Der Tod trennt die Seele vom
Leib. Der Leib zerfällt, aber seine «Materie»
löst sich nicht in Nichts auf, sondern
zerfällt in Moleküle und Atome
(die Naturforscher kennen das
Gesetz von der Erhaltung der Masse).
Die Seele besteht nicht aus Materie, aus
Atomen. Also kann sie nicht aufgelöst oder
umgeformt werden, auch nicht durch den Tod.
Sie bleibt ein individuelles, geistiges Wesen,
persönlich unsterblich. Der Christ glaubt,
dass mit dem Tod das irdische Leben endet und
in eine andere, die überirdische Wirklichkeit
eingeht. Das Christentum fasst auch das
einstige Weltende nach dem Jüngsten Gericht
nicht als Weltvernichtung, sondern als
Welterneuerung auf.
Unsterblichkeit der Seele
Über die Seele wissen wir durch
die Offenbarung, aber auch durch die Vernunft,
dass sie unsterblich ist. Im Neuen Testamentes
wird an vielen Stellen das Fortleben nach dem
Zerfall des Körpers bezeugt. Jesus sprach über
das Schicksal der Seele zu den Jüngern: «Fürchtet
euch nicht vor denen, die den Leib töten
können, nicht aber die Seele!»
Die Verfolger können also nur das irdische
Gefäss der Seele vernichten. Auch an anderen
Stellen spricht Jesus von der Unsterblichkeit
der Seele, am ergreifendsten am Kreuze, als er
zu dem reumütigen Schächer sprach: «Heute
noch wirst du mit mir im Paradiese sein!»
Der Leib zwar muss sterben, aber das Beste,
das Geistige im Leibe, das wird leben, das
wird mit ihm in der Seligkeit des Paradieses
sein. Heute, d.h. also unmittelbar, sogleich
nach dem Tode des Leibes wird er mit seinem
Heiland vereint sein in der Freude des
Himmels.
Ein weiteres Beispiel der Lehre
des Herrn ist das Gleichnis vom reichen
Prasser und vom armen Lazarus.
Es schildert
das irdische und das jenseitige ungleiche
Schicksal der beiden Männer. Dem reichen
Prasser ging es auf Erden gut, aber als er
starb, da wurde er zur Hölle getragen. Und dem
armen Lazarus ging es in dieser Welt schlecht.
Als er starb, da kam er in den Schoss
Abrahams. Aber beide werden nach dem Tode des
Leibes nicht vernichtet, sondern beide leben,
der eine in ewiger Unseligkeit, der andere in
immerwährender Freude.
Auch
mit Blick auf die Erzväter Abraham, lsaak und
Jakob hat der Herr auf diese Wahrheit Bezug
genommen: «Gott ist doch kein Gott der
Toten, sondern der Lebendigen». Das
heisst also, dass diese Männer leben. Im
Philipperbrief gibt der Apostel Paulus ein
weiteres Zeugnis für das Weiterleben der
Seele. Aus dem Gefängnis schreibt er: «Ich
wünsche, aufgelöst zu werden und bei Christus
zu sein.» Paulus erwartet also bei
seinem Tod nicht ins Nichts zurücksinken,
sondern aufbewahrt zu werden in der
Gemeinschaft mit Christus.
Wie könnte es anders sein! Wen
Gott einmal angesprochen hat, wen Gott einmal
geliebt hat, für wen Gott einmal seinen Sohn
dahin gegeben hat, den sollte er wieder in das
Nichts zurückfallen lassen? Wozu dann dieser
«Aufwand»? Weil Gott den
Menschen nach seinem Bild und Gleichnis
geschaffen hat, weil er ihn mit der
natürlichen und übernatürlichen
Gottebenbildlichkeit ausgestattet hat, darum
wird er nicht aufhören, diesen Menschen im
Dasein zu halten. Für die Unsterblichkeit des
Geistes sprechen auch die Erscheinungen. Wenn
die Toten nicht in ihrer Welt leben würden,
dann könnten sie nicht erscheinen. Wir haben
sichere Kunde von Erscheinungen, vor allem der
Muttergottes. In der Hl. Schrift wird auch von
anderen Personen berichtet, dass sie
erscheinen. Auf dem Berge Tabor erschienen
Moses und Elias. Erscheinungen von vorneherein
ablehnen ist mit katholischem Glauben
unvereinbar. Es gibt die Möglichkeit, dass
jene, die im Jenseits sind, den Irdischen
sichtbar werden. Die Theologen neigen zu der
Meinung, dass das nur denen möglich ist, die
im Himmel oder im Fegefeuer sind, dagegen
nicht jenen, die im Gefängnis der Hölle sind.
Die Offenbarung bezeugt die
Unsterblichkeit der Seele. Aber auch die
Vernunft spricht dafür. Das ganze
Erscheinungsbild der Seele deutet darauf hin,
dass sie ein einfaches Ganzes ist, also nicht
zusammengesetzt. Bei jedem Zerfall bricht aber
ein Ganzes in seine Teile auseinander.
Wenn also die Seele nicht aus Teilen
zusammengesetzt ist, dann gibt es für sie auch
keinen Zerfall. Gott aber vernichtet sie
nicht. Also: Aus der Einfachheit der Seele
müssen wir auf ihre ständige, immerwährende
Dauer schliessen. Der Mensch behält sein
Selbstbewusstsein, sein Ichbewusstsein, seine
Jugenderinnerungen, sein Gewissen, auch wenn
der Leib sich wandelt
(die Medizin
weiss, dass alle Zellen des Leibes in 7 Jahren
durch andere ersetzt werden).
Trotzdem erhalten sich das Ichbewusstsein, das
Gewissen und die Erinnerung. Etwas muss also
nicht dem Stoffwechsel unterworfen sein: die
Seele. Auch der Trieb nach vollkommenem Glück
weist auf die Unsterblichkeit der Seele hin.
Dieses Streben ist in jedem Menschen, kann
aber auf Erden nicht erfüllt werden. Deshalb
wäre Gott wohl grausam, wenn er diesen Trieb
den Menschen ohne jede Erfüllung anerschaffen
hätte. Wir wissen aber, dass Gott gütig ist
und die Erfüllung im Jenseits vorbehalten hat
(eine
analoge Überlegung gilt für das
Gerechtigkeitsstreben).
Für die Unsterblichkeit
spricht auch die Überlieferung der Völker. Die
Opfer, die für die Verstorbenen dargebracht
werden, die Bestattungsriten zeigen, dass die
Völker in ihrem unverdorbenen Zustand an ein
Fortleben nach dem Tod glauben. Wie hätte der
Erzvater Jakob sagen können, er möchte ins
Totenreich zu seinem Sohn Josef hinabsteigen,
wenn es kein Totenreich gibt?
Wer das ewige Leben leugnet,
dem liegt meistens an diesem Leben nichts. Er
fürchtet sich vor der jenseitigen
Rechenschaft. Die Ungewissheit wird mit der
«Beruhigungspille» Tot ist tot!
überspielt. Im spanischen Bürgerkrieg wurde
ein katholischer Priester von den Rot-Spaniern
gefangengenommen und sollte erschossen werden.
Ein Wächter sagte zu ihm: «Ich habe
meinen Glauben abgeworfen.» »O, Sie
Glücklicher! Es fiele mir gar nicht schwer,
jetzt gleich erschossen zu werden, wenn ich
meinen Glauben an das Jenseits abwerfen
könnte.» Er spielte darauf an, dass er
dann das Gericht nicht fürchten müsste.
Lassen wir uns weder durch
Furcht noch durch Scheinargumente an der
Existenz der unsterblichen Seele und am ewigen
Leben irre machen! Gott ist treu, ER lässt
sich nicht durch Menschen in seine Pläne
hineinpfuschen.
Das Ziel vor Augen
Niemand kann der Frage nach
dem Sinn des Lebens ausweichen. Das stärkste
Fundament finden jene, die hoffen können. Ohne
Hoffnung kann kein Mensch sinnvoll leben. Wer
sich im Glauben dem offenbarten Gott
aufgeschlossen hat, der ist in eine ewige
Lebensbewegung hineingenommen, die mit dem
Tode nicht endet, sondern zu ihrer Erfüllung
gelangt. GOTTES Geist, der »das gute
Werk« des Glaubens »angefangen
hat«, »der wird es auch
vollführen bis an den Tag Jesu Christi«
(Phil 1,
6). Der
Geist des offenbaren GOTTES begründet die
Hoffnung, denn in der Auferstehung des
Gekreuzigten ist das Fundament zum ewigen
Leben für immer gelegt: »Wiedergeboren
zu einer lebendigen Hoffnung durch die
Auferstehung Jesu Christi von den Toten«
(1 Petr
1, 2).
Wer mit der Auferstehung Jesu —dem Zentrum der
Offenbarungsbotschaft— Mühe bekundet, wird den
Boden begründeter Hoffnung bald verlieren.
Weil der auferstandene HERR der Sieger über
den Tod ist, darum ist die Wirklichkeit der
Auferstehung —nicht als Idee, sondern als das
Faktum—, die einzige Grundlage gültiger
Hoffnung. Wo der Auferstandene ist, da ist
ewiges Leben: »Ich lebe, und ihr sollt
auch leben«
(Joh 14, 19).
Der Auferstandene allein —und nicht
irgendwelche menschliche Möglichkeit— ist das
Pfand bleibender Hoffnung.
Gewissheit eines ewigen
Lebens!
Es ist nicht zufällig, dass im
NT das Wort Hoffnung mit dem Glauben und
Vertrauen gleichgesetzt wird
(1 Petr 3, 15).
Dieser hoffende Glaube stellt einen unerhörten
Griff nach dem Kommenden dar, obwohl nach
menschlichem Urteil «nichts zu hoffen
ist»
(Röm 4, 18;
5,2f);
sich auf «Dinge, die man nicht sieht»
beziehend, widerspricht er den Realitäten
dieser Welt. Gleichwohl ist diese Hoffnung
»eine gewisse Zuversicht«
(Hebr 11, 1;
10, 23),
denn schliesslich offenbarte
sich Gott selbst. Trotzdem behaupten modern
Getrimmte, dass Unsicherheit —und nicht
Gewissheit!— den Glauben präge.
Gewißheit der
Hoffnung wird aber ermöglicht, weil Jesus
selbst »der Begründer und Vollender des
Glaubens« ist
(Hebr 12, 2),
weil das »Ergriffensein von Jesus
Christus«
(Phil 3, 12)
den Grundstein für die persönliche Zukunft
legt. Die Zusage des Auferstandenen: »Ich
gebe ihnen das ewige Leben. Sie werden in
Ewigkeit nicht verloren gehen, und niemand
wird sie meiner Hand entreissen«
(Joh 10, 28),
verheisst über die Todesgrenze hinaus eine
ewige Gemeinschaft mit dem erhöhten Herrn. An
dieser Stelle sei hervorgehoben, dass
christliche
Hoffnung nicht nur das Bekenntnis zu der
Auferstehung der Toten, sondern auch die
Gewissheit des persönlichen Fortlebens nach
dem Tode einschliesst.
Die auch von Theologen immer wieder vertretene
Auffassung, dass im Tod sich eine totale
Zerstörung von Leib und Seele ereignet —und
damit auch des Personseins des Menschen—, so
dass alle Hoffnung sich auf die kommende
Auferweckung konzentriert, entspricht
keineswegs der neutestamentlichen
Ewigkeitserwartung. Die Beziehung zu dem
Schöpfer und Erlöser ist unaufhebbar und wird
durch das Sterben nicht aufgelöst
(diese
christliche Erkenntnis darf nicht mit der
Unsterblichkeitsidee des philosophischen
Platonismus verwechselt werden!).
Die individuelle Fortexistenz des menschlichen
Ichs, eben seine Personalität, gründet in der
Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Das Wort
Jesu:
»Ich werde euch wiedersehen, und euer
Herz wird sich freuen»
(Joh 16,
22)
begründet eine bleibende Jüngerschaft in einer
zukünftigen Existenz. Wer in dieser «Existenz
in der Hoffnung» steht, weiss um »das
bei Christus Sein»
(Phil 1, 23),
um »das Heimatfinden bei dem Herrn«
(2 Kor
5, 8).
Diese persönliche, individuelle Hoffnung
schenkt eine Bewusstseinsänderung, indem jede
Zukunftsangst überwunden wird durch die
Sicherheit im Geborgensein, der tiefsten
Seelenruhe und innersten Befriedigung. In der
Hoffnung auf die zukünftige Vollendung der
Christusgemeinschaft findet der Mensch zu
seinem Selbst.

Auszug der
Seele aus ihrem Zelt
(Hildegards
Vision, aus
Scivias)
Darauf sah ich Armselige, wie
eine weitere Kugel
(=Teufel) sich aus den
Umrissen ihrer Menschengestalt zusammenzog,
alle Bindungen löste und seufzend auswanderte.
Trauernd überliess sie Ihren Wohnsitz dem
Zerfall und sprach: «Ich ziehe aus
meinem Zelte aus. Aber ich Elende, Leidvolle,
wohin werde ich gehen? Auf schrecklichen,
furchtbaren Pfaden gehe ich zum Gericht. Dort
werde ich die Werke, die ich in meinem Zelte
getan habe, vorweisen, und dann wird mir nach
meinen Werken Vergeltung zuteil. Oh, welche
Furcht, welche Angst wird mich da befallen!»
...
Und wiederum hörte ich die
Stimme vom Himmel. Sie sprach zu mir: Die
selige und unaussprechliche Dreieinigkeit hat
SICH der Weh geoffenbart, als der Vater seinen
Eingeborenen, der vom Hl. Geist empfangen und
aus der Jungfrau geboren wurde, in die Welt
sandte, damit die Menschen, die mit den
verschiedensten
Eigenarten
geboren werden und von vieler Schuld umstrickt
sind, durch IHN zum Weg der Wahrheit
zurückgeführt werden. Von den Banden der
Körperlast befreit, tragen sie ihre guten und
heiligen Werke mit sich und empfangen die
Freuden des himmlischen Erbes...
Dass eine weitere Kugel sich
aus den Umrissen ihrer Menschengestalt
zusammenzieht und alle Bindungen löst,
bedeutet, dass diese Seele die Glieder ihres
Leibeszeltes verlässt und die Verbundenheit
aufhebt. Denn die Zeit zum Abbruch ihres
Zeltes ist gekommen. Seufzend wandert sie aus
und zerstört trauernd ihren Wohnsitz. Wenn die
Seele angstvoll dem Leibe entschwebt,
überlässt sie unter Zittern
ihre Wohnstätte dem Zerfall.
Sie fürchtet das bevorstehende Verhör des
ewigen Richters, denn nun erkennt sie die
Verdienste ihrer Werke nach dem gerechten Urteil
GOTTES. So tut es ihre oben wiedergegebene
Klage kund.
Deshalb kommen auch, während
die Seele sich entlöst, lichte und finstere
Geister herbei, die Genossen ihres Wandels, je
nach den Bewegungen, die sie in ihrem Wohnsitz
gemacht hat. Denn wenn bei der Auflösung des
Menschen die Seele ihre Wohnstätte
verlässt, sind nach der gerechten und
wahrhaften Anordnung GOTTES gute und böse
Engel zugegen, die Zeugen all der Werke, die
sie in und mit dem Leibe vollbracht hat. Sie
erwarten das Ende, um sie nach
der
Auflösung mit sich zu führen,
das heisst, sie harren auf das Urteil des
gerechten Richters, das ER über diese Seele
bei ihrer Trennung vom Leibe fallen wird, und
führen sie, sobald sie vom Körper befreit ist,
an den Ort, dem sie nach ihren Verdiensten vom
himmlischen Richter zugewiesen wird, wie dir,
o Mensch, im Lichte des Glaubens gezeigt
worden ist,
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