierende Kirche feiert das Opfer im Schauen, die streitende Kirche im Glauben. Aber es ist nur eine einzige Liturgie. Eine wunderbare Harmonie steigt stündlich aus der gereinigten und geheiligten Schöpfung hinauf zum Throne des Allmächtigen, um ihn zu loben, zu preisen, zu erheben durch das Lamm, das sich hinopfert; Stimmen ohne Zahl aus der unübersehbaren Schar der Erkauften erheben sich von allen Enden der Erde und des Himmels: aber all diese Stimmen bilden nur eine einzige Harmonie, singen das einzige Lobopfer und feiern die einzige Liturgie.
Damit unaufhörlich zu Gott das Lobopfer aufsteige, deshalb hat Jesus sein Opfer auf Kalvaria dargebracht und deshalb setzt er sein Opfer in der Eucharistie fort.
Das ist auch das letzte Ziel der Kommunion. Die Liturgie, die sowohl vor dem Throne Gottes als auf dem Altare sich als vollkommen dieselbe vollzieht, will Jesus in der Seele des Kommunizierenden wiederholen. Er kommt zu uns, um uns in den großen Vollzug des Lobopfers einzureihen, dessen Haupt der Hoherpriester er ist. Eines Tages sagte er zur hl. Margareta Maria: "Ich komme zu dir als oberster Opferpriester."
Der Getaufte ist ein geheiligter Tempel, eine der Stätten des liturgischen Opfers: "Heilig ist der Tempel Gottes, und das seid ihr". In diesem Tempel schlägt der allmächtige, der dreifaltige Gott seinen Wohnsitz auf: "Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen". Und die Kommunion bringt das Opfer, das geschlachtete Lamm, das sich von neuem opfert und mit seinem Opfer das Opfer der Seele vereinigen will, die kommuniziert. "Die christliche Seele", sagt Origines, "ist ein ständiger Altar, wo sich das Opfer Tag und Nacht fortsetzt." "Durch ihn wollen wir Gott beständig Lobopfer darbringen, ich meine die Frucht von Lippen, die seinen Namen preisen".
Die Kommunion setzt die Seele instand, in ihrem Heiligtum das Opfer der triumphierenden und streitenden Kirche zu feiern: dasselbe Opfer bietet sich in ihr demselben Gott in derselben Lobpreisung dar.
Nichts mangelt, nicht einmal das Gebet und die Harmonie der Harfen aus der berühmten Vision des hl. Johannes. Das Gebet der Seele umgibt das Opfer wie mit einem süßen Wohlgeruche, der den Herrn sprechen läßt: "Wer ist es, die dort aus der Wüste heraufkommt, gleich einer Rauchsäule von Spezereien aus Myrrhen und Weihrauch?"
Der Ton der Harfen ist die Harmonie aller Akte der Liebe, aller Wünsche und Empfindungen, die unter dem Hauche des Hl. Geistes im Herzen entstehen. Eine erhabene Harmonie, das wahre Echo des neuen Liedes des Chores der Auserwählten, wenn alle Kräfte der Seele und des Leibes gleich den Saiten einer Harfe durch Reinheit und Buße übereinstimmen.
"Alsdann", sagte der himmlische Vater zur heiligen Katharina von Siena, "singt die Seele ein köstliches Lied, indem sie sich auf einem Instrumente begleitet, worauf die Klugheit die Saiten so wohl angeordnet hat, daß sie eine heilige Harmonie zum Ruhme und zur Ehre meines Namens ergeben. Diese Harmonie wird durch starke Saiten: die Kräfte der Seele, und durch schwache Saiten: die äußeren Sinne des Körpers, hervorgebracht. Alle Heiligen haben durch diese Harmonie Seelen gewonnen. Der erste, der diese Harmonie vernehmen ließ, war mein vielgeliebtes Wort, als es sich mit der Menschheit bekleidete und, sie mit der Gottheit vereinend, am Kreuze seine unbeschreibliche Harmonie offenbarte, die das Menschengeschlecht ergreift." Im Himmel, auf dem Altare und in der Seele wird also derselbe ewige Gottesdienst gefeiert.
In demselben Maße, als dieser sich in uns vollzieht, schreitet unsere Heiligung fort. Wenn die Seele, getragen von einer großen Liebe und in ihrem Erkennen und Lieben mit dem Opfer des Lammes vereint, dahin gelangt, daß sie sich nicht mehr durch das geringste von ihrem Lobopfer abbringen läßt, vielmehr ohne Unterbrechung den inneren Gottesdienst vollzieht, hat sie die Vollkommenheit auf dieser Erde erreicht; sie lebt im Dunkel des Glaubens wie die Seligen in der Anschauung, und ihr inneres Leben, sagt der sel. Albert der Große, ist das "Vorspiel und der Anfang des Lebens im Himmel".
Gelobt sei Jesus Christus
Persönliche Anmerkung:
Für mich war und ist es wichtig, dass dieses kostbare Büchlein gelesen wird. Es wäre schade, würde es in der Versenkung verschwinden. Wer weiß, vielleicht findet sich jemand, und gibt diesen "kostbaren Schatz" in Druck!