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Die himmlischen Offenbarungen 
der heiligen Birgitta - 2.Buch

   
   





  

Anfang des 2. Buches

Das zweite Buch, das als Ganzes in die Zeit von 1344-49 in Schweden gehört, richtet sich weitgehend an den Adel (die Ritterschaft) und gibt oft dem Kreuzfahrerideal Ausdruck.  

Inhalt 2. Buch

1. Christus erklärt Birgitta, warum die Lebensdauer der Menschen von so verschiedener Länge ist und beschreibt, wie die Menschen, wenn sie die Vernunft gebrauchen, zwischen Gut und Böse wählen, was als Ergebnis eine verschiedene Belohnung hat.
2. Christus fällt ein strenges Urteil über einen plötzlich verstorbenen Priester, der sich der Unzucht schuldig gemacht hatte und sicht nicht gescheut hat, die Messe zu verrichten und den Leib des Herrn im Zustand der Sünde zu empfangen. Er deutet jedoch an, dass die Strafe des Verstorbenen in gewissem Maß wegen der Gebete Marias, seiner Mutter, gemildert werden könnte.
3. Maria beschreibt in Form von Gleichnissen die verschiedene Art und Weise, in der Christus von den schlechten Christen, von den verhärteten Juden, von den verhärteten Heiden, von den zur Busse bereiten Juden und Heiden und den eifrigen Christen aufgenommen wird. Die letztgenannten werden Birgitta als Vorbild hingestellt.
4. Christus droht den schlechten Christen mit strenger Strafe, verspricht aber den Heiden Erlösung.
5. Christus spricht mit Birgitta von den treulosen Juden, die er gern erlösen würde, falls das möglich wäre, von den schlechten Christen, die seine Gnade missbrauchen und die Strafe zu erwarten haben, und von den Heiden, die nach Erlösung hungern, denen er seine Huld verspricht.
6. Durch Birgitta deutet Christus seinen Freunden, den Predigern, an, wie undankbar es ist, den verstockten Christen zu predigen, und dass sie stattdessen ihre Aufmerksamkeit den Heiden widmen sollten. Ebenso wie die drei vorhergehenden Kapitel bildet auch dieses ein Glied mit Birgittas Kreuzzugsverkündigung und darf in Zusammenhang mit den russischen Feldzugsplänen Magnus Eriksson’s gesetzt werden. Im 8. Buch kehrt das Thema wieder.
7. Christus beschreibt Birgitta, wie das Klosterleben und die Ritterschaft (der Adel) einmal eingerichtet waren. Diese beiden Stände, klagt er, die hohe Verpflichtungen gegen Gott und die Gesellschaft in sich bergen, werden jetzt leider nicht in so großen Ehren gehalten, wie früher.
8. Christus schildert den Prototyp der schlechten Ritter, von denen es zu Birgittas Zeit so viele gab.
9. Christus schildert das Leben des schlechten Ritters und die Strafe, die er in der Hölle zu erwarten hat.
10. Christus setzt seine Klage über die schlechten Ritter im damaligen Schweden fort. Durch Birgitta will er sie ermahnen. Eine Garantie dafür, dass Birgittas Worte göttlich inspiriert sind, bilden die Untersuchungen von Mattias und anderer Theologen, ferner Birgittas Fähigkeit, dämonenbesessene Menschen zu heilen, und die Macht des ihr nahestehenden Bischofs Hemming, Frieden zu stiften.
11. Christus schildert den Lohn, der dem guten Ritter im Himmel bevorsteht.
12. Christus ermahnt die schwedischen Ritter, mit ihrem schlechten Leben aufzuhören und sich zu ihm zu bekehren. Falls sie sich gehorsam zeigen, verleiht er ihnen die Gnade, stets ein gottesfürchtiges Leben zu führen und schließlich das Himmelreich zu erben.
13. Christus setzt durch Birgitta ein neues Ritual für die Aufnahme in den Ritterstand fest. Diese Aufnahme, die im Zusammenhang mit dem öffentlichen Gottesdienst stattfindet, erinnert an die Ablegung der ewigen Gelübde eines Klostermenschen und vermittelt eine ideelle Sicht auf die Pflichten und Verbindlichkeiten der Ritterschaft. Die abschließende Zeile, die nicht von Birgitta selbst herrührt, deutet darauf hin, dass das Zeremoniell bei der Aufnahme ihres Sohnes Karl zum Ritter erfolgte.
14. Christus gibt eine ausführliche Beschreibung der Tugenden, die seine Freunde, die Prediger, auszeichnen müssen, die den Menschen seine Worte zu vermitteln haben. Das Kapitel dürfte sich hauptsächlich an die Birgitta nahestehenden Priester wenden, die von ihrer Verkündigung ergriffen sind und ihr gern helfen wollen, eine geistliche Erweckung in Schweden hervorzurufen.
15. Christus beschreibt die Sehnsucht, die die Frommen zur Zeit des Alten Testaments nach der Ankunft des Messias hegten; er schildert weiter, wie er zuletzt die Sehnsucht stillte und kam, um die Welt zu erlösen. Nun sind jedoch, fährt er fort, seine Lehren vergessen, und die meisten Menschen gehen ihrem Untergang entgegn. Seine Freunde, d.h. die Prediger (d.h. die Birgitta nahestehenden Prediger) sollen deshalb für die Erlösung der Seelen arbeiten.
16. Christus erklärt, warum er gerade Birgitta zu seinem Sprachrohr erwählt und nicht andere, die besser sind als sie.
17. Christus schildert in großen Zügen die Heilsgeschichte: Wie Gott die Menschen geschaffen hat, um die Plätze der gefallenen Engel auszufüllen, wie er die gefallenen Menschen dann durch die Patriarchen , durch Mose und die Propheten und zuletzt durch seinen eingeborenen Sohn unterwies, und wie er jetzt, in diesen Tagen, seinen Willen durch Birgitta kundtut. Das Kapitel schließt mit der Ermahnung an einen ungenannten Prediger, die von Birgitta gesprochenen Worte weiterzuvermitteln.
18. Christus bezeugt Birgittas’s Fähigkeit, übernatürliche Dinge zu hören und zu sehen, was jedoch wegen ihrer menschlichen Natur durch Vermittlung natürlicher Bilder geschehen muss. Er erklärt noch einmal, warum er gerade ihr und nicht anderen einen Einblick in seine Ratschlüsse vergönnt hat.
19. Mit Hilfe eines der Bienenzucht entnommenen Gleichnisses erklärt Christus Birgitta, warum er die bösen Menschen leben und Erfolg haben lässt. Die guten haben, wenn man tiefer sieht, eigentlich Nutzen davon, sagt er. Dennoch ermahnt er die Kirchenfürsten, Maßnahmen gegen die schlechten Bienen, d.h. die bösen Menschen, zu ergreifen. Maria, seine Mutter, rät denen, die Christi Worte hören, sie zu beachten, damit sie nicht der strengen Gerechtigkeit Christi anheimfallen. Zuletzt klagt Christus darüber, dass die Kreuzfahrer mehr daran denken, Land und Reichtum zu gewinnen, als daran, die Heiden zum Christentum zu führen. Die Klage dürfte hauptsächlich die adligen schwedischen Krieger im Orient betreffen.
20. Christus klagt über die Sünden der Priesterschaft, der Ritterschaft (des Adels) und die der Allgemeinheit, aber deutet doch an, dass er noch manche Freunde in diesen drei Ständen hat. Auf diese setzt er noch seine Hoffnung, dass sie seinen Willen verwirklichen.
21. Maria beschreibt Birgitta ihre Trauer bei der Abnahme Christi vom Kreuz. Dann erzählt sie von einem Mann – nicht näher angegeben – der nach einem schweren Seelenkampf Gott der Welt vorgezogen hat, und durch Birgitta gibt er diesem Mann den Rat zu einem gottesfürchtigen Leben.
22. Maria schildert Birgitta die falsche und die wahre Weisheit, d.h. die Weltliebe und die Gottesliebe, und ermahnt sie, an der letzteren festzuhalten.
23. Maria stellt Birgitta und allen anderen ihre Demut als mahnendes Beispiel hin.
24. Christus deutet die verschiedene Art der Menschen an, auf seine Worte zu reagieren. Er gibt Birgitta eine Lehre, die in den beiden folgenden Kapiteln weiter entwickelt wird.
25. Christus schärft Birgitta (und durch sie allen seinen Auserwählten) die Notwendigkeit des guten Willens, das gottesfürchtige Erwägen vor einer Durchführung von Handlungen sowie die göttliche Weisheit ein, d.h. das Bewusstsein der Unausweichlichkeit des Todes und Gerichts.
26. Maria stellt den hl. Laurentius[1] als Vorbild hin und ermahnt Birgitta, so wie dieser der Welt zu entsagen und alles um Christi willen zu ertragen. Christus setzt danach seine begonnene Ermahnungsrede an Birgitta fort und ermahnt sie, ihren Willen dem Willen Gottes anzupassen und in Eintracht mit ihrem Nächsten zu leben, Werke der Barmherzigkeit zu üben und ein armes und entsagungsreiches Leben zu Führen.
27. Christus beendet seine Ermahnungsrede, indem er auf den Nutzen von Versuchungen hinweist, auf die Verpflichtung der Guten, an der Bekehrung der Mitmenschen zu arbeiten, sowie auf die Wichtigkeit dessen, dass man gewissenhaft seine Sünden bekennt. Zuletzt schärft er die Bedeutung der Hoffnung und der Gottesliebe ein.
28. Christus tröstet Birgitta, die unsicher geworden ist, ob die von ihr gesprochenen Worte wahr und von Gott eingegeben sind.
29. Johannes der Täufer schildert Birgitta Gottes Liebe zur Menschenseele und ermahnt sie, sich vorweltlichen Lockungen und ehrgeizigen Gedanken in Acht zu nehmen.
30. Diese Offenbarung, die nach dem Zusatz in Revelationes extra vagantes, Kap. 108 am 2. Februar 1349 in der Domkirche in Skara empfangen wurde, hebt die Frömmigkeit des 1317 verstorbenen Bischofs von Skara Brynolf Algottson hervor. Wie wir aus der Geschichte wissen, gab dieser den Anlass zu einem neuen Heiligenkult, der dem Heiligen Brynolf aus Västergötland gewidmet war[2].

[1]. Röm. Märtyrer im 3. Jhdt. N.Chr..Erlitt das Martyrium auf dem Rost.
[2]. Siehe T. Lundén: Sankt Brynolf, Bischof von Skara. In: Credo 1945-46.

Hier beginnt das zweite Buch der himmlischen Offenbarungen der hl. Birgitta von Schweden. 

Es gibt kein strengeres Leben als das des Ritters, wenn es nach seiner wahren Einrichtung geführt wird. Denn die christliche Ritterschaft wurde nicht für weltlichen Besitz und Gewinnlust gestiftet, sondern um die Wahrheit zu stärken und den Glauben zu verbreiten. Die Ritter, die früher Waffen trugen, waren bereit, ihr Leben für die Gerechtigkeit hinzugeben und ihr Blut für den heiligen Glauben zu vergießen, den Bedürftigen zu Gerechtigkeit zu verhelfen und die Bösen zu unterdrücken und zu demütigen. Aber jetzt sind sie verkehrt. Sie sind nämlich stolz auf ihre schönen Körper, sie verlangen nach Reichtum, sie sind von Lüsternheit erfüllt, und deshalb sollen die Leiber, auf die sie stolz sind, von Schwert, Speer und Axt getötet werden. Und daher ermahne ich sie, dass sie meine Barmherzigkeit suchen, damit sie nicht von meiner Gerechtigkeit getroffen werden, die fest ist wie ein Berg, brennend wie ein Feuer, gefährlich wie der Donner und schnell wie ein Bogen, der den Pfeil abschießt.“

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1. Kapitel

Christus erklärt Birgitta, warum die Lebensdauer der Menschen von so verschiedener Länge ist und beschreibt, wie die Menschen, wenn sie die Vernunft gebrauchen, zwischen Gut und Böse wählen, was als Ergebnis eine verschiedene Belohnung hat.

Der Sohn sprach zur Braut (Birgitta) und sagte: „Wenn der Teufel dich versucht, so sage ihm diese drei Dinge. Erstens: Gottes Worte können nichts anderes sein, als wahr. Zweitens: Gott ist nichts unmöglich. Drittens: Du, Teufel, kannst mir nicht eine solche Liebesglut einflößen, wie Gott sie mir gibt.“

Weiter sagte der Herr zur Braut: „Ich schaue den Menschen auf dreifache Weise an. Erstens sehe ich seinen Leib von außen, und wie er beschaffen ist. Zweitens schaue ich seinen Sinn innen, und was für Absichten er hat. Drittes sehe ich sein Herz und was es begehrt. Denn so wie die Möwe den Fisch im Meer sieht, in die Tiefe sieht, wo er schwimmt, und auf die wütenden Wogen acht gibt, so kenne und betrachte ich die Wege aller Menschen und achte darauf, was einem jeden zukommt, denn ich habe einen schärferen Blick und weiß besser, was den Menschen berührt, als was er von sich selber weiß.

Aber nachdem ich nun alles sehe und weiß, könntest du mich fragen, warum ich nicht die Bösen vernichte, ehe sie in der Tiefe der Sünde landen. Darauf antworte ich selbst, der diese Frage stellte: Ich bin der Schöpfer aller Dinge, ich weiß alles im voraus, ja, ich weiß und sehe beides, was geschehen ist und was geschehe wird. Aber obwohl ich alles kann und weiß, tue ich doch aus Gerechtigkeit nicht mehr gegen die natürliche Veranlagung des Leibes, als gegen die Veranlagung der Seele.
Jeder Mensch besteht nach der natürlichen Beschaffenheit des Leibes, die ich im voraus seit ewigen Zeiten kannte. Dass das Leben des einen länger, das des anderen kürzer ist, das beruht auf der Stärke oder Schwachheit der Natur und auf der körperlichen Veranlagung. Dass der eine blind, der andere lahm ist usw., das liegt nicht daran, dass ich es vorher weiß, denn ich schaue im voraus alles so, dass keiner deswegen schlechter hat, und mein Vorherwissen schadet keinem Menschen.

Es beruht auch nicht auf dem Lauf und der Stellung der Gestirne, sondern auf geheimer Gerechtigkeit und der Unordnung der Hinfälligkeit der Natur. Denn die Sünde und die Unordnung der Natur verursachen in mannigfacher Weise Gebrechen und Missbildungen in den Gliedern, und das geschieht nicht deshalb, dass ich es will, sondern deshalb, weil ich es aus Gerechtigkeit geschehen lasse denn obwohl ich alles kann, stehe ich der Gerechtigkeit nicht entgegen. Dass jemand länger oder kürzer lebt, das liegt also an der starken oder schwachen Disposition der Natur, die ich im voraus sehe, so dass niemand etwas dagegen machen kann.
Du wirst dies besser durch ein Gleichnis verstehen. Denke dir, dass es zwei Wege gab, und dass nur einer zu ihnen hinführte. Auf diesen Wegen gab es unzählige Gräber, das eine gegenüber dem anderen und über dem anderen. Der eine von diesen beiden Wegen führte zum Schluss geradewegs in den Abgrund hinab, und der andere zuletzt hinauf in die Höhe.
Aber an der Weggabelung zwischen ihnen stand geschrieben: „Wer diesen ersten Weg geht, wird ihn mit Freude und fleischlicher Wollust beginnen, aber ihn in großer Not und Scham beenden. Wer dagegen diesen anderen Weg geht, wird ihn mit einer kleinen und erträglichen Arbeit beginnen, und ihn mit höchster Freude und Jubel beenden.
Der, der den einen Weg einschlug, der zu den beiden anderen führte, er war zuerst völlig blind, aber als er an die Weggabelung kam, wo die beiden neuen Wege begannen, da gingen ihm die Augen auf, und er sah die Schrift, in der das Ende dieser beiden Wege beschrieben wurde. Als er die Schrift sah und stand und mit sich zu Rate ging, zeigten sich ihm plötzlich zwei Männer, die die Aufgabe hatten, über die beiden Wege Wacht zu halten.

Als sie den Wanderer an der Weggabelung sahen, sprachen sie miteinander und sagten: „Lass uns nun genau sehen, welchen Weg er einschlägt, und der von uns, dessen Weg er einschlägt, soll ihn behalten.“ Der Wanderer überlegte sich das Ende und die verschiedenen Verdienste der beiden Wege, fasste einen klugen Entschluss und wählte lieber den Weg, der mit kleinen Sorgen begann und mit Freude endete, als den, der mit Freude begann und mit Kummer endete. Er hielt es nämlich für erträglicher und klüger, mit ein wenig Arbeit am Anfang belastet zu werden, um zuletzt eine feste und sichere Ruhe zu gewinnen.

Weißt du, was das bedeutet? Ich will es dir deutlich sagen. Die beiden Wege sind das Gute und das Böse, dem der Mensch auf seinem Lebensweg begegnet. Es steht in seiner eigenen Macht und seinem freien Willen, zu wählen, welchen er will, wenn er ins Alter der Vernunft kommt. Zu diesen beiden Wegen, nämlich zur Wahl zwischen Gut und Böse, führt ein anderer Weg, nämlich das Kindesalter, das zum Alter der Vernunft hinführt.
Wer diesen Weg des Kindesalter wandert, ist noch gleichsam blind, denn von Kindheit an und bis der Mensch das Alter der Vernunft erreicht hat, ist er sozusagen blind und kann nicht zwischen Gut und Böse, zwischen Sünde und Tugend, zwischen Gottes Gebot und dem Verbotenen unterscheiden. Also ist der Mensch, solange er diesen Weg wandert, d.h. während er seine Kinderjahre erlebt, gleichsam blind.
Aber wenn er an den Kreuzweg kommt, d.h. ins Alter der Vernunft, da werden ihm die Augen des Verstandes geöffnet, denn dann kann er überlegen, was besser ist: Etwas Sorge und dann ewige Freude zu haben, oder etwas Freude und dann ewigen Kummer zu haben. Und da sind die zugegen, die genau auf seine Schritte acht geben, welchen Weg er wohl einschlägt.

An den beiden Wegen sind viele Gräber, das eine hinter dem anderen, und das eine vor dem anderen, denn in der Jugend und im Alter stirbt der eine früher, der andere später, einer schon in jungen Jahren, ein anderer erst im Alter. Daher kann das Ende dieses Lebens recht gut durch Gräber bezeichnet werden, denn da werden alle landen, der eine so und der andere so, was die natürliche Veranlagung erfordert, und was ich schon im voraus weiß. Denn wenn ich jemanden gegen seine natürliche Veranlagung fortnehmen würde, würde der Teufel gleich eine günstige Gelegenheit gegen mich haben. Und deshalb handele ich, damit der Teufel bei mir nicht das Geringste gegen die Gerechtigkeit finden kann, ebenso wenig gegen die natürliche Veranlagung des Leibes, wie gegen die Seele.

Aber jetzt magst du meine Güte und mein Erbarmen betrachten. Ich handle nämlich, wie der Magister sagt[1], anständig gegenüber denen, die keinen Anstand haben. Aus meiner großen Liebe heraus gebe ich, wie es geschrieben steht, das Himmelreich all denen, die getauft sind und vor dem Alter der Vernunft sterben. Es gefiel meinem Vater nämlich, solchen Menschen das Himmelreich zu schenken.
Ja, in meiner Milde erweise ich auch den Kindern der Heiden solche Barmherzigkeit. Denn die von ihnen, die noch vor dem Alter der Vernunft sterben, die können zwar gewiss nicht mein Angesicht schauen, aber sie gelangen an einen Platz, den du nicht wissen darfst, und wo sie ohne Pein leben.

Aber die, die den ersten Weg zurückgelegt haben und an den Kreuzweg kommen, wo die beiden neuen Wege beginnen, d.h. in das Alter, wo sie zwischen Gut und Böse unterscheiden können, die haben die Möglichkeit zu wählen, was ihnen am besten gefällt, und ihr Lohn wird nach der Entscheidung ausfallen, die ihr eigener Wille getroffen hat, denn sie können zu der Zeit die Schrift lesen, die am Kreuzweg steht, nämlich dass es besser ist, etwas Sorge am Anfang und dann Freude zu haben, als Freude am Anfang und zuletzt Kummer zu haben.
Es geschieht doch manchmal, dass manche abgerufen werden, ehe die Natur des Leibes dafür veranlagt ist. z.B. durch Totschlag, Trunksucht und dergleichen, denn die Bosheit des Teufels ist so groß, dass der betreffende Sünder eine sehr lange Pein haben würde, wenn er länger auf Erden leben würde. Und daher erfordert die Gerechtigkeit und auch die Sünder, dass manche schon vor der natürlichen Veranlagung von Anfang an vorhanden, und es ist einem solchen Menschen nicht möglich, sich dagegen aufzulehnen.

Es geschieht auch manchmal, dass gute Menschen abgerufen werden, ehe die Natur des Körpers dazu veranlagt wäre, da ich eine so große Liebe zu ihnen habe. Ja, es geschieht zuweilen, dass sie auf Grund ihrer brennenden Liebe zu mir und auf Grund der körperlichen Entbehrungen abberufen werden, die sie sich um meinetwillen auferlegt haben, wie ich es von Anfang an gewusst habe, und wie es die Gerechtigkeit erfordert. Daher handele ich ebenso wenig gegen die natürliche Verlangung des Leibes, wie gegen die der Seele.“

[1]. Wohl Birgittas Beichtvater, Magister Matthias.

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2. Kapitel

Christus fällt ein strenges Urteil über einen plötzlich verstorbenen Priester, der sich der Unzucht schuldig gemacht hatte und sicht nicht gescheut hat, die Messe zu verrichten und den Leib des Herrn im Zustand der Sünde zu empfangen. Er deutet jedoch an, dass die Strafe des Verstorbenen in gewissem Maß wegen der Gebete Marias, seiner Mutter, gemildert werden könnte.

Gott erschien erzürnt und sagte: „Das Werk meiner Hände verschmäht mich mehr, das ich doch zu größerer Ehre bestimmt hatte. Diese Seele, der ich alle Fürsorge meiner Liebe bewiesen habe, hat mir drei Dinge angetan. Sie wandte ihre Augen von mir ab und wandte sie meinem Feinde zu. Sie richtete ihren Willen ganz auf die Welt. Sie gab sich der Zuversicht hin, frei gegen mich sündigen zu können.

Daher fällte ich ein schnelles Urteil über sie, weil sie sich nicht darum kümmerte, an mich zu denken. Weil sie ihren Willen gegen mich richtete und sich einer falschen Hoffnung hingab, habe ich ihr ihre Begierde vereitelt.“ Da rief ein Teufel und sagte: „Oh Richter, diese Seele gehört mir!“ Der Richter antwortete: „Was hast du gegen sie vorzubringen?“

Er sagte: „Die Anklage, die du vorgebracht hast, bildet meine Anklage: Sie hat dich, ihren Schöpfer, verschmäht, und deshalb ist sie meine Dienerin geworden. Und als sie so plötzlich von der Welt entrückt wurde – wie konnte sie dich da so plötzlich besänftigen? Als sie mit einem gesunden Körper auf der Welt lebte, diente sie dir nicht mit aufrichtigem Herzen, denn sie liebte die geschaffen dinge mehr als dich: sie hat die Krankheit nicht geduldig getragen, und weil sie ihre Taten nicht überlegte, wie sie hätte tun sollen, brannte sie gegen Ende ihres Lebens nicht mit dem Feuer der Liebe, und nachdem du sie so eilig abgerufen hast, gehört sie mir.“
Der Richter antwortete: „Das plötzliche Ende würde sie nicht richten, wenn nicht ihre Taten böse wären; Der Wille ohne genau Überlegung ist auf ewig verdammt.“

Da kam Gottes Mutter und sagte: „O mein Sohn, der nachlässige Diener, hatte einen Freund, der sehr vertraut mit dem Herrn und diesem lieb war; könnte dieser Freund ihm beistehen? Oder könnte er um seinetwillen erlöst werden, wenn dieser Freund dich darum bittet?“

Der Richter antwortete: „Jede Gerechtigkeit muss mit Barmherzigkeit und Weisheit vereint sein; mit Barmherzigkeit, damit die Strenge gemildert werden kann, mit Weisheit, damit Unparteilichkeit gewahrt werden kann. Aber wenn die Übertretung so war, dass sie nicht vergeben werden kann, kann die Strafe um des Freundes willen gemildert werden, doch so, dass die Gerechtigkeit nicht verletzt wird.“
Da sagte die Mutter: „Mein gesegneter Sohn, diese Seele hatte mich stets in Erinnerung, zeigte mir Verehrung und hielt meinetwegen Feste ab, obwohl sie dir gegenüber kalt war – erbarme dich deshalb über sie!“ Der Sohn entgegnete wieder: „Gesegnete Mutter; du kennst und siehst alles in mir. Wenn Diese Seele dich auch in Erinnerung hatte, tat sie das doch mehr für zeitlichen Gewinn, als für geistlichen. Meinen allerreinsten Leib behandelte sie nicht wie sie hätte tun sollen, denn ihr unreiner Mund hat die Herzlichkeit meiner Liebe von ihm ferngehalten. Ihre Liebe zur Welt und ihre Leichtfertigkeit hat ihm mein Leiden verborgen. Allzu große Hoffnung auf Vergebung, und dass sie es unterließ, an das Ende zu denken, hat ihr Leben verkürzt.

Und obwohl er ständig tätig war und mich (im Sakrament) empfing, besserte er sich dadurch nicht sehr, weil er sicht nicht vorbereitete, wie er hätte sollen. Wer einen guten Gast empfangen und bei sich beherbergen will, muss ja nicht nur die Herberge, sondern auch alle Geräte in Ordnung bringen. Das hat dieser (Priester) nicht getan, denn wenn er auch das Haus rein gemacht hat, hat er es doch nicht würdig und sorgfältig geschmückt, den Fußboden nicht mit Blumen der Tugenden geschmückt und seine Glieder nicht mit Enthaltsamkeit gefüllt.

Daher siehst du auch genau, was mit ihm geschehen soll, und was er verdient hat. Denn obwohl ich unangreifbar und unantastbar bin und mit meiner Gottheit überall bin, ist es doch sicher eine Freude, bei einem reinen Menschen zu sein, wenn ich auch sowohl bei einem Guten als auch bei einem Verdammten einkehre. Die Guten empfangen nämlich meinen Leib[1], der gekreuzigt wurde und zum Himmel auferstanden ist, und durch das Manna und das Mehl der Witwe angekündigt worden ist.
So handeln auch die Bösen, aber für die Guten bewirkt es größere Kraft und stärke, während sich die Bösen ein strengeres Urteil zuziehen, weil sie sich nicht scheuen, obwohl sie unwürdig sind, zu etwas so erhabenen hinzuzutreten.“

Der Teufel erwiderte: „Wenn er dir unwürdig genaht ist, und sein Gericht dadurch schwerer geworden ist – warum hast du ihm da gestattet, zu dir zu kommen und dich, der so würdig ist, zu berühren?“ Der Richter antwortete: „Du fragst nicht aus Liebe, denn die hast du nicht, sondern weil meine Kraft dich, um dieser Braut (Birgitta) willen dazu zwingt, die es hört. Sowie mich während meines Erdenlebens gute und schlechte Menschen berührt haben, als ich meine wahre Menschengestalt und meine geduldige Demut zeigen wollte, so verzehren mich Gute und Schlechte am Altar; die Guten zu größerer Vollkommenheit, aber die Bösen, weil sie nicht glauben können, dass sie verdammt sind, und dass sie, nachdem sie diesen meinen Leib empfangen haben, selbst ihren Willen ändern und sich bekehren können, wenn sie wollen.

Und wie könnte ich eine größere Liebe zeigen, als wenn ich, der Reinste, auch in das unreinste Gefäß eingehe, wenn ich auch so wie die leibliche Sonne nicht durch jemanden verunreinigt werden kann? Diese Liebe verschmähst du und deine Freunde, indem ihr eure Liebe gegen mich verhärtet.“

Da sagte die Mutter noch einmal: „Mein guter Sohn, so oft er zu dir getreten ist, hat er dich gefürchtet, wenn auch nicht so, wie er sollte. Er hat auch bereut, dass er dich verunehrt hat, wenn auch nicht vollkommen. Dies, mein Sohn, mag ihm um meinetwillen zum Gewinn gereichen.“ Der Sohn antwortete noch einmal: „Ich bin, wie der Prophet sagte, die wahre Sonne, weil besser als die körperliche. Die kann keine Berge und das Herz durchdringen, aber ich kann beides. Wenn ein Berg der Sonne widersteht, dass sie nicht in die Nähe der Erde gelangt, was steht entgegn, wenn nicht die Sünde, dass diese Seele von meiner Liebe erwärmt würde? Wenn ein Teil des Berges abgetragen wird, ist doch die Folge, dass das, was (der Sonne) am nächsten ist, seine Wärme verliert. Und wenn ich in einen Teil einer reinen Seele eingehe, welche Freude sollte es für mich sein, wenn aus einem anderen Teil Gestank aufsteigt? Daher muss das, was unrein ist, verschwinden; dann wird die Lieblichkeit auf die Schönheit folgen.“
Die Mutter erwiderte: „Es geschehe dein Wille mit aller Barmherzigkeit!“

Erklärung

Dieser Priester wurde oft wegen seiner mangelnden Enthaltsamkeit ermahnt, wollte sich aber nicht bessern. Als er eines Tages auf die Wiese ging, um sein Pferd zu striegeln, entstand ein Unwetter, und er wurde vom Blitz getroffen und starb. Sein ganzer Leib war jedoch unbeschädigt bis auf den Intimbereich, der ganz und gar verbrannt zu sein schien. Da sagte Gottes Geist: „Tochter, die, welche von solchen bösen Lüsten gefesselt werden, verdienen es, in ihrer Seele von so etwas betroffen zu werden, was diesen Mann an seinem Leibe widerfuhr.“

[1]. Bei der Kommunion.

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3. Kapitel

Maria beschreibt in Form von Gleichnissen die verschiedene Art und Weise, in der Christus von den schlechten Christen, von den verhärteten Juden, von den verhärteten Heiden, von den zur Busse bereiten Juden und Heiden und den eifrigen Christen aufgenommen wird. Die letztgenannten werden Birgitta als Vorbild hingestellt.

Maria sagte: „Dies ist eine merkwürdige Sache, dass der Herr aller Dinge und der König der Ehren verachtet ist. Er war wie ein Pilger auf Erden, indem er von Ort zu Ort ging und wie ein Wanderer an die Tür vieler Menschen klopfte, um aufgenommen zu werden. Die Welt war nämlich wie ein Landgut, wo es fünf Häuser gab. Als mein Sohn in seiner Pilgertracht zu dem ersten Hause kam, klopfte er an die Tür und sagte: „Mein Freund, öffne mir und laß mich eintreten und bei dir rasten, so dass mir nicht unversehens wilde Tiere schaden oder Regenschauer über mich kommen. Gib mir von deinen Kleidern, womit ich mich wärmen kann, denn ich friere, und womit ich mich bedecken kann, denn ich bin nackt. Gib mir von deinem Essen, womit ich mich ernähren kann, denn ich bin hungrig. Gib mir von deinem Trank, womit ich mich erquicken kann, denn ich bin durstig. Wenn du das tust, wirst du Lohn von deinem Gott erhalten.“

Da antwortete der, der im Haus war: „Du bist sehr ungeduldig, deshalb kannst du dich nicht anpassen und bei uns wohnen. Du bist sehr groß gewachsen, daher können wir dich auch nicht kleiden. Du bist sehr gierig, deshalb sind wir nicht in der Lage, dich satt zu machen, denn deine Gier ist bodenlos.“

Der Pilger Christus, der draußen war, ergriff das Wort von neuem: „Mein Freund, laß mich doch froh und freiwillig ein, denn ich kann mit einem kleinen Platz auskommen. Gib mir von deinen Kleidern etwas ab, denn es gibt in deinem Haus kein Kleidungsstück, das so klein ist, dass es nicht reichen würde, mich zu wärmen. Gib mir etwas von deinem Essen ab, denn ich kann nur von einem Krümel satt werden, und ein Tropfen Wasser kann mir Kühlung und Kraft geben.“

Der Mann, der drinnen war, erwiderte von neuem: „Wir kennen dich sehr gut – du bist demütig mit Worten, aber hartnäckig im Bitten. Du Scheinst bescheiden und leicht zu erfreuen zu sein, aber bist doch unmäßig und nicht zufrieden zu stellen. Du bist so verfroren, dass es äußerst schwer ist, dich zu kleiden. Geh deines Weges, ich kann dich nicht aufnehmen.“
Da ging der Herr zum zweiten Haus und sagte: „Mein Freund, mach auf und sieh mich an. Ich will dir geben, was du brauchst. Ich werde dich gegen deine Feinde verteidigen.“ Der Mann im Hause sagte: „Meine Augen sind krank, und es würde ihnen schaden, wenn ich dich ansehen würde. Ich habe Überfluß an allem und brauche das nicht, was du anbietest. Ich bin mächtig und stark; wer sollte mir da schaden können?“

Da kam er zum dritten Haus und sagte: „Mein Freund, öffne deine Ohren und höre auf mich. Streck deine Hände aus und faß mich an. Öffne deinen Mund und koste mich.“ Der Hausbesitzer antwortete: Ruf lauter, damit ich dich gut hören kann. Wenn du mild und sanft bist, will ich dich zu mir nehmen.“
Dann ging der Herr zum vierten Haus, dessen Tür etwa bis zur Hälfte offen stand, und sagte: „Mein Freund, wenn du einsehen würdest, wie nutzlos du deine Zeit verbrauchst, denn würdest du mich zu dir eintreten lassen. Wenn du verstehen und hören würdest, was ich für dich getan habe, würdest du Mitleid mit mir empfinden. Wenn du darauf achten würdest, wie sehr du mich gekränkt hast, würdest du weinen und um Vergebung bitten.“

Der im Hause war, sagte: „Wir sind gleichsam tot vor Erwartung und Sehnsucht nach dir; hab deshalb Mitleid mit unserem Elend, so werden wir uns gern dir schenken. Sieh auf unsere Not und betrachte die Drangsal unseres Leibes, dann werden wir bereit zu allem sein, was du willst.“
So kam der Herr zum fünften Haus, das ganz und gar offen stand, und sagte: „Mein Freund, hier möchte ich gern eintreten. Aber du sollst wissen, dass ich ein weicheres Bett begehre, als Daunenpolster es zu bieten pflegen, eine größere Wärme, als Wolle geben kann eine frischere Kost, als frisches Fleisch von Tieren es bieten kann.“
Die Leute, die drinnen waren, sagten: „Der Hammer liegt an unseren Füßen; mit dem wollen wir gern unsere Füße und Beine kaputt schlagen und dir das Knochenmark geben, das daraus hervorquillt, um darauf zu ruhen, unsere Eingeweide und all unser Inneres wollen wir dir gern offen lassen: Tritt auch dort ein! Denn so wie nichts weicher für dich ist, um auszuruhen, als unser Mark, so gibt es nichts, was dir eine bessere Wärme bieten kann, als unsere Eingeweide. Unser Herz ist frischer als das Fleisch von Tieren, und wir wollen es gern für dich zerschneiden, wenn du nur bei uns eintrittst, denn du bist lieblich zu schmecken und herrlich zu genießen.“

Die Bewohner in den fünf Häusern bezeichnen fünf menschliche Stände auf der Welt. Die ersten sind die treulosen Christen, die sagen, dass die Gerichte meines Sohnes ungerecht sind, seine Verheißungen falsch und seine Gebote unmöglich zu halten sind. Diese Leute sagen gotteslästerlich in ihrem Denken und in ihrem Verstand zu den Predigern meines Sohnes: „Allmächtig oder nicht – er ist am allerlängsten, und deshalb ist er unerreichbar. Er ist am allerweitesten und höchsten, und deshalb kann man ihn nicht ermessen. Er ist am ungeduldigsten, und deshalb kann man nicht mit ihm wohnen.“

Sie sagen, er sei am längsten, weil sie faul in der Arbeit und in der Liebe sind und nicht versuchen, seiner Güte nahe zu kommen. Sie sagen, er sei am weitesten, da ihre Gier kein Maß kennt. Sie schützen immer einen Mangel vor und ahnen Böses, bevor es kommt. Sie tadeln ihn als unersättlich, nachdem Himmel und erde nicht bis zu ihm reichen, abgesehen davon, dass er die besten Gaben vom Menschen begehrt und fordert, dass man alles für die Seele geben soll, was sie für den törichtesten Befehl halten, und dass man weniger für den Körper tun soll, was sie für ein großes Verderben halten.

Sie sagen auch von ihm, dass er am ungeduldigsten sei, da er die Sünder haßt und ihnen Dinge schickt, die gegen ihren Willen sind. Sie sehen nur das als schön und nützlich an, wozu die körperliche Lust sie leitet.
Nun ist mein Sohn in Wahrheit allmächtig im Himmel und auf Erden, der Schöpfer aller Dinge und von niemandem geschaffen; er war vor allen da, und nach ihm wird niemand kommen. Er ist gewiß am längsten, höchsten und weitesten; innen, außen und über alles. Aber obwohl er so mächtig ist, will er doch in seiner Liebe mit dem Dienst des Menschen bekleidet werden – er, der keinen Bedarf an Kleidern hat, da er selber alles bekleidet und selber ewig und unveränderlich mit einiger Ehre und Würde bekleidet ist.

Er sehnt sich danach, mit der Liebe des Menschen gesättigt zu werden – er, der doch das Brot der Engel und Menschen ist, das alle erquickt und von keinem etwas braucht. Er begehrt vom Menschen Frieden, er, der Schöpfer und Erneuerer des Friedens ist. Daher kann ihn jeder, der ihn mit frohem Sinn empfangen will, sogar mit einem Brotkrumen sättigen, wenn er gutwillig ist, ihn sogar mit einem bloßen Faden bekleiden, wenn seine Liebe brennend ist, seinen Durst sogar mit einem Tropfen löschen, wenn sein Wohlwollen richtig ist, und ihn in sein Herz aufnehmen und mit ihm reden, wenn seine Frömmigkeit warm und standhaft ist.
Gott ist nämlich Geist, und deshalb will er, dass fleischliche Dinge in geistliche und vergängliche Dinge in ewige verwandelt werden, dass ihm gegenüber das getan und gezeigt wird, das man seinen Gliedern (den Gläubigen) zeigt. Und er achtet nicht nur auf das Werk oder die Fähigkeit des Menschen, sondern auf seinen eifrigen Willen, und in welcher Absicht eine Tat getan wird.
Aber je mehr mein Sohn sie durch heimliche Eingebungen ruft, je mehr er sie durch seine Prediger ermahnt, desto mehr verhärten sie ihre Sinne gegen ihn. Sie hören ihn nicht, sie öffnen ihm nicht gutwillig die Tür und lassen ihn nicht durch Taten der Liebe Eintreten. Deshalb wird, wenn ihre Zeit kommt, die falsche Hoffnung, mit der sie sich vertrösten, zunichte werden, die Wahrheit wird erhöht und Gottes Ehre offenbart werden.

Die zweiten sind die verhärteten Juden. Sie halten sich selbst in allen Dingen verständig und halten ihre Weisheit für Gerechtigkeit. Sie prahlen mit ihren Taten und halten sie für ehrenwerter, als die von anderen. Wenn sie die Taten meines Sohnes hören, halten sie diese für verächtlich, wenn sie seine Worte und Gebote hören, verachten sie sie. Sie halten sich für sündig und befleckt, wenn sie etwas sehen oder hören, was meinem Sohn gehört, und sie noch unglücklicher und elender, wenn sie seine taten befolgen würden. Aber so lange die Welt ihnen gewogen ist, halten sie sich für höchst glücklich, und solange sie frische Kräfte haben, halten sie sich am stärksten. Daher soll ihre Hoffnung zunichte und ihre Ehre zuschanden werden.

Die dritten sind die Heiden. Manche von ihnen rufen täglich höhnisch: „Wer ist dieser Christus? Wenn er so gütig ist, zeitliche Dinge zu schenken, werden wir ihn gern annehmen. Wenn er so milde ist, Sünden zu erlassen, wollen wir ihn gern verehren.“
Aber sie haben die Augen ihres Verstandes geschlossen, so dass sie Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nicht verstehen können. Sie halten sich die Ohren zu, so dass sie nicht hören können, was mein Sohn für sie und für alle getan hat. Sie verschließen ihren Mund und fragen nicht danach, was ihnen geschehen wird, und was ihnen nützt. Sie verschließen ihre Hände und weigern sich, danach zu streben und zu forschen, auf welche Weise sie der Lüge entfliehen und die Wahrheit finden können. Nachdem sie nichts verstehen und sich in Acht nehmen wollen, während sie es doch können und die Zeit dazu haben, werden sie mit ihren Häusern fallen und vom Sturm weggefegt werden.

Die vierten sind die Juden und Heiden, die gerne Christen sein wollten, wenn sie nur wüssten, was meinem Sohn wohlgefällig sein würde, und wenn sie irgendein Helfer hätten. Sie hören täglich von den Völkern en den Nachbarländern und verstehen aus dem inneren Ruf der Liebe und durch Zeichen, wieviel mein Sohn getan hat, und dass er für alle gelitten hat.
Daher rufen sie in ihrem Gewissen zu meinem Sohn: „O Herr, wir haben gehört, dass du versprochen hast, dich selber uns zu schenken. Daher warten wir auf dich. Komm und löse dein Versprechen ein! Wir verstehen ja und sehen, dass es bei denen, die wie Götter verehrt werden, kein Gotteskraft, kein Liebe zu den Seelen, keine lobenswerte Größe der Keuschheit gibt. Bei ihnen finden wir nur körperliche Freundschaft und Liebe für die Ehre dieser Welt.

Wir vernehmen dein Gesetz und hören von deinen großen Wundertaten in aller Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Wir hören die Aussprüche deiner Propheten, dass sie dich erwarten haben, was sie prophezeiten. Komm daher, du mildester Herr, denn wir wollen uns dir gerne schenken, nachdem wir verstehen, dass es bei dir die Liebe zu den Seelen gibt, kluge Benutzung aller Dinge, vollkommene Reinheit und ewiges Leben. Ja komm bald, denn wir sind vor Sehnsucht nach dir wie tot, und erleuchte uns!“
So rufen diese Menschen zu meinem Sohn. Und deshalb ist auch ihre Tür halb offen, denn sie haben den ehrlichen Willen zum Guten, sind aber noch nicht bis zu seiner Wirkung vorgestoßen. Diese Menschen verdienen, die Gnade und den Trost meines Sohnes zu erhalten. Im fünften Haus sind meine Freunde und die meines Sohnes, und die Tür ihres Sinnes steht meinem Sohn ganz offen. Sie hören meinen Sohn gern, wenn er sie ruft. Sie öffnen, wenn er kommt. Mit dem Hammer der göttlichen Gebote zerschlagen sie alles, was verkehrt bei ihnen ist, und bereiten meinem Sohne einen Ruheplatz, nicht auf Vogeldaunen, sondern in Eintracht mit den Tugenden und unter Zügelung der Begierde, was das Mark aller Tugenden ist.

Sie schenken meinem Sohn auch Wärme, nicht die, die von Wolle stammt, sondern von einer so brennenden Liebe, dass sie meinem Sohn nicht nur all ihr Hab und Gut schenken, sondern auch sich selbst. Ferner bereiten sie ihm eine Kost, die frischer ist als alles Fleisch nämlich das allervollkommenste Herz, womit sie nichts anderes begehren oder lieben, als ihren Gott. In ihrem Herzen wohnt der Herr des Himmels, und von ihrer Liebe wird Gott köstlich erquickt – er, der selber alles erquickt. Sie haben ihre Augen stets auf die Tür gerichtet, so dass der Feind nicht eintreten kann, die Ohren zum Herrn gewendet, und die Hände bereit zum Kampf gegen den Feind.

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4. Kapitel

Christus droht den schlechten Christen mit strenger Strafe, verspricht aber den Heiden Erlösung.

Gottes Mutter sprach zum Sohn und sagte: „Mein Sohn, sieh, deine Braut (Birgitta) weint darüber, dass deine Freunde so wenig sind, aber deine Feinde so viele.“ Der Sohn erwiderte: „Es steht geschrieben, dass die Kinder erben werden. Es steht auch geschrieben, dass eine Königin aus fernem Land kam, um Salomos Reichtümer zu sehen und seine Weisheit zu hören, und als sie das sah, hatte sie kaum Worte für ihre Bewunderung. Aber die, die in seinem Reich lebten, achteten nicht auf seine Weisheit und bewunderten seine Reichtümer nicht.

Ich vergleiche mich mit diesem Salomo, aber ich bin viel reicher und weiser als er, denn von mir stammt alle Weisheit, und von mir hängt es ab, ob jemand weise ist. Meine Reichtümer sind ewiges Leben und unaussprechliche Ehre. Die habe ich den Christen versprochen und habe sie den Söhnen angeboten, damit sie diese ewig besitzen sollen, wenn sie mir nachfolgen und meinen Worten glauben würden.
Aber sie achten nicht auf meine Weisheit; sie verachten meine Taten und halten mein Versprechen und meine Reichtümer für nichts. Was soll ich da mit ihnen machen? Wahrlich – nachdem die Söhne nicht das Erbe haben wollen, sollen die Fremdlinge, d.h. die Heiden, es erhalten. Denn diese werden kommen wie die fremde Königin, mit der ich die ungläubigen Seelen meine, und sie werden die Reichtümer meiner Ehre und meine Liebe bewundern, so dass sie den Geist ihres Unglaubens verlassen und von meinem Geist erfüllt werden.

Aber was soll ich mit den Kindern des Reiches tun? Ja, wie ein kluger Töpfer, wenn er sieht, dass das Gefäß das er erst aus Lehm geformt hat, nicht schön und zu gebrauchen ist, es zu Boden wirft und kaputt trampelt, so werde ich mit den Christen verfahren. Sie sollten mir gehören, denn ich habe sie zu meinem Abbild geschaffen und mit meinem Blut erlöst, aber jetzt sind sie hässlich und missgestaltet, und deshalb sollen sie wie Staub zertreten und hinunter in die Hölle geworfen werden.“

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5. Kapitel

Christus spricht mit Birgitta von den treulosen Juden, die er gern erlösen würde, falls das möglich wäre, von den schlechten Christen, die seine Gnade missbrauchen und die Strafe zu erwarten haben, und von den Heiden, die nach Erlösung hungern, denen er seine Huld verspricht.

Ich bin Gott – nicht ein Gott aus Stein oder Holz und nicht von jemanden geschaffen, sondern aller Dinge Schöpfer, der ohne Anfang und ohne Ende bleibt. Ich bin der, der zur Jungfrau kam und mit der Jungfrau war und die Göttlichkeit doch nicht verließ. Ich, der mit menschlicher Gestalt in der Jungfrau war, während die Göttlichkeit doch unverletzt blieb, ich regierte gleichzeitig mit dem Vater und dem Heiligen Geist im Himmel und auf Erden durch meine Göttlichkeit. Ich habe die Jungfrau mit meinem Geist entzündet – nicht so, dass mein Geist, der sie entzündet hat, von mir getrennt wurde. Nein, der sie entflammte, war zugleich im Vater und in mir, dem Sohn, und der Vater und der Sohn in ihm, und diese sind nicht drei Götter, sondern einer.

Ich bin wie König David, der drei Söhne hatte. Einer von ihnen hieß Absalom, und er trachtete seinem Vater nach dem Leben. Der zweite von ihnen trachtete nach seines Vaters Reich, und das war Adonia. Der dritte erhielt das Reich, und das war Salomo. Der erste bezeichnet die Juden. Die trachten mir nämlich nach dem Leben, suchten meinen Tod und verschmähten meinen Rat. Daher kann ich jetzt, wo ich ihre Vergeltung sehe, wie David von seinem toten Sohn sprechen: „Mein Sohn Absalom!“ d.h. o Juden, meine Söhne – wo ist nun eure Sehnsucht und Erwartung? Oh meine Söhne, wo ist nun euer Ende? Ich habe Mitleid mit euch, nachdem ihr Sehnsucht danach hattet, dass ich kommen sollte – ich, von dem ihr durch so viele Zeichen gehört habt, dass ich gekommen bin, und nach dem ihr euch nach Flüchtigen gesehnt habt, das nun insgesamt vergangen ist.

Aber jetzt sorge ich mich mehr über euch, wie David, als er das erste Wort wiederholte, denn ich sehe euer Ende im Elend des Todes. Daher sage ich noch einmal aus höchster Liebe, wie David sagte: „O mein Sohn, wer gönnt mir, dass ich für dich sterben kann?“ David wusste nämlich genau, dass er seine Toten nicht durch seinen eigenen Tod auferwecken konnte, aber er zeigte das Gefühl seiner väterlichen Liebe und das bereitwilligste Verlangen seines guten Willens, und wenn es möglich gewesen wäre, hätte er gern statt seines Sohnes den Tod erlitten, obwohl er wusste, dass das unmöglich war.

So sage ich jetzt: O meine Söhne, ihr Juden, obwohl ihr einen bösen Willen gegen mich hattet und gegen mich so viel getan habt, wir ihr konntet, so würde ich doch gern, wenn es möglich wäre und meinem Vater gefiele, noch einmal für euch sterben, denn mich dauert euer Elend, das ihr selbst als eine gerechte Strafe verursacht habt. Ich habe euch ja mit Worten gesagt und mit Beispielen gezeigt, was ihr tun sollt. Ich ging vor euch her, wie eine Henne vor ihren Küken, indem ich euch mit den Flügeln der Liebe schützte, aber ihr habt alles verschmäht. Daher ist alles vergangen, wonach ihr euch gesehnt habt. Euer Ende ist im Elend, und alle eure Arbeit ist vergebens.

Mit Davids zweitem Sohn werden die schlechten Christen bezeichnet. Adonia hat gegen seinen Vater in dessen Alter gesündigt, denn er dachte bei sich: „Mein Vater ist alt, und seine Kräfte nehmen ab. Wenn ich etwas Unfreundliches zu ihm sage, gibt er keine Antwort; wenn ich feindlich handele, rächt er sich nicht; wenn ich etwas gegen ihn unternehme, wird er es geduldig tragen. Daher werde ich tun, was ich will.“

Dieser ging mit einigen Dienern seines Vaters David in einen Hain, wo es ein paar Bäume gab, damit er herrschen würde. Aber als die Weisheit und der Wille des Vaters sichtbar wurde, änderte sich der Plan des Sohnes, und die mit ihm waren, begannen sich zu schämen. So handeln nun die Christen gegen mich. Sie denken bei sich: „Gottes Zeichen und Gerichte sind nicht so offenbar wie früher; wir können reden, was wir wollen, denn er ist barmherzig und achtet nicht darauf. Laßt uns das tun, was uns gefällt, denn er wird ja leicht verzeihen.“

Sie glauben nicht an meine Macht – als ob ich jetzt nicht mehr die Macht hätte, das zu tun, was ich früher wollte. Sie meinen, meine Liebe habe abgenommen – also ob ich mich nicht über sie erbarmen wollte, wie über ihre Väter. Sie treiben Spott mit meinen Gerichtsurteilen und halten meine Gerechtigkeit für eine Nichtigkeit. Deshalb gehen sie mit ein paar von Davids Dienern in den Wald, um mit Zuversicht zu regieren.

Was ist dieser Hain, in dem nur ein paar Bäume stehen, wenn nicht die heiligen Kirche, die durch ihre sieben Sakramente Bestand hat, wie durch ein paar Bäume? In diese Kirche treten sie mit einigen Dienern Davids ein, d.h. durch wenig gute Taten, um Gottes Reich mit Zuversicht zu erhalten. Sie tun nämlich ein paar kleine gute Taten, für die sie sich darauf verlassen, dass sie – in welcher Sünde sie auch stecken und welche Sünde sie auch tun mögen – doch das Himmelreich wie durch ererbtes Recht erhalten werden.
Aber so wie Davids Sohn, der das Reich gegen Davids Willen gewinnen wollte, mit Schande weggetrieben wurde, da er ungerecht war und es auf unrechte Weise erstrebte, und das Reich einem Weiseren und Besseren gegeben wurde, so sollen diese aus meinem Reich vertrieben werden, und es wird denen gegeben werden, die Davids Willen tun. Denn keiner außer dem, der Liebe hat, kann mein Reich gewinnen und keiner außer dem, der rein ist und sich nach meinem Herzen richtet, kann mir, dem Reinsten, nahen.
Davids dritter Sohn war Salomo. Er bezeichnet die Heiden. Als Batseba hörte, dass ein anderer als Salomo, dem David das Reich nach ihm versprochen hatte, von manchen Leuten gewählt wurde, ging sie zu David und sagte: „Herr, du hast mir geschworen, dass Salomo nach dir regieren solle. Aber jetzt ist ein anderer gewählt, und wenn es in dieser Weise geht, werde ich als Ehebrecherin zum Feuertod verurteilt, und mein Sohn wird als unecht erklärt.“

Als David das hörte, erhob er sich und sagte: „Ich schwör bei Gott, dass Salomo auf meinem Stuhl sitzen und nach mir regieren soll.“ Und er befahl seinen Dienern, dass sie Salomo auf den Stuhl des Reiches erheben und verkünden sollten, dass der, den David auserwählt hatte, König wäre. Diese führten den Befehl ihres Herrn aus und erhöhten Salomo zu großer Macht, aber alle die, die sich mit seinem Bruder verschworen hatten, wurden vertrieben und zu Knechten gemacht.

Wer ist nun diese Batseba, die sich als Ehebrecherin ansehen würde, wenn ein anderer König gewählt wurde, anders, als der Glaube der Heiden? Es gibt nämlich keine schlimmeren Ehebruch, als von Gott und dem rechten Glauben abzufallen und an einen anderen Gott als an den Schöpfer aller Dinge zu glauben.
Aber so wie Batseba kommen viele Heiden mit demütigem und zerknirschtem Herzen zu Gott und sagen: „Herr, du hast versprochen, dass wir in Zukunft Christen sein würden; erfülle daher dein Versprechen. Wenn ein anderer König, d.h. ein anderer Glaube als deiner, über uns herrschen wird, und wenn du dich von uns trennst, werden wir elend zum Feuertod verurteilt und sterben wie die Ehebrecherin, die sich einen Liebhaber anstelle ihres rechtmäßigen Gatten genommen hat.

Und wenn du in Ewigkeit lebst, wirst du dennoch von uns sterben und wir von dir, wenn du deine Gnade von unserem Herzen fern hälst, und wir uns dir durch unseren Irrglauben widersetzen. Erfülle deshalb dein Versprechen, stärke uns in unserer Schwachheit und erleuchte unsere Dunkelheit. Denn wenn du länger zögerst, d.h. wenn du dich von uns fernhältst, müssen wir vergehen.“
Nachdem ich dies gehört habe, will ich wie David handeln und mich in meiner Gnade und Barmherzigkeit erheben. Ich schwöre also bei meiner Göttlichkeit, die mit meiner Menschlichkeit verbunden ist, und bei meiner Menschlichkeit, die in meinem Geist ist, der in meiner Göttlichkeit und Menschlichkeit ist (und diese drei sind nicht drei Götter, sondern einer), dass ich mein Versprechen halten will.
Ich werde nämlich meine Freunde senden, die meinen Sohn Salomo, d.h. die Heiden, in den Hain, d.h. die Kirche, einführen werden, die sozusagen durch die sieben Sakramente wie durch sieben Bäume Bestand hat – nämlich die Taufe, die Buße, die Konfirmation, das Sakrament des Altars, die Priesterweihe, die Ehe und die letzte Ölung, und sie werden auf meinem Stuhl verweilen, mit anderen Worten, in dem rechten Glauben der heiligen Kirche, aber die schlechten Christen sollen ihre Diener sein.

Die ersten sollen sich an dem ewigen Erbteil und der Lieblichkeit freuen, die ich ihnen bereiten werde, aber die letzteren werden in ihrem Elend jammern, das für sie schon in diesem Leben beginnt und sich in Ewigkeit fortsetzt. Also sollen meine Freunde, nachdem es nun Zeit ist, zu wachen, nicht schlafen und ermüden, denn ein ehrenvoller Lohn soll auf ihre Mühe folgen.“

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6. Kapitel

Durch Birgitta deutet Christus seinen Freunden, den Predigern, an, wie undankbar es ist, den verstockten Christen zu predigen, und dass sie stattdessen ihre Aufmerksamkeit den Heiden widmen sollten. Ebenso wie die drei vorhergehenden Kapitel bildet auch dieses ein Glied mit Birgittas Kreuzzugsverkündigung und darf in Zusammenhang mit den russischen Feldzugsplänen Magnus Eriksson’s gesetzt werden. Im 8. Buch kehrt das Thema wieder.

Der Sohn (Christus) sagte: „Ich bin wie ein König, der auf einem Felde stand und seine Freunde auf der rechten Seite und seine Feinde auf der linken hatte. Als sie nun in dieser Weise dastanden, drang die Stimme eines Rufers auf die rechte Seite, wo alle wohlbewaffnet standen, mit festgebundenen Helmen und das Gesicht ihrem Herrn zugewendet. Die Stimme rief: „Wendet euch zu mir und glaubt an mich; ich habe euch Gold zu schenken.“

Sie hörten die Stimme und wandten sich in die Richtung, aus der sie kam, und als sie sich gewendet hatten, sagte die Stimme erneut: „Wenn ihr Gold sehen wollt, so bindet eure Helme ab, und wenn ihr das besitzen wollt, so will ich euere Helme wieder nach meinem Willen festbinden.“
Sie gehorchten ihm, und er band ihre Helme nach rückwärts, so dass die Vorderseite mit dem Loch, wodurch sie sehen konnten, in den Nacken kam, und die Rückseite des Helms verdeckte ihre Augen, so dass sie nicht sehen konnten. Und so führte sie dieser Rufer blind hinter sich her.

Als dies geschah, teilten einige Freunde des Königs ihrem Herrn mit, dass seine Männer von seinen Feinden irregeleitet waren. Da sagte er zu seinen Freunden: „Geht ihnen nach und ruft: „Bindet eure Helme ab, dann werdet ihr gewahr, dass ihr betrogen seid! Wendet euch zu mir, so will ich euch in Frieden aufnehmen.“ Sie wollten jedoch nicht hören, sondern machten sich darüber lustig.

Als die Diener das hörten, erzählten sie es ihrem Herrn, der sagte: „Nachdem diese mich verschmäht haben, könnt ihr gleich auf die linke Seite gehen und denen, die dort stehen, diese drei Dinge sagen: „Der Weg, der zum Leben führt, ist für mich bereit; die Tür ist offen, und der Herr will euch selbst mit Frieden entgegenkommen. Glaubt daher fest daran, dass der Weg bereitet ist, und hofft standhaft, dass die Tür offen ist und seine Worte wahr sind; eilt dem Herrn mit Liebe entgegen, so wird er euch mit Liebe und mit Frieden empfangen und euch zum ewigen Frieden führen.“ Die, welche die Worte der Boten hörten, glaubten daran und wurden in Frieden aufgenommen.

Ich bin dieser König. Ich hatte die Christen auf meiner rechten Seite, denn ich hatte ihnen das ewige Gut bereitet. Da waren ihre Helme festgebunden und ihre Gesichter mir zugewandt, als sie den festen Willen hatten, meinen Willen zu tun und meinen Geboten zu gehorchen, und ihr ganzes Verlangen zum Himmel gerichtet war. Aber so erklang auf der Welt die Stimme des Teufels, d.h. der Hochmut, der ihnen die Reichtümer der Welt und die fleischliche Lust zeigte.

Da wandten sie sich dahin und gaben ihr Begehren und ihre Zustimmung der Hoffahrt hin. Sie legten ihretwegen auch ihre Helme ab, als sie ihr Begehren in die Tat umsetzten und das Zeitliche vor das Geistliche setzten. Nachdem sie also die Helme des göttlichen Willens und die Waffen der Tugend abgelegt hatten, bekam der Hochmut so große Macht über sie und machte sie seiner Herrschaft so untertan, dass sie gern bis zum Ende sündigen wollten, ja gern bis in Ewigkeit leben wollten, um dann in Ewigkeit sündigen zu können.

Diese Hoffahrt hat sie so verblendet, dass die Sehlöcher des Helmes, durch die sie sehen sollten, sich jetzt im Nacken, und Dunkelheit vorn an der Stirn befindet. Was sind die Löcher der Helme anders, wenn nicht das Betrachten der Zukunft und das nachdenkliche Beachten der Gegenwart? Durch das erste Sehloch könnten sie betrachten, wie lieblich die ewigen Belohnungen sind, und wie schrecklich die künftigen Strafen sind, und wie schrecklich Gottes Gerichte sind.
Durch das andere Sehloch sollten sie betrachten, was von Gott vorgeschrieben und was verboten ist, wie oft sie Gottes Gebote übertreten haben, und wie sie Besserung üben sollten. Aber diese Löcher sind jetzt im Nacken, wo nichts zu sehen ist, denn das Betrachten der himmlischen Dinge ist in Vergessenheit geraten. Die Liebe zu Gott ist erloschen, aber die Liebe zur Welt hält man für so lieblich und umfasst sie mit solcher Zärtlichkeit, dass sie sie wie ein gut geöltes Rad zu allem führt, was sie nur wollen.

Aber wenn meine Freunde meine Schande, den Abfall der Seelen und die Herrschaft des Teufels sehen, richten sie täglich ihre Gebetesrufe für diese Unglücklichen an mich, und ihre Gebete sind durch den Himmel und zu meinen Ohren gedrungen, und bewegt von ihren Bitten habe ich ihnen Tag für Tag meine Prediger gesandt, habe ihnen Vorzeichen gezeigt und ihnen vielfältig meine Gnade erwiesen. Sie haben jedoch das alles verachtet und Sünde auf Sünde gehäuft.
Daher will ich meinen Dienern jetzt sagen und in Wahrheit das vollenden, was ich sage: Meine Diener, geht nun auf die linke Seite, nämlich zu den Heiden, die bis jetzt in Verachtung lebten, als ständen sie auf der linken Seite. Geht zu ihnen hin und sagt: „Der Herr des Himmels und der Schöpfer aller Dinge lässt euch dies sagen: Der Weg zum Himmel steht euch offen; habt nur den Willen, mit festem Glauben einzutreten. Das Himmelstor steht euch offen; hofft nur fest und tretet durch es ein. Der König des Himmels und der Engel will euch selbst entgegenkommen und euch Frieden und ewigen Segen schenken.
Geht ihm entgegen und nehmt ihn mit seiner Treue auf, die er euch gezeigt hat, und mit der er den Weg zum Himmel bereitet. Empfangt ihn mit der Hoffnung, mit der ihr auf ihn hofft, denn jetzt will er euch den Himmel schenken. Liebt ihn von eurem ganzen Herzen, vollendet es in der Tat und treten durch die Tore Gottes ein, aus denen die Christen vertrieben werden sollen, die nicht durch sie eintreten wollen, und sich durch ihre Taten unwürdig machen. Ich sage euch in meiner Wahrheit, dass ich meine Worte vollenden und sie nicht aufgeben werde. Ich werde euch als meine Kinder aufnehmen und euer Vater sein, da die Christen mich nun schimpflich verschmäht haben.

Ihr meine Freunde, die ihr auf der Welt seid, könnt also siegesgewiss voranschreiten, zu ihnen rufen, ihnen meinen Willen verkünden und ihnen helfen, so dass sie ausführen können. Ich werde in eurem Herzen und eurem Munde sein. Ich werde euer Führer im Leben sein und euch im Tode bewahren. Ich werde euch nicht verlassen; schreitet mutig vorwärts, denn durch die Arbeit wird die Ehre wachsen. Ich könnte alles in einem Augenblick und mit einem Worte tun, aber ich will, dass euer Lohn desto größer durch den Kampf wird, und meine Ehre durch euren Mannesmut wächst.
Wundert euch nicht darüber, dass ich rede. Denn wenn der Weiseste auf Erden sehen könnte, wie die Seelen Tat für Tag hinunter in die Hölle fahren, so würde er sehen, dass sie an Anzahl mehr als die Sandkörner des Meeres und die Kieselsteine am Strande sind. Das ist gerecht, denn sie haben sich von ihrem Gott und ihrem Herrn Getrennt. Deshalb spreche ich darüber, dass der Anhang des Teufels vermindert werden soll, dass man die Gefahr sieht und meine Heerschar vermehrt werden soll; vielleicht hören sie dann zu und hören mit ihren Sünden auf.“

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7. Kapitel

Christus beschreibt Birgitta, wie das Klosterleben und die Ritterschaft (der Adel) einmal eingerichtet waren. Diese beiden Stände, klagt er, die hohe Verpflichtungen gegen Gott und die Gesellschaft in sich bergen, werden jetzt leider nicht in so großen Ehren gehalten, wie früher.

Der Sohn sprach zur Braut (Birgitta) und sagte: „Ich bin der König der Krone. Weißt du vielleicht, warum ich sage: „König der Krone?“ Gewiß war meine Göttlichkeit ohne Anfang und wird ohne Ende sein und besteht, und diese meine Göttlichkeit gleicht einer Krone, da eine solche ohne Anfang und Ende ist[1]. Aber wie in einem Reich die Krone für den künftigen König aufbewahrt wird, so wurde meine Göttlichkeit in meiner Menschengestalt bewahrt, mit der sie gekrönt werden soll.

Ich hatte zwei Diener; der eine war Priester, der andere Laie. Petrus war der erste, und er hatte das Priesteramt inne. Paulus dagegen war Laie. Petrus war in seiner Ehe gebunden, aber als er sah, dass die Ehe nicht mit dem Amt des Priesters zusammenpassen würde und bedachte, dass die Tugend seines Sinnes durch mangelnde Enthaltsamkeit gefährdet werden könnte, so trennte er sich von der sicher zugelassenen Ehe, indem er sich vom Bett seiner Frau enthielt, und mit vollkommenem Sinn an mir festhielt. Paulus hielt Keuschheit ein und bewahrte sich unbefleckt vom ehelichen Bett.
Sieh, welche Liebe ich diesen beiden bewiesen habe! Dem ersten, Petrus, gab ich die Schlüssel des Himmelreichs, so dass das, was immer er auf Erden band und löste, auch im Himmel gebunden und gelöst sein sollte. Dem anderen, Paulus, schenkte ich, dass er Petrus an Ehre und Würde gleich sein sollte. Denn so, wie sie auf Erden gleich und vereint waren, so sind sie jetzt im Himmel vereint und in ewiger Ehre verherrlicht. Denn obwohl ich gerade diese beiden erwähnt habe, verstehe ich unter ihnen und mit ihnen meine anderen Freunde. Denn wie ich einst im Gesetz nur zu Israel wie zu einem einzigen Menschen geredet habe, so habe ich doch das ganze Volk Israel mit diesem Namen bezeichnet. So verstehe ich nun unter diesen beiden mehrere – ja die, die ich mit meiner Ehre und Liebe erfüllt habe.

Als eine Zeitlang vergangen war, begann sich das Böse jedoch zu vervielfachen und das Fleisch zu erkranken und mehr zum Bösen hinzuneigen. Deshalb erwies ich den beiden Ständen, den Priestern und den Laien, Barmherzigkeit, die ich meine, wenn ich Petrus und Paulus sage, und ich erlaubte den Priestern, Kirchengüter in maßvoller Weise für das leibliche Wohl zu nutzen, damit sie umso eifriger und fleißiger in meinem Dienst werden sollten. Ich habe auch den Laien gestattet, Ehen nach der Sitte der Kirche zu haben.
Unter den Priestern war es ein guter Mann, der bei sich selbst so lachte: „Das Fleisch zieht mich zu schlechtem Begehren und die Welt zu schädlichen Ansichten, und der Teufel legt mir auf mannigfache Weise einen Hinterhalt zur Sünde. Daher will ich, damit ich nicht vom Fleisch und von Begierde unterdrückt werde, mir in allen meinen Handlungen Mäßigkeit auferlegen, und maßvoll in Erquickung und in Ruhe sein. Ich will gebührende Zeit mit Arbeit und Gebet verbringen und mein Fleisch mit Fasten zügeln.

Zweitens will ich, damit die Welt mich nicht von der Gottesliebe abbringt, alles verlassen, was von der Welt ist, weil es ja doch vergänglich ist. Es ist sicherer, Christus in Armut nachzufolgen. Drittens will ich mich, damit der Teufel mich nicht betrügt, der stets das Falsche für wahr erklärt, der Leitung eines anderen unterordnen und diesem gehorchen. Ich will all meinen Eigenwillen ablegen und mich zu allem bereit machen, was mir von dem anderen befohlen wird[2]. Das war er, der in das erste Kloster eintrat, in lobenswerter Weise dort verblieb und sein Leben so führte, dass er von anderen nachgeahmt wurde.

Der Stand der Laien war eine Zeitlang gut eingerichtet. Manche von ihnen bearbeiteten das Land und waren fleißig und auf den Äckern bei der Arbeitet. Anderen segelten auf Schiffen und führten Handelswaren in andere Länder, damit die Fruchtbarkeit eines Gebietes der Armut eines anderen zu Hilfe kommen sollte. Andere betrieben Handwerk und übten verschiedene Künste aus.

Unter diesen gab es einige Verteidiger meiner Kirche, die jetzt Hofmänner genannt werden. Diese nahmen die Waffen, um die heilige Kirche zu verteidigen und deren Feinde zu bekämpfen. Unter diesen Hofmännern gab es einen guten Mann, meinen Freund, der bei sich dachte: „Ich bearbeite nicht den Boden wie ein Landmann. Ich arbeite nicht auf den Wogen des Meeres wie ein Kaufmann. Ich betreibe auch kein Handwerk, wie ein guter Arbeiter.

Was soll ich da machen? Mit welchen Arbeiten soll ich meinem Gott dienen? Ich habe ja keine Manneskräfte bei der Arbeit in der Kirche. Mein Körper ist schwach und zu zart, um Wunden zu ertragen. Meine Hand ist zu klein, um Feinde zu schlagen. Mein Sinn hat es schwer, sich zu den himmlischen Dingen zu erheben. Was soll ich da machen? Ja, ich weiß, was ich tun werde. Ich will aufstehen und unter einem weltlichen Fürsten einen festen Eid ablegen, mit meinen Kräften und meinem Blut den Glauben der heiligen Kirche zu verteidigen.“

Als dieser mein Freund zum Fürsten kam, sagte er: „Herr, ich gehöre zu den Verteidigern der Kirche. Mein Körper ist allzu schwach, um Wunden zu ertragen, meine Hand zu schwächlich, um zuzuschlagen, mein Sinn ist unbeständig, wenn es gilt, an das Gute zu denken. Mir gefällt der eigene Wille, und die Ruhe lässt mich nicht wie eine feste Mauer Gottes Haus stützen. Daher verpflichte ich mich mit einem öffentlichen Eid unter dem Gehorsam gegen die heiligen Kirche und dich, o Fürst, dass ich sie alle Tage meines Lebens verteidigen werde. Weil mein Sinn und Wille vielleicht zu schwach sind, sich zum Kampf zu entschließen, muß und kann ich auf Grund meines Eides doch gezwungen werden, zu arbeiten.“

Der Fürst antwortete ihm: „Ich will mit dir zum Haus des Herrn gehen und Zeuge für deinen Eid und dein Versprechen sein.“ So kamen beide zu meinem Altar, und mein Freund beugte vor meinem Altar die Knie und sagte: „Ich bin allzu schwach in meinem Fleisch, um Wunden zu ertragen. Der eigene Wille ist mir sehr lieb. Meine Hand ist zu schwach, um zuzuschlagen. Daher verspreche ich nun Gehorsam gegenüber Gott und dir, der mein Vorgesetzter ist, in dem ich mich mit einem festen Eid verpflichte, die heilige Kirche gegen ihre Feinde zu verteidigen und Gottes Freunde zu unterstützen, den Witwen, vaterlosen Kindern und den treuen Dienern Gottes Gutes zu tun, und nie etwas zu tun, was gegen die Kirche Gottes und gegen ihren Glauben ist.

Weiter verpflichte ich mich, deiner Mahnung zu folgen, wenn ich Fehler mache, so dass ich mich, da ich zum Gehorsam verpflichtet bin, umso besser vor Sünden und dem Eigenwillen in Acht nehmen kann, deinen und Gottes Willen umso eifriger und leichter befolgen kann und wissen kann, dass es für mich viel verdammenswerter und verächtlicher als für andere ist, wenn ich den Gehorsam verletze und mich erdreiste, mich deinen Geboten entgegenzustellen.“

Nachdem dieses Gelübde an meinem Altar abgelegt war, dachte der Fürst natürlich nach und bestimmte ihm zum Zeichen, dass er seinem Eigenwillen abgeschworen hatte, eine Kleidung, die sich von anderen weltlichen Trachten unterschied, und damit er wissen sollte, dass er einen Vorgesetzten hatte und ihm gehorchen musste. Der Fürst legte auch ein Schwer in seine Hände und sagte: „Mit diesem Schwert sollst du die Feinde Gottes schlagen und töten.“

Und er legte einen Schild in seinen Arm, indem er sagte: „Mit diesem Schild sollst du dich gegen die Wurfspitze der Feinde verteidigen und das, was man dir zufügt, geduldig ertragen, so dass eher der Schild zerbricht, als dass du die Flucht ergreifst.“ Im Beisein meines Priesters gelobte mein Freund, all dies treu zu befolgen, und nach Ablegung des Gelübdes reichte ihm der Priester meinen Leib[3] zur Kraft und Stärke, so dass mein Freund, durch meinen Leib mit mir vereint, sich niemals von mir trennen würde. So war mein Freund Georg und viele andere, und solche Männer müssen auch Ritter sein, die auf Grund ihrer Würde und Tracht, wegen ihrer Taten und der Verteidigung des heiligen Throns, ihren Namen haben sollten.

Hör nun, was meine Feinde dagegen tun, was meine Freunde vorher taten. Meine Freunde, die gingen ins Kloster aus kluger Furcht und göttlicher Liebe. Aber die, die jetzt im Kloster sind, die gehen aus Hoffahrt und Gewinnsucht in die Welt hinaus, und sie haben ihren eigenen Willen und tun das, was für den Leib angenehm ist. Es ist gerecht, dass die, die in einem solchen Willen sterben, die himmlischen Freuden nicht kennenlernen oder gewinnen sollen, sondern stattdessen die Pein in der Hölle ohne Ende.

Wisse auch, dass die Klosterbrüder, die gegen ihren eigenen Willen und aus göttlicher Liebe Prälaten werden, nicht zu dieser Anzahl gerechnet werden sollen. Und die Ritter, die meine Waffen trugen, waren bereit, ihr Leben für die Gerechtigkeit hinzugeben und ihr Blut für den heiligen Thron zu vergießen; sie verschafften denen, die es brauchten, Gerechtigkeit und unterdrückten und demütigten die Bösen.
Aber jetzt – höre, wie verkehrt sie sind! Nun gefällt es ihnen mehr aus Hoffahrt, Gewinnsucht und Neid nach den Eingebungen des Teufels im Krieg zu sterben, als nach meinen Geboten zu leben, um die ewige Freuden zu erhalten. Daher werde ich allen, die mit einem solchen Willen sterben, ihren Lohn nach gerechtem Urteil geben – ihre Seelen werden auf ewig die Gesellschaft des Teufels genießen.

Aber die, die mir dienen, sollen mit der himmlischen Heerschar einen Lohn ohne Ende empfangen. Diese Worte habe ich, Jesus Christus, gesprochen, ich, der wahrer Gott und Mensch ist, eins mit dem Vater und dem Heiligen Geist, immer Gott.“

[1]. Wegen ihrer runden Form.
[2]. D.h. die Klostergelübde – Keuschheit, Armut und Gehorsam, die hier beschrieben werden.
[3]. In der Kommunion.

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8. Kapitel

Christus schildert den Prototyp der schlechten Ritter, von denen es zu Birgittas Zeit so viele gab.

Ich bin der wahre Herr. Kein Herr ist vornehmer als ich oder war vor mir oder wird es nach mir sein, sondern alle Herrschaft ist von mir oder durch mich. Daher bin ich wahrer Herr, und keiner soll von Rechts wegen außer mir allein Herr genannt werden, denn von mir ist alle Macht. Ich sagte dir vorher, dass ich zwei Diener habe, von denen der eine mannhaft einen lobenswerten Wandel führte und ihn noch mannhafter vollendete; unzählige andere sind ihm danach in dem gleichen Wandel und der gleichen Ritterschaft gefolgt. Nun will ich dir sagen, wer zuerst vom Bekenntnis zu dieser Ritterschaft, die von mir meinem Freund[1] gestiftet wurde, abgefallen ist. Seinen Namen sage ich dir nicht, denn du kennst ihn nicht mit Namen, aber ich will dir zeigen, wie seine Absicht und sein Begehren war.

Einer, der Ritter werden wollte, kam zu meinem Tempel, und als er eintrat, hörte er diese Stimme: „Wenn du Ritter werden willst, musst du diese drei Dinge haben. Erstens musst du glauben, dass das Brot, das auf dem Altar zu sehen ist, wahrer Gott und Mensch ist, der Schöpfer Himmels und der Erde.
Zweitens musst du nach Annahme der Ritterschaft größeren Verzicht auf deinen Willen üben, als wie du vorher gewohnt warst. Drittens darfst du dich um weltliche Ehre kümmern. Ich will dir dann göttliche Freude und ewige Ehre schenken.“

Als er dies hörte und stand und diese drei Dinge überlegte, hörte er in seinem Sinne eine andere, ganz gemeine Stimme, die drei Dinge nannte, die im Gegensatz zu den drei erstens standen. „Wenn du mir dienen willst“, sagte er, „so will ich dir drei andere Dinge schenken. Ich will dich das besitzen lassen, was du siehst, dass du darauf hörst, was dir gefällt, und das erhältst, was du begehrst.“

Als er das hörte, dachte er: „Der erste Herr befiehlt mir, etwas zu glauben, was ich nicht sehe, und verspricht etwas, was ich gar nicht kenne. Er befiehlt mir, mich von den Vergnügungen fernzuhalten, die ich doch begehre und auch sehe. Er befiehlt mir, auf das Unsichere zu hoffen. Der andere dagegen verspricht mir die Ehre der Welt, die ich sehe, und das Vergnügen, das ich begehre; er verbietet mir auch nicht, das Angenehme zu hören und zu sehen. Gewiß, es ist besser für mich, ihm zu folgen, das zu haben, was ich sehe und benutzen kann, und dessen ich sicher bin, als auf das Unsichere zu hoffen.“

Der Mann, der so dachte, begann zuerst, von der wahren Ritterschaft abzuweichen. Er vernachlässigte den wahren Rittereid und brach sein Gelübde. Er warf mir den Schild der Geduld vor meine Füße, und das Schwert der Verteidigung des Glaubens warf er aus seinen Händen und ging so aus meinem Tempel fort.
Die gemeine Stimme sagte zu ihm: „Wenn du, wie ich sagte, mein sein willst, so muß du mit aller Hoffart auf dem Felde und den Straßen vorgehen, und so wie dieser Herr die Seinen aufforderte, in allen Dingen Demut zu üben, so soll keine Art von Prahlsucht dich verlassen. Und so wie dieser mit Gehorsam eintrat, so sollst du nicht dulden, dass jemand höher ist als du, und deinen Scheitel nicht in Demut senken.

Nimm das Schwert zu dem Zweck in die Hände, das Blut deines Nächsten und deines Bruders zu vergießen und sein Eigentum zu erwerben. Setz den Schild auf den Arm zu dem Zweck, dein Leben hinzugeben, um Ehre zu gewinnen. Statt des Glaubens, den dieser hat, sollst du den Tempel deines Körpers lieben, so dass du auf keine Wollust verzichtest, die dir gefällt.“

Auf solche Dinge richtete dieser Mann seinen Willen und seine Absicht, und sein Fürst legte in dem Raum, der dazu bestimmt war[2], seine Hand auf seinen Nacken. Denn kein Raum schadet einem, wenn sein Wille gut war, oder nützt jemandem, wenn die Absicht schlecht war.
Nachdem die Wort, die seine Ritterschaft bekräftigten, gesagt waren, ging dieser fort und übte seine Ritterschaft mit aller weltlichen Hoffart aus, dass er, der Elend, wenig darauf achtete, dass er jetzt zu mehr als vorher und zu einem strengeren Leben verpflichtet war. Unzählige Ritterscharen folgten und folgen diesem Ritter in Übermut und sinken tiefer in den Abgrund als andere, nachdem sie den Rittereid geschworen hatten.
Aber nun kannst du fragen: Viele wollen auf der Welt erhöht und groß genannt werden, aber sie haben dennoch keine Macht – sollen diese für ihren bösen Willen ebenso hart bestraft werden wie die, die all den Erfolg hatten, den sie wünschten? Darauf antworte ich dir: Wer den vollkommenen Willen hat und tut, was in seiner Macht steht, damit er auf der Welt erhöht werden kann, weltliche Ehre erwerben und mit einem eitlen Namen genannt werden kann, dem es aber auf Grund meines heimlichen Gerichts nicht erlaubt wird, das Ziel seines Willens zu erreichen, wird – das versichere ich dir – für diesen bösen Willen ebenso hart bestraft wie der, der seinen Willen in die Tat umsetzte, sofern dieser Wille nicht durch Buße zurechtgerückt wird.

Siehe, über zwei, die vielen sehr bekannt sind, sage ich dir ein Gleichnis: Einer von ihnen hatte nach seinem Willen Erfolg und gewann fast all das, was er begehrte. Der andere hatte den gleichen Willen, hatte aber keinen Erfolg. Der erste gewann weltliche Ehre, liebte den Tempel seines Leibes in aller Wollust und schaltete und waltete, wie er wollte. In allem, woran er Hand anlegte, hatte er Glück.

Der andere von ihnen war ihm gleich im Willen, aber er hatte weniger Ehre. Er würde das Blut seines Nächsten gern hundertmal vergossen haben, wenn er damit seine Lust zufrieden stellen könnte. Er tat, was er konnte und setzte seinen Willen durch, wie es ihm behagte. Diese beiden leiden dieselbe schreckliche Strafe. Wenn sie auch nicht beide zur selben Zeit und zur selben Stunde gestorben sind, spreche ich doch von der Seele eines einzigen wie von zweien, denn die Verdammnis von beiden ist ein und dieselbe, und bei der Trennung von Körper und Seele und beim Austritt der Seele war die Stimme von beiden ein und dieselbe.

Als die Seele also den Leib verließ, sagte sie zum Körper: „Sag mir, wo ist nun der behagliche Anblick für die Augen, den du mir versprochen hast, wo ist die Wollust, die du mir gezeigt hast, wo sind die angenehmen Worte, die du mir befohlen hast, zu verwenden?“
Der Teufel war sogleich zur Stelle und erwiderte: Der versprochene Anblick ist nur Staub; die Worte sind nichts anderes als Luft, und die Wollust ist bloß Schmutz und Verdorbenheit, das dient dir zu gar nichts.“ Da rief die Seele: „Wehe, wehe – so elend bin ich betrogen! Ich sehe drei Dinge. Ich sehe nämlich, dass er, der mir im Sinnbild des Brotes verheißen wurde, der König und Herr aller Herren ist. Ich sehe, was er versprochen hat, und das ist unaussprechlich und unergründlich. Ich höre nun, dass die Enthaltsamkeit, die er angeraten hat, sehr nützlich gewesen ist.“ Und er rief noch lauter mit dreifachem Weh: „Wehe, sagte er, dass ich geboren wurde! Weh, dass mein Leben auf Erden so lange gedauert hat! Weh mir, denn ich muß im ewigen Tode leben, der niemals enden kann!“

Sieh, welche Elend die Elenden für ihre Gottesverachtung und für das vergängliche Glück erhalten werden! Danke mir dafür, meine Braut (Birgitta), dass ich dich vor einem so großen Elend bewahrt habe! Gehorche meinem Geist und den Auserwählten!“

[1]. D.i. der heilige Georg.
[2]. D.h. während er diese weltlichen Gedanken hegte, schlug sein König ihm in der Kirche zum Ritter.

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9. Kapitel

Christus schildert das Leben des schlechten Ritters und die Strafe, die er in der Hölle zu erwarten hat.

Jede Zeit in diesem Leben ist nur wie eine Stunde für mich. Daher ist das, was ich dir nun sage, immer in meinem Vorherwissen enthalten gewesen. Ich sagte dir vorher, dass es einer war, der eine wahre Ritterschaft begann, und ein anderer, der sie schamlos verlassen hat. Der von der wahren Ritterschaft abgewichen ist, warf mir seinen Schild vor meine Füße und das Schwert neben mich, als er sein Gelübde und seinen heiligen Dienst gebrochen hat.

Was bezeichnet nun den Schild, den er weggeworfen hat, wenn nicht den rechten Glauben, mit dem er sich gegen die Feinde des Glaubens und seiner Seele verteidigen sollte? Und was sind meine Füße, mit denen ich zum Menschen gehe, wenn nicht die göttliche Freude, mit der ich den Menschen zu mir ziehe, und die Geduld, mit der ich ihn geduldig ertrage?

Diesen Schild warf er weg, als er beim Eintritt in meinen Tempel bei sich dachte: „Ich will dem Herren folgen, der mir nicht zu irgendwelcher Enthaltsamkeit geraten hat, sondern der mir gibt, was ich begehre, und der mich auch das hören lässt, was den Ohren behagt.“
So warf er also den Schild meines Glaubens fort, als er seinem eigenen Willen mehr folgen wollte als dem meinen, als er das Geschaffene mehr liebte, als den Schöpfer. Wenn er einen rechten Glauben gehabt hätte, wenn er geglaubt hätte, dass ich allmächtig bin, dass ich gerecht urteile und ewige Ehre schenke, dann hätte er sich nicht nach etwas anderem gesehnt als mir, nichts anderes gefürchtet, als mich.
Aber er hat seinen Glauben weggeworfen, und das vor meine Füße, als er, nachdem er meinen Glauben verachtet und ihn für nichts gehalten hat, weder nach meiner Freude fragte oder auf meine Geduld Acht gab. Weiter hat er auch das Schwert an meiner Seite hingeworfen. Was bezeichnet dieses Schwert anderes als die Gottesfurcht, die ein wahrer Ritter stets in seinen Händen, d.h. in seinen Taten haben soll?

Und was bezeichnet meine Seite anderes, als meine Fürsorge und meinen Schutz, mit dem ich meine Kinder umhege und verteidige, wie die Henne ihre Küken, so dass ihm nicht der Teufel schaden kann, oder unerträgliche Gefahren zustoßen? Aber dieser Mann hat das Schwert meiner Furcht weggeworfen, als er sich nicht mehr darum kümmerte, an meine Macht zu denken und nicht auf meine Liebe und Geduld acht gab. Er warf es neben mir hin, als ob er sagen wollte: „Ich habe keine Furcht und kümmere mich nicht um deine Verteidigung, denn was ich besitze, das stammt von meinem Fleiß und meiner vornehmen Herkunft.“

Er hat auch das Gelübde gebrochen, das er mir gegeben hatte. Was ist das wahre Gelübde, das der Mensch Gott geben soll? Gewiß die Werke der Liebe, denn was immer der Mensch auch tut, soll er aus Liebe zu Gott tun. Aber er hat das gebrochen, als er die Gottesliebe zur Eigenliebe verkehrte und all seine eigene Lust vor die künftige und ewige Freude setzte.

Sieh, so hat er sich von mir getrennt und hat den Tempel meiner Demut verlassen. Alle Leiber der Christen, in denen Demut herrscht, sind nämlich mein Tempel. Aber die, bei denen Hoffart herrscht, sind nicht mein Tempel, sondern der des Teufels, der sie nach seinem Willen dazu treibt, nach weltlichen Dingen zu trachten. Nachdem er aus dem Tempel meiner Demut weggegangen ist und den Schild des heiligen Glaubens und das Schwert meiner Furcht weggeworfen hat, ist er mit allem Übermut ins Feld gegangen, hat sich in aller Wollust und in der Begierde seines Eigenwillens geübt, und nachdem er die Furcht vor mir verschmähte, nahm er an Sünde und an bösen Lastern zu.
Aber als er an das äußerste Ende seines Lebens kam und die Seele den Leib verlassen sollte, stürmten Teufel auf sie zu und drei Stimmen aus der Hölle tönten ihr entgegen. Die erste sagte: „Sollte das nicht der sein, der von der Demut abgewichen ist und uns in aller Hoffart gefolgt ist? Wenn er an Hoffart zwei Fuß höher steigen könnte als wir, um uns sogar zu übertreffen und an Hoffart der erste zu sein, so hätte er das gern getan.“
Die Seele antwortete darauf: „Ja, ich bin derselbe.“ Da antwortete ihr die Gerechtigkeit: „Das ist die Vergeltung für deine Hoffart, dass du von dem einen Teufel zum andern fallen sollst, bis du in die unterste Hölle kommst. Und wie es keinen Teufel gab, der nicht seine sichere Strafe wusste, die ihn für jeden unnützen Gedanken und jede unnütze Tat treffen würde, so sollst du keiner Strafe deiner Plagegeister entgehen, sondern die Gemeinheit und Bosheit von allen erfahren.“

Die zweite Stimme rief: „Sollte dies nicht der sein, der sich von der Ritterschaft getrennt hat, die er Gott gelobte, und sich unserer Ritterschaft angeschlossen hat?“ Die Seele erwiderte: „Ja, ich bin dieselbe.“ Und die Gerechtigkeit sagte: „Das ist deine Belohnung, dass ein jeder, der deiner Bosheit folgt, mit seiner Bosheit und Pein deine Plage und Pein erhöhen soll und dich bei seinem Kommen mit einer tödlichen Wunde treffen soll. Denn so wie der, der schon eine schwere Wunde hatte, unerträglich geplagt werden und Weh über Weh rufen soll, wenn ihm Wunde auf Wunde zugefügt wird, bis sein ganzer Leib voller Wunden ist – so soll Elend auf Elend über dich kommen. Dein Schmerz soll ständig erneuert werden, deine Plage soll niemals enden, und dein Weh niemals vermindert werden.“
Die dritte Stimme rief: „Sollte das nicht der sein, der den Schöpfer für das Geschaffene vertauschte, die Liebe zum Schöpfer für die Liebe zu sich selbst?“ Die Gerechtigkeit antwortete: „Ja, das ist er.“ Daher sollen sich ihm gleichsam zwei klaffende Galgen auftun. Durch den einen soll jede Pein zu ihm kommen, die für all seine Sünden bestimmt ist, von der kleinsten Sünde bis zur größten, nachdem er seinen Schöpfer gegen seine Wollust vertauscht hat.

Durch den anderen soll jede Mühe und Scham zu ihm kommen, und nie soll ihm göttlicher Trost oder Liebe nahen, denn er hat sich selbst statt seines Schöpfers geliebt. Daher soll sein Leben ohne Ende sein, und seine Strafe ohne Ende, und alle Heiligen sollen ihr Antlitz von ihm abwenden.

Sieh, meine Braut, wie unglücklich die werden sollen, die mich verschmähen, und was für einen großen Schmerz sie sich für ein wenig Wollust einhandeln.“

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10. Kapitel

Christus setzt seine Klage über die schlechten Ritter im damaligen Schweden fort. Durch Birgitta will er sie ermahnen. Eine Garantie dafür, dass Birgittas Worte göttlich inspiriert sind, bilden die Untersuchungen von Mattias und anderer Theologen, ferner Birgittas Fähigkeit, dämonenbesessene Menschen zu heilen, und die Macht des ihr nahestehenden Bischofs Hemming, Frieden zu stiften.

Es steht im Gesetz Moses geschrieben, dass Mose, als er das Vieh in der Wüste hütete, einen Dornbusch sah, der in Flammen stand, aber nicht vom Feuer verzehrt wurde, wobei er bebte und sein Antlitz verhüllte. Da sagte eine Stimme aus dem Busch zu ihm: „Die Not meines Volkes ist zu meinen Ohren gedrungen, und ich habe Mitleid mit ihnen, denn sie werden durch härteste Knechtschaft bedrückt.“
Ich, der nun mit dir redet, bin die Stimme, die damals aus dem Busch rief. Das Elend meines Volkes ist bis zu meinen Ohren gedrungen. Was war mein Volk, wenn nicht Israel? Unter diesem Volk verstehe ich die Ritter auf der Welt, die sich zu meiner Ritterschaft bekannt haben, und die mir gehören sollten, aber schwer vom Teufel heimgesucht werden.
Aber was hat Pharao mit meinem Volk Israel in Ägypten gemacht? Sicher drei böse Dinge. Erstens, dass sie beim Bau seiner Mauern keine Hilfe von den Strohsammlern erhielten, mit deren Hilfe sie die Ziegelsteine hätten machen können, sondern sie mussten sich selbst Stroh in der Gegend sammeln, wo sie konnten[1].

Zweitens, dass die Bauarbeiter keinen Lohn für ihre Arbeit erhielten, obwohl sie die vorgeschriebene Anzahl Steine erreicht hatten. Drittens, dass sie von den Aufsehern schwer geplagt wurden, wenn sie die übliche Anzahl nicht beibringen konnten. Dieses mein Volk hat dem Pharao in seiner höchsten Bedrückung zwei Städte gebaut.
Wer ist dieser Pharao, wenn nicht der Teufel, der mein Volk plagt, d.h. die Ritter, die mein Volk sein sollen? Ich sage in Wahrheit, dass – wenn die Ritter in der Ordnung und Einrichtung, die zuerst von meinem Freund begonnen wurde, stehen bleiben würden, so würden sie zu meinen allerliebsten Menschen gehören. Denn so wie Abraham als allererster mein Gebot über die Beschneidung empfing, und nachdem er es befolgt hatte, mein liebster Freund wurde, so werden die, die dem Glauben Abrahams und seinen Taten folgten, meiner Liebe zu ihm und seiner Ehre teilhaftig.

So haben mir unter anderen Ständen die Ritter nur besonders gefallen, weil sie versprochen hatten, mir das zu opfern, was sie am liebsten behalten würden, nämlich ihr Blut. Ja, durch dieses Versprechen haben sie mir in hohem Maße gefallen, so wie Abraham durch die Beschneidung. Und sie wurden täglich durch die Einhaltung ihres Versprechens und durch die Ausübung der heiligen Liebe gereinigt.
Aber jetzt werden diese Ritter vom Teufel in jämmerlicher Knechtschaft gehalten, der ihnen tödliche Wunden zufügt, ja sie in Strafe und Pein versetzt. Auch die Bischöfe der Kirche bauen auf ihn, so wie die Kinder Israels die beiden Städte bauten. Die erste Stadt ist die Mühe des Leibes und die unnötige Anstrengung, weltliche Dinge zu erwerben. Die zweite ist die Unruhe und der aufgeregte Zustand der Sinne – sie gönnen es sich nämlich nie, von weltlichen Begehren auszuruhen. Äußerlich herrscht bei ihnen Mühe, und im Innern Unruhe und Angst, was das Geistliche belastet.
Aber so wie Pharao mein Volk nicht mit dem Notwendigen versah, Ziegelsteine zu machen, und ihnen nicht die Felder gab, auch keinen Wein und andere notwendige Dinge, sondern das Volk musste das mit Schmerzen und betrübten Herzen selbst beschaffen, so verfährt der Teufel jetzt mit ihnen: Obwohl sie für ihn arbeiten und mit ganzem Herzen an der Welt hängen, können sie doch nicht verwirklichen, was sie begehren, und können nicht den Durst ihres Verlangens stillen. Daher brennen sie innerlich vor Schmerz und äußerlich vor Mühsal.
Ich habe deshalb Mitleid mit ihrer Not: Dass meine Ritter und mein Volk für den Teufel Häuser bauen und unaufhörlich arbeiten, dass sie nicht erreichen können, was sie begehren, dass sie sich vor unnötigen Dingen ängstigen und für diese Angst nicht die Frucht des Segens ernten, sondern schändliche Vergeltung.

Als Mose zum Volk gesandt wurde, gab Gott ihm aus dreifacher Ursache ein Zeichen. Erstens verehrte ein jeder in Ägypten seinen besonderen Gott, und die, die Götter genannt wurden, waren unzählige. Daher war es richtig, dass ein Zeichen geschehen sollte, damit man, seit das wunderbare Zeichen und Gottes Macht gezeigt wurde, durch Zeichen an einen einzigen Gott und an einen einzigen Schöpfer aller Dinge glauben sollten, und damit alle Abgötter sich als falsch erweisen sollten.
Zweitens wurde Mose ein Zeichen in einem Bild gegeben, das meinen künftigen Leib darstellen sollte. Denn was bezeichnete der Dornbusch, der brannte, aber nicht verzehrt wurde, anderes, als die vom Heiligen Geist befruchtete und ohne Sünde gebärende Jungfrau? Ich bin gewiss aus diesem Busch hervorgegangen. Ich habe von Marias jungfräulichem Leib Menschengestalt angenommen.

Ebenso bezeichnete die Schlange, die Mose als Zeichen gegeben wurde, meinen Leib. Drittens wurde Mose ein Zeichen gegeben, um die Wahrheit dessen zu bekräftigen, was geschehen sollte, so dass Gottes Wahrheit umso wahrer und sicherer bewiesen würde. Das, was das Zeichen bedeutete, ging zu seiner Zeit ja in Erfüllung.

Aber nun sende ich meine Worte zu den Kindern Israels und zu den Rittern, für die es aus drei Gründen garnicht nötig ist, dass Zeichen geschehen. Erstens dafür, dass man jetzt durch die Heilige Schrift und mannigfache Zeichen einen einzigen Gott verehrt, den Schöpfer aller Dinge. Zweitens dafür, dass sie nicht länger hoffen, dass ich noch geboren werden soll – sie wissen ja doch genau, dass ich geboren bin, dass ich Menschengestalt ohne Sünde angenommen habe, nachdem die ganze Schrift vollendet ist.
Man kann keinen besseren und sichereren Glauben haben als den, der von mir und meinen heiligen Predigern verkündet worden ist. Ich habe aber drei Dinge mit dir gemacht, durch die man dir glauben kann. Erstens, dass meine Worte wahr sind und nicht vom wahren Glauben (der Kirche) abweichen. Zweitens, dass auf mein Wort hin der Teufel von dem besessenen Mann gewichen ist. Drittens, dass ich einem die Macht gab, die entzweiten Herzen zu gegenseitiger Liebe zu bekehren[2]. Daher magst du auch nicht zweifeln, was die betrifft, die an mich glauben werden.

Denn die, die an mich glauben, die glauben auch an meine Worte. Die, für die ich wohlschmeckend bin, die finden auch meine Worte wohlschmeckend. Daher steht geschrieben, dass Mose, als Gott mit ihm redete, sein Antlitz bedeckte. Du sollst dein Antlitz aber nicht bedecken. Ich will dir schließlich das Bild meines Leibes zeigen, so wie es im Leiden und vor dem Leiden war, und wie es nach der Auferstehung war, als Magdalena, Petrus u.a. ihn gesehen haben. Du wirst auch meine Stimme hören, die im Busch zu Mose geredet hat; es ist dieselbe, die jetzt in deiner Seele spricht.“

[1]. 2. Mose 5, 6-19.
[2]. D.h. Birgittas Freund, Bischof Hemming von Åbo.

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11. Kapitel

Christus schildert den Lohn, der dem guten Ritter im Himmel bevorsteht.

Ich habe vorher mit dir vom Ende und der Qual des Ritters gesprochen, der zuerst von der Ritterschaft abwich, die er mir gelobt hatte. Jetzt erzähle ich dir in einem Gleichnis (denn sonst könntest du das Geistliche nicht verstehen), von der Ehre und dem Ansehen dessen, der zuerst die wahre Ritterschaft begann, und sie noch mannhafter vollendet hat.
Als dieser Freund von mir sein Lebensende erreichte und die Seele den Körper verlassen sollte, da wurden fünf Legionen Engel gesandt, um ihm entgegenzugehen. Unter diesen kamen auch unzählige Teufel, um herauszufinden, ob sie irgendein Recht auf ihn hätten, denn sie sind voller Bosheit und lassen die Seele nie in Ruhe.

Da ertönte aber eine Stimme klar und hell im Himmel, und sie sagte: „Sollte das, Herr Vater, nicht der sein, der sich deinem Willen verpflichtet und ihn vollkommen verwirklicht hat?“ Und da antwortete er selbst in seinem Bewusstsein: „Der bin ich wahrhaftig.“
Dann hörte man drei Stimmen. Die erste sprach im Namen der Gottheit und sagte: „Habe ich dich nicht geschaffen und habe dir Leib und Seele gegeben? Du bist mein Sohn, und du hast den Willen deines Vaters getan; komme daher jetzt zu deinem allermächtigsten Schöpfer und allerliebsten Vater, denn dir soll das ewige Erbe gegeben werden, da du der Sohn bist. Dir soll das Erbteil des Vaters gegeben werden, nachdem du ihm gehorcht hast. Ja komm, du Liebster, zu mir, und ich will dich mit Freude und Ehre empfangen.“

Die andere Stimme hörte man im Namen der Menschengestalt, und sie sagte: „Mein Bruder, komm zu deinem Bruder, denn ich habe mich für dich im Kampf geopfert; ich habe mein Blut für dich vergossen; komm zu mir, denn du hast meinen Willen befolgt; komm zu mir, denn du hast dein Blut für meines vergossen. Du warst bereit, Tod für Tod und Leben für Leben zu geben. Komm daher, du, der mir in deinem Leben nachgefolgt bist, komm nun zu meinem Leben und zu meiner Freude, die kein Ende nehmen wird. Ich erkenne dich nämlich in Wahrheit als meinen Bruder an.“
Die dritte Stimme hörte man im Namen des Geistes (es sind aber nicht drei Götter, sondern einer). „Komm mein Ritter“, sagte sie. „Du warst innerlich so beneidenswert, dass ich mich danach sehnte, bei dir zu wohnen. Du warst äußerlich so mannhaft, dass du es wert warst, dass ich dich verteidige. Geh deshalb aus der Ruhelosigkeit deines Leibes in die Ruhe ein. Geh um deines besorgten Sinnes willen in den unaussprechlichen Trost ein. Geh für deine Liebe und deinen mannhaften Kampf in mich selbst ein, und ich will bei dir wohnen, und du bei mir. Komm also, du vortrefflicher Ritter, zu mir, denn du hast nichts anderes begehrt als mich; komm, und ich werde dich mit göttlicher Lust erfüllen.“

Danach ließen sich die fünf Engelslegionen wie mit fünf Stimmen hören. Die erste sagte: „Wir wollen vor diesem vortrefflichen Ritter hergehen und seine Waffen vor ihm hertragen, d.h. wir wollen unserem Gott seinen Glauben zeigen, denn er unerschütterlich bewahrte und gegen die Feinde der Gerechtigkeit verteidigt hat.“
Die zweite sagte: „Wir wollen seinen Schild vor ihm hertragen, d.h. wir wollen unserem Gott seine Geduld zeigen, die unserem Gott gewiss bekannt ist, aber durch unser Zeugnis noch ehrenreicher wird. Denn mit seiner Geduld hat er nicht nur Rückschläge geduldig ertragen, sondern Gott sogar dafür gedankt.“ Die dritte Stimme sagte: „Wir wollen vor ihm hergehen und unserem Gott sein Schwert vor Augen halten, d.h. wir wollen ihm seinen Gehorsam zeigen, mit dem er im Guten und im Bösen nach seinem gegebenen Versprechen gehorchte.“ Die vierte Stimme sagte: „Kommt! Wir wollen unserem Gott sein Pferd zeigen, d.h. Zeugnis für seine Demut ablegen. Denn wie das Pferd den Leib des Menschen trägt, so ging seine Demut vor und hinter ihm her und führte ihn zu jedem guten Werk. Der Hochmut fand sich bei ihm nicht ein, und daher ist er sicher geritten.“

Die fünfte Stimme sagte: „Kommt! Wir wollen unserem Gott seinen Helm zeigen, d.h. Zeugnis für seine göttliche Sehnsucht ablegen, die er nach Gott gehabt hat. Er dachte gewiss in seinem Herzen jede Stunde an Gott; ihn führte er im Munde, ihn in Taten, ihn begehrte er über alles. Um Gottes Liebe und Ehre willen zeigte er sich tot für die Welt. Wollen wir das also unserem Gott zeigen, denn dieser Mann ist es wert, für eine kleine Mühe ewige Ruhe zu erhalten und sich mit seinem Herrn zu freuen, nachdem er sich so sehr und so oft gesehnt hat.“

Mit solchen Stimmen und einem wunderbaren Engelschor wurde mein Freund zur ewigen Ruhe geleitet. Als die Seele das sah, jubelte sie Im Innern und sagte: „Selig bin ich, dass ich einmal geschaffen wurde! Selig bin ich, denn ich habe meinem Gott gedient, den ich jetzt sehe. Selig bin ich, denn ich habe eine Freude und eine Ehre ohne Ende.“
Sieh, so kam mein Freund zu mir, und mit einem solchen Lohn wurde er beschenkt. Und wenn auch nicht alle ihr Blut für meinen Namen vergossen haben, sollen sie doch denselben Lohn erhalten, wenn sie bereit sind, ihr Leben für mich hinzugeben, wenn sich die Gelegenheit bietet und der Glaube dies verlangt. Sieh, wie viel der gute Wille tut!“

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12. Kapitel

Christus ermahnt die schwedischen Ritter, mit ihrem schlechten Leben aufzuhören und sich zu ihm zu bekehren. Falls sie sich gehorsam zeigen, verleiht er ihnen die Gnade, stets ein gottesfürchtiges Leben zu führen und schließlich das Himmelreich zu erben.

Ich bin der wahre König. Und niemand ist würdig, König genannt zu werden, außer mir, denn von mir stammt alle Ehre und Macht. Ich bin der, der den ersten Engel verdammte, der auf Grund von Übermut, Gewinnsucht und Neid gefallen ist. Ich bin der, der Abel und Kain und die ganze Welt verurteilte, indem ich um der Sünde der Menschen willen die Sintflut schickte. Ich bin der, der das Volk Israel in Gefangenschaft geraten ließ und es mit wunderbaren Zeichen daraus befreite.

In mir ist alle Gerechtigkeit und war und ist es noch, ohne Anfang und Ende, und sie nimmt niemals bei mir ab, sondern bleibt immer wahr und unveränderlich in mir bestehen, und wenn auch meine Gerechtigkeit jetzt in dieser Zeit etwas milder scheint, und Gott in der Ausübung seiner Richtermacht geduldiger, so bedeutet das doch keine Veränderung meiner Gerechtigkeit, denn die ändert sich niemals, sondern eine größere Manifestation meiner Liebe.
Mit derselben Gerechtigkeit und derselben Wahrheit im Urteil richte ich nun die Welt, wie damals, als ich mein Volk den Ägyptern dienen ließ und ihnen Plagen in der Wüste schickte. Aber bevor ich Menschengestalt annahm, war die Liebe, die ich in meiner Gerechtigkeit hatte, verborgen wie ein Licht, das von einer Wolke verdeckt oder überschattet ist.

Als ich Menschengestalt angenommen hatte, wurde das einst gegebene Gesetz gewiss verändert, aber die Gerechtigkeit änderte sich doch nicht, sondern zeigte sich deutlicher, ja sie trat in hellerem Licht in der Liebe durch Gottes Sohn hervor, und dies auf dreifache Weise. Erstens wurde ja das Gesetz gemildert, das für die ungehorsamen und verhärteten Menschen hart und schwer für die hochmütigen war, die gedemütigt werden mussten. Für das andere litt und starb ja Gottes Sohn.
Drittens scheint sich das Gericht sozusagen jetzt länger als vorher durch die Barmherzigkeit hinauszuziehen und milder gegen die Sünder zu sein. Es schien ja sehr hart und streng für die ersten Voreltern zu sein, gegen die, die in der Sintflut umkamen, und gegen die, die in der Wüste starben. Dieselbe Gerechtigkeit ist nun bei mir und war es schon von Ewigkeit her, aber jetzt tritt mehr die Barmherzigkeit und Liebe zutage, die damals klug in Gerechtigkeit verborgen war und sich barmherzig zeigte, wenn auch mehr verhüllt, denn ich habe nie, und tue es auch jetzt nicht, Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit oder Milde ohne Gerechtigkeit geübt.

Aber nun kannst du fragen: Wenn ich Barmherzigkeit bei aller Gerechtigkeit habe, wie zeigt sich dann meine Barmherzigkeit gegenüber den Verdammten? Ich antworte dir mit einem Gleichnis. Stell dir vor, dass ein Richter zu Gericht sitzt, und sein Bruder dorthin kommt, um verurteilt zu werden. Der Richter sagt zu ihm: „Du bist mein Bruder und ich dein Richter, und wenn ich dich auch innig liebe, kann ich doch nicht gegen die Gerechtigkeit verstoßen, und das wäre auch unpassend. Du siehst in deinem Gewissen die ganze Gerechtigkeit nach deinen Verdiensten, und danach müsstest du verurteilt werden. Wenn es möglich wäre, gegen die Gerechtigkeit zu handeln, würde ich gern die festgesetzte Strafe für dich leiden.“
Ich bin so, wie dieser Richter. Der Mensch ist durch seine Menschengestalt mein Bruder. Wenn er zu meinem Gericht kommt, sagt ihm sein Gewissen seine Schuld an, und er versteht auch, was für eine Schuld es ist, für die er verurteilt wird. Aber weil ich gerecht bin, antworte ich der Seele in einem Gleichnis und sage zu ihr: „Du siehst in deinem Gewissen alle Gerechtigkeit; sag also, was du verdienst!
Da antwortet die Seele mir: „Mein Gewissen sagt mir mein Urteil, und das ist die gerechte Strafe, die ich verdient habe, weil ich dir nicht gehorcht habe.“ Da antworte ich der Seele: „Ich, dein Richter, habe um deinetwillen alle Pein auf mich genommen, ich habe dich auf deine Gefahr und ebenso auf den Weg hingewiesen, den du gehen solltest, um der Pein zu entgegen. Es war nämlich gerecht, dass du, ehe die Schuld gesühnt ist, nicht in den Himmel gelangen sollst, und deshalb habe ich es auf mich genommen, sie für dich zu sühnen, denn du selbst warst nicht in der Lage, zu leiden.

Durch die Propheten habe ich dir gezeigt, was mir geschehen würde, und nicht der kleinste Punkt von dem, was die Propheten vorausgesagt hatten, blieb unerfüllt. Ich habe dir alle Liebe gezeigt, die ich konnte, damit du dich an mich wenden solltest. Aber nachdem du dich von mir abgewandt hast, hast du nun eine gerechte Behandlung verdient, denn du hast die Barmherzigkeit verachtet. Ich bin aber doch noch so barmherzig, dass ich – wenn es mir möglich wäre, noch einmal zu sterben, so würde ich lieber für dich noch einmal dieselbe Pein erdulden, die ich einmal am Kreuz erlitt, als dich von einer solchen Gerechtigkeit verurteilt zu sehen.
Die Gerechtigkeit sagt jedoch, es sei unmöglich, dass ich noch einmal sterbe. Die Barmherzigkeit sagt, wenn es möglich wäre, würde ich gerne für dich sterben. Sieh, wie barmherzig ich sogar mit den Verdammten bin, und wie liebevoll! Alles, was ich tue, das tue ich ja, um meine Liebe zu zeigen. Von Anfang an habe ich den Menschen geliebt, auch wenn es so aussah, dass ich erzürnt war, aber niemand kümmert sich um meine Liebe oder achtet auf sie.

Weil ich gerecht und barmherzig bin, ermahne ich also die, die Ritter genannt werden, dass sie meine Barmherzigkeit suchen, so dass sie nicht von meiner Gerechtigkeit getroffen werden, die beständig und unerschütterlich wie ein Berg ist, brennend wie ein Feuer, gefährlich wie ein Donner und plötzlich wie ein Bogen ist, der gespannt ist, um einen Pfeil abzuschießen.

Ich ermahne sie auf dreifache Weise: Erstens wie ein Vater seine Kinder, dass sie sich zu mir bekehren sollen, weil ich ihr Vater und ihr Schöpfer bin; dass sie zu mir zurückkehren, so dass ich ihnen das väterliche Erbe gebe, das ihnen durch Erbrecht zusteht, dass sich bekehren sollen. Denn wenn ich auch verachtet bin, werde ich sie doch mit Freude empfangen und ihnen mit meiner Liebe entgegeneilen.

Zweitens bitte ich sie wie ein Bruder, dass sie sich an meine Wunden und meine Taten erinnern, dass sie sich bekehren sollen; dann werde ich sie ein Bruder aufnehmen. Drittens bitte ich wie ein Herr, dass sie zu ihrem Herrn zurückkehren, dem sie ihr Vertrauen geschenkt haben, dem sie dienen sollen, und dem sie sich mit einem Eid verbunden haben.

Also, ihr Ritter, kehrt zu mir, eurem Vater, zurück, der euch mit Liebe aufgezogen hat. Schaut mich an, euren Bruder, der euch um euretwillen gleichgeworden ist. Bekehrt euch zu mir, eurem gutten Herrn. Es ist ja eine große Schande, einem anderen Herrn seine Treue und seine Dienste zu schenken. Ihr habt mir das Versprechen gegeben, dass ihr meine Kirche verteidigen und den Unglücklichen helfen werdet, und seht – nun stellt ihr euch in den Dienst meines Feindes! Ihr holt sogar mein Banner nieder und zieht das Banner eines Feindes auf. Also, ihr Ritter, kehrt mit aufrichtiger Demut zu mir zurück, die ihr im Übermut von mir abgewichen seid! Wenn es euch schwer scheint, etwas für mich zu leiden, so betrachtet, was ich für euch getan habe! Um euretwillen ging ich auf blutenden Füßen zum Kreuz, für euch hatte ich Hände und Füße durchbohrt; für euch habe ich keines meiner Glieder geschont, und doch vergesst ihr das alles und geht fort von mir. Kehrt also zurück, so werde ich euch drei Dinge zu Hilfe geben.
Erstens – Stärke gegen körperliche und geistliche Feinde. Zweitens Mannesmut, so dass ihr nichts fürchtet außer mir, und es für angenehm halten, für mich zu arbeiten. Drittens werde ich euch Weisheit schenken, mit der ihr den wahren Glauben und Gottes Willen verstehen sollt. Kehrt also zurück, und steht mannhaft fest.

Ich, der euch ermahne, bin ja der, dem die Engel dienen, der eure gehorsamen Väter befreite, der die Ungehorsamen verdammt und die Hochmütigen gedemütigt hat. Ich war der erste im Krieg, der erste im Leiden. Folgt mir also nach, so dass ihr nicht wie Wachs im Feuer aufgelöst werdet. Warum habt ihr euer Gelübde für nichts abgelegt? Warum verachtet ihr den Eid? Bin ich geringer und wertloser als eure irdischen Freunde, denen ihr die Treue haltet, die ihr ihnen versprochen habt?
Aber was mich betrifft, den Spender des Lebens und der Ehre und den Bewahrer der Gesundheit, haltet ihr nicht das Gelübde, das ihr mir gegeben habt. Daher, ihr guten Ritter, führt euer Versprechen aus, und wenn ihr das mit der Tat nicht könnt, so versucht es zumindesten mit dem Willen – dann will ich aus Mitleid mit der Knechtschaft, in der euch der Teufel hält, euren Willen für die Tat nehmen. Wenn ihr mit Liebe zu mir zurückkehrt, so arbeitet für den Glauben meiner Kirche, und ich werde euch mit meiner ganzen Heerschar wie ein guter Vater entgegeneilen.

Ich werde euch zur Belohnung fünf gute Dinge schenken. Erstens soll die ewige Ehre nie aus eurer Hörweite weichen. Zweitens soll Gottes Angesicht und Ehre nie aus eurem Blickfeld weichen. Drittens soll Gottes Lob nie aus eurem Mund verstummen. Viertens soll eure Seele alles haben, was sie wünscht, und niemals etwas anderes wünschen als das, was sie besitzt. Fünftens sollt ihr nie von eurem Gott getrennt werden, sondern eure Freude soll ohne Ende währen, und euer Leben soll ohne Ende in Freude leben.

Seht, ihr Ritter, so soll die Belohnung aussehen, wenn ihr meinen Glauben verteidigt und mehr für meine Ehre als für eure eigene arbeitet. Erinnert euch, wenn ihr Verstand habt, dass ich Geduld mit euch habe, und dass ihr mir eine solche Schmach zufügt, wie ihr sie selbst von einander nicht ertragen wolltet.

Aber obwohl ich alles durch meine Macht vermag, und wenn auch die Gerechtigkeit nach Rache über euch ruft, soll euch doch meine Barmherzigkeit, die in Weisheit und Güte besteht, noch schmerzen. Sucht deshalb die Barmherzigkeit, denn ich beschere das aus Liebe, worum ich demütig bitten sollte.“

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13. Kapitel

Christus setzt durch Birgitta ein neues Ritual für die Aufnahme in den Ritterstand fest. Diese Aufnahme, die im Zusammenhang mit dem öffentlichen Gottesdienst stattfindet, erinnert an die Ablegung der ewigen Gelübde eines Klostermenschen und vermittelt eine ideelle Sicht auf die Pflichten und Verbindlichkeiten der Ritterschaft. Die abschließende Zeile, die nicht von Birgitta selbst herrührt, deutet darauf hin, dass das Zeremoniell bei der Aufnahme ihres Sohnes Karl zum Ritter erfolgte.

Ich bin mit dem Vater und dem Heiligen Geist ein Gott, aber drei an Personen. Der eine trennt sich nicht vom andern und sondert sich nicht ab, sondern der Vater ist im Sohn und Geist, und der Sohn im Vater und dem Geist, und der Geist in ihnen beiden.

Die Gottheit schickte ihr Wort durch ihren Engel Gabriel zur Jungfrau Maria, und nichts desto weniger war derselbe Gott mit Gabriel, und noch vor Gabriel war er bei der Jungfrau. Aber als das Wort vom Engel gesagt wurde, wurde das Wort in der Jungfrau Fleisch und Blut.

Dieses Wort bin ich, der mit dir redet. Der Vater sandte mich durch sich selbst mit dem Heiligen Geist in den Schoß der Jungfrau – nicht so, dass die Engel Gottes Anblick oder seine Gegenwart entbehren mussten – nein: Ich, der Sohn, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist in dem jungfräulichen Schoß war, ich war derselbe im Himmel mit dem Vater und dem Heiligen Geist im Angesicht der Engel, der alles lenkt und aufrecht erhält, obwohl meine Menschengestalt, die nur von mir, dem Sohn, angenommen wurde, im Mutterleib Marias weilte.

Ich, der also ein Gott in göttlicher und menschlicher Gestalt ist, verschmähe es nicht, mit dir zu reden, um meine Liebe zu zeigen und den heiligen Glauben zu stärken. Und wenn auch meine Menschengestalt bei dir zu sein und mit dir zu reden scheint, ist es doch richtiger, zu sagen, dass deine Seele und dein Bewusstsein bei mir und in mir ist, denn nichts ist für mich unmöglich oder zu schwer, weder im Himmel noch auf Erden.

Ich bin nämlich wie ein mächtiger König, der mit seiner Heerschar zu einer Stadt kommt und alle Plätze besetzt und alles einnimmt. So erfüllt meine Gnade alle deine Glieder und stärkt sie alle. Ich bin in dir und außerhalb von dir. Wenn ich auch mit dir spreche, bin ich doch derselbe in meiner Herrlichkeit. Was sollte auch schwer für mich sein, der alles mit meiner Macht aufrecht erhält, alles mit meiner Weisheit verordnet und alles mit meiner Tugend beherrscht?
Ich bin also ohne Anfang und ohne Ende, ein Gott mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Zur Erlösung der Menschen nahm ich Menschengestalt an, während die Göttlichkeit unversehrt blieb; ich wurde in Wahrheit gepeinigt, bin von den Toten auferstanden und zum Himmel aufgestiegen, und nun rede ich in Wahrheit mit dir.
Ich sprach vorher mit dir von der Ritterschaft, die mir früher sehr lieb war. Sie war mir so lieb, weil sie mit mir durch das Band der Liebe verbunden war, denn mit ihrem Gelübde haben sich die Ritter verpflichtet, ihr Leben für mein Leben und ihr Blut für mein Blut hinzugeben, und daher war ich eins mit ihnen und habe sie mit mir in einem Band und in einer Gemeinschaft verbunden. Aber nun klage ich über diese Ritter, die mir gehören sollten, dass sie sich von mir abgewendet haben.

Ich bin gewiss ihr Schöpfer und Erlöser, und ich bin auch ihr Helfer. Ich habe den Leib und die Glieder für sie geschaffen, und alles, was es auf Erden gibt, habe ich zu ihrem Nutzen gemacht. Ich habe sie mit meinem Blut erlöst, ich habe ihnen mit meinem Leiden das ewige Erbteil erkauft. Ich verteidige sie in allen Gefahren, ich schenke ihnen Kraft, zu handeln und zu arbeiten. Aber nun haben sie sich von mir abgewandt. Sie halten mein Leiden für nichts, sie vergessen meine Worte, durch die ihre Seele erfreut und genährt werden müsste. Sie verachten mich, und mit ihrer Seele und ihrem ganzen Begehren ziehen sie es vor, ihren Leib hinzugeben und es zum Lobpreis der Menschen verwunden zu lassen, ihr Blut zur Befriedigung ihrer Gewinnsucht zu vergießen, und gern für das Weltliche und für teuflische und verfängliche Worte zu sterben.

Obwohl sie sich so von mir abgewandt haben, ist doch meine Barmherzigkeit und meine Gerechtigkeit bei ihnen. Denn durch meine Barmherzigkeit schütze ich sie, so dass sie nicht dem Teufel überantwortet werden, und durch meine Gerechtigkeit ertrage ich sie geduldig. Und wenn sie jetzt noch zu mir zurückkehren sollten, werde ich sie froh empfangen und ihnen freudig entgegeneilen.

Sag also zu dem, der mir seine Ritterschaft wieder zuwenden will, dass er sich auf diese Weise von neuem unter meinen Schutz stellen kann. Der, der ein Ritter werden will, soll mit seinem Pferd und seiner Rüstung zum Kirchhof gehen und dort das Pferd stehen lassen, denn das ist nicht für die Hoffart der Menschen geschaffen, sondern zum Nutzen des Lebens, zur Verteidigung und zum Gebrauch bei der Bekämpfung von Gottes Feinden.
Dann soll der Ritter seinen Mantel anlegen, dessen Band über die Stirn gelegt werden soll, so dass der Ritter wie der Diakon seine Stola zum Zeichen für Gehorsam und göttliche Geduld anlegt, den Mantel anziehen und das Band über die Stirn legen soll – zum Zeichen für gelobte Ritterschaft und den Gehorsam, den er leisten muß, um mein Kreuz zu verteidigen. Das Banner der weltlichen Macht mag vor ihm hergehen, so dass er weiß, dass er der irdischen Macht in allem gehorchen soll, was nicht gegen Gott ist.

Wenn er auf den Kirchplatz gekommen ist, sollen ihm die Priester mit dem Kirchenbanner entgegenkommen, auf dem mein Leiden und meine Wunden abgebildet sein sollen, zum Zeichen dafür, dass er Gottes Kirche und den Glauben verteidigen und auch den Kirchenführern gehorchen soll. Aber wenn er die Kirche betrifft, soll das Banner der zeitlichen Macht außerhalb der Kirche bleiben und mein Banner vor ihn in die Kirche gehen – zum Zeichen dafür, dass die göttliche Macht vor der weltlichen kommt, und man sich mehr um geistliche Dinge als um zeitliche kümmern soll.

Wenn die Messe bis zum Agnus Die gelesen ist, soll der weltliche Vorgesetzte, der König oder ein anderer – zum Ritter am Altar vortreten und sagen: „Willst du Ritter werden?“ Wenn dieser dann antwortet: „Ja“, soll der Vorgesetzte hinzufügen: „Gelobe dann Gott und mir, dass du den Glauben verteidigen und ihrem Vorstand in allem gehorchen willst, was zur Ehre Gottes dient.“
Wenn der Ritter dann antwortete: „Ja“, soll er ihm ein Schwert in seine Hände legen und sagen: „Siehe, ich übergebe das Schwert in deine Hände, damit du dein Leben für den Glauben und für Gottes Kirche nicht schonst, und dass du Gottes Feinde niederwirfst und Gottes Freunde verteidigst.“ Dann soll er ihm einen Schild geben und sagen: „Sieh, ich gebe dir einen Schild, damit du dich gegen Gottes Feinde verteidigst, Witwen und vaterlosen Kindern Hilfe leistest, und in allem Gottes Ehre mehrst.

Danach soll er ihm seine Hand an den Hals legen und sagen: „Sieh, du bist nun dem Gehorsam und der Macht der Kirche unterworfen. Sieh nun zu, dass du so, wie du dich durch ein Versprechen gebunden hast, du es auch in der Tat erfüllst.“ Danach soll er ihm den Mantel und sein Band über ihn legen, so dass er täglich im Gedächtnis haben soll, was er Gott gelobt hat, und dass er sich durch diesen Ausspruch nach Ansicht der Kirche mehr als andere verpflichtet hat, Gottes Kirche zu verteidigen.
Nachdem dies vollbracht und das Agnus Die verlesen ist, soll der Priester, der die Messe feiert, ihm meinen Leib reichen, damit er den Glauben der heiligen Kirche verteidigt. Ich werde in ihm sein, und er in mir. Ich werde ihm Hilfe leisten, so dass er stark wird, und ihn mit der Flamme meiner Liebe erleuchten, so dass er nichts anderes mehr wünscht als mich und nichts anderes fürchtet als mich, seinen Gott.

Wenn er auf gut Glück draußen im Felde ist und sich dort die Ritterschaft für meine Ehre und um meinen Glauben zu verteidigen, auf sich nimmt, so soll ihm das doch nützen, wenn seine Absicht recht war. Ich bin ja durch meine Macht an jedem Ort, und alle können durch rechte Absicht und guten Willen mit mir rechnen. Aber ich bin die Liebe, und niemand kann zu mir kommen, wenn er keine Liebe hat.

Deshalb befehle ich auch niemandem, all dies zu tun, denn sonst würde er mir nur aus Furcht dienen. Aber die, welche die Ritterschaft auf diese Weise auf sich nehmen wollen, die können mir gefallen. Es würde sich gehören, dass sie, die gleichsam aus Hochmut von der wahren Ausübung der Ritterschaft abgewichen sind, sich nun willig zeigen würden, durch Demut wieder zur Ausübung der wahren Ritterschaft zurückzukehren.“
Man glaubt, dieser Ritter sei Herr Karl gewesen, der Sohn der hl. Birgitta.

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14. Kapitel

Christus gibt eine ausführliche Beschreibung der Tugenden, die seine Freunde, die Prediger, auszeichnen müssen, die den Menschen seine Worte zu vermitteln haben. Das Kapitel dürfte sich hauptsächlich an die Birgitta nahestehenden Priester wenden, die von ihrer Verkündigung ergriffen sind und ihr gern helfen wollen, eine geistliche Erweckung in Schweden hervorzurufen.

Ich bin wie ein guter Goldschmied, der seinen Diener sendet, sein Gold auf Erden zu verkaufen, und ihm sagt: ”Du musst drei Dinge tun. Erstens darfst du mein Gold nicht anderen als denen überlassen, die klare und reine Augen haben. Zweitens darfst es nicht denen überlassen, die kein Gewissen haben. Drittens sollst du mein Gold für zehn Pfund mit doppeltem Gewicht zum Kauf anbieten. Wer sich weigert, mein Gold zweimal zu wiegen, der soll es nicht haben.

Mein Feind hat jedoch drei Pläne gegen mich, vor denen du dich in Acht nehmen sollst. Erstens möchte er dich träge und faul machen, mein Gold vorzuführen und zu zeigen. Zweitens wünscht er meinem Golde etwas Falsches beizumischen, so dass die, die mein Gold sehen und es prüfen, glauben, dass es Schmutz und Verderben ist. Drittens legt er seinen Freunden die Wort in den Mund, mit denen sie dir widerstehen und eigensinnig versichern können, dass mein Gold nicht gut sei.“
Sieh, ich bin wie dieser Goldschmied. Ich schmiede alles, was im Himmel und auf Erden ist – nicht mit Hammer und Werkzeug, sondern mit meiner Macht und Kraft. Alles, was da ist und gewesen ist und kommen wird, weiß ich im voraus. Nicht einmal der kleinste Wurm oder das kleinste Samenkorn ist ohne mich da oder kann ohne mich bestehen, und es gibt nichts, was so klein ist, dass es sich vor meinem Vorherwissen verbergen kann, denn alles ist von mir, und alles ist in meinem Vorherwissen enthalten.

Unter allem, was ich getan habe, sind doch meine Worte, die ich mit meinem eigenen Mund gesprochen habe, das Allerwertvollste – wie Gold unter den übrigen Metallen. Daher sollen meine Diener, mit denen ich mein Gold durch die Länder schicke, drei Dinge tun. Erstens sollen sie mein Gold nicht denen anvertrauen, die keine klaren und reinen Augen haben.
Aber nun kannst du fragen: Was bedeutet das, einen klaren Blick zu haben? Ja, der sieht klar, der die göttliche Weisheit und göttliche Liebe hat. Aber wie kann man das erkennen? Ja, das ist gewiss deutlich zu sehen. Wer im Einvernehmen mit dem lebt, was er versteht, wer sich von der Eitelkeit und Neugier der Welt zurückzieht, wer nichts so eifrig sucht wie seinen Gott, der hat einen klaren Blick. Ihm soll mein Gold anvertraut werden.
Der dagegen, der Weisheit besitzt, aber keine göttliche Liebe, das zu tun, was er versteht, der Mensch gleicht einem Blinden, der scheinbar die Augen auf Gott gerichtet hat, aber in Wirklichkeit richtet er sie auf die Welt und dreht Gott den Nacken zu.

Zweitens soll mein Gold nicht dem überlassen werden, der kein Gewissen hat. Wer hat aber ein Gewissen, wenn nicht der, der das Zeitliche und Vergängliche dem Ewigen anpasst, der die Seele im Himmel und den Leib auf Erden hat, der täglich daran denkt, wie er das Erdenleben verlassen wird und Gott Rechenschaft über seine Taten ablegen soll? Ihm soll mein Geld anvertraut werden.

Drittens soll mein Diener mein Gold für zehn Pfund anbieten, doppelt gewogen. Was wird mit der Waage bezeichnet, auf der das Gold gewogen wird, wenn nicht das Gewissen? Was bedeuten die Hände, die etwas wägen müssen, anderes, als den guten Willen und das Verlangen? Was bedeuten die Gewichte, wenn nicht die körperlichen und geistlichen Taten?
Wer mein Gold, nämlich meine Worte, kaufen will, soll also mit gutem Willen auf der Waagschale seines Gewissens abwägen und darauf achten, dass zehn Pfund – gut nach meinem Willen abgewogen – für mein Gold ausbezahlt werden. Das erste Pfund ist die besonnene Sicht des Menschen, die darin besteht, dass der Mensch bedenkt, wie groß der Unterschied zwischen körperlicher und geistlicher Betrachtungsweise ist, welch geringer Nutzen in körperlicher Schönheit und Sichtweise ist, welche Vornehmheit in der Schönheit und Herrlichkeit der Engel und der himmlischen Mächte liegt, die alle Sterne des Himmels an Glanz übertrifft, und welcher Liebreiz und welche Freude der Seele in Gottes Geboten und seiner Ehre liegt.
Dieses Pfund, nämlich das des körperlichen und des geistlichen Schauens, was in Gottes Geboten und seiner Ehre liegt, soll nicht gleichmäßig gewogen werden, sondern das geistliche Schauen muss ein größeres Gewicht als das körperliche haben und in der Waagschale schwerer wiegen, denn die Augen müssen zwar offen für die Bedürfnisse der Seele und des Leibes sein, aber geschlossen für Nichtigkeit und Leichtsinn.

Das zweite Pfund ist das gute Hören. Der Mensch soll nämlich bedenken, wozu leichtsinnige, närrische und spaßhafte Worte dienen; sie sind in der Tat nichts anderes als Nichtigkeit und Luft, die sich verflüchtigt. Daher soll er auf Gottes Lob und seinen Lobgesang sowie auf die Worte und Taten der Heiligen hören; er soll das hören, was für die Seele und den Leib notwendig ist und zu einer guten Erbauung dient. Dieses Hören soll auf der Waagschale schwerer wiegen, als das Hören auf leichtfertige Dinge. Wenn dieses gute Hören mit dem anderen auf die Waagschale gelegt wird, soll es das ganze Gewicht halten, und das andere soll wie leere Luft in die Höhe fliegen und sich verflüchtigen.
Das dritte Pfund ist das Pfund des Mundes. Der Mensch soll auf der Waage seines Gewissens die erbaulichen und ehrbaren Worte wägen und bedenken, wie nützlich und anständig sie sind. Er soll auch auf die eitlen und unnützen Worte Acht geben, wie schädlich und nutzlos sie sind, und soll eitle Worte vermeiden und die guten lieben.
Das vierte Pfund ist der Geschmack. Was ist der Geschmack der Welt anderes, als Elend? Er ist am Anfang Mühe, Schmerz in der Fortsetzung und Bitterkeit am Ende. Der Mensch soll also den geistlichen Geschmack genau gegen zeitlichen abwiegen. Der geistliche wird mehr wiegen als der zeitliche, denn der geistliche Geschmack hört nie auf, wandelt sich nie in Überdruss und vermindert sich nie. Dieser Geschmack beginnt hier auf der Welt mit der Zügelung der Lust und mit der maßvollen Lebensweise, und er dauert ohne Ende im Himmel, im Genießen Gottes und seiner Herrlichkeit.

Das fünfte Pfund ist das Pfund des Gefühls. Der Mensch soll erwägen, wie viel Kummer und Elend er an seinem Leib empfindet, wie viel Unruhe von der Welt, wie viel Widerwärtigkeiten von Seiten seiner Mitmenschen; überall bemerkt er Elend. Er soll auch erwägen, welche Ruhe die Seele, der gut beherrschte Sinn besitzt, und wie angenehm es ist, sich nicht um unnötige Dinge zu kümmern – dann wird er überall Erquickung finden.

Wer also gut abwiegen will, soll das geistliche und körperliche Gefühl auf die Waage legen und so abwiegen, dass das geistliche mehr wiegt, als das körperliche Empfinden. Dieses geistliche Gefühl beginnt und setzt sich fort in Geduld bei widrigen Dingen und im treuen Gehorsam gegen Gottes Gebot, und dauert ewig in der stillsten Freude und im Frieden. Wer aber die leibliche Ruhe und das Gefühl der Welt und ihrer Freude höher wertet als das ewige, der ist nicht wert, mein Gold zu berühren, oder meine Freude zu genießen. Das sechste Pfund ist das Tun des Menschen. Der Mensch soll in seinem Gewissen das geistliche und das körperliche Tun genau abwiegen: Das erste führt zum Himmel, das letztere zur Welt; das erste zu einem ewigen Leben ohne Plage, das letztere zu großer Trübsal und Pein. Wer mein Gold begehrt, soll das geistliche Tun und Lassen, das in meiner Liebe ist und zu meiner Ehre dient, höher bewerten als das körperliche Tun, denn geistliche Dinge bleiben bestehen, aber körperliche vergehen.

Das siebente Pfund ist die Einteilung zur Zeit. Eine gewisse Zeit wandte der Mensch an, sich nur mit geistlichen Dingen zu befassen, eine gewisse Zeit für die Bedürfnisse des Leibes, ohne die er ja nicht leben kann und was auch zu dem Geistlichen gerechnet werden kann, wenn es vernünftig angewendet wird, um das auszuüben, was für den Körper nützlich ist. Und da der Mensch einmal Rechenschaft über seine Zeit wie für seine Taten ablegen muss, mag die Zeit für geistliche Arbeit mehr wiegen, als die körperliche Arbeit. Und die Zeit soll so eingeteilt werden, dass das Geistliche höher eingeschätzt wird als das Zeitliche, und man soll keine Zeit verrinnen lassen, ohne es zu prüfen und gleichmäßig abzuwiegen, was gerecht ist.

Das achte Pfund ist die rechte Verwaltung des erlaubten zeitlichen Gutes, so dass der, der reich ist, den Armen mit frommer Liebe geben kann, so weit er es vermag. Aber nun kannst du fragen: Was soll der Arme geben, der nichts besitzt? Ja, er soll den guten Willen haben und bei sich denken: „Wenn ich etwas hätte, so würde ich gern geben.“ Dann soll ihm dieser Wille als Tat angerechnet werden.

Aber wenn der Wille des Armen so ist, dass er gern zeitliche Dinge ebenso wie andere haben möchte, aber armen Menschen doch nur sehr wenig und das Allerschlechteste geben würde, dann soll ihm ein solcher Wille als eine sehr kleine Tat angerechnet werden. Soll also der reiche Mann, der Güter besitzt, Taten mit Liebe tun; Wer nichts hat, soll den Willen haben, zu geben, und es wird ihm nützen. Aber der, der das Zeitliche mehr wiegen lässt als das Geistliche, der mir einen Pfennig schenkt, aber hundert für die Welt und tausend für sich selbst, der wiegt nicht richtig, und ein solcher Mann ist unwürdig, mein Gold zu haben. Denn ich, der alles gegeben hat und auch in der Lage ist, alles wieder wegzunehmen, hat den wertvolleren Teil verdient. Das Zeitliche ist zum Nutzen und Notwendigen des Menschen geschaffen, nicht für den Überfluss.
Das neunte Pfund ist das genaue Beachten der Zeit, die vergangen und verflossen ist. Der Mensch soll also seine Taten betrachten, was und wie viele sie gewesen sind, und wie er Besserung für sie getan hat, und wie würdig das war. Er möge auch beachten, dass die guten nicht womöglich weniger als die schlechten sind, und wie er überlegen soll, ob seine schlechten Taten mehr als seine guten sind, so dass er von dem vollkommenen Willen beseelt ist, sich zu bessern und wahre Reue über die begangenen Sünden zu empfinden. Und wenn diese Reue wahr und fest ist, so wiegt sie vor Gott mehr, als alle seine Sünden.

Das zehnte Pfund ist das Betrachten und die Einstellung auf die kommende Zeit, ob der Mensch eine solche Absicht hat, dass er nichts anderes lieben will als das, was von Gott ist, und nichts anderes begehrt als das, von dem er weiß, dass es Gott gefällt, und dass er alle Trübsal gern und geduldig tragen will, ja sogar die Qual der Hölle, ob Gott Freude daran hätte und ob es Gottes Wille wäre, dass er das tut. Dieses Pfund überwiegt alles, und durch dieses Pfund werden alle kommenden Dinge bewältigt. Jeder, der also diese zehn Pfund gibt, der soll mein Gold besitzen.
Aber wie ich sagte, will der Feind die Menschen, die mein Gold bei sich tragen, in dreifacher Weise daran hindern. Erstens will er sie träge machen. Nun ist die körperliche Faulheit eine Sache, und die geistliche eine andere. Die körperliche ist vorhanden, wenn der Körper zu faul ist, um zu arbeiten, um aufzustehen und dergleichen. Die geistliche Trägheit ist vorhanden, wenn der geistliche Mensch die Süße meines Geistes und meine Gnade spürt und lieber allein in dieser Süßigkeit bleiben möchte, als zu anderen zu gehen und ihnen zu helfen, so dass auch sie an derselben Süßigkeit teilhaben.

Haben nicht Petrus und Paulus die Süßigkeit meines Geistes im Übermaß besessen? Sie hätten, wenn es mir angenehm gewesen wäre, mit der inneren Süße, die sie hatten, lieber in der tiefsten Tiefe der Erde verborgen liegen wollen, als hinaus in die Welt zu gehen. Aber damit auch andere an ihrer Süße teilhaben könnten, und damit sie auch andere erbauen könnten, zogen sie es vor, lieber zum Nutzen und zum Vorteil anderer und zur Vermehrung ihrer eigenen Ehre hinaus zu gehen, als allein zu bleiben und nicht andere mit der Gnade zu stärken, die sie selbst empfangen haben.
So sollen auch meine Freunde heutzutage, obwohl sie lieber allein sein wollen und sich an der Süße erfreuen, die sie haben, hinausgehen, so dass auch andere an ihrer Freude teilhaben. Denn so wie einer, der Überfluss an zeitlichen Gütern hat, sie nicht einsam genießt, sondern sie auch anderen überlässt, so sollen meine Worte und meine gnade nicht verborgen bleiben, sondern für andere ausgegossen werden, so dass auch sie davon erbaut werden.

Meine Freunde können nämlich drei Arten von Menschen helfen. Erstens den Verdammten, zweitens den Sündern (d.h. denen, die in Sünde geraten, aber wieder aufstehen), drittens denen, die fest im Guten stehen. Aber nun magst du fragen, wie jemand den Verdammten helfen kann, die nicht der Gnade wert sind – es ist ja für sie unmöglich, zur Gnade zurückzukehren?
Darauf will ich in einem Gleichnis antworten. Stell dir vor, dass es im allertiefsten Abgrund unzählige Gräber gäbe, in die der, der in die Tiefe hinabfällt, notwendigerweise stürzen muss. Wenn jemand eines dieser Gräber zustopfen würde, würde der Fallende auf Grund dieser Verstopfung, nicht so tief hinunterstürzen, wie er fallen würde, falls kein Grab verstopft wäre. Denn obwohl solche Leute durch meine Gerechtigkeit und ihre eigene Hartgesottene Bosheit zu einer vorgeschriebenen und im voraus bestimmten Zeit verdammt werden würden, wird die Strafe doch leichter für sie, wenn sie durch jemanden von irgend etwas Bösem abgehalten und zu etwas Guten ermuntert würden.

Sieh, wie barmherzig ich sogar mit den Verdammten bin! Wenn die Barmherzigkeit auch dafür sprechen würde, sie zu schonen, so spricht doch die Gerechtigkeit und ihre Bosheit dagegen. Zweitens können sie denen helfen, die fallen und wieder aufstehen, wenn sie ihnen beibringen, wie sie wieder aufstehen können, ihnen Warnungen vor dem Fallen geben, sie unterweisen, wie sie sich vervollkommnen und ihren Begierden widerstehen können.

Erstens können sie den Gerechten und Vollkommenen nützlich sein. Können denn auch diese fallen? Ja gewiss, aber zur Erhöhung ihrer Ehre und zur Schande des Teufels. Denn wie ein Ritter, der im Kriege leicht angeschlagen ist, durch diesen Schlag weiter angefeuert und noch mehr ermuntert wird, zu kämpfen, so werden meine Auserwählten durch die Versuchung des teuflischen Widersachers zu geistlicher Bemühung und Demut angehalten, und dazu, umso eifrigere Fortschritte zu machen, die Krone der Ehre zu gewinnen. Daher sollen meine Worte nicht von meinen Freunden verborgen werden, denn viele könnten, wenn sie von meiner Gnade hören, noch mehr entflammt werden, mich zu lieben.

Zweitens arbeitet mein Feind darauf hin, dass mein Gold auf Grund irgendeines Fehlers dem Dreck gleichen könnte. Daher soll der Schreiber, wenn etwas aufgeschrieben werden soll, zwei treue Menschen oder einen mit bewährtem Gewissen als Zeugen berufen, und nachdem diese das Geschriebene geprüft haben, soll er es weitersenden, an wen er will, denn wenn es ohne Beglaubigung in die Hände von Feinden gerät, könnte etwas dazugetan werden, wodurch die Worte der Wahrheit bei schlichten Menschen verachtet werden könnten.
Drittens legt mein Feind seinen Freunden in den Mund, dass mein Gold verhindert werden sollte. Daher sollen meine Freunde denen, die dagegen reden, sagen: „Mit dem Gold der offenbarten Worte ist es so, als ob es nur drei Worte geben würde. Sie lehren nämlich, recht zu fürchten, fromm zu lieben und weise nach dem Himmlischen zu trachten. Prüft die Worte und untersucht sie, und widersprecht uns doch, wenn ihr findet, dass es sich anders verhält!“

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15. Kapitel

Christus beschreibt die Sehnsucht, die die Frommen zur Zeit des Alten Testaments nach der Ankunft des Messias hegten; er schildert weiter, wie er zuletzt die Sehnsucht stillte und kam, um die Welt zu erlösen. Nun sind jedoch, fährt er fort, seine Lehren vergessen, und die meisten Menschen gehen ihrem Untergang entgegn. Seine Freunde, d.h. die Prediger (d.h. die Birgitta nahestehenden Prediger) sollen deshalb für die Erlösung der Seelen arbeiten.

Du möchtest wissen, warum ich so spreche, und warum ich dir so bedeutsame Dinge gezeigt habe. Meinst du, ich habe das für dich allein getan? Nein, gewiss nicht, sondern zur Unterweisung und Erlösung anderer, denn die Welt war so wie eine Einöde, wo es nur einen einzigen Weg gab, und der führte in den tiefsten Abgrund.

Aber in dem Abgrund gab es zwei Räume. Der eine war so tief, dass er gar keinen Boden unter sich hatte, und die, die dort hineinkamen, sind nie wieder herausgekommen. Der andere war nicht so tief wie der erste und nicht ebenso schrecklich, und die, die dort hineinkamen, hatten Hoffnung, Hilfe zu erhalten; sie hatten eine Sehnsucht und ein Langdauerndes Verlangen, aber kein Elend; sie spürten wohl das Dunkel, aber keine Qual.
Die, die in diesem zweiten Raum wohnten[1], riefen täglich zu einer herrlichen, naheliegenden Stadt, die voll von allem Guten und allen Vergnügungen war. Sie riefen laut, denn sie kannten den Weg, den sie in die Stadt gehen würden, aber der öde Wald war so dicht und eng verwachsen, dass sie deshalb nicht imstande waren, ihn zu durchdringen und auch nicht die Kraft hatten, sich einen Weg zu bahnen.

Und was riefen sie? Gewiss, sie riefen so: „O Gott, komm und hilf, zeige den Weg und gib uns Licht, denn wir harren auf dich. Bei keinem anderen gibt es für uns Erlösung, als bei dir.“ Dieser Ruf drang auf zum Himmel und an meine Ohren und rührte mich zur Barmherzigkeit. Ich wurde von so einem brennenden Ruf bewogen und begab mich als Pilger hinaus in die Einöde.

Aber bevor ich meine Fahrt und meine Arbeit begann, erscholl eine Stimme vor mir und sagte: „Die Axt ist schon an den Baum gelegt.“ Diese Stimme kam von Johannes dem Täufer, der vor mir in die Wüste gesandt wurde, und der jetzt rief: „Die Axt ist schon an den Baum gelegt“ – als ob er sagen wollte: „Jetzt soll der Mensch bereit sein, denn die Axt ist jetzt bereit, und der ist gekommen, der sozusagen den Weg in die Stadt bereiten und alle Hindernisse beseitigen soll.
Aber als ich kam, arbeitete ich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, denn seitdem ich Menschengestalt annahm und bis zum Tode am Kreuz bewirkte ich die Erlösung des Menschen. Schon am Anfang meines Eintritts in diese Einöde musste ich vor meinen Feinden fliehen, nämlich vor dem Verfolger Herodes; dann wurde ich vom Teufel versucht und litt Verfolgungen durch die Menschen. Dann stand ich mannigfache Mühen aus, aß und trank und erfüllte ohne Sünde andere Erfordernisse – zur Stärkung des Glaubens und zum Beweis dafür, dass ich wahre Menschennatur angenommen habe.

Als ich dann den Weg in die Stadt bahnte, nämlich zum Himmel, und das hinderliche Gestrüpp wegräumte, stachen mich die spitzesten Dornen in die Seite, schreckliche Nägel verletzten meine Hände und Füße, und meine Zähne und Wangen wurden böse geschlagen. Aber ich ertrug es geduldig und wich nicht zurück, sondern drängte nur umso eifriger vor, wie wenn ein vom Hunger bedrängtes Tier einen Pfeil gegen sich gerichtet sieht und sich nur aus Hunger auf einen Menschen und den Speer stürzt. Und je tiefer der Mensch den Speer in die Eingeweide des Tiers bohrt, desto heftiger stürzt es sich selber gegen den Speer (nur aus Sehnsucht nach einem Menschen), bis seine Eingeweide und der ganze Körper durchbohrt sind. So brannte ich vor so großer Liebe zu den Seelen, dass ich, als ich all die bitteren und schrecklichen Qualen sah und spürte, doch umso mehr brannte, als der Mensch willens war, mich zu töten, und hatte umso größeren Eifer, das Leiden zur Erlösung der Seelen zu erdulden. So ging ich also in der Wüste dieser Welt unter Mühsal und Elend weiter und bereitete den Weg mit meinem Blut und meinem Schweiß.

Ja, die Welt kann wirklich eine Wüste genannt werden, denn jede Tugend ist darin verdorrt, so dass nur eine Einöde von Lastern übrig blieb, in der es nur einen einzigen Weg gab und dazu ein Weg, auf dem alle hinab ins Reich des Todes geführt wurden, die Verdammten zur Verdammnis, aber die Guten nur ins Dunkel. Ich hörte also barmherzig ihre lange Sehnsucht nach der kommenden Erlösung und kam wie ein Pilger, um zu arbeiten. Unerkannt in meiner Macht und Gottheit habe ich den Weg bereitet, der zum Himmel führt.
Meine Freunde, die diesen Weg sahen und die Schwierigkeiten meiner Arbeit und die Freude meiner Seele sahen, freuten sich und folgten mir in großer Zahl und lange Zeit. Aber nun ist die Stimme verwandelt, die rief: „Seid bereit!“ Mein Weg ist anders geworden; Unkraut und Dornen sind wieder gewachsen, und man hat aufgehört, darauf zu gehen.

Der Weg zur Hölle ist dagegen offen und breit, und die meisten gehen ihn. Doch mein Weg ist noch nicht ganz vergessen, denn meine wenigen Freunde gehen aus Sehensucht nach dem himmlischen Vaterland auf ihm, indem sie wie Vögel von einem Busch zum anderen fliegen, und sie dienen mir heimlich und mit Furcht, denn auf dem Weg der Welt zu gehen, scheint für alle Lust und Freude zu sein.
Weil mein Weg so schmal und der Weg der Welt breit geworden ist, rufe ich also in der Wüste, d.h. der Welt, zu meinen Freunden, dass sie die Dornen und Disteln auf dem Weg entfernen, der zum Himmel führt, und den Weg für die freimachen, die ihn wandern wollen. Denn wie geschrieben steht: „Selig sind die, die mich nicht gesehen haben, und mir doch geglaubt haben, so sind die selig, die jetzt meinen Worten glauben und sie mit ihrem Tun vollenden.

Ich bin gewiss wie eine Mutter, die ihrem verirrten Sohn entgegeneilt, ihm ein Licht zeigt, so dass er den Weg sehen kann, die ihn liebevoll auf dem Weg begegnet und ihn für ihn verkürzt, die ihn umarmt und sich freut. So will ich meinen Freunden und allen, die zu mir zurückkehren, liebevoll entgegeneilen und ihr Herz und ihre Seelen zu göttlicher Weisheit erleuchten. Ich will sie mit allen Ehren umarmen und sie in den himmlischen Hof führen, der keinen Himmel über sich und keine Erde unter sich hat. Dort gibt es nur das Schauen Gottes, keine Speise und Trank, sondern göttliche Freude. Aber den Bösen wird der Weg zur Hölle überlassen; dort sollen sie eintreten, um nie wieder herauszukommen; sie werden keine Ehre und Freude mehr haben und mit ewiger Not und Schmach erfüllt werden.
Daher spreche ich diese Worte und zeige meine Liebe, damit die, die sich verirrt haben, zu mir zurückkehren und mich kennenlernen – ihren Schöpfer, den sie vergessen haben.“

[1]. D.h. die Gerechten zur Zeit des Alten Testaments.

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16. Kapitel  

 

Christus erklärt, warum er gerade Birgitta zu seinem Sprachrohr erwählt und nicht andere, die besser sind als sie.

Viele möchten wissen, warum ich mit dir und nicht anderen rede, die ein besseres Leben führen und mir längere Zeit gedient haben. Ich will dir darauf mit einem Beispiel antworteten. Es ist ein Herr, der mehrere Weingärten hat, die in mehreren verschiedenen Gegenden liegen, und der Wein eines jeden Weingartens hat seinen Geschmack von der Gegend, aus der er stammt. Wenn der Wein zubereitet ist, trinkt der Herr der Weinberge manchmal von dem mittelmäßigeren und leichteren Wein, nicht immer von dem stärkeren.
Wenn nun einer von denen, die dabei sind und das sehen, sagen würde: „Herr, warum willst du das tun?“ so wird der Herr erwidern, dass ihm gerade der Wein schmeckte und war ihm bei der Gelegenheit angenehmer, und er verschmäht doch deshalb nicht die besseren Weine, sondern hält sie zu seiner Ehre und seinem Nutzen zurück, um sie bei passender Gelegenheit anzuwenden – einen jeden zu dem Zweck, der dazu passt.
So verfahre ich mit dir. Ich habe viele Freunde, deren Leben mir lieblicher als Honig ist, angenehmer als jeder Wein und für mein Auge heller als die Sonne ist. Trotzdem habe ich beschlossen, dir meinen Geist zu schenken, weil es mir so gefiel – nicht deshalb, weil du besser bist als sie oder mit ihnen vergleichbar bist, oder weil deine Verdienste wertvoller sind als ihre – sondern deshalb, weil ich es so wollte.

Ich mache aus unweisen Menschen weise und Gerechte aus den Sündern, und ich verachte die anderen nicht, weil ich dir solche Gnade erwiesen habe, aber ich hebe sie lieber für eine andere Ehre oder zu einem anderen Nutzen für mich auf, je nachdem, wie es die Gerechtigkeit erfordert. Demütige dich deshalb in allen Dingen und beunruhige dich über nichts, als über deine Sünden. Liebe alle Menschen, auch die, die dich offensichtlich hassen und verleumden, denn sie bereiten dir die Möglichkeit, eine größere Krone zu gewinnen.
Drei Dinge schreibe ich dir vor, zu tun. Drei Dinge schreibe ich dir vor, sie nicht zu tun. Drei Dinge erlaube ich dir, zu tun. Drei Dinge rate ich dir, zu tun.
Erstens schreibe ich dir vor, drei Dinge zu tun: Nichts anderes zu ersehnen, als deinen Gott, allen Hochmut und alle Vermessenheit abzulegen, stets die Wollust des Fleisches zu hassen. Drei Dinge befehle ich dir, nicht zu tun: Eitle und leichtfertige Worte zu lieben, dich durch Unmäßigkeit im Essen und durch Überfluß in anderen Dingen schuldig zu machen und die Freude und Oberflächlichkeit der Welt zu lieben.
Drei Dinge erlaube ich dir: Einen angemessenen Schlaf zu deinem Wohlbefinden, mäßige Wachen zur Übung des Körpers, ein mäßiges Essen zur Stärkung und Aufrechterhaltung des Körpers. Drei Dinge rate ich dir: Erstens, arbeite am Fasten und an guten Taten, für die das Himmelreich als Lohn verheißen wird. Zweitens, dass du das, was du besitzt, zu Gottes Ehre anwendest. Drittens, stets zwei Dinge in deinem Herzen zu bedenken: Was ich für dich getan habe, als ich für dich litt und starb (dieser Gedanke erweckt Liebe zu Gott), ferner meine Gerechtigkeit und das künftige Gericht (das erweckt in der Seele Furcht).
Eine vierte Sache zum Schluß. Was ich vorschreibe, befehle, anrate und erlaube, und das heißt, zu gehorchen, wozu du ja verpflichtet bist, das schreibe ich dir vor, weil ich dein Gott bin. Das befehle ich dir auch, dass du nicht anderes handelst, weil ich dein Herr bin. Das erlaube ich dir, weil ich dein Bräutigam bin. Das rate ich dir, weil ich dein Freund bin.“

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17. Kapitel

Christus schildert in großen Zügen die Heilsgeschichte: Wie Gott die Menschen geschaffen hat, um die Plätze der gefallenen Engel auszufüllen, wie er die gefallenen Menschen dann durch die Patriarchen , durch Mose und die Propheten und zuletzt durch seinen eingeborenen Sohn unterwies, und wie er jetzt, in diesen Tagen, seinen Willen durch Birgitta kundtut. Das Kapitel schließt mit der Ermahnung an einen ungenannten Prediger, die von Birgitta gesprochenen Worte weiterzuvermitteln.

Gottes Sohn sprach zur Braut (Birgitta) und sagte: „Glaubst du standhaft, dass das, was der Priester in Händen hält, Gottes Leib ist?“ Sie erwiderte: „So wie ich standhaft glaube, dass das Wort, das zu Maria gesandt wurde, in ihrem Schoße Fleisch und Blut geworden ist, so glaube ich auch, dass das, was ich jetzt in den Händen des Priesters sehe, wahrer Gott und Mensch ist.
Der Herr antwortete ihr: „Ich, der mit dir spricht, ist derselbe, der ewig in der Gottheit bleibt, und der im Mutterleib der Jungfrau Menschengestalt annahm, ohne die Göttlichkeit zu verlieren. Meine Göttlichkeit kann mit Recht eine Tugend genannt werden, denn darin gibt es zwei Dinge, - nämlich die allermächtigste Macht, aus der jede Macht stammt, und zweitens die allerweiseste Weisheit, von der und in der alle Weisheit ist. In dieser Gottheit sind gewiß all die Dinge, die es gibt, vernünftig und weise geordnet enthalten. Denn es gibt im Himmel keinen einzigen Titel, der nicht in ihr und von ihr eingerichtet und vorausgesehen ist. Und es gibt auf Erden nicht ein einziges Staubkorn, nicht einen einzigen Funken in der Hölle, der außerhalb seiner Verordnung steht, und der sich vor seinem Vorherwissen verbergen könnte.
Vielleicht möchtest du wissen, warum ich sagte: „Ein einziger Titel im Himmel“? Ja, wie der Titel die Vervollkommnung des geschriebenen Wortes ist, so ist Gottes Wort die Vollendung aller Dinge und zur Ehre aller Dinge eingerichtet. Aber warum sagte ich „Ein einziges Staubkorn auf Erden“, wenn nicht deshalb, weil alles Irdische vergänglich ist? Und doch besteht es nicht ohne Gottes Verordnung und Vorausschau, wie klein es auch sein mag.

Und warum sagte ich „Ein einziger Funken in der Hölle“, wenn nicht darum, dass es in der Hölle nichts anderes gibt, als Neid? Denn wie der Funke aus dem Feuer hervorgeht, so geht alle Bosheit und aller Neid von den unreinen Geistern aus, so dass sie und ihre Anhänger immer Missgunst hegen, aber nie irgendwelche Liebe. Weil die vollkommene Weisheit und Macht bei Gott ist, so ist alles so eingerichtet, dass es nichts gegen Gottes Macht auszurichten vermag, und von nichts kann man behaupten, es sei unklug gemacht, sondern alles ist vernünftig geschaffen, so dass es für eine jede Sache passen würde.
Die Gottheit kann also in Wahrheit Tugend genannt werden. Seine größte Tugend zeigte Gott bei der Erschaffung der Engel. Er schuf sie nämlich sich selbst zur Ehre und ihnen selbst zur Freude, damit sie Liebe und Gehorsam haben sollten – Liebe, womit sie nichts anderes als Gott lieben sollten, Gehorsam, womit sie Gott in allem gehorchen sollten.

Manche Engel gingen irre und lehnten sich sündhaft gegen diese beiden Dinge auf. Sie richteten ihren Willen nämlich gerade gegen Gott entgegen, so dass die Tugend ihnen verhasst wurde, und das, was gegen Gott gerichtet war, ihnen lieb ward. Auf Grund dieser wirren Willensbewegung haben sie ihren Fall verdient, nicht deshalb, weil Gott es für sie bestimmt hatte, sondern weil sie selbst sich diesen Fall auf Grund von Zügellosigkeit in ihrer Weisheit bereitet hatten.

Als Gott also sah, welche Verminderung durch deren Sünde in seiner himmlischen Heerschar veranlasst worden war, lieb Gott noch einmal seine Tugend erkennen, indem er den Menschen mit Leib und Seele schuf. Seinem Körper gab er zwei gute Dinge, nämlich die Freiheit, das Gute zu tun und dem Bösen auszuweichen, denn nachdem mehrere Engel nicht hätten geschaffen werden sollen, war es gerecht, dass der Mensch nun auch die Freiheit haben sollte, zur Würde der Engel aufzusteigen, wenn er wollte.
Auch der Seele des Menschen gab er zwei gute Dinge, nämlich den Verstand, das Hinderliche vom Hinderlichen und das bessere vom Besten zu unterscheiden, und zweitens Stärke, im Guten festzustehen. Als der Teufel diese Liebe Gottes zum Menschen sah, dachte er neidisch bei sich selbst: „Sieh, nun hat Gott etwas Neues gemacht, das zu unserem Platz aufsteigen und sich das erkämpfen kann, was wir verschmäht und verlassen haben. Wenn wir es fertig bringen, ihn zu Fall zu bringen und irre zu leiten, wird der Mensch im Kampf ermüden und kann dann nicht zu einer so hohen Würde aufsteigen.

Dann dachten die Teufel einen raffinierten Plan aus, betrogen den ersten Menschen durch ihre Bosheit und gewannen durch gerechte Zulassung Macht über ihn. Aber wie und wann wurde der Mensch besiegt? Sicher, als er die Tugend aufgab und das Verbotene tat, und als ihm das Versprechen der Schlange mehr gefiel, als der Gehorsam gegenüber mir. Wegen dieses Ungehorsams durfte er auch nicht im Himmel sein, nachdem er Gott verachtet hatte, aber auch nicht in der Hölle, denn mit Hilfe des Verstandes wurde seine Seele genau dessen inne, was er getan hatte, und er wurde von Reue über die begangene Sünde ergriffen.

Daher bestimmte der tugendreiche Gott, der das Elend des Menschen sah, das wie ein Gefängnisplatz für ihn war, dass der Mensch seine Schwachheit ablegen und seinen Ungehorsam wieder gutmachen sollte, bis er verdienen würde, zu der Würde aufzusteigen, die er verloren hatte. Das überlegte der Teufel, und jetzt wollte er die Seele des Menschen durch Ungehorsam töten. Er senkte seinen Schmutz in die Seele ein und verdunkelte den Verstand des Menschen so, dass er weder Liebe für Gott noch Furcht vor ihm empfand. Gottes Gerechtigkeit geriet in Vergessenheit, sein Gericht wurde verachtet und bewirkte nichts; Gottes Güte und sein Gaben wurden vergessen.
Daher wurde Gott nicht mehr geliebt, und so standen die Menschen mit ihrem verdunkelten Gewissen im Elend und fielen noch schlimmer als vorher. Aber obwohl der Mensch sich in dieser Lage befand, war doch Gottes Tugend nicht von ihm gewichen, sondern zeigte seine Barmherzigkeit und seine Gerechtigkeit: Seine Barmherzigkeit, als Gott den Menschen – nämlich Adam und Eva und anderen guten Menschen – zeigte, dass sie nach einer bestimmten Zeit Hilfe erhalten sollten, wodurch ihre innere Liebe zu Gott erweckt wurde. Seine Gerechtigkeit zeigte er durch die Sintflut zur Zeit Noahs, wodurch Gottesfurcht in die Herzen eingegossen wurde.

Aber der Teufel hörte dennoch nicht auf, den Menschen zu beunruhigen, sondern er griff ihn mit zwei anderen Sünden an. Erstens gab er ihm einen Irrglauben, dann Verzagtheit ein, damit die Menschen Gottes Wort nicht glauben, sondern meinen sollten, dass seine Wundertaten allein auf dem Schicksal beruhen – Mutlosigkeit, dass sie nicht auf die Erlösung und darauf hoffen sollten, die verlorene Ehre wiederzugewinnen.
Aber der tugendreiche Gott unterließ es nicht, zwei Heilmittel gegen diese beiden zu schenken. Denn gegen die Verzagtheit schenkte er die Hoffnung, indem er Abraham bei Namen nannte und versprach, dass er durch seine Saat ernährt werden sollte, und dass er ihn und seine Glaubensgenossen in das verlorene Erbteil zurückführen würde.
Dazu bereif er Propheten, denen er die Art und Weise und den Platz für ihre Befreiung und die Zeit für sein Leiden offenbarte. Gegen die andere Sünde, nämlich den Irrglauben, redete Gott zu Mose, zeigte ihm das Gesetz und seinen Willen und vervollkommnte seine Worte mit Zeichen und Taten.
Aber die Bosheit des Teufels war doch noch nicht zu Ende, sondern er verleitete den Menschen zu noch schlimmeren Dingen. Er gab ihm zwei andere Dinge ins Herz ein: Erstens, zu denken, dass das Gesetz höchst unerträglich sei, und dass es Unruhe verursacht, wenn man es befolgt. Zweitens, dass es gleichsam unglaublich scheinen würde, ja äußerst schwer zu glauben, dass Gott aus Liebe leiden und sterben wollte.

Gegen diese beiden Einflüsterungen schenkte Gott wiederum zwei Heilmittel. Erstens sandte er, damit der Mensch durch die Härte des Gesetzes nicht verunsichert werden solle, seinen Sohn in den Schoß der Jungfrau, der Menschengestalt annahm, das vollendete, was zum Gesetz gehörte, und dann das eigentliche Gesetz leichter machte.
Gegen die andere Sünde zeigte Gott die allergrößte Tugend, denn der Schöpfer starb für die Geschaffenen, und der Gerechte für die Ungerechten, und der Unschuldige wurde bis zum letzten Augenblick gepeinigt, wie es von den Propheten vorausgesagt war.

Aber die Schlechtigkeit des Teufels hörte noch immer nicht auf: Er erhob sich noch einmal gegen den Menschen und gab ihm zwei andere Dinge ein. Erstens gab er seinem Herzen ein, dass meine Worte zum Gegenstand von Spott und Hohn gemacht werden sollten, zweitens, dass meine Taten in Vergessenheit geraten sollten.
Gegen diese beiden nahm sich Gottes Tugend vor, noch zwei Heilmittel zu zeigen. Erstens, dass meine Worte wieder zu Ehren gebracht werden und meine Taten zum Vorbild genommen werden sollen. Daher leitete dich Gott in seinem Geist und verkündigte durch dich seinen Willen auf Erden für seine Freunde, besonders aus zwei Gründen. Erstens, damit Gottes Erbarmen gezeigt werden sollte, wodurch die Menschen lernen sollten, sich an Gottes Liebe und sein Leiden zu erinnern, zweitens, dass man auf Gottes Gerechtigkeit achten und die Strenge meines Gerichtes fürchten soll.

Sage deshalb zu diesem Mann, dass er – nachdem nun meine Barmherzigkeit gekommen ist, sie ins Licht stellen soll, so dass die Menschen lernen, Barmherzigkeit zu suchen und sich vor dem Gericht in Acht zu nehmen. Sag ihm weiter, dass, obwohl meine Worte aufgeschrieben sind, sie doch erst verkündet und dann in die Tat umgesetzt werden müssen.
Du wirst dies besser durch ein Gleichnis verstehen: Als Mose das Gesetz empfangen sollte, war der Stab bereit und die Tafeln in Ordnung gebracht, aber er tat mit diesem Stab keine Wunderwerke, ehe es notwendig war und die Zeit es erforderte. Als die rechte Zeit gekommen war, da zeigten sich Wunderwerke, und meine Worte offenbarten sich durch Taten.
So war es auch, als das neue Gesetz kam: Erst wuchs mein Leib und schritt bis zum reifen Alter vor; dann wurden die Worte gehört. Aber obwohl die Worte gehört wurden, hatten sie doch keine Kraft und Stärke in sich, ehe die Taten kamen, und sie waren nicht vollkommen, ehe ich mit meinem Leiden alles vollbrachte, was die Propheten über mich offenbart hatten. So ist es auch jetzt. Denn wenn auch die Worte meiner Liebe aufgeschrieben sind und auf der Welt ausgeführt werden sollten, haben sie doch keine Macht, ehe sie ins vollständige Licht kommen.“

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18. Kapitel

Christus bezeugt Birgittas Fähigkeit, übernatürliche Dinge zu hören und zu sehen, was jedoch wegen ihrer menschlichen Natur durch Vermittlung natürlicher Bilder geschehen muss. Er erklärt noch einmal, warum er gerade ihr und nicht anderen einen Einblick in seine Ratschlüsse vergönnt hat.

Drei wunderbare Dinge habe ich mit dir (Birgitta) gemacht. Du siehst nämlich mit geistlichen Augen, du hörst mit geistlichen Ohren, und du spürst mit deiner körperlichen Hand meinen Geist in deiner lebendigen Brust[1]. Das Gesicht, das du schaust, zeigt sich dir nicht so, wie es wirklich ist. Denn wenn du die geistliche Schönheit der Engel und der heiligen Seelen sehen würdest, würde es dein Körper auf Grund der seelischen Freude über das Geschaute nicht ohne Schaden ertragen, es zu sehen, wie ein zersprungenes Gefäß. Und würdest du die Teufel sehen, wie sie sind, würdest du entweder nur mit großem Schmerz leben oder auf Grund ihres schrecklichen Anblicks eines plötzlichen Todes sterben.

Daher werden dir geistliche Dinge als körperliche gezeigt. Du schaust die Engel und die Seelen in Gestalt von Menschen, die Leben und Seele haben, denn die Engel leben mit seinem Geist. Die Teufel erscheinen dir in einer Gestalt, die zum Tode führt und tödlich ist, wie in Gestalt von Tieren und anderen unvernünftigen Geschöpfen, denn die haben einen sterblichen Geist, und wenn ihr Leib stirbt, so stirbt auch der Geist. Die Teufel dagegen sterben nicht im Geist, sondern leben ohne Ende und sterben ohne Ende. Geistliche Worte werden dir in Form von Gleichnissen gesagt, denn sonst könnte dein Geist sie nicht fassen. Aber wunderbarer als all das andere ist das, dass du spürst, wie sich mein Geist in deinem Herzen regt.“
Sie (Birgitta) antwortete: „O du mein Herr, Sohn der Jungfrau, warum hast du es für wert gehalten, eine so schlichte Witwe zu besuchen? Ich bin ja arm an allen guten Taten, geringen an Verstand und Kenntnissen, und während einer langen Zeit in alle Sünden verstrickt.“

Er antwortete ihr: „Ich habe drei Eigenschaften. Erstens kann ich den Armen reich und den Unweisen, der mit geringem Verstand ausgerüstet ist, ganz weise und verständig machen. Ich vermag auch, Alter in Jugend zu verwandeln. Denn wie der Vogel Phoenix dürre Zweige zu seinem Nest im Tal trägt, und unter diesen auch Zweige von einem Baum holt, der äußerlich von Natur aus dürr und inwendig doch warm ist, wenn glühende Sonnenstrahlen in ihn eindringen, so dass er entzündet wird – was zur Folge hat, dass alle anderen Zweige angezündet werden – so sollst du Tugenden sammeln, durch die du von Sünden erneuert werden kannst.
Unter diesen musst du einen Baum haben, der innen warm und außen trocken ist, d.h ein reines Herz, in dessen äußerer Hülle alle weltliche Lust verdorrt ist, und dessen Inneres voll von aller Liebe ist, so dass du nichts anderes begehrst und ersehnst, als mich. Dann wird das Feuer meiner Liebe darin eindringen, und davon wird es von allen Tugenden entflammt werden, so dass du gleichsam im Feuer von den Sünden gereinigt wirst und wie ein erneuerter Vogel auferstehst, nachdem du die Haut der Lust abgelegt hast.“

[1]. Während der Ekstase fühlte Birgitta manchmal, als ob sich unter ihrem Herzen etwas Lebendes rührte. Vgl. u.a. das 88. Kapitel im 7. Buch.

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19. Kapitel

Mit Hilfe eines der Bienenzucht entnommenen Gleichnisses erklärt Christus Birgitta, warum er die bösen Menschen leben und Erfolg haben lässt. Die guten haben, wenn man tiefer sieht, eigentlich Nutzen davon, sagt er. Dennoch ermahnt er die Kirchenfürsten, Maßnahmen gegen die schlechten Bienen, d.h. die bösen Menschen, zu ergreifen. Maria, seine Mutter, rät denen, die Christi Worte hören, sie zu beachten, damit sie nicht der strengen Gerechtigkeit Christi anheimfallen. Zuletzt klagt Christus darüber, dass die Kreuzfahrer mehr daran denken, Land und Reichtum zu gewinnen, als daran, die Heiden zum Christentum zu führen. Die Klage dürfte hauptsächlich die adligen schwedischen Krieger im Orient betreffen.

Ich bin dein Gott. Mein Geist hat dich gelehrt, zu hören, zu sehen und zu fühlen: Meine Worte zu hören, Gleichnisse zu sehen und meinen Geist mit der Freude und Frömmigkeit der Seele zu spüren. In mir ist alle Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, und in der Gerechtigkeit Barmherzigkeit.
Ich bin wie der, der seine Freunde von sich abfallen und in einer fürchterlichen Tiefe versinken sieht, aus der es unmöglich ist, sich wieder zu erheben. Zu diesen Freunden rede ich durch die, die die Schrift verstehen. Ich rede durch Geißelhiebe und warne sie im voraus vor ihren Gefahren, aber sie gehen dennoch in die Irre und achten nicht auf meine Worte. Meine Worte sind nur wie ein einziges Wort, und das ist: „Sünder bekehre dich zu mir!“ Du begibst dich nämlich in Gefahr, denn es gibt Fallen auf dem Wege, und wegen des Dunkels deines Herzens sind sie für dich verborgen.“
Dieses Wort von mir wird verachtet, dieses Erbarmen von mir wird vergessen. Aber obwohl ich so barmherzig bin, dass ich die ermahne, die sündigen, bin ich doch so gerecht, dass – wenn auch alle Engel auf sie einwirken, könnten sie doch nicht umkehren, wenn sie ihren Willen nicht selbst auf das Gute richten würden. Aber wenn sie selber ihren Willen zu mir wenden und mir mit dem Verlangen ihrer Seele zustimmen würden, so könnten sie nicht einmal alle Teufel zurückhalten.
Es gibt ein Insekt im Anwesen seines Herrn, das Biene heißt. Beinen erweisen ihrer Königin dreifache Verehrung und empfangen von ihr dreifaches Gute. Erstens bringen Bienen ihrer Königin alle Süßigkeit, die sie sammeln können. Zweitens stehen sie und fliegen nach ihrem Befehl aus, und wohin sie fliegen oder fahren, gilt immer ihre Liebe und Ergebenheit der Königin.

Drittens folgen sie ihr, bleiben ständig bei ihr und deinen ihr. Für diese drei Dinge haben Bienen ein dreifaches Gut von ihrer Königin. Erstens erhalten sie durch ihre Stimme ein sicheres Zeichen für die Zeit, um auszufliegen und zu arbeiten. Zweitens haben sie von ihr die Leitung und gegenseitige Liebe: Durch ihre Gegenwart und Herrschaft und durch die Liebe, die sie zu ihnen hat und sie zu ihr, wird eine jede mit der anderen in Liebe vereint, und jede freut sich über den Wohlstand und den Fortschritt des anderen.

Drittens werden sie durch die gegenseitige Liebe und die Freude ihrer Königin fruchtbar. Denn wie die Fische, wenn sie im Meer miteinander spielen, ihre Eier ausstoßen, die ins Meer fallen und Frucht bringen, so werden die Bienen durch gegenseitige Liebe und die Liebe und Freude ihrer Königin auch fruchtbar. Aus dieser ihrer Liebe geht durch meine seltsame Kraft eine gleichsam tote Saat hervor, die durch meine Göttlichkeit Leben erhalten wird.
Der Imker, der Besitzer der Bienen, hat Sorge um seine Bienen und sagt zu seinem Diener: „Mein Diener“, sagt er, „ich meine, dass einige meiner Bienen krank sind und nicht ausfliegen.“ Der Diener antwortet: „Ich verstehe mich nicht auf diese Krankheit, aber wenn es so ist, frage ich dich, wie ich das wissen kann.“ Der Imker erwidert: „An drei Zeichen kannst du ihre Krankheit oder ihr Gebrechen verstehen. Erstens daran, dass sie kraftlos und müde beim Fliegen sind, und das kommt daher, dass sie ihre Königin verloren haben, von der sie Frohsinn und Stärke haben würden.

Zweitens daran, dass sie zu ungewissen und unbestimmten Zeiten ausfliegen, und das liegt daran, dass sie kein Zeichen aus der Stimme ihrer Königin haben. Drittens daran, dass sie keine Liebe zu ihrem Bienenkorb haben, weshalb sie auch leer zu ihm zurückkommen, sich selber satt machen und keine Süßigkeit heimbringen, von der sie in Zukunft leben können.
Die Bienen dagegen, die frisch und tauglich sind, sind in ihrem Fluge fest, zuverlässig und kräftig; sie haben ihre bestimmte Zeit, auszufliegen und zurückzukehren und Wachs mit heimzubringen, ihre Zellen zu bauen, und Honig zu essen haben.“
Da antwortete der Diener seinem Herrn: „Wenn sie also unnütz und krank sind, warum lässt du sie dann länger leben und tötest sie nicht?“ Der Imker erwidert: „Ich lasse aus drei Gründen leben, denn sie tun dreifachen Nutzen, wenn auch nicht aus eigenem Verdienst. Erstens halten sie die Zellen, die in Ordnung gebracht sind, besetzt, so dass keine Wespen kommen und die leeren Plätze einnehmen und andere gute und nützliche Bienen beunruhigen.
Zweitens bewahre ich sie auf, damit andere, fruchtbare Bienen durch die Bosheit der schlechten Bienen noch fruchtbarer und eifriger bei der Arbeit werden. Denn wenn die fruchtbaren Bienen sehen, wie die unfruchtbaren und schlechten nur für ihren eigenen Gewinn arbeiten, so werden sie selber umso eifriger, für ihre Königin zu sammeln – je mehr sie sehen, dass die schlechten eifriger für ihren eigenen Gewinn arbeiten.

Drittens helfen die schlechten Bienen den guten bei der gemeinsamen Verteidigung. Es gibt nämlich ein Insekt, die Wespe, die Bienen zu fressen pflegen, und wenn Bienen merken, dass sie kommt, so hassen sie sie alle, und wenn die schlechten Bienen die Wespe nur aus Neid und um ihr Leben zu schützen, hassen, während die guten das aus Liebe und Gerechtigkeit tun, so arbeiten doch gute und schlechte Bienen gemeinsam, um die Wespe zu besiegen. Wenn alle schlechten Bienen fort wären und nur die guten übrig wären, so würde die Wespe die Bienen schneller überwältigen, weil sie weniger sind.
Und deshalb, sagt der Imker, dulde ich die unnützen Bienen. Aber wenn der Herbst kommt, werde ich für die guten Bienen sorgen und sie von den schlechten trennen, die – wenn sie außerhalb, des Bienenkorbes gelassen werden, vor Kälte sterben werden, aber wenn sie drinnen sind, werden sie vor Hunger eingehen, weil sie es versäumt haben, zu sammeln, als sie es gekonnt hätten.“
Ich der Herr, Schöpfer aller Dinge, ich bin der Besitzer und Herr dieser Bienen. Aus meiner innerlichen Liebe und aus meinem Blut habe ich mir einen Bienengarten erbaut – nämlich die heiligen Kirche, wo sich die Christen in der Einheit des Glaubens und der gegenseitigen Liebe sammeln und wohnen sollen. Ihre Wohnplätze sind ihre Herzen, in denen die Süße der guten Gedanken und Wünsche wohnen sollen. Diese Süßigkeit soll sich mit dem Betrachten meiner Liebe bei der Erschaffung und des Menschen vereinen, mit meiner Geduld im Ertragen und meiner Barmherzigkeit beim Zurückrufen und der Wiederherstellung des Menschen.
In diesem Bienenstock, der heiligen Kirche, gibt es zwei Arten von Menschen; sie gleichen zwei Arten von Bienen. Die erste Art sind die schlechten Christen, die nicht für mich, sondern nur für sich selber sammeln, die leer nach Hause kommen und die Bienenkönigin nicht kennen, da sie Stacheln anstelle von Süßigkeit und Gewinnsucht statt Liebe haben.

Die guten Bienen sind dagegen die guten Christen, und diese bezeugen mir dreifache Verehrung. Erstens haben sie mich als Oberhaupt und Herr und bieten mir süßen Honig an, d.h. Werke der Liebe, die sehr köstlich für mich und nützlich für sie selbst sind. Ferner richten sie sich auch nach meinem Willen; ihr Wille steht nach meinem Willen, ihr ganzes Denken ist auf mein Leiden gerichtet, und ihr ganzes Wirken auf meine Ehre.

Drittens folgen sie mir, d.h. sie gehorchen mir in allem, wo immer sie auch sind, ob drinnen oder draußen, in Trauer oder in Freude; ihr Herz ist stets mit meinem Herzen verbunden. Dafür haben sie dreifache Kraft und Gnade von mir. Erstens erhalten sie von der Stimme meiner Kraft und Eingebung die angemessene und sichere Zeit – Nacht zur zeit der Nacht und Licht zur zeit des Lichts. Sie verwandeln auch die Nacht in Licht, d.h. Freude der Welt zu ewiger Freude, und vergängliche Freude in ewiges Glück.
Sie sind vernünftig in allem, denn sie wenden das, was vorhanden ist, zu lebensnotwendigen Zwecken; sie sind standhaft in Widrigkeiten, vorsichtig im Erfolg, maßvoll in der Pflege des Leibes, gewissenhaft und umsichtig im Handeln. Zweitens haben sie wie gute Bienen gegenseitige Liebe, so dass sie alle ein und dasselbe Herz für mich haben, ihren Nächsten lieben, wie sich selbst, aber mich über alles, und mehr als sich selbst.
Drittens werden sie durch mich fruchtbar. Was heißt es, fruchtbar zu sein, wenn nicht meinen Heiligen Geist zu haben, und von ihm erfüllt zu werden? Denn wer ihn nicht hat, sondern seine Süße entbehrt, ist unfruchtbar und unnütz; ein solcher Mensch fällt und wird zunichte. Der Heiligen Geist dagegen entzündet den, der bei ihm wohnt, mit göttlicher Liebe, öffnet den Sinn des Verstandes, treibt die Hoffart und Unmäßigkeit aus und erweckt das Verlangen nach Gottes Verehrung und zum Verachten der Welt.

Die unfruchtbaren Bienen kennen diesen Geist nicht, und daher verachten sie die Leitung und entziehen sich der Einheit und Gemeinschaft der Liebe. Sie sind leer an guten Taten, sie verwandeln Licht in Dunkel, Trost in Weinen, Freude in Schmerz. Jedoch lasse ich sie aus drei Gründen leben. Erstens deshalb, dass keine Wespen, d.h. Ungläubige, in ihre vorbereiteten Wohnungen eindringen. Denn wenn die bösen Menschen auf einmal ausgeschaltet würden, würden nur recht wenige übrig bleiben, und weil es nur so wenige sein würden, würden die Ungläubigen, da sie in der Mehrzahl sind, bei ihnen eindringen, sich bei ihnen ansiedeln und sie viel plagen.
Zweitens dulde ich sie, weil die guten geprüft werden sollen. Durch die Bosheit der Schlechten wird nämlich die Standhaftigkeit der Guten auf die Probe gestellt. In Misserfolgen wird ersichtlich, wie geduldig ein jeder ist, aber wie stetig und maßvoll jeder im Glück ist. Obwohl sich die Laster manchmal unter den Gerechten einschleichen, und die Tugenden ihnen oft Anlaß zu Hochmut geben, wird es also den Schlechten zugestanden, mit den Guten zusammenzuleben, damit die Guten nicht durch allzu viel Freude leichtsinnig werden oder in Sorglosigkeit einschlafen, und damit sie die Augen fleißig auf Gott richten. Denn wo weniger Kampf ist, da gibt es auch geringeren Lohn.

Drittens werden sie geduldet, um den Christen zu helfen, so dass Heiden oder andere ungläubige Feinde ihnen nicht schaden, sondern sie umso mehr fürchten, je mehr es sind, die gut zu sein scheinen. Und wie gute Menschen aus Gerechtigkeit und göttlicher Liebe dem Bösen widerstehen, so tun es auch die Bösen, aber nur, um ihr Leben zu schützen und Gottes Zorn zu entfliehen. Und so helfen alle Bösen und Guten einander gegenseitig, so dass die Schlechten um der Guten willen geduldet werden, und die Guten auf Grund der Bosheit der Schlechten ehrenvoller gekrönt werden.

Betreuer der Bienen sind Kirchenvorsteher und Fürsten der Erde, gute und böse. Zu den guten Betreuern rede ich, ihr Gott und Hüter, und ermahne sie, dass sie meine Bienen recht betreuen, auf ihren Ausgang und Eingang Acht zu geben und sie aufmerksam zu machen, ob sie krank oder gesund sind. Wenn sie so etwas vielleicht nicht beurteilen können, so gebe ich ihnen drei Zeichen, wodurch sie das lernen können.
Unnütz sind die Bienen, die träge im Fliegen sind, zu unregelmäßigen Zeiten fliegen und heimkommen, ohne Süßigkeiten mit sich zu führen. Träge im Fliegen sind die, die sich mehr um das Zeitliche als um das Ewige kümmern und mehr den Tod des Leibes als den der Seele fürchten. Ein solcher Mensch spricht so zu sich selber: „Warum soll ich Unruhe haben, wenn ich Ruhe haben kann? Warum soll ich mich in die Gewalt des Todes begeben, wenn ich leben kann?“ Sie, die Elenden, bedenken nicht, dass ich, der allmächtige König der Ehren, die Gestalt der Ohnmacht angenommen habe.
Ich bin auch der Ruhigste, ja selbst die wahre Ruhe, und doch nahm ich um ihretwillen Mühe und Unruhe auf mich, ja habe sie durch meinen Tod befreit. Ungeordnet betreffs der Zeit sind die, deren Begehren das Irdische sucht, die leichtfertige Dinge reden, die nur für ihren eigenen Nutzen arbeiten, und deren Zeit so ist, wie der Leib es haben will. Sie haben keine Liebe zu ihrem Bienenstock und sammeln keine Süßigkeit. Gewiß tun sie für mich ein paar gute Werke, aber bloß aus Furcht vor Strafe.
Wenn sie auch manche gute Werke aufzuweisen haben, lassen sie doch nicht ihren Eigenwillen und die Sünde. Sie möchten Gott auf die Weise besitzen, dass sie die Welt aber doch nicht aufgeben, oder irgendwelchen Mangel leiden oder Sorge haben. Solche Bienen laufen ja mit leeren Füßen heim, denn sie laufen zwar, doch unklug, fliegen auch, aber nicht mit der gehörigen Liebe.

Daher werden, wenn der Herbst kommt, d.h. die Zeit der Trennung kommt, die unnützen Bienen von den guten getrennt und sollen für ihre Selbstsucht und Gewinnsucht von ewigem Hunger geplagt werden. Für ihre Verachtung Gottes und ihre Trägheit im Guten sollen sie durch übermäßig große Kälte geplagt werden und doch nicht erfrieren.
Meine Freunde sollen sich jedoch vor der dreifachen Bosheit der schlechten Bienen in Acht nehmen. Erstens davor, dass deren Unreinheit ihnen in die Ohren dringt, denn die schlechten Bienen sind vergiftet; sie haben keinen Honig und sind leer an Süßigkeit, sind aber überreich an vergifteter Bitterkeit. Zweitens sollen sie ihre Augäpfel vor deren Flügeln in Acht nehmen, denn sie sind spitz wie Nadeln. Drittens sollen sie auf ihren Körper achten, dass er nicht bloß und deren Schwänzen ausgesetzt ist, denn da haben sie Stacheln, mit denen sie sehr unangenehm stechen.
Was dies bedeutet, das können die Weisen erklären, die auf ihre Sitten und Begierden achten. Aber die, die dies nicht verstehen können, sollten die Gefahr fürchten und ihrer Gesellschaft und ihrem Beispiel aus dem Wege gehen – sonst müssen sie das durch Erfahrung lernen, was sie nicht durchs Hören lernen wollen.“

Dann sprach die Mutter (Maria): „Gesegnet seist du, mein Sohn, der ist und der war und der ewig dasein wird! Dein Barmherzigkeit ist rührend, und deine Gerechtigkeit groß. Es scheint mir – um in einem Gleichnis zu reden – dass es nun mit dir so ist, als ob eine Wolke am Himmel aufsteigen würde, und ein leichter Wind der Wolke voranging. In der Wolke zeigte sich so etwas wie etwas Dunkels, und einer, der außer Hause war und den leichten Wind spürte, blickte auf, sah das Dunkel in der Wolke, dachte und sagte sich: „Diese dunkle Wolke scheint mir einen kommenden Regen anzukündigen“, worauf er den klugen Entschluß fasste und sich eilig in ein Versteck begab, um Schutz vor dem Regen zu erhalten.

Andere dagegen, die blind waren oder vielleicht nicht auf den leichten Wind achteten oder sich vor dem Dunklen in der Wolke fürchteten, begannen nachzuforschen, was diese Wolke bedeutete. Die Wolke wuchs nämlich über den ganzen Himmel und kam mit einem gewaltigen Donner und Blitz von so starker Wirkung, dass viele bei diesem Donner ums Leben kamen und all das Äußerliche und Innere des Menschen vom Feuer verzehrt wurde, so dass nichts mehr übrig blieb.
Diese Wolke, mein Sohn, sind deine Worte, die oft sehr dunkel scheinen und schwer zu glauben sind, nachdem man sie nicht oft gehört hat, und nachdem sie zu Ungebildeten gesprochen und nicht durch Vorzeichen zu erklären waren. Diesen Worten ging mein Gebet und dein Erbarmen voraus, mit dem du dich über alle erbarmst und wie eine Mutter alle zu dir lockst. Dies Erbarmen ist in Geduld und im Ertragen sanft und mild wie der leichteste Wind und warm in der Liebe, denn du mahnst ja die, die dich zum Zorn reizen, zur Barmherzigkeit und bietest denen, die dich verschmähen, Milde an.

Also sollten alle, die diese Worte hören, die Augen auftun und mit Verstand sehen, von wo die Worte ausgegangen sind. Sie sollen ergründen, ob die Worte Barmherzigkeit und Demut verkündet haben. Sie sollten untersuchen, ob die Worte das Gegenwärtige oder Zukünftige verkündet haben, die Wahrheit oder Falschheit. Wenn sie finden, dass sie wahr sind, sollten sie mit göttlicher Liebe in ein Versteck fliehen, nämlich zu der wahren Demut, denn wenn die Gerechtigkeit kommt, dann wird die Seele vor Schreck vom Körper geschieden, und Feuer wird die Seele in sich einschließen, und die Seele wird innerlich und äußerlich brennen – brennen, aber nicht verzehrt werden. Deshalb rufe ich die Königin der Barmherzigkeit zu den Bewohnern der Welt, dass sie die Augen auftun und die Barmherzigkeit sehen.
Ich ermahne und bitte sie wie eine Mutter, rate ihnen wie eine Herrscherin. Wenn die Gerechtigkeit kommt, wird es nämlich unmöglich sein, noch Widerstand zu leisten. Seid daher fest im Glauben, betrachtet in eurem Gewissen die Wahrheit und ändert euren Willen; dann wird er, der Worte der Liebe gesprochen hat, auch Werke und Zeichen der Liebe zeigen.“

Dann sprach der Sohn zu mir und sagte: „Ich habe dir vorher betreffs der Bienen gezeigt, dass sie von ihrer Königin ein dreifaches Gut besitzen. Ich sage dir jetzt, dass die Kreuzfahrer, die ich an die Grenzen der christlichen Länder gestellt habe, solche Bienen sein sollen. Aber nun kämpfen diese gegen mich, denn die kümmern sich nicht um die Seelen, und erbarmen sich nicht über die Menschen, die sich vom Irrtum zum katholischen Glauben und zu mir zurückgekehrt sind. Sie belasten sie mit Arbeit, berauben sie der Sakramente und schicken sie so mit größerem Schmerz zur Hölle, als wenn sie in ihrem alten Heidentum geblieben wären. Ferner kämpfen sie nur, um ihre Hoffart auszubreiten und ihre Gewinnsucht zu erhöhen. Daher wird für sie die Zeit kommen, da ihre Zähne eingeschlagen werden, ihre rechte Hand verstümmelt wird und ihr rechter Fuß zerschnitten wird, damit sie leben und sich selbst kennenlernen können.“

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20. Kapitel

Christus klagt über die Sünden der Priesterschaft, der Ritterschaft (des Adels) und die der Allgemeinheit, aber deutet doch an, dass er noch manche Freunde in diesen drei Ständen hat. Auf diese setzt er noch seine Hoffnung, dass sie seinen Willen verwirklichen.

Es erschien eine große himmlische Heerschar, zu der der Herr (Christus) redete und sagte: „obwohl ihr alles in mir kennt und wisst, so will ich mich doch, weil es mir so gefällt, bei euch über die Dinge beklagen. Erstens, dass die so lieblichen Bienenkörbe, die von Ewigkeit gebaut waren und von denen unnütze Bienen ausgingen, jetzt leer sind.

Zweitens, dass die unermessliche Tiefe, denen weder Steine noch Bäume widerstehen können, ständig offen ist, so dass die Seele dort hinabsteigen, wie der Schnee vom Himmel auf die Erde fällt. Und wie der Schnee sich vor dem Angesicht der Sonne in Wasser auflöst, so lösen sich die Seelen von allem Guten, fallen schweren Strafen anheim und werden zu jeder Pein erneuert.

Drittens klage ich darüber, dass es nur so wenige sind, die darauf achten, dass die Plätze leer sind, von denen die bösen Engel abgefallen sind, und die auf den Abfall und die Verirrung der Seelen Acht geben. Darüber klage ich mit Recht.
Ich habe von Anfang an drei Männer ausgewählt. Darunter verstehe ich die dreifachen Stände auf der Welt. Erstens habe ich den Priester auserwählt, der meinen Willen mit seiner Stimme ausrufen und sie mit seinem Tun auch zeigen soll. Zweitens wählte ich den Verteidiger aus, der meine Freunde mit seinem Leben verteidigen und zu jeder Mühe um meinetwillen bereit sein soll. Drittens wählte ich den Arbeiter aus, der mit seinen Händen arbeiten und mit seiner Arbeit die Menschen ernähren soll.

Aber der erste, nämlich der Priester, ist jetzt aussätzig und stumm geworden, denn jeder, der beim Priester nach der Schönheit seiner Sitten und Tugend sucht, er weicht zurück, wird durch das, was er da sieht, verwirrt und fürchtet sich, wegen des Aussatzes seines Hochmuts und seiner Gier zu ihm zu kommen. Und der, der den Priester hören will, findet, dass er stumm ist, mich zu loben, aber redselig, wenn es um sein eigenes Lob geht.
Wie soll man dann den Weg finden, der zu dieser lieblichen Süße führt, wenn der, der vorangehen sollte, schwach und ohnmächtig ist, und der, der rufen sollte, stumm ist? Wie soll man da Kenntnis über diese himmlische Lieblichkeit erhalten? Der zweite, d.h. der Verteidiger, lebt im Herzen und hat leere Hände, denn er zittert vor den Schmähungen der Welt und vor dem Verlust seiner Ehre. Er hat leere Hände, denn er tut keine geistlichen Taten, sondern alles, was er tut, das tut er für die Welt.
Wer soll dann mein Volk verteidigen, wenn der, der das Haupt sein sollte, sich fürchtet? Der dritte ist wie ein Esel, der den Kopf hängen lässt und still auf seinen vier Füßen dasteht. Ja, das Volk ist in Wahrheit wie ein Esel, denn es begehrt nichts anderes als das Irdische; es vergisst das Himmlische und sucht das Vergängliche. Es hat gleichsam vier Füße, denn es hat nur einen geringen Glauben und eine leere Hoffnung, drittens keine guten Taten und viertens den vollkommenen Willen zur Sünde. Daher steht ihm der Mund stets zur Schwelgerei und zur Begierde offen. Seht, meine Freunde, wie kann die unermessliche Tiefe durch solche Leute vermindert werden, und wie kann die Honigwabe gefüllt werden?

Da antwortete Gottes Mutter: „Gesegnet seist du, mein Sohn! Deine Klage ist berechtigt. Ich und deine Freunde können dir für das Menschengeschlecht nichts anderes geben, als ein einziges Wort; durch das es erlöst werden kann, und das ist: „Erbarme dich, Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes!“ Das rufe ich, und das rufen deine Freunde.“
Der Sohn erwiderte: „Deine Worte sind in meinen Ohren lieblich, schmecken mir angenehm im Mund und dringen mit liebe in mein Herz. Ich habe einen Priester, einen Verteidiger und einen Bauern. Der erste ist lieblich wie die Braut, die der ehrenwerteste Bräutigam von ganzem Herzen mit göttlicher Liebe ersehnt. Seine Stimme soll wie die Stimme sein, die in den Wäldern durch Ruf und Rede als Echo widerhallt.

Der zweite soll bereit sein, sein Leben für mich hinzugeben, und soll die Schmähungen der Welt nicht fürchten. Ihn werde ich mit den Waffen des Heiligen Geistes bewaffnen. Der dritte soll einen so festen Glauben haben, dass er sagen kann: „Mein Glaube ist so fest, dass ich das, was ich glaube, gleichsam sehen kann, und ich hoffe auch auf alles, was Gott versprochen hat.“ Er soll den Willen haben, das Gute zu tun, im Guten fortzuschreiten und dem Bösen auszuweichen.
In den Mund des ersten dieser drei Männer will ich drei Worte legen, die er rufen soll. Erstens soll er rufen: „Wer Glauben hat, soll mit seiner Tat das tun, was er glaubt.“ Zweitens: „Der, dessen Hoffnung fest ist, soll in allem Guten standhaft sein.“ Drittens: „Wer vollkommen und innig liebt, soll eine brennende Sehnsucht haben, das sehen zu dürfen, was er liebt.“

Der zweite soll stark wie ein Löwe bei der Arbeit sein, gewissenhaft darin, Versuchungen auszuweichen, standhaft und beharrlich. Der dritte soll klug sein wie die Schlange, die auf dem Schwanz stehen und den Kopf zum Himmel heben kann. Diese Männer sollen meinen Willen voll erfüllen, und andere sollen ihnen folgen. Und wenn ich auch nur von dreien spreche, meine ich damit doch viele.“
Dann sprach er zur Braut (Birgitta) und sagte: „Steh standhaft fest, laß dich von der Welt oder von Schmähungen nicht betrüben, denn ich, der allen Schimpf und jede Schmähung hört, bin dein Gott und Herr.“

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21. Kapitel

Maria beschreibt Birgitta ihre Trauer bei der Abnahme Christi vom Kreuz. Dann erzählt sie von einem Mann – nicht näher angegeben – der nach einem schweren Seelenkampf Gott der Welt vorgezogen hat, und durch Birgitta gibt er diesem Mann den Rat zu einem gottesfürchtigen Leben.

Maria sagte: „Fünf Dinge solltest du bedenken, meine Tochter. Erstens, dass alle Glieder meines Sohnes im Tode erstarrten und erkalteten, und dass das Blut unter der Qual aus seinen Wunden trat und geronnen an allen seinen Gliedern klebte. Zweitens, dass er so bitter und unbarmherzig ins Herz gestochen wurde, dass der, der stach, nicht eher aufhörte, als bis der Speer die Rippen berührte und beide Teile des Herzens am Speer klebten.
Bedenke drittens, wie er vom Kreuz abgenommen wurde. Die beiden Männer, die ihn vom Kreuz abnahmen, gebrauchten drei Leitern, von denen eine bis zu den Füßen reichte, eine andere wurde unter den Schultern und Armen aufgestellt, und eine dritte reichte bis zur Mitte des Körpers.
Der erste Mann stieg hinauf und hielt ihn um die Taille. Der zweite stieg auf der anderen Leiter auf und zog erst den Nagel aus der einen Hand; dann drehte er die Leiter nach der anderen Seite und zog den Nagel aus der anderen Hand. Diese Nägel reichten weit über den Stamm des Kreuzes hinaus.
So stieg er, der die Last des Körpers hielt, sachte und vorsichtig herab, und der andere stieg auf die Leiter, die bis zu den Füßen reichte, und zog die Nägel aus den Füßen. Und als der Körper den Boden berührte, fasste einer von ihnen den Körper am Kopf, ein anderer an den Beinen, aber ich, der seine Mutter war, hielt ihn in der Mitte, und so trugen wir ihn zu einer Steinplatte, die von mir mit einem reinen Leinentuch überdeckt war.

Darin wickelte ich den Körper ein, aber ich nähte das Leinentuch nicht zusammen, da ich sicher wusste, dass er nicht im Grab verwesen würde. Dann kamen Maria Magdalena und andere heiligen Frauen, und so zahlreiche heiligen Engel, wie die Staubkörner ihrem Schöpfer Dienst erweisen wollten. Welche Trübsal ich empfand, kann niemand beschreiben. Ich war wie eine Frau, die eben ein Kind geboren hat, und deren Glieder alle nach der Entbindung zittern, und die sich, obwohl sie vor Schmerz kaum atmen kann, doch von Herzen freut, so viel sie kann, da sie weiß, dass das Kind, das sie geboren hat, nie mehr in dasselbe Elend zurückkehren wird, von dem es ausgegangen ist.
So war es auch mit mir: Obwohl ich über die Maßen betrübt über den Tod meines Sohnes war, freute ich mich doch in meiner Seele, weil ich wusste, dass er nun nicht mehr sterben, sondern in Ewigkeit leben würde, und so wurde meine Trauer mit etwas Freude vermischt. Ich kann ihn Wahrheit sagen, dass – als mein Sohn begraben war, gleichsam zwei Herzen in einem Grabe waren. Ist nicht gesagt, dass – wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz? So weilten meine Gedanken und mein Herz stets im Grabe meines Sohnes.“
Dann sagte die Mutter Gottes: „Ich will dir durch ein Gleichnis sagen, in welchem Zustand dieser Mann sich befand, und wie er jetzt beschaffen ist. Es ist so, als ob eine Jungfrau mit einem Mann verlobt ist, und vor ihr stünden zwei junge Männer, von denen der eine von der Jungfrau gerufen wurde und zu ihr sagt: „Ich rate dir, dass du ihm nicht glauben sollst, mit dem du verlobt bist, denn er ist hart in seinen Taten, säumig im Belohnen und gierig nach Geschenken. Glaube also lieber mir und den Worten, die ich dir sage. Ich werde dir einen anderen zeigen, der nicht hart ist, sondern in allem milde. Er gibt dir gleich, was du haben möchtest, ja er schenkt dir überreichlich, was dir genügt und die gefällt.“

Als die Jungfrau das hörte, dachte sie bei sich und antwortete: „Deine Worte sind lieblich anzuhören. Selbst bist du sanft und hübsch; ich glaube, es ist ratsam, deinen Worten zu folgen.“ Und als sie den Ring vom Finger nahm, um ihn dem Jüngling zu reichen, sieht sie im Ring eine Inschrift mit drei Sätzen. Der erste lautet: „Wenn du an die Spitze des Baumes kommst, sollst du dich vorsehen, dass du nicht einen vertrockneten Zweig als Stütze nimmst, denn dann kannst du fallen.“ Der andere lautet: „Hüte dich, dass du nicht einen Rat von einem Feind annimmst!“ Der dritte: „Leg nicht dein Herz zwischen die Zähne des Löwen!“
Als die Jungfrau dies sieht, zieht sie die Hand zurück, hält den Ring fest und denkt: „Diese drei Sätze, die ich sehe, bedeuten vielleicht, dass er, der mich zur Braut haben will, nicht treu ist. Mir scheint, als wären seine Worte eitel, und dass er voller Haß ist und mich töten will.
Und während sie das denkt, schaut sie wieder auf den Ring und sieht da eine andere Inschrift, die auch aus drei Sätzen besteht. Der erste lautet: „Gib ihm das, was er dir gab.“ Er andere: „Gig Blut für Blut.“ Der dritte: „Nimm dem Besitzer nicht fort, was sein eigen ist.“

Als die Jungfrau das sah und hörte, denkt sie bei sich wieder: „Die letzten drei Sätze lehren mich, wie ich vor dem Tode fliehen soll, die folgenden drei, wie ich das Leben behalten soll. Da ist es richtig, dass ich lieber den Worten des Lebens folge.“ So fasst die Jungfrau einen klugen Entschluß und ruft ihren Diener zu dem, der sich zuerst mit ihr verlobt hatte. Und als dieser sich nahte, entfernt sich der, der sie betrügen wollte.
So ist die Seele dieses Mannes. Sie ist mit ihrem Gott verlobt. Die beiden Jünglinge, die vor ihr standen, sind Freunde Gottes und Freunde der Welt. Freunde der Welt sind bisher diesem Mann nähergekommen, und sie haben mit ihm über Reichtümer und Ehre der Welt gesprochen. Er hat ihnen beinah den Ring seiner Liebe gereicht und wollte ihnen in allem gehorchen. Aber als die Gnade meines Sohnes ihm zu Hilfe kam, sah er eine Inschrift, d.h. er hörte Worte der Barmherzigkeit, und daraus begriff er drei Dinge. Erstens, dass er sich hüten soll, zu hoch hinauf zu steigen und sich auf vergängliche Dinge zu stützen, denn dann würde ihm ein umso größerer Fall drohen. Zweitens verstand er, dass es auf der Welt nichts anderes gibt, als Schmerz und Kummer. Drittens, dass die Belohnung des Teufels schlecht ist.
Dann sah er eine andere Inschrift, d.h. er hörte Gottes trostreiche Worte. Erstens, dass er das Seinige Gott schenken sollte, von dem er alles hat. Zweitens, dass er seine körperlichen Dienste dem geben soll, der sein Blut für ihn vergossen hat. Drittens, dass er seine Seele keinem anderen schenken sollte als Gott, der ihn geschaffen und erlöst hat. Wenn er das hört und genau bedenkt, gefällt er dem Diener Gottes und kommt ihm nahe, und der Diener der Welt rückt von ihm ab.

Aber nun ist seine Seele wie eine Jungfrau, die sich kürzlich aus den Armen ihres Bräutigams erhoben hat, und die drei Dinge braucht. Erstens schöne Kleider, so dass sie von den Dienern des Königs nicht verspottet wird, wenn ein Fehler in ihren Kleidern bemerkt wird. Zweitens muß sie tüchtig sein und dem Willen ihres Bräutigams gehorchen, so dass in ihren Handlungen nichts Unehrenhaftes entdeckt wird, und sich der Bräutigam ihretwegen schämen muß. Drittens soll sie so rein sein, dass der Bräutigam nicht einen einzigen Fleck bei ihr findet, wegen dem sie verachtet und verstoßen werden könnte.
Sodann sollte sie jemanden haben, der sie zum Bett ihres Bräutigams führt, so dass sie nicht verkehrt oder in den schweren Eingang geht. Aber der, der Brautführer ist, sollte zwei Dinge haben. Erstens sollte er von dem gesehen werden, der ihm folgt. Zweitens sollte das zu hören sein, was er sagt, und wohin er geht.
Aber die, die einem Vorausgehenden folgt, muß drei Dinge haben. Erstens sollte sie beim Nachfolgen nicht saumselig und träge sein. Zweitens soll sie sich nicht vor seinem Vorgänger verstecken. Drittens soll sie gewissenhaft auf die Fußspur des Vorausgehenden achten und ihm genau folgen. Damit ihre Seele zum Gemach des Bräutigams gelangen kann, ist es also notwendig, dass sie von einem Brautführer geleitet wird, der sie glücklich hin zu Gott, ihrem Bräutigam führt.“

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22. Kapitel

Maria schildert Birgitta die falsche und die wahre Weisheit, d.h. die Weltliebe und die Gottesliebe, und ermahnt sie, an der letzteren festzuhalten.

Maria sagte: „Es steht geschrieben, dass der, der weise sein will, Weisheit von einem Weisen lernen sollte.“ Daher sage ich dir in einem Gleichnis: Einer, der Weisheit lernen wollte, sah zwei Meister vor sich stehen, und er sagte zu ihnen: „Gern will ich Weisheit lernen, wenn ich nur wüsste, wohin sie mich führt, und welchen Nutzen und welches Ziel sie hat.“ Der eine Lehrer antwortete: „Wenn du meiner Weisheit folgen willst, wird sie dich auf den höchsten Berg führen, aber auf dem Wege wirst du harte Steine unter den Füßen spüren, und schwer und steil wird es beim Aufstieg werden.

Wenn du nach dieser Weisheit strebst, wirst du das gewinnen, was nach außen dunkel, aber inwendig strahlend klar ist. Wenn du sie festhältst, wirst du haben, was du willst. Sie läuft um dich herum wie ein Zirkel und zieht dich mehr und mehr, immer schöner und liebevoller zu sich, bis du eines Tages von allen Seiten von Freude durchflutet wirst.“
Der andere Meister sagte: „Wenn du meiner Weisheit folgst, wird sie dich in ein blühendes Tal hinabführen, reich an allen Früchten der Erde. Auf dem Wege ist es weich unter den Füßen, und wenig Mühe ist es beim Niedersteigen. Wenn du in dieser Weisheit beharrst, wirst du das besitzen, was nicht dauert, sondern bald ein Ende hat, und wenn das Buch zu Ende gelesen ist, wird sowohl das Buch wie auch das Gelesene zunichte werden, und du wirst leer zurückgelassen.“

Als er das hörte, dachte er: „Ich höre hier zwei seltsame Dinge. Wenn ich den Berg hinaufsteige, werden meine Füße müde und mein Rücken schwer. Wenn ich das gewinne, was nach außen dunkel ist – was soll mir das nützen? Und wenn ich nach etwas strebe, was kein Ende hat, wann soll ich da Erquickung finden? Der zweite Meister verspricht das, was äußerlich strahlend klar, aber nicht von Dauer ist, und sagt, dass die Weisheit mit dem Lesen ein Ende nimmt. Was habe ich für Nutzen davon, was nicht von Dauer ist?“

Als er so in seiner Seele überlegte, erschien plötzlich ein dritter Mann zwischen den beiden Meistern, und der sagte: „Wenn der Berg auch hoch und schwer zu besteigen ist, so gibt es doch eine lichte Wolke über dem Berge, und von der wirst du Kühlung empfangen. Wenn das, was man dir versprochen hat, nach außen dunkel ist, so kann das doch beseitigt werden, und dann wirst du das Gold gewinnen, das innen darin verborgen liegt und es mit ewiger Freude besitzen.
Diese beiden Meister bedeuten zwei Arten von Weisheit, nämlich die geistliche und fleischliche. Die geistliche besteht darin, den eigenen Willen Gott zu überantworten und mit ihrem ganzen Verlangen und ihrem Tun nach der himmlischen zu trachten. Man kann nämlich nicht von wirklicher Weisheit sprechen, wenn nicht die Tat mit den Worten übereinstimmt.

Diese Weisheit führt zum seligen Leben. Aber diese Weisheit ist ein steiniger Weg beim Vorwärtsschreiten und steil beim Aufstieg. Es scheint nämlich hart und „steinig“, seinen Begierden zu widerstehen, und es ist schwer, auf gewohnte Genüsse zu verzichten und nicht die Ehrung der Welt zu lieben. Aber obwohl das so schwer ist, soll doch ein jeder bedenken, dass die Zeit kurz und die Welt vergänglich ist. Und wer sein Verlangen stets auf Gott richtet, darf die Wolke über dem Berg sehen, nämlich den Trost des Heiligen Geistes.

Wer keinen anderen Tröster sucht als Gott, wird dieses Trostes würdig sein. Wie hätten alle Auserwählten Gottes sonst so schwere und bittere Dinge begonnen, wenn nicht Gottes Geist mit dem guten Willen des Menschen wie mit einem guten Werkzeug zusammengearbeitet hätte?
Der gute Wille führte diesen Geist zu ihnen; die göttliche Liebe, die sie zu Gott hatten, hat ihn eingeladen, denn sie arbeiteten mit ihrem Willen und Begehren, bis sie stark an Taten wurden. Aber als sie den Trost des Geistes gewonnen hatten, erhielten sie auch gleich das Gold der göttlichen Freude und Liebe, womit sie nicht nur viele Widerstände ertrugen, sondern sich auch freuten, sie zu ertragen – mit dem Gedanken an Belohnung.
Diese Freude scheint den Liebhabern der Welt dunkel, denn diese lieben das Dunkel, aber für die, die Gott lieben, ist sie heller als die Sonne und strahlend klarer als das Gold. Denn sie durchdringen das Dunkel der Sünden und steigen auf zum Berge der Geduld, wobei sie die Wolke des Trostes betrachten, die kein Ende nehmen wird, sondern die in dieser Welt beginnt und wie ein Zirkel umläuft, bis sie zur Vollendung kommt.
Die Weisheit der Welt dagegen führt ins Tal des Elends, das durch seinen Reichtum an Dingen blühend erscheint, schön durch die Ehre, die es bietet, weich durch seine Wollust. Diese Weisheit nimmt schnell ein Ende und hat keinen anderen Nutzen außer dem Wenigen, das man vorübergehend sah und hörte.

Also, meine Tochter, suche Weisheit bei dem Weisen, d.h. bei meinem Sohn. Er ist gewiß die Weisheit, von der alle Weisheit stammt, und der Zirkel, der nie endet. Ich rufe zu dir wie eine Mutter zu ihrem Sohn: Habe die Weisheit lieb, die inwendig wie Gold und nach außen verächtlich ist; inwendig glühend vor Liebe, aber nach außen hin mühsam und doch fruchtbar an Taten ist, und wenn du über deine Bürde betrübt bist, wird Gottes Geist dein Tröster sein.

Geh deshalb voran und streng dich an – wie der Mann, der weitermacht, bis er sich an die Arbeit gewöhnt hat, und gehe nicht zurück, bis du die Spitze des Berges erreicht hast. Nichts ist nämlich so schwer, dass es nicht durch eine stetige und vernünftige Fortsetzung leicht wird, und nichts ist beim Beginn eines Unternehmens so ehrenwert, dass es nicht durch die Unvollkommenheit des Abschlusses verdunkelt würde.
Schreite also zu der geistlichen Weisheit voran; sie wird dich zu körperlichen Mühen, zu Weltverachtung, vorübergehender Trübsal und ewigem Trost hinführen. Die Weisheit der Welt dagegen ist trügerisch und stechend; sie führt dich nur zum Sammeln zeitlicher Dinge und zur Ehre im jetzigen Leben, aber zuletzt zu äußerstem Elend, wenn man sich nicht genau in Acht nimmt und sich vorsieht.“

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23. Kapitel

Maria stellt Birgitta und allen anderen ihre Demut als mahnendes Beispiel hin.

Viele möchten wissen, warum ich mit dir spreche. Sicher deshalb, dass meine Demut offenbar werde. Denn wie das Herz sich nicht über ein krankes Glied im Körper freut, bevor es die Gesundheit nicht wiedererlangt hat und sich noch mehr freut, nachdem es wieder hergestellt ist, so bin ich, wenn ein Mensch sündigt, aber sich von ganzem Herzen und mit wahrer Besserung zu mir zurückkehrt, gleich bereit, den Zurückgekehrten zu empfangen, und ich achte nicht darauf, wie viel er gesündigt hat, sondern auf die Absicht und den Willen, den er hat, wenn er zurückkehrt.

Ich werde von allen „Mutter der Barmherzigkeit“ genannt. In Wahrheit, meine Tochter, hat mich die Barmherzigkeit meines Sohnes barmherzig gemacht, und sein Erbarmen, das ich sah, hat mich mitleidig gemacht. Deshalb wird der unglücklich werden, der sich nicht an die Barmherzigkeit wendet, solange er kann. Komm also, du meine Tochter, und birg dich unter meinem Mantel. Der ist nach außen hin verächtlich, aber inwendig aus drei Gründen nützlich. Erstens schützt er gegen stürmisches Wetter. Zweitens schützt er vor der schneidenden Kälte. Drittens hält er den Regen ab.
Dieser Mantel ist meine Demut. Er scheint für die, die die Welt lieben, verächtlich, und sie halten es für Torheit, ihm zu folgen. Aber was ist verächtlicher, närrisch genannt zu werden und nicht wütend zu sein oder auf eine Rede zu antworten? Was ist schmählicher, als alles Fortzugeben und dann an allem Mangel zu leiden? Was ist unter den Weltmenschen schmerzhafter, als ein zugefügtes Unrecht zu übersehen und sich für unwürdiger zu halten, als alle anderen?

So, meine Tochter, war meine Demut; das war meine Freude und mein ganzer Wille, denn ich dachte nicht daran, jemand anderes zu gefallen als meinem Sohn, und diese Demut hilft denen, die mir folgen, auf dreifache Weise. Erstens gegen Krankheiterregendes und stürmisches Wetter, d.h. gegen Schimpfen und mangelnde Achtung der Menschen.
Denn wie stürmisches und hartes Wetter den Menschen von allen Seiten bedrängt und umwirft und ihn abkühlt, so werfen Schmähungen leicht einen Menschen nieder, der ungeduldig ist und nicht auf die Zukunft achtet, und treiben die Liebe aus seiner Seele fort. Wer aber fleißig auf meine Demut achtet und alles bedenkt, was ich, die Frau von allen, zu hören bekam, der sollte meinen Lobpreis und nicht den seinen suchen. Er sollte bedenken, dass Worte nichts anderes sind als Luft, und da wird er schnell Erquickung finden.

Denn warum sind Weltmenschen so ungeduldig bei Worten und Schmähungen, wenn nicht deshalb, weil sie mehr ihr eigenes als Gottes Lob suchen, und sich keine Demut bei ihnen findet? Ihre Augen sind ja blind für ihre Sünden. Obwohl die geschriebene Gerechtigkeit sagt, dass man auf Schimpfworte nicht hören oder sie ohne Grund ertragen soll, ist es tugendhaft und lobenswert, Gott zuliebe ein zugefügtes Unrecht geduldig anzuhören und zu ertragen.
Zweitens schützt meine Demut gegen schneidende Kälte, d.h. gegen weltliche Freundschaft. Es gibt nämlich eine Freundschaft, mit der der Mensch um dieser zeitlichen Dinge willen geliebt wird, so wie die, die so reden: „Mach du mich satt, so will ich dich in diesem Leben sättigen, denn ich kümmere mich nicht darum, wer dich nach dem Tode Sattmachen wird. Ehre du mich, so will ich dich ehren, denn es berührt mich wenig, welche Ehre in der Zukunft kommen wird.“ Eine solche Freundschaft ist kalt und ohne Gottes Wärme, hart wie gefrorener Schnee, wenn es darum geht, den bedürftigen Mitmenschen zu lieben und Mitleid mit ihm zu haben, und unfruchtbar an Lohn. Denn wenn sich die Gesellschaft auflöst und die Tafel aufgehoben wird, da ist gleich der Nutzen aller Freundschaft zu Ende, und ihre Frucht ist leer. Wer aber meiner Demut folgt, der tut allen Gott zuliebe Gutes, sowohl Feinden als auch Freunden; seinen Freunden, weil sie treu an Gottes Ehre festhalten, seinen Feinden, weil sie Gottes Geschöpfe sind und vielleicht auch gut werden.
Drittens schützt das Betrachten meiner Demut gegen Regenschauer und Unreinheit im Wasser, das aus den Wolken kommt. Denn die Wolke entsteht aus der Feuchtigkeit und den Dünsten, die aus der Erde austreten, die mit der Wärme zum Himmel aufsteigen und sich dort oben verdichten, und aus der Wolke, die so entsteht, gehen drei Dinge hervor: Regen, Hagel und Schnee. Diese Wolke ist Sinnbild für den Leib des Menschen, der aus Unreinheit hervorgeht.

So wie die Wolke besitzt der Körper drei Dinge. Er kann nämlich hören, sehen und fühlen. Daraus, dass der Körper sehen kann, hat zur Folge, dass er auch begehrt, was er da sieht: Güter, schöne Gesichter und ausgedehnte Besitzungen. Was ist das alles, als wie Regen, der aus den Wolken strömt? Das Begehren, zu sammeln, befleckt die Seele, versetzt sie durch Kummer in Unruhe, lenkt sie durch unnütze Gedanken ab und beunruhigt sie, dass sie das Gesammelte wieder verliert.
Daraus, dass der Körper hören kann, folgt natürlich, dass er sein eigenes Lob und die Freundschaft der Welt hört. Er hört all das, was angenehm und nützlich für den Leib ist, aber schädlich für die Seele. Was ist dies alles, wenn nicht wie Schnee, der schnell wieder schmilzt? Er macht die Seele kalt für Gott und verhärtet gegen Demut.

Daraus, dass der Körper fühlen kann, folgt, dass er gern seine eigene Lust und Bequemlichkeit spürt. Was ist dies anderes, als wie Hagel, der aus dem unreinen Wasser zusammengefroren ist? Das macht die Seele unfruchtbar für das Geistliche, stark für das Weltliche und nachgiebig, wenn es die Genüsse des Körpers gilt. Daher sollte ein jeder, der sich vor dieser Wolke schützen möchte, zu meiner Demut fliehen und ihr nacheifern. Denn durch sie wird er gegen das Verlangen des Sehen geschützt, so dass er sich nicht danach sehnt, was unzulässig ist; er wird gegen die Lust des Hörens verteidigt, so dass er nichts hört, was wahrheitswidrig ist; er wird gegen die Wollust des Fleisches verteidigt, so dass er nicht in Versuchung zu unerlaubten Dingen fällt.

Ich sage dir in Wahrheit, dass dies Betrachtung meiner Demut wie ein guter Mantel ist, der die wärmt, die ihn tragen, nämlich die, die ihn nicht allein in Gedanken tragen, sondern auch mit der Tat. Der Mantel des Körpers wärmt ja nicht wenn er nicht getragen wird, und meine Demut nützt auch denen nichts die nur daran denken, sondern nur dem, der nach seinem geringen Vermögen versucht, ihr nachzueifern.

Daher sollst du, meine Tochter, dich mit all deinen Kräften mit dieser Demut kleiden. Die Frauen der Welt tragen Mäntel, die nach außen Hoffart zeige, aber inwendig wenig Nutzen. Vermeide diese Kleider ganz und gar, denn wenn die frühere Liebe zur Welt für dich nicht verblasst, wenn du nicht beständig an Gottes Barmherzigkeit gegen dich und an deine Undankbarkeit ihm gegenüber denkst, wenn du nicht stets daran denkst, was du getan hast und was du tust, und welches Urteil du dafür verdienst, so kannst du dir den Mantel meiner Demut nicht aneignen. Denn warum habe ich mich so sehr gedemütigt, und warum verdiente ich eine so große Gnade, wenn nicht deshalb, weil ich dachte und wusste, dass ich von mir selbst aus garnichts war oder hatte? Deshalb wollte ich auch nichts von meinem eigenen Ruhm wissen, sondern nur von dem des Gebers und Schöpfers. Fliehe daher, meine Tochter, unter den Mantel meiner Demut, und denke, dass du sündiger als alle anderen bist. Denn auch wenn du manche Böse siehst, so weißt du ja nicht, was noch aus ihnen werden wird, oder in welcher Absicht oder mit welchem Wissen sie dies tun, ob es nur aus Schwachheit oder mit festem Vorsatz geschieht. Halte dich also nicht für besser als andere und verurteile andere nicht in deinem Herzen.

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24. Kapitel

Christus deutet die verschiedene Art der Menschen an, auf seine Worte zu reagieren. Er gibt Birgitta eine Lehre, die in den beiden folgenden Kapiteln weiter entwickelt wird.

Maria sprach: „Stell dir vor, dass es eine große Volksmenge gibt, und dass jemand in ihre Nähe geht, auf Rücken und Armen schwer von einer großen Bürde belastet und die Augen voller Tränen, und dass er so den Blick auf die Volksmenge wirft, um zu sehen, ob sich möglicherweise jemand um ihn kümmern und seine Last erleichtern könnte. So war ich, denn ich wurde von der Geburt meines Sohnes an bis zu seinem Tod von Trübsal heimgesucht.

Ich trug die größte Last auf meinem Rücken, indem ich ständig mit frommer Arbeit beschäftigt war und geduldig alles trug, was mir passierte. Ich musste eine schwere Last auf meinen Armen tragen, denn ich litt mehr Trübsal und Herzensqual, als irgendein anderes geschaffenes Wesen. Meine Augen waren voll Tränen, als ich die Glieder meines Sohnes betrachtete, die in Zukunft einmal gepeinigt und von Nägeln durchbohrt werden würden, und ebenso, als ich all das für ihn in Erfüllung gehen sah, was ich von den Propheten hatte sagen hören.
Aber nun werfe ich den Blick auf alle, die auf Erden sind, um zu sehen, ob es vielleicht einige gibt, die Mitleid mit mir haben und meinen Schmerz bedenken, aber ich finde nur sehr wenige, die an meine Trübsal und meinen Schmerz denken. Deshalb sollst du, meine Tochter, obwohl ich von vielen vergessen bin, mich doch nicht vergessen, sondern meinen Schmerz ansehen und mir nachstreben, so viel du kannst. Betrachte meine Qual und meine Tränen, und sei traurig darüber, dass Gottes Freunde so wenige sind. Steh stark; sieh, mein Sohn kommt!“
Und er kam sogleich und sagte: „Ich, der mit dir spricht, bin dein Gott und Herr. Meine Worte sind gleichsam Blüten eines guten Baumes, und wenn auch alle Blüten aus ein und derselben Baumwurzel kommen, entwickeln sie sich doch nicht alle zur Frucht. Sie sind meine Worte wie Blüten, die aus der Wurzel der göttlichen Liebe stammen. Viele nehmen sie entgegen, aber sie tragen keine Frucht bei allen und reifen nicht bei allen. Denn manche nehmen sie für eine Zeitlang an, aber werfen sie dann fort, weil sie meinem Geist gegenüber undankbar sind. Andere nehmen sie an und bewahren sie auf, da diese Menschen voller Liebe sind, und bei ihnen bringen sie Früchte göttlichen und heiligen Wandels.

Aber du, meine Braut, da du mit göttlichem Recht mein geworden bist, solltest drei Häuser haben. Im ersten muß es die notwendigen Dinge geben, die dem Körper zur Nahrung dienen. Im zweiten die Kleider die den Körper äußerlich bedecken. Im dritten die nötigen Geräte zum Nutzen des Hauses.
Im ersten sollte es drei Dinge geben, nämlich Brot, Trank und Zukost. Im zweiten sollte es auch drei Dinge geben, nämlich Kleider aus Leinen, Wolle und dem Tun der Seidenraupen. Im dritten soll es auch drei Dinge geben: Geräte und Gefäße, die mit Flüssigkeit gefüllt sind, lebende Werkzeuge, mit denen lebende Wesen transportiert werde – nämlich Pferde, Esel und dergleichen Tiere, sowie Fahrzeuge, die durch lebende Wesen in Bewegung gesetzt werden.“

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25. Kapitel

Christus schärft Birgitta (und durch sie allen seinen Auserwählten) die Notwendigkeit des guten Willens, das gottesfürchtige Erwägen vor einer Durchführung von Handlungen sowie die göttliche Weisheit ein, d.h. das Bewusstsein der Unausweichlichkeit des Todes und Gerichts.

Ich, der jetzt mit dir spricht, bin der Schöpfer aller Dinge und von niemandem geschaffen. Vor mir war nichts, und nach mir kann auch nichts sein, denn ich war immer da und bin es immer. Ich bin ebenfalls der Herr, dessen Macht niemand wiederstehen kann, und von dem alle Macht und alle Herrschaft stammt. Ich spreche mit dir, wie ein Mann zu seiner Frau sagt: Meine Frau, wir müssten drei Häuser haben. Im ersten Hause muß sich Brot, Getränke und Zukost befinden.

Aber nun kannst du fragen, was dieses Brot bedeutet. Ich meine nicht das Brot, das auf dem Altar ist; das ist gewiß Brot, ehe die Worte Hoc est corpus meum darüber ausgesprochen sind, aber wenn diese Worte gesprochen sind, ist es kein Brot mehr, sondern mein Leib, den ich von der Jungfrau annahm, und der wirklich and Kreuz genagelt wurde. Diese Brot meine ich hier nicht, sondern das Brot, das wir in unserem Hause sammeln müssen, ist der gute und ehrliche Wille.

Wenn das vergängliche Brot rein und unverfälscht ist, hat es zwei gute Eigenschaften. Erstens stärkt es und gibt allen Adern und Sehnen Kraft. Zweitens zieht es alle Unreinheit des Inneren an sich und entfernt sich damit aus dem Körper, so dass der Mensch gereinigt wird. So ist es mit dem reinen Willen. Erstens gibt er kraft. Denn wenn der Mensch nichts anderes will als das, was mit Gott zu tun hat, nichts anderes arbeitet als zu Gottes Ehre, und mit seinem ganzen Begehren danach trachtet, sich von der Welt zurückzuziehen und mit Gott vereint zu sein, so bestärkt dieser Wille den Menschen im Guten, erhöht seine Gottesliebe, macht, dass die Welt ihren Wert für ihn verliert, stärkt seine Geduld und befestigt ihn in der Hoffnung die ewige Ehre zu gewinnen, so dass er sich mit Freuden in alles findet, was ihm zustößt.
Zweitens nimmt der gute Wille alle Unreinheit fort. Was ist die Unreinheit, die der Seele schadet, wenn nicht der Hochmut, Gewinnsucht und Geilheit? Aber wenn die Unreinheit des Hochmuts oder einer anderen Sünde dem Menschen in den Sinn kommt, so weicht sie doch, wenn der Mensch so denkt: „Hochmut ist eitel, denn es gehört sich nicht, dass der Empfänger für die guten Gaben gerühmt wird, sondern der Geber.
Gewinnsucht ist vergänglich, denn alles Irdische vergeht. Geilheit ist nichts anderes als Gestank; deshalb will ich sie nicht haben, sondern den Willen meines Gottes befolgen, dessen Belohnung niemals endet, und dessen Gut auch niemals altert.“ Dann wird die Versuchung alles Hochmuts und der Gewinnlust weichen, und der gute Wille im Guten verharren.

Das Getränkt, das wir in unserem Häusern haben sollten, ist das Überwiegen der Gottesfurcht bei allem, was zu tun ist. Der zeitliche Trank hat zwei gute Eigenschaften. Erstens bewirkt er eine gute Verdauung. Denn wenn sich jemand vornimmt, etwas Gutes zu tun und vorher überlegt und genau abwägt, welche Ehre Gott davon erhalten soll, welchen Nutzen es für den Nächsten und welchen Gewinn für die Seele es haben wird, und das nicht tun will, sofern er nicht einsieht, dass sein Werk einen göttlichen Nutzen haben wird, so wird dieses Werk guten Erfolg haben, wie eine gute Verdauung.
Und dann sieht er auch bald ein, wenn etwas Unkluges bei dem Werk eintreffen könnte, was getan werden soll, da rückt er das gleich zurecht, wenn er etwas Dummes dabei sieht, und sein Werk wird dann auch richtig, vernünftig und erbaulich für die Menschen. Denn wenn jemand bei seinem Tun keine gottesfürchtige Überlegung hat und nicht den Nutzen und Gottes Ehre sucht, so wird seine Arbeit, auch wenn sie eine Zeitlang Erfolg hat, doch zuletzt zunichte werden, sofern die Absicht nicht berichtigt wird.

Zweitens löscht ein Getränk den Durst. Welcher Durst ist aber schlimmer, als die Sünde der bösen Lust und des Zornes? Wenn der Mensch bedenkt, welcher Nutzen daraus entsteht und wie elend das Ganze endet, aber welchen Lohn er empfangen wird, wenn er widersteht, so wird dieser böse Durst doch gleich durch Gottes Gnade ausgelöscht; der Mensch vernimmt die Wärme der göttlichen Liebe und des guten Verlangens, und Freude entsteht darüber, dass er das nicht getan hat, was ihm in den Sinn kam. Er erforscht, wie er sich in Zukunft vor den Dingen in Acht nehmen kann, durch die er hätte zu Fall kommen können, sofern ihm nicht das Nachdenken hilft, und er wird immer genauer, wenn es gilt, sich vor so etwas in Acht zu nehmen. Dies, meine Braut, ist das Getränk, das in unserem Speiseschrank gesammelt werden sollte.
Drittens muß es da auch Zukost geben. Erstens gibt es einen besseren Geschmack im Mund, und der Körper erhält größeren Nutzen, als wenn das Brot allein da wäre. Zweitens schenkte es einen größeren Genuß und besseres Blut, als wenn das Brot und das Getränk allein da wäre. So ist es auch mit der geistlichen Zukost. Was ist diese Zukost? Gewiß die göttliche Weisheit. Denn wenn einer den guten Willen hat, nichts anderes will als das, was mit Gott zu tun hat, und gottesfürchtig überlegt, so dass er nichts tut, wenn er nicht zuerst weiß, dass es zu Gottes Ehre dient, so schmeckt die Weisheit ihm sehr gut.

Nun kannst du fragen, was göttliche Weisheit ist. Viele sind ja einfältig und können nur ihr „Vater unser“, und das kaum richtig. Andere haben große Bücherbildung und tiefsinniges Wissen; ob das nicht die göttliche Weisheit ist? Keineswegs. Göttliche Weisheit liegt nämlich nicht besonders in Bücherbildung, sondern im Herzen und im guten Lebenswandel.
Wer fleißig den Weg zum Tod bedenkt, wie dieser Tod ist und das Gericht nach dem Tode, der ist weise. Wer das eitle Wesen und den Überfluß der Welt verwirft, sich mit dem begnügt, was notwendig ist und für Gottes Ehre arbeitet, so viel er kann, der ist die Zukost der Weisheit, mit deren Hilfe der gute Wille und das gottesfürchtige Überlegen besser schmeckt.
Denn wenn der Mensch an den Tod und an die Nacktheit des Todes denkt, wenn er Gottes schreckliches Gericht bedenkt, wo nichts verborgen und nichts ungestraft gelassen wird, und wenn er die Ungeständigkeit und Eitelkeit der Welt überdenkt, wird er sich da nicht freuen und einen lieblichen Geschmack im Herzen darüber empfinden, dass er seinen Willen Gott überlassen und sich von Sünden ferngehalten hat? Wird nicht das Fleisch gestärkt und das Blut verbessert werden, d.h. alle seelische Schwachheit, Trägheit und lose Sitten – vertrieben und das Blut der göttlichen Liebe erneuert werden?

Denn dann bedenkt der Mensch doch, dass es vernünftiger ist, das zu lieben, was ewig ist, als das, was vergänglich ist. Also liegt göttliche Weisheit nicht so sehr in Büchergelehrsamkeit, sondern in guten Werken. Viele sind nämlich weise, wenn es um die Welt und ihr eigenes Begehren geht, aber ganz unklug, wenn es Gottes Gebot und Willen und das Zügeln ihres Leibes geht. Diese sind nicht weise, sondern unklug und blind, denn sie kennen nur das, was vergänglich und vorübergehend nützlich ist, aber sie verachten und vergessen das Ewige.
Andere sind unklug, wenn es darum geht, die Genüsse der Welt und ihre Ehre zu suchen, aber weise sind die, die betrachten, was von Gott ist, und in seinem Dienst brennen. Diese sind in Wahrheit weise, denn Gottes Gebot und Willen schmecken ihnen. Sie sind in Wahrheit erleuchtet und haben offene Augen, denn sie denken stets daran, wie sie zum wahren Leben und zum wahren Licht gelangen werden.

Die anderen dagegen wandern im Dunklen, denn es scheint ihnen angenehmer, im Dunkel zu sein, als den Weg zu suchen, auf dem sie zum Licht gelangen können. Laß uns deshalb, meine Braut, in unseren Häusern diese drei Dinge sammeln, nämlich den guten Willen, das gottesfürchtige Überlegen und die göttliche Weisheit. Dies ist es nämlich, über das man sich freuen sollte. Wenn ich dich auch ermahne, bezeichne ich doch in dir meine Auserwählten auf der Welt, denn die Seele des Gerechten ist meine Braut, und ich bin ihr Schöpfer und Erlöser.“

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26. Kapitel

Maria stellt den hl. Laurentius[1] als Vorbild hin und ermahnt Birgitta, so wie dieser der Welt zu entsagen und alles um Christi willen zu ertragen. Christus setzt danach seine begonnene Ermahnungsrede an Birgitta fort und ermahnt sie, ihren Willen dem Willen Gottes anzupassen und in Eintracht mit ihrem Nächsten zu leben, Werke der Barmherzigkeit zu üben und ein armes und entsagungsreiches Leben zu Führen.

Maria sagte: „Befestige den Brustschmuck des Leidens meines Sohnes auf dir, so wie der hl. Laurentius es tat. Er dachte nämlich so in seinem Sinn: „Mein Gott ist mein Herr, und ich bin sein Diener. Der Herr Jesus Christus wurde seiner Kleider beraubt und verspottet – wie würde es dann passen, dass ich, sein Diener, auf üppige Art gekleidet wäre? Er wurde gegeißelt und ans Holz genagelt – es gehört sich also nicht, dass ich, der sein Diener ist (wenn ich nun wirklich sein Diener bin), ohne Plage und Trübsal bin.

Als er (Laurentius) über der Glut ausgestreckt wurde, als das schmelzende Fett ins Feuer tropfte und das Feuer alle seine Glieder anzündete, erhob er die Augen zum Himmel und sagte: „Gesegnet seist du, mein Gott und mein Schöpfer, Jesus Christus! Ich spüre, dass ich in meinen Lebenstagen nicht gut gelebt habe, und ich sehe ein, dass ich wenig für deine Ehre getan habe. Aber da deine Barmherzigkeit so groß ist, bitte ich dich, dass du nach deiner Barmherzigkeit an mir handelst.“ Und mit diesen Worten wurde die Seele vom Körper getrennt.
Sieh, meine Tochter: Er, der meinen Sohn so innig liebte und zu seiner Ehre so viel erduldete, hielt sich dennoch für unwürdig, das Himmelreich zu gewinnen! Wie könnten dann die, die nach seinem Willen leben, dessen würdig sein? Betrachte daher ständig das Leiden meines Sohnes und seiner Heiligen! Denn sie litten dies alles nicht ohne Grund, sondern um anderen ein Beispiel zu geben, wie man leben soll, und um zu zeigen, welch schwere Strafen mein Sohn den Sündern auferlegt, er, der nicht will, dass keine einzige Sünde ohne Buße bleibt.

Dann kam der Sohn, redete und sprach zur Braut: „Ich sagte dir vorher, was es in unserem Häusern geben soll. Unter anderen Dingen muß es da Kleider von dreifacher Art geben. Erstens Leinenkleider, die von der Erden stammen und dort gewachsen sind. Ferner Felle, die von den Tieren stammen. Drittens Seide, die von den Seidenraupen kommt.
Das Leinen-Kleid hat zwei gute Eigenschaften. Erstens ist es weich und behaglich für den nackten Körper. Zweitens verliert es nicht seine Farbe, sondern je öfter es gewaschen wird, desto sauberer wird es. Die andere Kleidersorte, nämlich Fell, hat auch zwei Eigenschaften. Erstens bedeckt es die Bloße, zweitens wärmt es gegen die Kälte. Die dritte Kleidersorte, nämlich Seide, hat auch zwei Eigenschaften. Erstens sieht sie sehr hübsch und fein aus, zweitens ist sie sehr teuer zu kaufen.

Das Leinenkleid, das geeignet ist, ganz nah am Körper getragen zu werden, bezeichnet Frieden und Eintracht. Das soll die fromme Seele mit ihrem Gott haben: sie soll Frieden mit ihrem Gott haben, soll nichts anderes wollen, als was Gott will, und ihn nicht durch ihre Sünden reizen, denn es herrscht kein Frieden zwischen Gott und Seele, wenn sie nicht vor der Sünde flieht und das böse Begehren nicht gezügelt wird.
Sie muß auch Frieden mit ihrem Nächsten haben, d.h. ihm nichts Böses zufügen, sondern ihm helfen, wenn sie kann, und ihm verzeihen, wenn er ihr Unrecht getan hat. Denn was beunruhigt und quält die Seele schlimmer, als immer Begierde nach Sünde zu haben und nie davon genug zu bekommen, immer danach zu begehren und niemals satt zu werden? Und was sticht die Seele bitterer, als dem Höchsten zu zürnen und ihn um seine Güter zu beneiden? Daher soll die Seele mit Gott und dem Nächsten Frieden haben, denn nichts kann mehr beruhigen, als der Sünde aus dem Weg zu gehen und sich um weltliche Dinge nicht zu kümmern. Nichts ist auch angenehmer, als sich über das Gut des Nächsten zu freuen, und ihm dasselbe zu wünschen, wie sich selbst.
Dieses Leinenkleid sollte ganz nah am Körper getragen werden, denn dem Herzen, in dem Gott ruhen will, ist der Friede näher als andere Tugenden, und dort sollte er zuerst wohnen. Dieser Frieden kommt ebenso wie das Linnen aus der Erde und ist da gewachsen, denn der wahre Friede und die Geduld entsteht durch das Betrachten der eigenen Schwachheit. Der Mensch, der von der Erde stammt, möge also seine eigene Schwachheit betrachten; er gerät gleich in Zorn, wenn er beleidigt wird, und ist gleich betrübt, wenn er irgendeinen Schaden leidet. Wenn er das bedenkt, wird er einem anderen nichts antun, was er selbst nicht dulden kann, und er wird bei sich selber denken: „So wie ich, ist auch mein Nächster schwach; so wie ich so etwas nicht dulden will, so kann er es auch nicht.“

Da verliert der Frieden seine Farbe nicht, d.h. seine Haltbarkeit, sondern wird umso wahrhaftiger, denn wenn der Mensch die Schwachheit des Nächsten in sich selbst betrachtet, macht ihn das bereit, zugefügtes Unrecht zu ertragen. Aber wenn der Friede irgendwie durch Ungeduld getrübt wird, so wird er bei Gott umso heller, je öfter und je schneller er durch Reue und Buße reingewaschen wird. Und der Mensch wird auch froher und behutsamer etwas zu ertragen, je öfter er sich reinwäscht, nachdem er verbittert war, denn er freut sich ja auf die Belohnung, die er für seine Friedfertigkeit zu erlangen hofft, und nimmt sich umso gewissenhafter in Acht, dass er nicht durch Ungeduld zu Fall kommt.
Das andere Kleidungsstück, nämlich das Fell, bezeichnet Werke der Barmherzigkeit. Fallkleider werden aus dem Fell von toten Tieren hergestellt. Wer sind diese Tiere anderes, wenn nicht meine Heiligen, die einfältig wie Tiere sind? Mit ihrem Fellkleid müssten die Seelen bedeckt werden, d.h. sie sollten ihren Werken der Barmherzigkeit nacheifern und sie tun.

Diese Felle tun zwei gute Dinge. Erstens bedecken sie die Blöße der sündigen Seele und machen sie rein, so dass sie mir nicht befleckt vor Augen treten kann. Zweitens schützt sie die Seele vor Kälte. Was ist die Kälte der Seele anderes, wenn nicht die Verhärtung der Seele gegen meine Liebe? Gegen diese Kälte taugen Werke der Barmherzigkeit, die die Seele bekleiden, so dass sie nicht vor Kälte vergeht. Durch sie besucht nämlich Gott die Seele, und sie kommt Gott beständig näher.
Das dritte Kleid, nämlich die Seide, die von Seidenraupen hergestellt wird und sehr teuer zu kaufen ist, bezeichnet die reine Enthaltsamkeit. Die ist nämlich in den Augen Gottes, der Engel und der Menschen schön. Sie ist auch teuer zu erkaufen, denn es scheint dem Menschen schwer, seinen Mund von vielem und unnütz gem Reden zu enthalten. Es erscheint ihm schwer, das Begehren seines Fleisches nach unmäßigem Überfluß und von Üppigkeit zu zügeln, und es erscheint ihm schwer, gegen seinen eigenen Willen anzugehen. Aber wenn das auch schwer ist, ist es doch überaus nützlich und schön.

Deshalb, meine Braut – mit dir meine ich alle Gläubigen – laß uns im anderen Hause Frieden mit Gott und dem Nächsten sammeln, Werke der Barmherzigkeit, die darin bestehen, mit den Elenden Mitleid zu haben und ihnen beizustehen, und Enthaltsamkeit von Begierden, was – obwohl sie wertvoller als andere Ding ist – auch schöner ist, ja so schön, dass keine andere Tugend ohne sie schön zu sein scheint. Diese Enthaltsamkeit soll man von den Raupen abgucken, d.h. durch das Bedenken seiner Sünden gegen mich, ihren Gott, gegen meine Demut und Enthaltsamkeit, ich, der ich um des Menschen willen bleich wie eine Raupe wurde.

Der Mensch sollte nämlich in seiner Seele bedenken, wie und wie oft er gegen mich gesündigt hat, und in welcher Weise er sich gebessert hat – und dabei soll er entdecken, dass er mit keiner Enthaltsamkeit und keine Mühe das ausreichend bessern kann, was er mir so oft angetan hat. Er sollte auch meine Pein und die meiner Heiligen bedenken, wozu wir dies alles ertragen haben, und er möge wahrhaftig verstehen, dass, wenn ich so schwere Dinge von mir und meinen Heiligen verlange, die mir gehorsam waren, eine umso schwerere Strafe von denen fordern werde, die mir nicht gehorchen.
Also soll die gute Seele sich willig Enthaltsamkeit auferlegen und bedenken, wie böse ihre Sünden sind, die an der Seele wie Würmer nagen, und wie sich von den elenden Raupen kostbare Seide entwickelt, nämlich reine Enthaltsamkeit in allen ihren Gliedern, worüber sich Gott und die ganze himmlische Heerschar freut. Wenn sie das sammelt, wird sie ewige Freude verdienen, und wenn ihr diese Enthaltsamkeit nicht beigestanden hätte, hätte sie ewigen Kummer erhalten.“

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27. Kapitel

Christus beendet seine Ermahnungsrede, indem er auf den Nutzen von Versuchungen hinweist, auf die Verpflichtung der Guten, an der Bekehrung der Mitmenschen zu arbeiten, sowie auf die Wichtigkeit dessen, dass man gewissenhaft seine Sünden bekennt. Zuletzt schärft er die Bedeutung der Hoffnung und der Gottesliebe ein.

Gottes Sohn sprach zur Braut und sagte: ”Ich sagte dir vorher, dass sich in dem dritten Haus Geräte von dreierlei Art befinden sollten. Zuerst Gefäße, in denen Flüssigkeiten enthalten sind. Zweitens Werkzeuge, mit denen das Land außerhalb des Hauses bearbeitet werden kann, wie Egge und Axt und solche, mit denen zerbrochene Dinge repariert werden können. Drittens lebende Tiere, wie Esel, Pferde und dergl., mit denen lebende und tote Dinge befördert werden können.
Aber im ersten Haus, wo die Flüssigkeiten sind, muß es Geräte von drei Sorten geben. Erstens Gefäße oder Behälter, in denen Flüssigkeiten wie Wasser, Öl und Wein aufbewahrt werden. Im zweiten Behälter oder Gefäße, in denen bittere und festere Dinge wie Senf, Mehl und solche Dinge aufgehoben werden.

Kannst du verstehen, was dies bedeutet? Die Flüssigkeiten bezeichnen sicher gute und schlechte Gedanken der Seele. Der gute Gedanke ist nämlich wie ein liebliches Öl und wie ein angenehmer Wein, aber der schlechte Gedanke ist wie bitterer Senf, denn er macht die Seele bitter und unruhig. Und wie der Mensch bisweilen starke Getränke braucht, die – wenn sie auch nicht viel zum Unterhalt des Körpers beitragen – doch zur Reinigung und Heilung des Körpers und Gehirns dienen – so machen schlechte Gedanken die Seele sicher nicht fett und machen sie nicht satt, wie es das Öl der guten Gedanken tut, aber sie tragen doch zur Reinigung der Seele bei, wie der Senf zu der des Hirns. Denn wenn nicht manchmal schlechte Gedanken aufsteigen würden, wäre der Mensch ein Engel und kein Mensch, und er würde glauben, dass er alles von sich selber hätte.
Daher ist es notwendig, damit der Mensch seine Schwachheit versteht, die er von sich selber hat, und seine Stärke, die er von mir hat, dass ich ihn in meinem großen Erbarmen manchmal von schlechten Gedanken versuchen lasse, die – soweit der Mensch ihnen nicht zustimmt, eine Reinigung für seine Seele und ein Schutz für seine Tugenden sind. Und wenn sie auch bitter wie Senf zu ertragen sind, so heilen sie doch in hohem Maß die Seele und führen sie zum ewigen Leben und zur Gesundheit, die er nicht ohne Bitterkeit gewinnen kann.
Daher muß das Gefäß der Seele, in dem gute Gedanken verwahrt werden sollen, fleißig in Ordnung gehalten und ständig gereinigt werden, denn es ist nützlich, dass auch schlechte Gedanken entstehen, zur Prüfung und zu größerem Verdienst des Menschen, aber die Seele soll genau darauf achten, dass sie ihnen nicht beipflichtet und sich an ihnen erfreut – sonst wird die Süßigkeit der Seele ausgegossen, und nur die Bitterkeit bleibt übrig.

Auch in dem zweiten Haus soll es zwei Arten von Geräten geben. Erstens solche zum Gebrauch außer Haus, mit denen die Erde draußen für die Saat bereitet und Unkraut vernichtet wird, wie Pflug und Egge. Zweitens Werkzeuge, die nützlich sind für das, was innerhalb und außerhalb des Hauses notwendig ist, wie eine Axt und dergl.
Die Geräte, mit denen das Land bearbeitet wird, bezeichnen die Sinne des Menschen, die zum Nutzen des Menschen wie der Pflug für den Boden eingerichtet sein sollen. Schlechte Menschen sind wie der Erdboden, denn sie denken immer nur an das Irdische. Sie sind zu dürr, um Reue für ihre Sünden zu empfinden, denn die Sünde rechnen sie für nichts. Sie sind kalt in der Gottesliebe, denn sie suchen nichts anderes, als ihren Willen. Sie sind schwerfällig, Gutes zu tun, aber rasch dabei, die Ehre der Welt zu suchen. Daher soll der gute Mann sie durch seine äußeren Sinne veredeln, wie ein guter Bauer die Erde mit dem Pflug verbessert. Erst soll er sie mit seinem Mund veredeln, indem er das zu den Menschen sagt, was für die Seele nützlich ist, und sie lehrt, den Weg des Lebens zu gehen, und mit der Tat das Gute tut, das er kann, so dass sein Nächster durch Worte unterwiesen und ermuntert wird, Gutes zu tun.
Dann soll er mit den übrigen Gliedern seinen Nächsten veredeln, damit dieser Frucht bringt, und zwar mit einfältigen Augen, die das nicht sehen, was das Ehrgefühl verletzt, damit sein unverschämter Nächster lernt, in allen Gliedern sittsam zu sein. Er soll ihn mit Ohren veredeln, die etwas Unpassendes nicht hören, und mit Füßen, die schnell dabei sind, Gottes Werke zu tun. Dem auf diese Weise bearbeiten Boden will ich, Gott, durch die Arbeit des Landmanns den Regen meiner Gnade geben, und der Arbeiter wird sich über die Frucht der vorher dürren Erde freuen, wenn dort die Saat zu spießen beginnt.

Die Werkzeuge, die erforderlich sind, um die Dinge innerhalb des Hauses zu bearbeiten, wie die Axt und dergleichen, bezeichnen die kluge Absicht zum Handeln und gottesfürchtig darauf Achtzugeben. Denn das Gute, das der Mensch tut, soll er nicht wegen Ehrenbezeugungen der Menschen tun, sondern aus göttlicher Liebe zur ewigen Vergeltung. Deshalb soll der Mensch seine Werke genau prüfen und untersuchen, in welcher Absicht oder für welchen Lohn er sie tut, und wenn er da irgendwelche Hoffart in seinem Tun findet, so soll er sie gleich mit der Axt der Klugheit abhauen, so dass er – wie er außerhalb des Hauses seinen Nächsten veredelt, der sozusagen außerhalb des Hauses ist, d.h. der auf Grund seiner bösen Taten außerhalb der Gemeinschaft meiner Freunde ist, so soll er im Innern Frucht durch göttliche Liebe bringen.
Denn wie der Bauer, der kein Werkzeug hat, womit er kaputte Sachen reparieren kann, bald sehen muß, dass seine Arbeit vergeblich ist, so gelangen auch die Werke des Menschen nicht zur Vollkommenheit, wenn er sie nicht mit Klugheit prüft, wie sie erleichtert werden könnten, wenn sie allzu mühsam scheinen, und wie sie in Ordnung gebracht und verbessert werden können, wenn sie irgendwie entzweigegangen sind. Deshalb soll man nicht nur fleißig am Äußeren arbeiten, sondern auch das Innere gewissenhaft beobachten, wie und in welcher Absicht gearbeitet wird.

Im dritten Haus soll es lebende Geräte geben, die tote und lebende Dinge transportieren – wie Pferde, Esel und andere Tiere. Diese Werkzeuge sind das wahre Sündenbekenntnis. Dies ist es nämlich, was das Lebende und Tote in Bewegung setzt. Was bezeichnet das Lebende anders als die Seele, die durch meine Gottheit geschaffen ist und in Ewigkeit lebt?
Durch das wahre Bekenntnis kommt man Gott täglich immer näher. Denn wie das Tier umso stärker wird, Lasten zu tragen, und schöner anzusehen ist, je sorgsamer und besser es gefüttert wird, so stärkt das Bekenntnis auch die Seele, je öfter es geschieht, und je gewissenhafter die Seele Rechenschaft über das Geringste und das Größte ablegt, und sie gefällt Gott so sehr, dass er die Seele in Gottes Herz hineinführt.

Und was bezeichnet das Tote, das das Bekenntnis auch befördert, anderes als die guten Werke, die durch die Todsünde sterben? Denn die guten Werke, die durch Todsünden sterben, sind tot für Gott – nichts Gutes kann Gott nämlich gefallen, wenn nicht zuerst die Sünde durch den vollkommene Willen oder das Tun zurechtgebracht wird.
Süße und stinkende Dinge können ja nicht gleichzeitig in einem Gefäß stecken. Aber wenn jemand seine guten Taten durch Todsünden zunichte macht und dann ein wahres Bekenntnis über die begangenen Sünden ablegt, mit dem Willen, sich zu bessern und sich in Zukunft in Acht zu nehmen, so werden die guten Werke, die vorher tot waren, durch das Bekenntnis und die Tugend der Demut gleich wieder zum Leben erweckt und gereichen dem Mann zum Gewinn für die ewige Erlösung.

Wenn er stirbt, ohne ein Sündenbekenntnis abgelegt zu haben, können die guten Werke gewiß nicht sterben oder zunichte werden, aber er kann auf Grund der Todsünde auch ihretwegen nicht das ewige Leben gewinnen. Doch können sie eine leichtere Strafe für ihn oder Erlösung für andere bewirken, wenn er diese guten Taten mit göttlicher Absicht und zu Gottes Ehre getan hat. Aber wenn er diese Werke für weltliche Ehre und zum eigenen Nutzen getan hat, dann werden diese Taten zunichte, wenn der, der sie getan hat, stirbt, denn er hat ja seinen Lohn von der Welt erhalten, für die er gearbeitet hat.

Deshalb, meine Braut (mit dir meine ich alle meine Freunde), wollen wir in unseren Häusern die Dinge sammeln, durch die Gott mit der frommen Seele geistlich erfreut werden will. Im ersten Haus sollten wir zuerst das Brot des ehrlichen Wollens sammeln, indem wir nichts anderes wollen als das, was Gott will, ferner das Getränk des göttlichen Erwägens, indem wir uns nichts anderes vornehmen, ohne an Gottes Ehre zu denken, drittens die Zukost der göttlichen Weisheit, indem wir stets daran denken, was geschehen wird, und wie das Gegenwärtige geordnet werden soll.
Im zweiten Haus sollen wir Frieden mit Gott sammeln, indem wir uns von Sünden fernhalten, und Frieden mit dem Nächsten haben, indem wir uns von Zwist fernhalten. Weiter Werke der Barmherzigkeit, mit denen wir dem Nächsten nützlich sind; drittens vollkommene Enthaltsamkeit, womit wir das bezähmen, was den Frieden stören will. Im dritten Haus sollen wir vernünftige und gute Gedanken sammeln, um unser Haus innen auszuschmücken, zweitens wohl gezügelte und bezähmte Sinne, um unsere Freunde nach außen hin zu erleuchten. Drittens ein wahres Sündenbekenntnis, wodurch wir wieder aufleben können, falls wir krank werden.
Aber wenn auch die Häuser da sind, kann das Gesammelte doch nicht darin verwahrt werden, wenn sie keine Türen haben, und die Türen können nicht ohne Scharniere hängen und nicht ohne Schlösser aufgeschlossen werden. Deshalb muß, damit das Gesammelte unbeschädigt bleibt, im Hause eine Tür angebracht werden, in der festen Hoffnung, dass nicht irgendwelchen Feinden eingebrochen wird.

Diese Hoffnung soll zwei Angelpunkte haben, was bedeutet, dass der Mensch nicht verzagen soll, Ehre zu gewinnen, sondern sich in jeder Widerwärtigkeit mit Gottes Barmherzigkeit trösten und auf bessere Dinge hoffen soll. Das Türschloss soll aber die göttliche Liebe sein, womit die Tür versiegelt werden soll, so dass kein Feind hineinkommen kann. Denn was nützt es, eine Tür ohne Schloß und eine Hoffnung ohne Liebe zu haben. Wenn jemand auf ewigen Lohn und auf Gottes Barmherzigkeit hofft, aber dabei Gott nicht liebt und fürchtet, dann hat er sozusagen eine Tür ohne Schloß, durch dir der Todfeind eindringen kann, wann er will, und ihn töten kann.
Die richtige Hoffnung liegt darin, dass der, der hofft, auch das Gute tut, was er kann. Er kann ja das Himmlische nicht gewinnen, wenn er das Gute gewusst hat und es hätte tun können, aber es nicht wollte. Wenn aber jemand versteht, dass er in dir Irre gegangen ist und nicht das getan hat, was er gekonnt hätte, so soll er den guten Willen haben, das Gute zu tun, was er kann, und wenn er es mit der Tat nicht tun kann, so soll er fest hoffen, dass er Gott auch durch seinen guten Willen und die göttliche Liebe nahen kann.

Also muß die Tür d.h. die Hoffnung, durch göttliche Liebe befestigt werden, und wie das Schloß innen viele Zacken hat, so dass es der Feind nicht öffnen kann, so muß man in der göttlichen Liebe darauf achten, Gott nicht zu verletzen, und sich liebevoll fürchten, nicht von ihm abzuirren, weiter brennend darum besorgt zu sein, wie Gott geliebt werden, und wie man ihm nachfolgen kann. Außerdem soll man betrübt sein, dass man nicht so viel tun kann, wie man es gern wollte, und wozu man sich verpflichtet hält, und man soll Demut haben, so dass der Mensch im Hinblick auf seine Sünden das Gute, das er tut, für nichts erachtet. Mit diesen Zacken muß das Schloß gesichert werden, so dass nicht der Teufel das Schloß der Liebe leicht öffnen und seine eigenen falsche Liebe hineinstecken kann.

Der Schlüssel, mit dem das Schloß geöffnet und verschlossen wird, soll unsere Sehnsucht nach Gott allein sein, im Zusammenwirken mit göttlicher Liebe und göttlichem Wirken, so dass der Mensch, auch wenn er es könnte, nichts außer Gott haben will, und dies um seiner großen Liebe willen. Diese Sehnsucht schließt Gott in der Seele ein und die Seele in Gott, denn beider Wille ist ein und derselbe.
Nur Mann und Frau, d.h. Gott und die Seele, sollen diesen Schlüssen haben, so dass Gott, so oft er will, eintreten und sich am Guten, d.h. den Tugenden der Seele erfreuen will, dank dem Schlüssel beständiger Sehnsucht freien Eintritt haben kann. Und so dass auch die Seele, so oft sie in Gottes Herz eingehen will, das frei können soll, da sie nichts anderes ersehnt, als Gott. Dieser Schlüssel wird durch die Wachsamkeit der Seele und das Wachen über ihre Demut aufbewahrt, wodurch sie Gott all das Gute zuschreibt, das sie besitzt, und der Schlüssel wird auch durch Gottes Macht und Gottes Liebe aufbewahrt, so dass die Seele nicht vom Teufel betört wird. Siehe, meine Braut, wie groß Gottes Liebe zur Seele ist! Steh deshalb fest und tu meinen Willen!“

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28. Kapitel

Christus tröstet Birgitta, die unsicher geworden ist, ob die von ihr gesprochenen Worte wahr und von Gott eingegeben sind.

Der Sohn sprach zur Braut und sagte: ”Warum betrübst du dich so darüber, dass dieser Mann behauptet, meine Worte sein falsch? Werde ich durch seine Schmähungen etwa schlechter, oder durch sein Lob besser? In Wahrheit, ich bin unveränderlich; meine Ehre kann nicht vermindert oder vermehrt werden, und ich brauche gar kein Lob. Aber wenn der Mensch mich lobt, nützt er sich selbst damit, nicht mir.
Aus meinem Mund – ich bin ja die Wahrheit – ist niemals eine Unwahrheit ausgegangen und kann nicht ausgehen, denn alles, was ich durch die Propheten oder durch meine anderen Freunde geredet habe, das soll in Erfüllung gehen, entweder geistlich oder körperlich. Es war nicht darum falsch, dass ich einmal eins gesagt habe, ein andermal etwas anderes, dass ich mich einmal deutlicher, einmal dunkler ausdrückte.
Denn um die Zuverlässigkeit meiner Treue zu beweisen, und um die Sorgfalt meiner Freunde zu erproben, habe ich vieles gezeigt, was alles nach den verschiedenen Wirkungen meines Geistes auf verschiedene Weise von Guten und Bösen gut oder schlecht verstanden werden kann, so dass sie in ihren verschiedenen Situationen etwas haben, womit verschiedene Menschen verschiedene Dinge im Dienst des Guten wirken können.

Denn so wie ich meine Göttlichkeit und meine Menschlichkeit in einer Person vereinigt habe, so redete ich manchmal auf meinen Wegen als Mensch – soweit das mit der Göttlichkeit vereinbar war, manchmal auf den Wegen meiner Göttlichkeit, die ja der Schöpfer meiner Menschengestalt war, wie es aus meinem Evangelium hervorgeht.
Und so waren meine Worte, obwohl die Lästerer und die Unwissenden sie uneinheitlich finden, dennoch wahr und wahrheitsgemäß. Es geschah auch nicht ohne Grund, dass ich manches auf dunkle Weise mitteilte, denn es war richtig, dass mein Ratschluss etwas verdunkelt werden sollte, so dass die Bösen es nicht fassen sollten, und jeder Gute eifrig auf meine Gnade harren und Belohnung für sein Warten gewinnen sollte. Denn wenn mein Ratschluss eine Zeitlang ausgeblieben wäre, hätten alle auf Grund der langen Wartezeit mit ihrem Harren und ihrer Liebe aufgehört.
Ich habe viel versprochen, was aber von den Menschen, die damals lebten, aus Undankbarkeit nicht beachtet wurde. Wenn sie mit ihrer Bosheit aufgehört hätten, hätte ich ihnen sicher das beschert, was ich versprochen hatte. Daher sollst du nicht betrübt sein, dass man meine Worte beschuldigt, sie seien lügenhaft, denn was Menschen unmöglich scheint, das ist für mich möglich. Meine Freunde wundern sich auch darüber, dass den Worten nicht gleich die Taten folgen. Aber das ist nicht ohne Grund so.

Wurde Mose nicht zu Pharao gesandt? Und doch zeigten sich nicht gleich die Zeichen! Warum? Ja, wenn die Zeichen und Taten gleich gekommen wären, so wäre Pharao´s Verstockung nicht offenbar geworden, und auch hätten sich Gottes Macht und Wundertaten nicht gezeigt. Nichtsdestoweniger wäre Pharao für seine Bosheit verurteilt worden, auch wenn Mose nicht gekommen wäre, obwohl seine Verstockung da noch nicht so offenbar geworden wäre.
So wird es auch jetzt geschehen. Bleib daher standhaft und tapfer. Wenn der Pflug auch von den Ochsen gezogen wird, so wird er doch nach dem Willen des Pflügers gelenkt. So sollen auch meine Worte, obwohl ihr sie hört und seht, doch nicht nach eurem Willen fortschreiten und vollendet werden, sondern nach meinem, denn ich weiß wie die Erde beschaffen ist, und wie sie gepflügt werden soll. Ihr sollt all euren Willen also mir überlassen und sagen: „Dein Wille geschehe!“

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29. Kapitel

Johannes der Täufer schildert Birgitta Gottes Liebe zur Menschenseele und ermahnt sie, sich vorweltlichen Lockungen und ehrgeizigen Gedanken in Acht zu nehmen.

Johannes der Täufer sprach zu Christi Braut und sagte: „Der Herr Jesus hat dich aus dem Dunkel zum Licht berufen, aus Unreinheit zu vollkommener Reinheit, aus der Enge in die Weite. Wer kann da erklären, wie sehr du ihm dafür danken musst, oder wenn du dazu im Stande bist? Doch sollst du so viel tun, wie du vermagst.

Es gibt einen Vogel, der „Elster“ genannt wird. Er liebt seine Jungen, denn die Eier, aus denen sie hervorgehen, waren in seinem Mutterleib. Dieser Vogel macht sich ein Nest aus altem Zeug und verschlissenen Sachen aus drei Gründen: Erstens, um zu ruhen, zweitens, um einen Schutz vor Regen und schwerer Dürre zu haben, drittens, um dort seine Jungen aufzuziehen, die aus den Eiern schlüpfen, indem sich der Vogel in seiner Liebe auf die Eier setzt, um sie zu wärmen und die Jungen auszubrüten.

Wenn die Jungen ausgeschlüpft sind, lockt die Mutter sie auf drei Arten zum Fliegen. Erstens damit, dass sie ihnen das Futter zeigt, zweitens durch unausgesetztes Rufen, und drittens, indem sie ihnen ein Beispiel mit ihrem Fluge gibt. Da die Jungen die Mutter lieben und an ihr Futter gewöhnt sind, wagen sie sich so allmählich aus dem Nest und folgen der Mutter. Dann fliegen sie immer länger, je nach ihren Kräften, bis sie es durch Gewohnheit und Kunst voll beherrschen.
Dieser Vogel ist Gott, der ewig ist und sich niemals ändert. Aus dem Schoße seiner Gottheit gehen alle vernunftbegabten Seelen hervor. Für jede Seele wird ein Nest aus altem Zeug und verschlissenen Sachen bereitet, denn im Körper, der aus Erde ist und mit der Seele vereinigt wird, nährt Gott die Seele mit der Speise guter Wünsche, verteidigt sie gegen die Vögel schlechter Gedanken, und schenkt ihnen Sicherheit vor den Regenschauern böser Handlungen.

Jede Seele wird mit dem Körper aus dem Grund vereint, dass die Seele diesen Körper steuern soll und nicht etwa von ihm gelenkt wird, und dass sie den Leib zur Arbeit ermuntern und in vernünftiger Weise für ihn sorgen soll. Daher lehrt Gott die Seele wie eine Mutter, Fortschritte zum Besseren zu machen. Er lehrt sie, aus der Enge hinaus ins Weite zu drängen.
Zuerst tut er das durch Nahrung, indem er einer jeden Verstand und Einsicht nach Vermögen gibt und die Sinne lehrt, zu beurteilen, was man wählen soll, und was zu vermeiden ist. Wie die Vogelmutter die Jungen erst über den Rand des Nestes führt, so soll der Mensch zuerst lernen, an das Himmlische zu denken und daran zu denken, wie eng und elend das Nest des Körpers ist, und wie strahlend das Himmlische und wie lieblich das Ewige ist.

Gott lenkt die Seele ebenso durch seine Stimme, mit der er ruft: „Wer mir nachfolgt, wird das Leben haben; wer mich liebt, wird nicht sterben.“ Diese Stimme führt zum Himmel. Wer sie nicht hört, ist entweder taub oder auch undankbar gegen die Mutterliebe. Drittens leitet Gott die Seele durch seinen Flug, d.h. das Abbild seiner Menschlichkeit. Diese ehrenreiche Menschlichkeit hat gleichsam zwei Schwingen: Erstens, da alle Reinheit und nichts Beflecktes in Gott vorhanden war, zweitens, weil er alles gut gemacht hat, und mit diesen beiden Flügeln flog Gottes Menschlichkeit in der Welt. Dem soll die Seele folgen, so gut sie es vermag, und kann sie es nicht im Handeln, soll sie es zumindesten mit dem Willen tun.
Wenn das Junge fliegt, muß es sich jedoch vor drei Dingen hüten. Erstens vor den wilden Tieren. Es soll nicht bei ihnen auf dem Felde sitzen, denn das Junge ist nicht so stark wie sie. Zweitens soll es sich vor Raubvögeln in Acht nehmen, denn das Junge ist noch nicht so schnell im Fliegen, wie diese Vögel, und daher ist es sicherer für ihn, noch im Versteck zu bleiben. Drittens soll es sich hüten, nach der Lockspeise zu verlangen, die eine Schlinge birgt.

Die wilden Tiere, von denen ich sprach, sind die Vergnügungen und Begierden der Welt. Vor denen soll das Vogeljunge sich in Acht nehmen, denn sie scheinen herrlich zu schmecken, gut zu besitzen und schön zu betrachten sein, aber wenn man glaubt, sie zu behalten, verschwinden sie schnell, und wenn man glaubt, dass sie belustigen, verletzen sie unbarmherzig.

Zweitens soll das Junge sich vor raubgierigen Vögeln hüten, nämlich dem Hochmut und dem Ehrgeiz. Die wollen immer höher und höher hinaufsteigen, andere Vögel übertreffen und die hassen, die niedriger sind als sie. Vor diesen soll das Junge sich in Acht nehmen, und es soll sich bemühen, im Versteck der Demut zu verharren, so dass es nicht hochmütig auf die Gnadengaben schaut, die es bekommen hat, dass es nicht die verachtet die geringer sind, und weniger Gnade empfangen haben, und denkt sich, besser zu sein als sie.

Drittens soll es sich vor dem Köder in Acht nehmen, der eine Schlinge verbirgt. Hiermit ist die Freude der Welt gemeint. Denn das Gute scheint Lügen auf den Lippen und Lust im Leib zu haben, aber darin verbirgt sich ein Stachel. Unmäßige Lüge leitet nämlich zu unmäßiger Freude, und die Wollust des Körpers bringt Unstetigkeit im Sinn mit sich, woraus Trauer im Tode und vorher Trübsal folgt. Eile dich daher, Tochter, und steig aus deinem Nest durch dein Verlangen nach dem Himmlischen aus. Hüte dich vor den wilden Tieren des Begehrens und vor den Vögeln des Hochmuts. Hüte dich vor dem Köder der eitlen Freude.“
Dann sprach die Mutter zur Braut und sagte: „Hüte dich vor dem Vogel, der mit Teer beschmutzt ist, den alle, die ihn berühren, werden befleckt. Der Vogel ist die Freundschaft der Welt, unstet wie die Luft, abscheulich durch sein Erwerben von Gunst und seine schlechte Gesellschaft. Kümmere dich nicht um Ehrenbezeugungen, achte nicht auf Gunst, schau nicht auf Komplimente oder Tadel, denn von all dem entsteht Unstetigkeit in der Seele und Verminderung der göttlichen Liebe. Bleib also beständig. Gott, der begonnen hat, dich aus dem Nest zu holen, wird dich nämlich bis zum Tod ernähren, und nach dem Tode wirst du auch keinen Hunger leiden. Er wird dich vor schmerz beschützen und dich im Leben verteidigen, und nach dem Tode sollst du nichts zu fürchten haben.“

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30. Kapitel

Diese Offenbarung, die nach dem Zusatz in Revelationes extra vagantes, Kap. 108 am 2. Februar 1349 in der Domkirche in Skara empfangen wurde, hebt die Frömmigkeit des 1317 verstorbenen Bischofs von Skara Brynolf Algottson hervor. Wie wir aus der Geschichte wissen, gab dieser den Anlass zu einem neuen Heiligenkult, der dem Heiligen Brynolf aus Västergötland gewidmet war.

Maria sprach zum Sohn und sagte: „Mein Sohn, schenk deiner neuen Braut, dass dein allerwürdigster Leib in ihrem Herzen Wurzel schlägt, so dass sie in dir verwandelt wird und von deiner Freude erfüllt wird.“ Dann sagte sie: „Als dieser heiligen Mann[1] auf Erden lebte, war er stetig im heiligen Glauben wie ein Berg. Kein Widerstand brach ihn, keine Lust warf ihn zurück. Er war auch fügsam nach deinem Willen wie der bewegliche Wind, wohin ihn deines Geistes Kraft auch zog. Er war außerdem brennend wie Feuer in deiner Liebe, in dem er die Kalten wie Feuer erwärmte und die Bösen verzehrte. Nun lebt seine Seele mit dir in Ehren, aber das Gefäß seines Leibes ist erniedrigt und liegt an einem einfacheren Platz als er sollte. Gib daher, mein Sohn, dass sein Leib erhöht werde; ehre ihn, denn er hat dich geehrt, soviel er konnte, und erhöhe ihn, denn durch sein Wirken hat er dich erhöht, soviel er konnte.“

Der Sohn erwiderte: „Gesegnet seist du, denn du lässt nichts unberührt, was deinen Freunden gehört. Wie du siehst, Mutter, gehört es sich nicht, dass die beste Speise den Wölfen gegeben wird. Es gehört sich nicht, dass der Saphir, der die Glieder frisch erhält und kranke Glieder stärkt, in den Dünensand gelegt wird. Es passt sich auch nicht, dass das Licht für die Blinden angezündet wird.
Dieser Mann war gewiß standhaft im Glauben und glühend in Liebe. Auch in seiner Enthaltsamkeit war er hervorragend auf meinen Willen ausgerichtet. Deshalb schmeckte er mir wie die beste Speise, wohlgemut in aller Geduld und Trübsal, gut im Wollen und im Verlangen, besser im Eifer und mannhaft in seinem Vorgehen, am besten und schönsten in lobenswerter Vollkommenheit. Daher gehört es sich nicht, dass eine solche Speise den Wölfen vorgesetzt wird, deren böse Gier keine Sättigung kennt, deren Begierde die Kräuter der Tugend ausreißt und gern verfaultes Fleisch annimmt, und deren heimtückische Stimme schädlich für alle Schafe ist.

Er war durch die Klarheit seiner Berühmtheit und seiner Lebensweise sogar wie ein Saphir in einem Ring, wodurch er sich als Bräutigam seiner Kirche, als Freund seines Herrn und als Bewahrer des heiligen Glaubens und als Verächter der Welt erwies. Deshalb, liebste Mutter, gehört es sich nicht dass ein Liebender von so großer Güte, ein so reiner Bräutigam, von so unreinen Leuten berührt wird, dass ein Freund von so großer Demut von denen berührt wird, die die Welt lieben.
Er war drittens wie ein Licht, das auf einen Leuchter gesetzt ist, durch die Ausführung aller meiner Gebote und die Weisheit seiner guten Lebensweise, wodurch er die beschützte, die da standen, dass sie nicht fallen sollten, die Wankenden aufrichtete und auch solche zu mir rief, die nach ihm kommen sollten.

Diese Licht sind die unwürdig zu sehen, die von Eigenliebe verblendet sind; dieses Licht kann nicht von denen geschaut werden, die den Star der Hoffart haben; dieses Licht kann von denen nicht berührt werden, die einen Ausschlag an den Händen haben. Denn dieses Licht ist denen sehr verhasst, die gewinnsüchtig sind und ihren eigenen Willen lieben. Daher ist es richtig, dass ehe er umgebettet wird, die Unreinen gereinigt und die Blinden erleuchtet werden.
Aber was den betrifft, den das Volk im Lande heilig nennt, so zeigen drei Dinge, dass er gar nicht heilig ist[2]. Erstens, da er vor seinem Tode nicht das Leben eines Heiligen geführt hat. Zweitens, da er nicht den festen Willen hatte, das Martyrium für Gott zu leiden. Drittens, da er keine brennende und weise Liebe wie ein Heiliger besaß. Es gibt auch drei Gründe, warum er dem Volk heilig scheint. Der erste sind die Lügen falscher und schmeichelhafter Leute. Der andere ist die Leichtgläubigkeit der Unklugen. Der dritte Grund ist die Gewinnsucht der Prälaten und die Nachlässigkeit bei denen, die die Sache untersucht haben. Aber wieweit er in der Hölle oder im Fegefeuer ist, das ist dir nicht erlaubt zu wissen, ehe die Zeit kommt, darüber zu reden.“

[1]. Bischof Brynolf Algottson von Skara (gest. 1317). Die Offenbarung, die am 2. Februar 1349 in der Domkirche von Skara erfolgte, verordnet Brynolfs Verehrung als Heiligen und seine Umbettung zum Altar. Brynolf erweckte angeblich zwei ermordete Männer von den Toten.
[2]. Damit ist Magnus Ladulås gemeint, wie die Forschung gezeigt hat, der einen Ruf als Heiliger genoß, und an dessen Grab in der Ridderholms Kirche sich gewisse Wunder zugetragen haben sollen.

Gottes Sohn spricht mit den Worten: ”Wenn jemand ein Vorgesetzter über andere ist, so soll er deshalb nicht hochmütig sein, denn alle sind von demselben Geschlecht, und alle Macht ist von Gott. Wenn der Vorgesetzte gut ist, ist das von Gott zu seiner eigenen Rettung und der von anderen so eingerichtet. Wenn er schlecht ist, so beruht das auf Gottes Zulassung und soll zur Prüfung des Untergebenen dienen. Wer gezwungen ist oder wünscht, Vorgesetzter zu sein, der soll sich den Untergebenen so zeigen, dass er zugleich vorbildlich ist, was seine Sitten und seinen Wandel und das Maß an Gerechtigkeit und Billigkeit betrifft. Und er soll genau damit sein, dass er nicht durch Worte oder Beispiel oder Machtmissbrauch anderen einen Anlass zur Sünde gibt. Nichts reizt ja Gott so zum Zorn oder verlockt die Menschen so zur Sünde, wie die Leichtfertigkeit der Prälaten. Wenn der Priester Eli ein ebenso tüchtiger Priester wie Pinehas und Mose gewesen wäre und seine Söhne geistlich geliebt hätte, so wäre sein ganzes Geschlecht gerettet worden.“

 

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